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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 23.02.2021, RV/7400036/2020

Haftungsbescheid: Haftung für Kommunalsteuer und Dienstgeberabgabe (Einwand mangelnder Deutschkenntnisse und der Unkenntnis der Geschäftsführerposition)

Beachte

Revision beim VwGH anhängig zur Zahl Ra 2021/13/0078. Mit Erk. v. wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufgehoben.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht erkennt durch die Richterin Mag. Mirha Karahodzic MA in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch RA Mag. Franz Kellner, Kärntner Ring 14, 1010 Wien, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Magistrats der Stadt Wien, Magistratssabteilung 6,Rechnungs- und Abgabenwesen, Dezernat Abgaben und Recht, Referat Landes- und Gemeindeabgaben vom betreffend Inanspruchnahme zur Haftung wegen Rückständen an Kommunalsteuer für den Zeitraum Juli bis August 2017 und November 2017 gemäß § 6a Kommunalsteuergesetz 1993, BGBl. 819, idF BGBl. I 111/2010, und Dienstgeberabgabe Juli bis August 2017 und November bis Dezember 2017 gemäß § 6a Dienstgeberabgabegesetz, LGBl. für Wien 17/1970, idF LGBl. für Wien 25/2012, zu Recht:

I. Der Beschwerde wird teilweise stattgegeben und der angefochtene Bescheid gemäß § 279 Abs. 1 BAO iSd der Beschwerdevorentscheidung vom dahingehend abgeändert, dass der Beschwerdeführer für die Kommunalsteuer Juli bis August und November 2017 im Ausmaß von € 2.178,77 und für Dienstgeberabgabe Juni bis August und November 2017 im Ausmaß von € 334,52 in Anspruch genommen wird.

II. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Strittig ist, ob der Beschwerdeführer zu Recht als Geschäftsführer der Firma ***1*** GmbH zur Haftung für die Kommunalsteuer und Dienstgeberabgabe im Jahr 2017 herangezogen wurde. Der Verfahrensgang stellt sich wie folgt dar:

Mit Schreiben vom wurde dem Beschwerdeführer von der belangten Behörde ein Vorhalt zur Stellungnahme zugestellt, in dem der Rückstand laut Abgabenkonto für Kommunalsteuer 2017 i.H.v. € 2.964,96, Säumniszuschlag 2017 i.H.v. € 59,30, Dienstgeberabgabe 2017 i.H.v. € 488 und Säumniszuschlag dazu i.H.v. € 9,76, in Summe sohin € 3.522,02 dargestellt wurde. Dem Beschwerdeführer wurde gemäß § 183 Abs. 4 BAO Gelegenheit gegeben, den Sachverhalt und das Ergebnis der Beweisaufnahme zur Kenntnis zu nehmen und sich innerhalb von zwei Wochen ab Zustellung dazu zu äußern sowie im Falle der Anerkenntnis den Rückstand zu begleichen.

Mit E-Mail vom gab der rechtsfreundliche Vertreter des Beschwerdeführers folgende Stellungnahme ab:

Der Beschwerdeführer sei als Koch in einem anderen China-Restaurant tätig. Er sei so gut wie gar nicht der deutschen Sprache mächtig und könne die lateinische Schrift überhaupt nicht lesen. Er habe zwar zur Kenntnis zu nehmen, dass er laut Firmenbuchstand seit Geschäftsführer der Firma ***1*** GmbH gewesen sei, dieser Umstand sei ihm aber erst später zur Kenntnis gelangt; er habe mit der Geschäftsführung zu keinem Zeitpunkt etwas zu tun gehabt und sei auch in keiner Weise über irgendwelche Geschäfte der GmbH von den Gesellschaftern oder sonst jemandem informiert worden. Demgemäß habe er, als ihm dies bewusstgeworden sei, am gegenüber den Gesellschaftern der Gesellschaft seinen Rücktritt von der Geschäftsführung erklärt. Zu einer Löschung als Geschäftsführer sei es aufgrund der nachfolgenden Entwicklung nicht mehr gekommen. Faktischer Geschäftsführer der GmbH sei zumindest während der in diesem Verfahren relevanten Zeit Herr ***2*** gewesen, der es offenbar verstanden habe, den Beschwerdeführer - aus welchen Gründen auch immer - als nach außen vorgeschobenen Geschäftsführer zu instrumentalisieren. Aus diesem Grund treffe den Beschwerdeführer kein Verschulden an der Nichtentrichtung der gegenständlichen Abgaben. Dem Vorhalt vom sei nicht zu entnehmen, auf welche konkreten Monate im Jahr 2017 sich die gegenständliche Abgabenforderung beziehe. Da der Beschwerdeführer formal erst ab als Geschäftsführer im Firmenbuch eingetragen gewesen sei, hätte eine nähere Aufschlüsselung der Abgabenforderung zur Abklärung, ob diese überhaupt zur Gänze in einen allfälligen Haftungszeitraum des Beschwerdeführers fallen, zu erfolgen.

