Die Erklärung, keinen Rechtsmittelverzicht abgeben zu wollen, ist keine Anmeldung einer Beschwerde; Zurückweisung
Rechtssätze
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Stammrechtssätze | |
RV/7300070/2020-RS2 | Die Anwendung des Grundsatzes, dass es in der Beurteilung von Parteienvorbringen nicht auf Bezeichnungen und zufällige verbale Formen ankommt, sondern auf den Inhalt, das erkennbare oder zu erschließende Ziel eines Parteischrittes (Hinweis E , 1637/72; E , 89/17/0174), setzt voraus, dass eine der Auslegung zugängliche Parteienerklärung überhaupt vorliegt und dass der Wille der Partei aus ihrem Vorbringen mit Eindeutigkeit erschlossen werden kann (). |
RV/7300070/2020-RS3 | Parteienerklärungen sind nach ihrem objektiven Erklärungswert auszulegen. Es kommt somit darauf an, wie die Erklärung unter Berücksichtigung der konkreten gesetzlichen Regelung, des Verfahrenszwecks und der der Behörde bzw. dem Verwaltungsgericht vorliegenden Aktenlage objektiv verstanden werden muss.
Bei undeutlichem Inhalt eines Anbringens ist die Absicht der Partei zu erforschen. Im Zweifel ist dem Anbringen einer Partei, das sie zur Wahrung ihrer Rechte stellt, nicht ein solcher Inhalt beizumessen, der ihr die Rechtsverteidigungsmöglichkeit nimmt (Hinweis ; , Ra 2014/13/0003; , Ra 2015/15/0041; ). |
Folgerechtssätze | |
RV/7300070/2020-RS1 | wie RV/3300007/2013-RS2 Eine vom Spruchsenatsvorsitzenden nach Verkündung des Erkenntnisses unterlassene Belehrung über die im Falle einer geplanten Beschwerde erforderliche Anmeldung derselben nach § 134 Satz 4 FinStrG hat nicht zur Folge, dass - analog wie im Falle einer unterlassenen Rechtsmittelbelehrung in der schriftlichen Ausfertigung nach § 140 Abs. 2 FinStrG die Beschwerdefrist - die Anmeldefrist in gleicher Weise nicht in Lauf gesetzt werden würde; eine planwidrige Rechtslücke liegt nicht vor. |
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den RichterM. in der Finanzstrafsache gegen Herrn ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Schneider Rechtsanwalts KG, Rechte Bahnstraße 10/19D, 1030 Wien, wegen des Finanzvergehens der grob fahrlässigen Abgabenverkürzung gemäß § 34 Abs. 1 des Finanzstrafgesetzes (FinStrG) über die Beschwerde der Beschuldigten vom gegen den Zurückweisungsbescheid des Finanzamtes Wien 9/18/19 Klosterneuburg als Finanzstrafbehörde vom , Geschäftszahl FV-1, zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Mit Zurückweisungsbescheid des Finanzamtes Wien 9/18/19 Klosterneuburg als Finanzstrafbehörde vom , Geschäftszahl FV-1, wurde die am gegen das mündlich verkündete Erkenntnis vom , zugestellt am , eingebrachte Beschwerde von Herrn ***Bf1*** (in weiterer Folge: Beschwerdeführer) gemäß § 156 Abs. 1 FinStrG zurückgewiesen und als Begründung Folgendes ausgeführt:
"Am wurde der Beschwerdeführer nach durchgeführter mündlicher Verhandlung vor der Finanzstrafbehörde in Anwesenheit der Verhandlungsleiterin A., der Schriftführerin Frau B. und seines Rechtsanwaltes C. der grob fahrlässigen Abgabenverkürzung gem. § 34 FinStrG zu einer Geldstrafe von EUR 1.250,- (Kosten EUR 125,-) für schuldig erkannt. Die Entscheidungsgründe wurden umfassend erörtert und es erging eine Rechtsmittelbelehrung, ebenso ein Hinweis zu den Rechtsfolgen eines etwaigen Rechtsmittelverzichtes. Der Beschwerdeführer selbst wollte das Erkenntnis annehmen, sein Anwalt beantragte eine Beratung mit seinem Mandanten, woraufhin der Beschuldigte mit seinem Rechtsvertreter für ein paar Minuten den Raum verließ. Um 10:54 Uhr teilte der Anwalt mit, dass kein Rechtsmittelverzicht - wie vom Beschwerdeführer zuvor in den Raum gestellt - abgegeben werde. Es werde um Bedenkzeit gebeten. Die mündliche Verhandlung wurde geschlossen und es erging der Hinweis, dass die Erkenntnisausfertigung schriftlich ergeht. Schlussendlich wurde das Protokoll ausgedruckt, sowohl vom Beschwerdeführer als auch von C. durchgelesen und unterschrieben; eine Kopie wurde angefertigt und ausgehändigt. Das Straferkenntnis wurde am ausgefertigt (Hinweis: Datum auf dem Erkenntnis Seite 1 falsch; das richtige Datum ergibt sich aus der elektronischen Signatur) und mit rechtswirksam an den Verteidiger zugestellt.
