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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 26.02.2021, RV/5100036/2021

Krankheitskosten mit/ohne Selbstbehalt

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Dr. Gabriele Grossgut-Palotás in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Gmunden Vöcklabruck vom betreffend Einkommensteuer 2019 zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.


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Bemessungsgrundlage
Abgabe
Jahr
Art
Höhe
Art
Höhe
2019
Einkommen
47.731,14 €
EinkommensteuerAnrechenbare Lohnsteuer
13.809,37 €-8.478,04
Festgesetzte Einkommensteuer (Abgabenschuld)
5.331,00 €

Die Berechnung der Bemessungsgrundlage und der Höhe der Abgabe ist dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen, das einen Bestandteil dieses Erkenntnisspruches bildet.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Angefochten ist der Einkommensteuerbescheid 2019. In seiner Einkommensteuererklärung beantragte der Beschwerdeführer unter dem Titel Krankheitskosten eine Steuerermäßigung wegen außergewöhnlicher Belastungen in Höhe von 2.245,95 € (Physiotherapie R 186,24 €, UNIQA Krankenhauskosten Privatklinik E 530 €, Dr. L1 126,24 €, Univ.-Doz. Dr. L2 80 €, DDr. L3 80 €, Apotheke 193,37 €, Fahrtkosten 690,10 €, Der Goiserer - orthopädischer Maßschuh 360 €).

Das Finanzamt anerkannte mit Ausnahme der Kosten für die Mundhygiene und des Selbstbehaltes der UNIQA Versicherung sämtliche sonstige geltend gemachten Krankheitskosten als außergewöhnliche Belastungen, wobei die mit der Behinderung des Beschwerdeführers in Zusammenhang stehenden Aufwendungen ohne Selbstbehalt (1.202,43 €), die anderen unter Anrechnung des Selbstbehaltes (446,21 €, darin enthalten ist noch eine zusätzliche Rechnung von Dr. L1) berücksichtigt wurden; bei den Honorarnoten wurden zudem die Kostenersätze der ÖGK berücksichtigt (Bescheid vom ).

In der am erhobenen Beschwerde ersuchte der Beschwerdeführer um Berücksichtigung der geltend gemachten Krankheitskosten als nicht dem Selbstbehalt unterliegende außergewöhnliche Belastungen; auf seine näheren Ausführungen wird verwiesen.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurden den bereits gewährten Krankheitskosten ohne Selbstbehalt auch die Kosten der Fahrten zur Privatklinik E zugerechnet, die Kosten des Selbstbehaltes für die Operation in der Privatklinik E hingegen als Sonderausgaben berücksichtigt. Auf die Begründung wird verwiesen.

Im Vorlageantrag vom ersuchte der Beschwerdeführer, die Einkommensteuer dahingehend zu berichtigen, wie es anlässlich des Telefonates vom mit der Sachbearbeiterin besprochen worden sei.

Mit Vorlagebericht vom legte das Finanzamt die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Der Beschwerdeführer unterzog sich in der Privatklinik E einer Operation an den Bandscheiben wegen festgestellter absoluter Vertebrostenose L4/L5 durch Univ.-Doz. Dr. L2. Die Operation erfolgte im Rahmen eines stationären Aufenthaltes ( bis ).

Die Kosten der Operation wurden seitens der UNIQA Versicherung - bei der der Beschwerdeführer eine Krankenzusatzversicherung abgeschlossen hatte - getragen, lediglich ein Selbstbehalt von 530 € verblieb dem Beschwerdeführer zur Bezahlung.

Die Honorarnoten Dr. L1 betreffen die Behandlungen eines Basalioms. Die Honorarnote DDr. L3 betrifft die Durchführung einer Mundhygiene.

Beweiswürdigung

Die Höhe der beantragten Krankheitskosten ergibt sich aus den vorgelegten Unterlagen (Aufstellung Krankheitskosten bzw. Fahrtkosten, Honorarnoten, Schreiben der ÖGK bzgl. Rückerstattung von Behandlungskosten, Rechnungen, Schreiben UNIQA bzgl. Selbstbehalt).

Laut Sachverständigengutachten des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen (BASB Landesstelle OÖ) über die Begutachtung am , in dem ein Gesamtgrad der Behinderung von 50 % bescheinigt wird, leidet der Beschwerdeführer an

  • (1) Posttraumatischer Sprunggelenksarthrose rechts bei Z.n. Sprungbeinfraktur, beginnender Hüft- und Kniegelenksarthrose beidseits (Grad der Behinderung 40 %)

  • (2) Chronischer Lumbalgie bei degenerativer Wirbelsäulenerkrankung und Z.n. Bandscheibenoperation L2/L3 (Grad der Behinderung 30 %)

  • (3) Koronarer Herzkrankheit, Angina pectoris Z.n. erfolgreicher Gefäßaufdehnung und Stentimplantation (Grad der Behinderung 30 %).