Am teilte die GmbH der belangten Behörde mit, dass im Jahr 2017 am Zahlungen i.H.v. € 142 und € 772,64, sowie am € 156 und € 726,21 geleistet worden seien. Im Dezember seien keine Gehälter/Löhne an die damals beschäftigten Dienstnehmer bezahlt worden. Mangels finanzieller Mittel seien die ausstehenden Forderungen nicht beglichen worden und sei demnach keine Kommunalsteuer zu zahlen gewesen. Eine Haftung nach § 80 BAO habe daher nicht eintreten können.

Die belangte Behörde leitete daraufhin weitere Ermittlungen ein, um zu überprüfen ob Löhne und Gehälter im Jahr 2017 tatsächlich nicht vollständig ausbezahlt worden seien und ersuchte um Bekanntgabe der monatlichen Höhe (AS 20). Die dafür zuständige Abteilung des Magistrates der Stadt Wien teilte nach Rücksprache mit der Masseverwalterin am mit, im Dezember 2017 seien keine Auszahlungen mehr erfolgt sein. Die monatlichen Steuerbeträge lauteten wie folgt (AS 22):

Löhne/Gehälter brutto Kommunalsteuer Dienstgeberabgabe

06/17 € 494,00 null 4,00

07/17 € 14.441,67 € 433,25 € 84

08/17 € 27.516,15 € 825,48 € 156

09/17 € 25.219,25 € 756,58 € 142

10/17 € 23.842 € 715,26 € 156

11/17 € 34.929,77 € 1.047,89 € 106

12/17 € 138

Summe:126.442,84 € 3.778,46 € 786

Mit Haftungsbescheid vom wurde der Beschwerdeführer gemäß § 6a Kommunalsteuergesetz und § 6a Dienstgeberabgabegesetz für die Kommunalsteuer samt Nebenansprüchen i.H.v. € 2.325,20 für den Zeitraum Juli bis August und November 2017 sowie für die Dienstgeberabgabe samt Nebenansprüchen i.H.v. € 497,76 für den Zeitraum Juni bis August und November bis Dezember 2017 zur Haftung herangezogen. Im Bescheid wurde der Rückstand monatsweise angeführt und wie dies folgt begründet:

Mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom sei über das Vermögen der Primärschuldnerin ein Konkursverfahren eröffnet worden. Damit sei die bereits vom Gesetzgeber als typischen Fall der erschwerten Einbringung angeführte Voraussetzung jedenfalls erfüllt. Der Beschwerdeführer sei seit im Firmenbuch als Geschäftsführer der Gesellschaft eingetragen und habe weder die Bezahlung veranlasst, noch irgendwelche Schritte zur Abdeckung des Rückstandes unternommen. Er habe somit die ihm als Geschäftsführer auferlegten Pflichten verletzt und sei daher für den Rückstand haftbar, da diese bei der Gesellschaft nicht ohne Schwierigkeiten eingebracht werden könne. Für das Verschulden sei nicht maßgebend, ob der Haftungspflichtige seine Funktion als Vertreter tatsächlich ausgeübt habe, sondern es komme vielmehr darauf an, ob er als Geschäftsführer zum Vertreter der Primärschuldnerin bestellt gewesen sei und ihm daher die Funktion auszufüllen oblegen hätte; auf den Grund der Übernahme der Geschäftsführerfunktion sowie auf allfällige Einflüsse Dritter auf die Geschäftsführung komme es nach der Rechtsprechung nicht an.

In der dagegen eingebrachten Beschwerde wird ausgeführt, der Beschwerdeführer, der so gut wie nicht Deutsch spreche und der "hiesigen Schrift" überhaupt nicht mächtig sei, habe erst gegen Ende des Jahres 2017 bemerkt, dass er schon seit Monaten als Geschäftsführer der GmbH im Firmenbuch eingetragen gewesen sei. Er habe daraufhin versucht, Erkundigungen zu allen die Gesellschaft betreffenden Belange einzuholen, habe jedoch weder vom faktischen Geschäftsführer, ***2***, noch von den Gesellschaftern irgendwelche Auskünfte erhalten. Er sei daher insbesondere auch nicht in der Lage gewesen zu erkennen, dass die verfahrensgegenständlichen Abgaben unberechtigt aushafteten.

