Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 19.02.2021, RV/1100754/2016

1) Keine begünstigte Besteuerung einer Pensionskassenauszahlung gemäß § 124b Z 53 EStG 1988 bei freiem Wahlrecht zwischen einer Kapitalauszahlung und dem Bezug einer Rente 2) Besteuerung einer nachträglich ausbezahlten Überstundenentlohnung gemäß § 67 Abs. 8 lit. c EStG 1988

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. Peter Steurer in der Beschwerdesache ***Bf***, ***Bf-Adr***, gegen den Bescheid des Finanzamtes Feldkirch (nunmehr: Finanzamt Österreich) vom betreffend Einkommensteuer 2015 zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.

Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

1. Der Beschwerdeführer erklärte im Streitjahr neben einer inländischen Rente, einer Rente von der liechtensteinischen Alters- und Hinterlassenenversicherung und einer Überstundennachzahlung von der letzten Schweizer Arbeitgeberin aus einer Auszahlung seines Altersguthabens bei der Personalvorsorgeeinrichtung der Schweizer Arbeitgeberin resultierende Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, wobei er in Anwendung der Bestimmung des § 124b Z 53 EStG 1988 ein Drittel der Kapitalauszahlung als steuerfrei behandelt hat.

2. Im Einkommensteuerbescheid 2015 erfasste das Finanzamt die Auszahlung aus der betrieb-lichen Pensionskasse zur Gänze. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass keine gemäß § 124b Z 53 EStG 1988 begünstigt zu besteuernde "Abfindung" vorliege, wenn dem Anwartschaftsberechtigten im Rahmen einer "obligatio alternativa" ein freies Wahlrecht zwischen mehreren Ansprüchen eingeräumt sei.

3. In der dagegen erhobenen Beschwerde wurde beantragt, die Höhe der in Ansatz gebrachten weiteren Bezüge zu überprüfen und die Entscheidung über die Beschwerde, nachdem der Verwaltungsgerichtshof im Zusammenhang mit der Besteuerung von Pensionsabfindungen neuerlich angerufen worden sei, auszusetzen.

4. Mit Beschwerdevorentscheidung wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab. Begründend wurde zusammengefasst ausgeführt, eine Vorsorgeeinrichtung könne nach Art. 37 Abs. 4 des Schweizer Bundesgesetzes über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge in ihrem Reglement vorsehen, dass die Anspruchsberechtigten anstelle der Rente eine Kapitalabfindung wählen könnten. Dass die gegenständliche Kapitalauszahlung aufgrund eines ausgeübten Wahlrechtes erfolgt sei, werde in der Beschwerde nicht bestritten. Auch sei im Schreiben der Vorsorgeeinrichtung vom ausdrücklich auf die auf Wunsch des Anspruchsberechtigten erfolgende Auszahlung des gesamten Alterskapitals hingewiesen worden. Damit liege eine Abfindung von Rentenansprüchen aber nicht vor.

5. Mit Vorlageantrag vom beantragte der Beschwerdeführer neuerlich die Besteuerung der Pensionsabfindung gemäß § 124b Z 53 EStG 1988. Weiters wurde vorgebracht, bei der im Jänner 2015 erfolgten Nachzahlung handle es sich um die Abgeltung geleisteter Überstunden und werde daher die Steuerfreiheit für Überstundenzuschläge gemäß § 68 Abs. 2 EStG 1988 in Höhe von 1.032,00 € beantragt.

II. Sachverhalt

Der 1950 geborene Beschwerdeführer war bis Ende 2014 in der Schweiz als Grenzgänger nichtselbständig tätig. Per ist er in den (vorzeitigen) Ruhestand getreten. Antragsgemäß wurde ihm im Jänner 2015 von der betrieblichen Vorsorgeeinrichtung der Schweizer Arbeitgeberin den reglementarischen Bestimmungen entsprechend anstelle einer Rente das gesamte Altersguthaben in Höhe von 138.079,25 CHF (abzüglich Quellensteuer) als Einmalbetrag ausbezahlt.

Weiters erhielt der Beschwerdeführer im Jänner 2015 von seiner vormaligen Schweizer Arbeitgeberin eine Nachzahlung für im Vorjahr geleistete Überstunden in Höhe von 8.611,70 CHF, wovon ein Betrag von 1.722,34 CHF auf Überstundenzuschläge entfällt.

III. Rechtsgrundlagen und rechtliche Würdigung

1. Pensionsabfindung

§ 124b Z 53 EStG 1988 idF BGBl. I Nr. 54/2002, lautet:

"Zahlungen für Pensionsabfindungen, deren Barwert den Betrag im Sinne des § 1 Abs. 2 Z 1 des Pensionskassengesetzes übersteigt, sind gemäß § 67 Abs. 10 im Kalendermonat der Zahlung zu erfassen. Dabei ist bei Pensionsabfindungen, die im Jahre 2001 zufließen, nach Abzug der darauf entfallenden Beiträge im Sinne des § 62 Z 3, 4 und 5 ein Viertel steuerfrei zu belassen. Zahlungen für Pensionsabfindungen von Pensionskassen auf Grund gesetzlicher oder statutenmäßiger Regelungen sind nach Abzug der darauf entfallenden Pflichtbeiträge ab dem Jahr 2001 und in den folgenden Jahren zu einem Drittel steuerfrei zu belassen."