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung: Das unter (1) angeführte Leiden wird durch die unter (2) und (3) angeführten Leiden anhaltend und wesentlich verstärkt und um eine Stufe angehoben.

Auf die näheren Details des Gutachtens wird verwiesen.

Der Beschwerdeführer hat für das Vorliegen triftiger medizinischer Gründe einer Behandlung in der Privatklinik E auf die Notwendigkeit einer sofortigen Operation aufgrund eines Bandscheibenvorfalls mit einer absoluten Vertebrostenose verwiesen, um Schäden an den Nerven und Extremitäten in Grenzen zu halten. Dies sei nur in der Privatklinik E möglich gewesen. Den Beweis seiner Angaben ist der Beschwerdeführer schuldig geblieben.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. (teilweise Stattgabe)

  • Rechtslage

Gemäß § 34 Abs. 1 EStG 1988 sind bei der Ermittlung des Einkommens (§ 2 Abs. 2) eines unbeschränkt Steuerpflichtigen nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18) außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Die Belastung muss folgende Voraussetzungen erfüllen: Sie muss außergewöhnlich sein (Abs. 2). Sie muss zwangsläufig erwachsen (Abs. 3). Sie muss die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen (Abs. 4). Die Belastung darf weder Betriebsausgaben, Werbungskosten noch Sonderausgaben sein.

Die Belastung ist außergewöhnlich, soweit sie höher ist als jene, die der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse erwächst (Abs. 2).

Die Belastung erwächst dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann (Abs. 3).

Die Belastung beeinträchtigt wesentlich die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, soweit sie einen vom Steuerpflichtigen von seinem Einkommen (§ 2 Abs. 2 in Verbindung mit Abs. 5) vor Abzug der außergewöhnlichen Belastungen zu berechnenden Selbstbehalt übersteigt (Abs. 4 1. Satz).

Folgende Aufwendungen können ohne Berücksichtigung des Selbstbehaltes abgezogen werden (Abs. 6):

- Aufwendungen im Sinne des § 35, die an Stelle der Pauschbeträge geltend gemacht werden (§ 35 Abs. 5).

- Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung, wenn die Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 vorliegen, soweit sie die Summe pflegebedingter Geldleistungen (Pflegegeld, Pflegezulage, Blindengeld oder Blindenzulage) übersteigen (BudBG 2011, BGBl I 111/2010).

Der Bundesminister für Finanzen kann mit Verordnung festlegen, in welchen Fällen und in welcher Höhe Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung ohne Anrechnung auf einen Freibetrag nach § 35 Abs. 3 und ohne Anrechnung auf eine pflegebedingte Geldleistung zu berücksichtigen sind.

Gemäß § 35 Abs. 1 EStG 1988 idF BudBG 2011, BGB I 111/2010, steht dem Steuerpflichtigen jeweils ein Freibetrag (Abs. 3) zu, wenn er außergewöhnliche Belastungen durch eine eigene körperliche oder geistige Behinderung hat, und er keine pflegebedingte Geldleistung (Pflegegeld, Pflegezulage, Blindengeld oder Blindenzulage) erhält.

Gemäß § 35 Abs. 3 EStG 1988 idF BGBl I 103/2019 wird jährlich bei einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 45 % bis 54 % ein Freibetrag von 401 Euro gewährt.

Aufgrund der §§ 34 und 35 EStG 1988 erließ der Bundesminister für Finanzen die Verordnung BGBl 303/1996 (VO).

Gemäß § 1 Abs. 1 VO idF BGBl II 430/2010 sind die in den §§ 2 bis 4 genannten Mehraufwendungen, die der Steuerpflichtige durch eine eigene körperliche oder geistige Behinderung hat, als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen.

Eine Behinderung liegt vor, wenn das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) mindestens 25 % beträgt (Abs. 2).

Die Mehraufwendungen gemäß §§ 2 bis 4 dieser Verordnung sind nicht um eine pflegebedingte Geldleistung (Pflegegeld, Pflegezulage oder Blindenzulage) oder um einen Freibetrag nach § 35 Abs. 3 EStG 1988 zu kürzen (Abs. 3).

  • Rechtliche Erwägungen

Strittig ist, ob der Selbstbehalt für die Operation in der Privatklinik E sowie die in Zusammenhang mit der Behandlung des Basalioms stehenden Kosten als Krankheitskosten (ohne Selbstbehalt) anzuerkennen sind.

Die Erhaltung der Gesundheit gilt immer als zwangsläufig iSd § 34 Abs. 3 EStG 1988 (vgl. Doralt/Baldauf EStG, 2015, § 34 Tz 42). Aufwendungen, die durch eine Krankheit des Steuerpflichtigen verursacht werden, sind außergewöhnlich. Sie erwachsen aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig.

Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. ; ; vgl. auch Jakom/Baldauf EStG, 2015, § 34 Rz 90, Stichwort "Krankheitskosten") können Aufwendungen, die einem Steuerpflichtigen für die eigene medizinische Betreuung erwachsen, auch dann zwangsläufig iSd § 34 Abs. 3 EStG 1988 anfallen, wenn sie die durch die gesetzliche Krankenversicherung gedeckten Kosten übersteigen, sofern diese höheren Aufwendungen aus triftigen medizinischen Gründen getätigt werden (LStR, § 34 Rz 902).

Krankenversicherungen werden grundsätzlich für jene Leistungen abgeschlossen, die über das Leistungsspektrum der gesetzlichen Krankenversicherungen hinausgehen (Sonderklasse, Privatkrankenhäuser etc.). Der Gesetzgeber ermöglicht private Krankenversicherungen als Sonderausgabe bis steuerlich abzuschreiben. Der von der Versicherung erbrachten Zusatzleistung selbst mangelt es an der Zwangsläufigkeit, da grundsätzlich auch in einem von der gesetzlichen Krankenversicherung bezahlten öffentlichen Krankenhaus bzw. in der allgemeinen Gebührenklasse eine ordnungsgemäße und ausreichende Krankenbehandlung gewährleistet ist. Ein mit der Versicherung vereinbarter Selbstbehalt für die Erbringung eben dieser Zusatzleistungen ist daher keiner Zwangsläufigkeit unterworfen und nicht abschreibfähig.

Diese Rechtsprechung ist auf den gegenständlichen Fall der Behandlung in einer Privatklinik uneingeschränkt anzuwenden, da durch den Entschluss eines Steuerpflichtigen, sich nicht in der allgemeinen Gebührenklasse eines Krankenhauses behandeln zu lassen, wesentlich höhere Kosten entstehen, welche eben nur in medizinisch begründeten Ausnahmefällen als zwangsläufig entstanden angesehen werden können. Bloße Wünsche und Vorstellungen der Betroffenen über eine bestimmte medizinische Betreuung sowie allgemein gehaltene Befürchtungen bezüglich der vom Träger der gesetzlichen Krankenversicherung übernommenen medizinischen Betreuung stellen noch keine triftigen medizinischen Gründe für Aufwendungen dar, welche die durch die gesetzliche Krankenversicherung gedeckten Kosten übersteigen. Die triftigen medizinischen Gründe müssen vielmehr in feststehenden oder sich konkret abzeichnenden ernsthaften gesundheitlichen Nachteilen bestehen, welche ohne die mit höheren Kosten verbundene medizinische Betreuung eintreten würden ().

Die Behauptung des Beschwerdeführers, dass eine sofortige Operation der Bandscheiben nur in der Privatklinik E möglich gewesen sei, vermag das Vorliegen von triftigen medizinischen Gründen nicht aufzuzeigen. Derartige Operationen werden auch an öffentlichen Krankenhäusern durchgeführt. Die medizinische Versorgung der Patienten speziell in den Bereichen der degenerativen Wirbelsäulenerkrankungen stellt - wie das Finanzamt richtigerweise ins Treffen führt - die A- Klinik, die ein Teil der Salzburger Landeskliniken SALK ist, auf universitärem Niveau sicher. In weiteren öffentlichen Krankenhausanstalten werden vergleichbare Operationen und Behandlungen angeboten.

Es kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass eine ordentliche medizinische Versorgung des Beschwerdeführers nach dem erlittenen Bandscheibenvorfall in öffentlichen Einrichtungen nicht gewährleistet gewesen wäre. Der Selbstbehalt ist daher nicht als außergewöhnliche Belastung anzuerkennen.

Hinsichtlich der Kosten für die Behandlung des Basalioms ist zu untersuchen, ob ein Zusammenhang mit der Erwerbsminderung besteht, da nach § 35 Abs. 2 EStG 1988 ein solcher Zusammenhang Voraussetzung für die Anerkennung der Krankheitskosten ohne Selbstbehalt ist. Laut Sachverständigengutachten des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen (BASB Landesstelle OÖ) ist ein solcher Zusammenhang nicht ersichtlich, sodass bei den geltend gemachten Behandlungskosten ein Selbstbehalt zu berücksichtigen ist.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im gegenständlichen Fall wird über geltend gemachte Kosten aus eigener Behinderung abgesprochen. Zu den §§ 34 und 35 EStG 1988 liegt eine einheitliche Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor. Zudem hing die Entscheidung im Wesentlichen von im Streitfall ausschließlich einzelfallbezogenen Sachverhaltsfragen ab. Eine Revision ist demnach nicht zulässig.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.5100036.2021

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at