In Anbetracht dieser Umstände habe er am einen sofortigen Rücktritt als Geschäftsführer erklärt. Da der Beschwerdeführer zu keinem Zeitpunkt mit der Geschäftsführung der GmbH etwas zu tun gehabt habe, von dieser vielmehr sogar, nachdem er seinen rechtlichen Status entdeckt hatte, faktisch abgeschnitten worden sei, habe er gar nicht die Möglichkeit gehabt, über Mittel zur Abgabenentrichtung zu verfügen. Die von der belangten Behörde angeführte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar, da der Beschwerdeführer nicht dem faktischen Geschäftsführer blind vertraut habe, sondern bis Ende 2017 gar nicht gewusst habe, dass er selbst im Firmenbuch eingetragenen Geschäftsführer gewesen sei. Da ihm dieser Umstand mangels Schrift und Sprachkenntnissen nicht bewusst gewesen sei, könne ihn bei richtiger rechtlicher Beurteilung an der Nichtentrichtung der Abgaben auch kein Verschulden treffen.

"Vorsichtshalber" werde vorgebracht, dass selbst im gegenteiligen Fall die Abgabenentrichtung aus Gründen der Gläubigergleichbehandlung nicht mehr erfolgen hätte dürfen. Wenn die Primärschuldnerin nicht immer in der Lage gewesen sei die monatlich ziemlich überschaubaren Abgaben zu entrichten, so sei davon auszugehen, dass sie wesentlich höhere bestehende Verbindlichkeiten daran gehindert haben, sodass bei Gläubigergleichbehandlung ein geringer Teil der Abgaben entrichtet werden hätte dürfen. Der Beschwerdeführer sei diesbezüglich freilich auf Mutmaßung angewiesen. Jedenfalls rechtlich verfehlt sei es, den Beschwerdeführer für die Dienstgeberabgabe 12/2017 i.H.v. € 138 zur Haftung heranzuziehen: Diese sei am fällig gewesen, zu diesem Zeitpunkt sei der Beschwerdeführer aufgrund seines erklärten Geschäftsführerrücktrittes keinesfalls mehr Geschäftsführer der Primärschuldnerin gewesen.

Aufgrund der Beschwerde vom wurde der Beschwerdeführer mit Vorhalt eingeladen, eine gegliederte Liquiditätsaufstellung für den Zeitraum Juni bis Dezember 2017 vorzulegen. Darin wurde zum Ausdruck gebracht, wie eine korrekte Aufgliederung erfolgen sollte. Zum erklärten Geschäftsführerrücktritt wurde dem Beschwerdeführer vorgehalten, dass die Rücktrittserklärung nicht gegenüber allen Gesellschaftern erfolgt sei und daher wohl auch deshalb die Geschäftsführertätigkeit des Beschwerdeführers im Firmenbuch nicht gelöscht worden sei.

In der Vorhaltsbeantwortung vom wurde dies in Abrede gestellt. In einer ergänzenden Stellungnahme vom führte Beschwerdeführer aus, sein rechtsfreundlicher Vertreter habe mittlerweile Gelegenheit gehabt, bei der Masseverwalterin der GmbH Einsicht in Buchungsjournal und Saldenlisten betreffend den fraglichen Zeitraum zu nehmen. Diese Einsicht habe ergeben, dass der Schuldnerin die Entrichtung der verfahrensgegenständlichen Abgaben entgegen der Vermutung des Beschwerdeführers auch unter dem Gesichtspunkt der Gläubigergleichbehandlung im Zeitraum Juni bis Dezember 2017 möglich gewesen wäre. Der Beschwerdeführer halte daher das Vorbringen in Punkt fünf seiner Beschwerde nicht weiter aufrecht, sehr wohl hingegen das übrige Beschwerdevorbringen.

Am fand in Anwesenheit des Beschwerdeführers, seines Vertreters, eines Dolmetschers für Mandarin sowie des Vertreters der belangten Behörde die beantragte mündliche Verhandlung statt, in der der Beschwerdeführer vernommen wurde.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Der Beschwerdeführer ist seit 1991 in Österreich aufhältig und besitzt die österreichische Staatsbürgerschaft. Er verfügt über keinerlei Deutschkenntnisse und kann die lateinischen Schrift nicht lesen. Der Beschwerdeführer wurde mit Gesellschafterbeschluss vom von den beiden Gesellschafterinnen, der ***3*** GmbH und der ***4*** GmbH, zum Geschäftsführer der ***1*** GmbH, FN ***6***, bestellt (Verwaltungsakt, AS 33). Am selben Tag leistete er vor einem öffentlichen Notar eine Musterzeichnungserklärung als selbständig vertretungsbefugter Geschäftsführer der ***1*** GmbH mit Sitz in Wien (Verwaltungsakt, AS 35). Dabei bediente sich der Beschwerdeführer, der als Koch für die ***4*** GmbH arbeitete, weder eines Dolmetschers, noch holte er Erkundungen dazu ein, wozu seine Unterschrift gebraucht wurde. Die Geschäftsführerbestellung des Beschwerdeführers ab wurde am im Firmenbuch eingetragen (vgl. Firmenbuchauszug zu FN ***6***, Verwaltungsakt AS 2-3). Faktischer Geschäftsführer der ***1*** GmbH war im relevanten Zeitraum ***2*** (vgl. Niederschrift der mündlichen Verhandlung).