Der letzte Satz wurde der Bestimmung des § 124b Z 53 EStG 1988 mit BGBl. I Nr. 54/2002 ange-fügt. In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (927 BlgNR 21. GP 2) wurde dazu Folgendes ausgeführt:

"Ausländische gesetzliche Regelungen bzw. die darauf beruhenden Statuten der ausländischen Pensionskassen sehen vielfach Pensionsabfindungen vor. Eine Übertragung des abzufindenden Barwertes in eine inländische Pensionskasse ist nicht möglich. Diese Problematik betrifft insbe-sondere Grenzgänger, die in diesen Fällen keine andere Möglichkeit als die Inanspruchnahme der Pensionsabfindung haben. Es wäre daher unbillig, Pensionsabfindungen in diesen Fällen zur Gänze tarifmäßig zu besteuern."

Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits in dem eine antragsgemäße Teilabfindung der einem Wirtschaftstreuhänder nach den Bestimmungen der Satzung der Vorsorgeeinrichtung der Kammer der Wirtschaftstreuhänder gebührenden Alterspension betreffenden Erkenntnis vom , 2009/15/0188, das Vorliegen der Voraussetzungen für eine begünstigte Besteuerung gemäß § 124b Z 53 EStG 1988 unter Bezugnahme auf die Erläuterungen zur Regierungsvorlage (927 BlgNR 21. GP 2) verneint, wenn dem Anspruchsberechtigten das freie Wahlrecht zwischen einer Rente einerseits und dem Rentenbarwert (als Kapitalanspruch) andererseits eingeräumt ist.

In der Folge hat der Verwaltungsgerichtshof in jeweils Grenzgänger betreffenden Judikaten wiederholt ausgeführt, § 124b Z 53 EStG 1988 setze voraus, "dass (insbesondere bei ausländischen Pensionskassen im Hinblick auf die dortige gesetzliche Situation) den Anspruchsberechtigten keine andere Möglichkeit als die Inanspruchnahme der Pensionsabfindung eingeräumt ist" (vgl. , mwN, sowie jüngst ua. , und ). Selbst im Falle einer aufgrund des endgültigen Verlassens der Schweiz bzw. des Fürstentums Liechtenstein ausbezahlten Freizügigkeitsleistung ist demnach entscheidend, ob ein Vorsorgeschutz mit späterem Rentenanspruch durch eine entsprechende Disposition über die Freizügigkeitsleistung (in den zugrundeliegenden Fällen durch Abschluss einer prämienfreien Freizügigkeitspolice) hätte aufrechterhalten werden können (betreffend Liechtenstein vgl. ua. , und ; betreffend die Schweiz vgl. ua. , mwN, und , mwN). Es könne nicht von einem Zwang zur Pensionsabfindung - Voraussetzung für die Steuerbegünstigung des § 124b Z 53 EStG 1988 - ausgegangen werden, wenn dem Abgabepflichtigen nach Beendigung der nichtselbständigen Tätigkeit die Möglichkeit offen gestanden wäre, sich für eine prämienfreie Freizügigkeitspolice zu entscheiden und daraus später "Altersleistungen in Rentenform" zu beziehen (vgl. , mwN).

Im Hinblick auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann sohin aber kein Zweifel darüber bestehen, dass eine bestehende Wahlmöglichkeit zwischen dem Bezug einer Rente und einer (teilweisen) Kapitalabfindung der Anwendung der Drittelbegünstigung des § 124b Z 53 EStG 1988 entgegensteht. Klargestellt ist damit weiters, dass die Bestimmung nicht eine allgemeine Progressionsmilderung in Fällen des zusammengeballten Bezuges von Einkünften bezweckt, zumal es wohl auch nur in jenen Fällen, in denen Grenzgänger tatsächlich keine andere Möglichkeit als jene der Kapitalauszahlung haben, unbillig sein kann, eine Pensionsabfindung zur Gänze tarifmäßig zu besteuern, nicht aber dann, wenn der Progressionseffekt durch den dem Abgabepflichtigen möglichen Bezug einer laufenden Rente vermieden bzw. vermindert werden kann (vgl. ). Wäre eine generelle Begünstigung von auf ausländischen gesetzlichen Regelungen beruhenden Pensionsabfindungen beabsichtigt gewesen, wäre es zudem jedenfalls am Gesetzgeber gelegen, auf die einschränkende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. die geänderte Verwaltungspraxis zu reagieren und die gesetzliche Regelung entsprechend zu adaptieren.