Der Beschwerdeführer realisierte erst im November 2017 nach einem Gespräch mit der Frau eines Mitgesellschafters (Frau ***5***), dass er als Geschäftsführer der ***1*** GmbH geführt wurde. Nachdem ihm die Einsicht in die Bücher verweigert worden war, erklärte der Beschwerdeführer mit Schreiben vom (Verwaltungsakt, AS 31) seinen Rücktritt als Geschäftsführer mit sofortiger Wirkung (vgl. dazu Verwaltungsakt, AS 61-68)

Im Zeitraum Juni 2017 bis Mai 2018 war der Beschwerdeführer an einer der Gesellschafter-GmbHs der ***1*** GmbH, nämlich der ***4*** GesmbH, mit einer Stammeinlage von € 7.000,00 beteiligt (vgl. historischer Firmenbuchauszug zu FN ***7***).

Hinsichtlich Kommunalsteuer und Dienstgeberabgabe erfolgte am die Kontoeröffnung durch die ***1*** GmbH bei der belangten Behörde mit Wirksamkeit (vgl. Verwaltungsakt, AS 17-18).

Folgende Löhne/Gehälter wurden von der ***1*** GmbH gezahlt und führten zu folgenden Abgabenfestsetzungen:

Löhne/Gehälter brutto Kommunalsteuer Dienstgeberabgabe

06/17 € 494,00 null 4,00

07/17 € 14.441,67 € 433,25 € 84

08/17 € 27.516,15 € 825,48 € 156

09/17 € 25.219,25 € 756,58 € 142

10/17 € 23.842 € 715,26 € 156

11/17 € 34.929,77 € 1.047,89 € 106

12/17 null € 138

Am leistete die GmbH Zahlungen i.H.v. € 142 an Dienstgeberabgabe und € 772,64, an Kommunalsteuer für September 2017 an die belangte Behörde, am € 156 an Dienstgeberabgabe und € 726,21 für Kommunalsteuer für den Monat Oktober 2017. Im Dezember wurden keine Gehälter/Löhne an die damals beschäftigten Dienstnehmer ausbezahlt (Verwaltungsakt, AS 22).

Mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom , zZ ***8***, wurde der Konkurs über das Vermögen der ***1*** GmbH eröffnet und die Gesellschaft infolge Eröffnung des Konkursverfahrens aufgelöst (vgl. historischer Firmenbuchauszug zu FN ***6*** sowie Auszug aus der Ediktsdatei, Verwaltungsakt, AS 19).

Mit Haftungsbescheid vom wurde der Beschwerdeführer für folgende Rückstände zur Haftung herangezogen:

Kommunalsteuer 7/2017 € 406,24

Kommunalsteuer 8/2017 € 825,48

Kommunalsteuer 11/2017 € 1.047,89

Säumniszuschlag 7-8, 11/2017 € 45,59

Dienstgeberabgabe 6/2017 € 4,00

Dienstgeberabgabe 7/2017 € 84,00

Dienstgeberabgabe 8/2017 € 156,00

Dienstgeberabgabe 11/2017 € 106,00

Dienstgeberabgabe 12/2017 € 138,00

Säumniszuschlag 11-12/2017 € 9,76

Mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom wurde die Schlussrechnung des Masseverwalters genehmigt, die auf die belangte Behörde entfallende Verteilungsquote von 6,297437% wurde im August 2019 bezahlt.

Am wurde die Firma gemäß § 40 FBG infolge Vermögenslosigkeit im Firmenbuch gelöscht. Die aushaftenden Abgabenschulden sind bei der Primärschudnerin im Ausmaß von 93,702563% uneinbringlich.

Der Beschwerdeführer hat keine Unterlagen vorgelegt, um eine Gläubigergleichbehandlung nachzuweisen.

2. Beweiswürdigung

Die Feststellungen zur Person und Stellung des Beschwerdeführers fußen zum einen auf dessen Befragung in der mündlichen Verhandlung, in der dieser insgesamt einen ahnungslosen und naiven Eindruck machte, und zum anderen auf den aktenkundigen Firmenbuchauszügen und dazugehörigen, zitierten Unterlagen, in die Einsicht genommen wurde und die dem Beschwerdeführer vorgehalten wurden. So zeigte sich in der mündlichen Verhandlung, dass der Beschwerdeführer kaum bis gar nicht Deutsch spricht oder versteht und dennoch vor einem öffentlichen Notar eine Musterzeichnungserklärung als selbständig vertretungsbefugter Geschäftsführer der ***1*** GmbH unterzeichnet hat, ohne sich dabei eines Dolmetschers zu bedienen oder sonstige Fragen zu stellen oder Erkundungen einzuholen. Der Beschwerdeführer unterschrieb dabei quasi blind und vertraute auf die Angaben des XIE, dass er eigentlich als Gesellschafter eingesetzt würde. Die Feststellung, dass XIE als faktischer Geschäftsführer fungiert hat, ergibt sich aus der glaubhaften Aussage des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung.

Die Feststellungen zu den einzelnen GmbHs sowie zu den aushaftenden Beträgen und zur Primärschuldnerin, ergeben sich aus den angeführten Unterlagen, aus dem übermittelten Verwaltungsakt und aus dem Firmenbuch.

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer seinen Rücktritt als Geschäftsführer erklärt hat, ergibt sich aus dem im Akt befindlichen schriftlichen Rücktrittsschreiben (Verwaltungsakt, AS 67-68) sowie aus den niederschriftlichen Zeugenaussagen vom (Verwaltungsakt, AS 61-65), die dies bestätigt haben. In der mündlichen Verhandlung schilderte der Beschwerdeführer nochmals glaubhaft, wie er von seiner Geschäftsführerstellung erfuhr und welche Schritte er im Folgenden setzte.

Die Feststellung, dass die Beträge bei der Primärschuldnerin im dargelegten Ausmaß nicht einbringlich sind, ergibt sich aus deren Löschung im Firmenbuch.

Dass der Beschwerdeführer keine Unterlagen, insbesondere keine Liquiditätsaufstellung vorgelegt hat, um eine Gläubigergleichbehandlung nachzuweisen, ergibt sich aus dem Verfahrensverlauf und seinen Eingaben, die jegliche Angaben in diese Richtung vermissen lassen.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

3.1.1. Rechtslage

Gemäß § 6a Abs. 1 Kommunalsteuergesetz 1993 (KommStG), BGBl. 819/1993 idF BGBl. I 111/2010, haften die in den § § 80 ff der Bundesabgabenordnung bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffende Kommunalsteuer insoweit, als diese Abgabe infolge schuldhafter Verletzung der ihnen auferlegten abgabenrechtlichen oder sonstigen Pflichten nicht ohne Schwierigkeiten eingebracht werden kann, insbesondere im Fall der Konkurseröffnung.

Gemäß § 6a Abs. 1 des Gesetzes über die Einhebung einer Dienstgeberabgabe (DienstgeberabgabeG), LGBl. für Wien 5/1979 idF LGBl. für Wien 25/2012, haften die in den §§ 80 ff. der Bundesabgabenordnung bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffende Dienstgeberabgabe insoweit, als diese Abgabe infolge schuldhafter Verletzung der ihnen auferlegten abgabenrechtlichen oder sonstigen Pflichten nicht ohne Schwierigkeiten eingebracht werden kann, insbesondere im Fall der Konkurseröffnung.

Die Kommunalsteuer und die Dienstgeberabgabe werden für jeden Kalendermonat am 15. des darauffolgenden Kalendermonats fällig (§ 11 Abs. 2 KommStG und § 6 Abs. 1 DienstgeberabgabeG). Für jedes abgelaufene Kalenderjahr hat der Unternehmer gemäß § 11 Abs. 2 KommStG bis Ende März des folgenden Kalenderjahres der Gemeinde eine Kommunalsteuererklärung abzugeben.

Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Gemäß § 9 BAO haften die in den §§ 80 ff. BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können. Ein "faktischer" Geschäftsführer ist nach dem GmbHG nicht zur Vertretung der Gesellschaft "berufen" und somit nicht Vertreter iSd § 80 BAO anzusehen, weshalb er nach § 9 Abs. 1 BAO auch nicht zur Haftung herangezogen werden kann ().

Gemäß § 224 Abs. 1 BAO werden die in Abgabenvorschriften geregelten persönlichen Haftungen durch Erlassung von Haftungsbescheiden geltend gemacht. In diesen ist der Haftungspflichtige unter Hinweis auf die gesetzliche Vorschrift, die seine Haftungspflicht begründet, aufzufordern, die Abgabenschuld, für die er haftet, binnen einer Frist von einem Monat zu entrichten.

Gemäß § 7 Abs. 2 BAO erstrecken sich persönliche Haftungen auch auf Nebenansprüche (§ 3 Abs. 1 und 2 BAO).

3.1.2. Nach der im Folgenden näher dargestellten, ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes setzt die Geltendmachung der Haftung nach § 9 Abs. 1 BAO iVm § 6a KommStG und § 6a DienstgeberabgabeG voraus, dass

1. die als haftungspflichtige in Frage kommende Person zum Personenkreis der §§ 80 ff. BAO gehört (Vertreterstellung),

2. eine zumindest erschwerte Einbringlichkeit der Abgabenforderung gegen den Vertretenen besteht (erschwerte Einbringlichkeit),

3. ein Verschulden des Vertreters an der Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten des Vertretenen vorliegt (Verschulden) und

4. die Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit ursächlich war (Kausalität).