Dem Beschwerdeführer stand anlässlich des (vorzeitigen) Pensionsantrittes unbestritten ein Wahlrecht zwischen (künftigen) Rentenleistungen und der Auszahlung des Altersguthabens offen und liegt eine nach § 124b Z 53 EStG 1988 zu besteuernde "Pensionsabfindung" folglich nicht vor.

Der Beschwerde konnte diesbezüglich somit kein Erfolg beschieden sein.

2. Nachzahlung von Überstunden

Gemäß § 68 Abs. 1 EStG 1988 sind Schmutz-, Erschwernis- und Gefahrenzulagen sowie Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit und mit diesen Arbeiten zusammenhängende Überstundenzuschläge insgesamt bis 360,00 € monatlich steuerfrei.

Zusätzlich zu Abs. 1 sind nach § 68 Abs. 2 EStG 1988 Zuschläge für die ersten zehn Überstunden im Monat im Ausmaß von höchstens 50% des Grundlohnes, insgesamt höchstens jedoch 86,00 € monatlich, steuerfrei.

Nach § 67 Abs. 8 lit. c EStG 1988 sind Nachzahlungen für abgelaufene Kalenderjahre, die nicht auf einer willkürlichen Verschiebung des Auszahlungszeitpunktes beruhen, soweit sie nicht nach Abs. 3 oder 6 mit dem festen Steuersatz zu versteuern sind, gemäß Abs. 10 im Kalendermonat der Zahlung zu erfassen. Dabei ist nach Abzug der darauf entfallenden Beiträge im Sinne des § 62 Z 3, 4 und 5 ein Fünftel steuerfrei zu belassen. Soweit die Nachzahlungen laufenden Arbeitslohn für das laufende Kalenderjahr betreffen, ist die Lohnsteuer durch Aufrollen der in Betracht kommenden Lohnzahlungszeiträume zu berechnen.

Die Abs. 1, 2, 6 und 8 sind nach § 67 Abs. 11 EStG 1988 auch bei der Veranlagung von Arbeitnehmern anzuwenden.

Der Beschwerdeführer hat hinsichtlich der ihm im Jänner 2015 zugeflossenen nachträglichen Überstundenentlohnung die gemäß § 68 Abs. 2 EStG 1988 steuerfreie Behandlung der Zuschläge im jährlichen Höchstausmaß von 1.032,00 € beantragt.

Nach den vom Finanzamt übermittelten Berechnungsgrundlagen wurden die Zuschläge in dem für einen Monat vorgesehenen Höchstausmaß (86,00 €) als steuerfrei behandelt.

In dem ua. die Besteuerung einer nachträglichen Überstundenentlohnung betreffenden Erkenntnis vom , Ra 2016/13/0043, hat der Verwaltungsgerichtshof unter Verweis auf entsprechende Literaturstellen ausgeführt, dass im Falle der Nachzahlung von Überstunden für das laufende Jahr die Steuerfreiheit für Überstundenzuschläge im Zeitpunkt der Leistung der Überstunden auch bei einer späteren Auszahlung der Überstundenentgelte im Wege einer Aufrollung durch den Arbeitgeber erhalten bleibe, nach Ablauf des Kalenderjahres ausgezahlte Überstundenentlohnungen hingegen mangels Möglichkeit einer Aufrollung grundsätzlich nach § 67 Abs. 10 EStG 1988 zu versteuern seien. Beruhe die Nachzahlung aber nicht auf einer willkürlichen Verschiebung des Auszahlungszeitpunktes, sei nach Abzug der darauf entfallenden Beiträge im Sinne des § 62 Z 3, 4 und 5 EStG 1988 gemäß § 67 Abs. 8 lit. c EStG 1988 ein Fünftel steuerfrei zu belassen.

Für die im Beschwerdefall beantragte Besteuerung der Überstundenzuschläge gemäß § 68 Abs. 2 EStG 1988 besteht sohin kein Raum. Nachdem sich keine Anhaltspunkte für eine willkürliche Verschiebung des Auszahlungszeitpunktes der Überstundenentlohnung ergaben und eine solche auch vom Finanzamt nicht eingewendet wurde, waren die nachträglich ausbezahlten Überstundenzuschläge in Höhe von 1.722,34 CHF (1.588,64 €) nach § 67 Abs. 8 lit. c EStG 1988 zu einem Fünftel (317,73 €) steuerfrei zu belassen. Der Beschwerde war insoweit somit teilweise Folge zu geben.

IV. Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die im Beschwerdefall strittige Frage, ob die Auszahlung eines Altersguthabens im Fall eines (alternativ) bestehenden Anspruches auf laufende Rentenleistungen unter die Begünstigung des § 124b Z 53 EStG 1988 fällt, ist ebenso wie jene der Besteuerung einer nachträglich ausbezahlten Überstundenentlohnung durch die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geklärt. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Artikel 133 Abs. 4 B-VG wird durch das vorliegende Erkenntnis somit nicht berührt. Eine (ordentliche) Revision ist daher nicht zulässig.

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Feldkirch, am

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ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.1100754.2016

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