3.1.2.1. Zur Vertreterstellung

Strittig ist nach dem Beschwerdevorbringen zum einen die Vertreterstellung des Beschwerdeführers. Dazu ist Folgendes auszuführen:

Gemäß § 18 Abs. 1 GmbHG wird die GmbH durch den Geschäftsführer gerichtlich und außergerichtlich vertreten. Mit der Bestellung zum Geschäftsführer wird auch die Pflicht zur Erfüllung der abgabenrechtlichen Vorschriften übernommen. Der Geschäftsführer hat insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die er verwaltet, entrichtet werden. Dies gilt unabhängig davon, ob die betreffende Person tatsächlich als Geschäftsführer tätig ist oder zB nur ein "pro-forma-Geschäftsführer" () oder "nur auf dem Papier" ().

Der Beschwerdeführer war im haftungsrelevanten Zeitraum des Jahres 2017 unbestritten im Firmenbuch als alleiniger handelsrechtlicher Geschäftsführer der genannten Primärschuldnerin ausgewiesen und gehörte schon damit zu dem in den §§ 80 ff. BAO genannten Personenkreis. Nach den §§ 80 ff. BAO gehörte es zu seinen Pflichten als Geschäftsführer der GmbH, die abgabenrechtlichen Verpflichtungen der Gesellschaft wahrzunehmen und für die Entrichtung der Abgaben aus den verwalteten Mitteln zu sorgen (siehe zB ; , 2006/13/0121; , 2008/15/0085).

Soweit der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang vorbringt, faktisch sei eine andere Person als Geschäftsführer tätig gewesen, ist ihm die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entgegenzuhalten, wonach die Bestellung eines "Geschäftsführers auf dem Papier" an seiner Stellung als Organwalter und am Bestand der ihn nach § 80 BAO treffenden Pflichten nichts ändert (vgl. zB , mwH). Auf den Grund der Übernahme der Geschäftsführerfunktion sowie auf allfällige Einflüsse Dritter auf die Geschäftsführung kommt es nicht an (; , 2013/16/0166). Dies trifft auch zu, wenn ein handelsrechtlicher Geschäftsführer erst ab einem bestimmten Zeitpunkt "nur mehr am Papier" als Geschäftsführer aufscheint, hingegen ein anderer die faktische Geschäftsführung wahrnimmt.

Da der Beschwerdeführer nachweislich seinen Rücktritt gegenüber den Gesellschaftern per erklärt hatte und die Dienstgeberabgabe für den Dezember 2017 am , somit nach seinem Rücktritt, fällig war, ist diese jedoch - wie dies schon mit der Beschwerdevorentscheidung erfolgt ist - aus der Haftung auszuscheiden.

3.1.2.2. Zur erschwerten Einbringlichkeit der Abgaben

Die Haftung nach § 9 BAO ist eine Ausfallshaftung und setzt die objektive Uneinbringlichkeit der betreffenden Abgaben im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Haftenden voraus (vgl. zB ). Sie erstreckt sich gemäß § 7 Abs. 2 BAO auch auf Nebenansprüche wie Säumniszuschläge (vgl. zB ).

Im Falle des § 6a KommStG und des § 6a DienstgeberabgabeG reicht schon eine erschwerte Einbringlichkeit der Abgaben. Die objektive Uneinbringlichkeit der verfahrensgegenständlichen Abgaben steht zweifelsfrei fest, da die Firma gemäß § 40 FBG infolge Vermögenslosigkeit im Firmenbuch gelöscht wurde. Die aushaftenden Abgabenschulden sind bei der Primärschudnerin im Ausmaß von 93,702563% uneinbringlich. Eine Haftung kann sich auch nur auf dieses Ausmaß beziehen. Im angefochtenen Haftungsbescheid wurde die Quote noch nicht berücksichtigt, da sie im Zeitpunkt der Bescheiderlassung noch nicht feststand. Die Quote ist daher - wie in der Beschwerdevorentscheidung - beim Haftungsausmaß in Abzug zu bringen.

3.1.2.3. Zum Verschulden

Die Haftung nach § 9 BAO ist eine verschuldensabhängige Haftung. Voraussetzung ist daher ein Verschulden des Vertreters an der Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten der vertretenen Gesellschaft.

Die Primärschuldnerin hat die Kommunalsteuer und die Dienstgeberabgabe selbst berechnet und Jahreserklärungen eingereicht, ohne jedoch die erklärten Beträge einzuzahlen. Bei Selbstbemessungsabgaben, zu denen die Kommunalsteuer und die Dienstgeberabgabe zählen, ist für die Frage der Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten eines Vertreters des Abgabepflichtigen maßgebend, wann die Abgabe bei ordnungsgemäßer Selbstberechnung zu entrichten oder abzuführen gewesen wäre (vgl. ; , 2004/13/0146; , 2005/13/0095). Die Verschuldensprüfung hat von der objektiven Richtigkeit der Abgabenfestsetzung auszugehen (vgl. ).

Der Beschwerdeführer als Vertreter der Primärschuldnerin hat keine Zahlungen geleistet. Er hat vielmehr zunächst dargetan, dass die Primärschuldnerin zahlungsunfähig war und keine Zahlungen geleistet hat bzw. leisten konnte. Nach Kontaktaufnahme mit der Masseverwalterin der Primärschuldnerin wurde diese Behauptung seitens des Beschwerdeführers jedoch revidiert. Im gesamten Verfahren verantwortete sich der Beschwerdeführer aber dahingehend, dass ihn kein Verschulden an der Nichtentrichtung der gegenständlichen Abgaben treffe, da er von der Geschäftsführung gar nichts gewusst habe, vom faktischen Geschäftsführer getäuscht worden sei und sofort seinen Rücktritt erklärt habe, als er von der Geschäftsführung erfuhr.

Wie bereits unter Punkt 3.1.2.1. dargelegt, wird die GmbH gemäß § 18 GmbHG durch die Geschäftsführer vertreten. Als bestellter Geschäftsführer hat dieser die abgabenrechtlichen Pflichten der Gesellschaft zu erfüllen oder seine Funktion unverzüglich niederzulegen. Der Verwaltungsgerichtshof in diesem Zusammenhang wiederholt ausgesprochen, dass ein Geschäftsführer, der sich in der ordnungsgemäßen Erfüllung seiner Pflichten durch die Gesellschafter oder dritte Personen behindert sieht, entweder sofort im Rechtsweg die Möglichkeit der unbehinderten Ausübung seiner Funktion zu erzwingen oder seine Funktion niederzulegen und als Geschäftsführer auszuscheiden hat. Hat er dies nicht getan, dann muss er die haftungsrechtlichen Konsequenzen tragen (vgl. zB und ; zur Haftung eines "willfährigen" Geschäftsführers vgl. weiters mwN). Auch binden im Innenverhältnis erteilte Weisungen den Geschäftsführer insoweit nicht, als sie ihn zur Verletzung zwingender gesetzlicher Verpflichtungen nötigen (; , 2001/13/0168 mwN). Die mangelnde Einflussmöglichkeit auf die Geschäftsführung der Gesellschaft vermag daher ein fehlendes Verschulden an der Nichtentrichtung der haftungsgegenständlichen Abgabenschuldigkeiten nicht zu begründen.

Soweit der Beschwerdeführer mit seinem Vorbringen, er habe mangels Deutschkenntnissen gar nicht gewusst, was er unterschreibe, mangelndes Verschulden ins Treffen führt, ist ihm Folgendes entgegenzuhalten:

Der Umstand, dass der Beschwerdeführer rechtsunkundig bzw. der deutschen Sprache nicht oder nur sehr eingeschränkt mächtig ist, enthob ihn nicht von seinen abgabenrechtlichen Verpflichtungen, weil er als Geschäftsführer der GmbH dafür einzustehen hat, dass er über die erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten verfügt (vgl. ).

Angesichts der Unterschriftsleistungen vor einem öffentlichen Notar hätte sich der Beschwerdeführer eines Dolmetschers bedienen und weitere Erkundungen zu den Urkunden und Vorgängen rund um die Unterschriftsleistungen anstellen müssen. Der Beschwerdeführer hat hingegen nicht einmal die Zettel gemustert und auch sonst nichts hinterfragt. Beim Beschwerdeführer hätten daher schon anlässlich seiner Bestellung zum Geschäftsführer - wie die belangte Behörde im Ergebnis zutreffend erkannt hat - zumindest Bedenken über seine mit dieser Stellung verbundenen Rechte und Pflichten entstehen müssen. Derart liegt in der Unterlassung von Erkundigungen ein zumindest fahrlässiges Verhalten und ist die Rechtsunkenntnis auch vorwerfbar, weil Rechtskenntnis bei Anwendung der gehörigen Aufmerksamkeit hätte erreicht werden können (vgl. schon , mwH, sowie das Erkenntnis , mit dem die Revision in einem vergleichbaren Fall als unzulässig zurückgewiesen wurde).

Zu den Andeutungen des Beschwerdeführers, er sei von anderen Personen, insbesondere vom faktischen Geschäftsführer getäuscht worden, ist nochmals auszuführen, dass es auf den Grund der Übernahme der Geschäftsführerfunktion sowie auf allfällige Einflüsse Dritter auf die Geschäftsführung nicht ankommt (vgl. ; , 2003/14/0097).

Das Beschwerdevorbringen war insgesamt nicht geeignet, die Pflichtverletzung zu entschuldigen. Die belangte Behörde hat daher zu Recht eine schuldhafte Pflichtverletzung des Beschwerdeführers hinsichtlich der Abgabenbeträge Juli bis August und November 2017 samt Nebenabgaben angenommen.

3.1.2.4. Zur Kausalität

Im Fall des Vorliegens einer schuldhaften Pflichtverletzung spricht nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine Vermutung für die Verursachung der Uneinbringlichkeit der Abgaben durch die Pflichtverletzung und den Rechtswidrigkeitszusammenhang. Im vorliegenden Fall war die pflichtwidrige Nichtentrichtung der im Haftungsbescheid angeführten Abgaben kausal für deren Uneinbringlichkeit. Dieses pflichtwidrige Verhalten ist dem Beschwerdeführer als verantwortlichen Geschäftsführer der Gesellschaft zuzurechnen.

3.1.2.5. Ausmaß der Haftung

In einem Bescheid, mit dem eine persönliche Haftung geltend gemacht wird, wird die Identität der Sache durch den Tatbestand begrenzt, der für die geltend gemachte Haftung maßgebend ist (zB § 9 BAO). Im angefochtenen Bescheid wurden Abgabenschuldigkeiten zum Teil in voller Höhe - also ohne Reduktion um die dargestellte Quote - in Ansatz gebracht. Bezüglich des die Quote umfassenden Betrages liegt aber keine Uneinbringlichkeit bei der Primärschuldnerin vor, da es eben durch die Zahlungen im Insolvenzverfahren zu einer anteiligen Befriedigung aus der Masse gekommen ist. Die übrig gebliebene Abgabenschuld ist daher um die Verteilungsquote von 6,297437% - wie in der Beschwerdevorentscheidung vom - zu reduzieren.

3.1.2.6. Zum Ermessen

Die im Rahmen des § 224 BAO zu treffende Ermessensentscheidung im Sinne des § 20 BAO ist innerhalb der vom Gesetzgeber gezogenen Grenze nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommender Umstände zu treffen.

Dem Gesetzesbegriff Billigkeit ist dabei die Bedeutung des berechtigten Interesses des Berufungswerbers beizumessen, nicht zur Haftung für Abgaben herangezogen zu werden, deren Uneinbringlichkeit bei der Primärschuldnerin feststeht und deren Nichtentrichtung durch ihn versursacht worden ist. Dem Gesetzesbegriff Zweckmäßigkeit kommt die Bedeutung öffentliches Interesse an der Einhebung der Abgabe zu. Die Zweckmäßigkeit der Geltendmachung der Haftung liegt darin, dass nur durch diese Maßnahme eine Einbringlichkeit der angeführten Abgaben gegeben ist und nur so dem öffentlichen Interesse an der Erhebung der Abgaben nachgekommen werden kann.

Die Geltendmachung der Haftung entspricht verfahrensgegenständlich auch den Grundsätzen der Zweckmäßigkeit und Billigkeit. Bei Abstandnahme von der Haftungsinanspruchnahme würde die Abgabengläubigerin ihres Anspruches verlustig gehen. Im Übrigen spricht nichts dafür, dass es unbillig ist, eine Geschäftsführerin, der ihre abgabenrechtlichen Pflichten verletzt, zur Haftung heranzuziehen, anderenfalls würden nämlich jene Abgabepflichtigen, die ihre Pflichten erfüllen, im wirtschaftlichen Wettbewerb benachteiligt.

Vermögens- und Arbeitslosigkeit des Haftenden stehen nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes in keinem erkennbaren Zusammenhang mit der Geltendmachung der Haftung, zumal es eine allfällige (zur Zeit der Erlassung des Haftungsbescheides bestehende) Uneinbringlichkeit beim Haftenden auch nicht ausschließt, dass künftig neu hervorkommendes Vermögen oder künftig erzielte Einkünfte zur Einbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgaben führen können (vgl. zB mwN).

Ein langer Zeitabstand zwischen dem Entstehen der Abgabenschuld oder der Feststellung der Uneinbringlichkeit der Abgaben bei der Primärschuldnerin einerseits und der bescheidmäßigen Inanspruchnahme zur Haftung andererseits wäre ein Umstand, der bei der Inanspruchnahme zur Haftung im Sinne des Ermessens nicht außer Betracht gelassen werden darf. Inwieweit dieser Gesichtspunkt beim Ermessen Berücksichtigung findet, hängt aber vom Einzelfall ab (vgl. ). Im vorliegenden Fall sind keine Gründe evident, die das Bundesfinanzgericht zu einer Ermessensübung im Sinne des Beschwerdeführers veranlassen würden, zumal der Haftungsbescheid in zeitlicher Nähe zur Konkurseröffnung der Primärschuldnerin ergangen ist.

3.1.3. Ergebnis

Der angefochtene Bescheid ist daher im Sinne der Beschwerdevorentscheidung vom abzuändern.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die gegenständliche Entscheidung weicht weder von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung (vgl. die unter 3.1. zitierte Rechtsprechung). Die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Im Übrigen liegen keine Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der hier zu lösenden Rechtsfrage, ob der Beschwerdeführer zu Recht zur Haftung herangezogen wurde, vor.

Wien, am

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