Am langte bei der Behörde die Beschwerde gegen das Straferkenntnis ein. Darin befindet sich auf Seite 2 folgender Passus: "der Beschwerdeführer führt die gegen das in der mündlichen Verhandlung am mündlich verkündete Straferkenntnis mündlich zu Protokoll angemeldete Beschwerde nach Zustellung der schriftlichen Ausfertigung des Straferkenntnisses am innerhalb offener Frist wie folgt aus....".
Dem Vorbringen, wonach die Beschwerde mündlich zu Protokoll angemeldet wurde, wird durch die Behörde entschieden widersprochen. Eine Anmeldung der Beschwerde hat definitiv nicht stattgefunden und wäre selbstverständlich protokolliert worden. Die vom Beschwerdeführer bzw. dessen Verteidiger unterschriebene Niederschrift der Vernehmung stellt eine öffentliche Urkunde dar, die den vollen Beweis über deren inhaltliche Richtigkeit begründet. Eine Rechtsmittelanmeldung wurde nicht protokolliert und hat nicht stattgefunden. Das ausgefertigte Protokoll wurde sowohl vom Verteidiger als auch vom Beschuldigten gelesen und unterschrieben und bildet somit volle Beweiskraft; nicht zuletzt hätte jeder sachgemäß handelnde Verteidiger darauf bestanden, dass eine Rechtsmittelanmeldung protokolliert wird, wenn ein solches angemeldet worden wäre. Abschließend sei erwähnt, dass die Amtssachverständige und die Schriftführerin auch nach eigenen Wahrnehmungen die Anmeldung einer Beschwerde im Zuge der Einvernahme ausschließen können.
Gemäß § 156 Abs 1 FinStrG muss die Finanzstrafbehörde ein Rechtsmittel, das gegen einen von ihr erlassenen Bescheid eingebracht wurde, mit rechtsmittelfähigem Bescheid zurückweisen, wenn es unzulässig oder verspätet eingebracht wurde. § 150 Abs 4 FinStrG sieht die Verpflichtung zur Anmeldung eines Rechtsmittels innerhalb von einer Woche ab mündlicher Erkenntnisverkündigung vor. Das am eingebrachte Rechtsmittel war daher spruchgemäß als unzulässig zurückzuweisen."
Mit Eingabe vom wird gegen diesen Zurückweisungsbescheid Beschwerde eingebracht und wie folgt ausgeführt:
"1) Sachverhalt:
Mit mündlich verkündetem Straferkenntnis wurde ein Einspruch des Beschwerdeführers gegen eine Strafverfügung nach Durchführung eines Beweisverfahrens und einer mündlichen Verhandlung mit dem Beschwerdeführer am abgewiesen. In dieser Verhandlung erklärte der Beschwerdeführer nach der Verkündung, auf Rechtsmittel nicht verzichten zu wollen (Niederschrift über die mündliche Verhandlung gemäß § 135 FinStrG vom , Seite 8). Eine Belehrung über das Erfordernis der Anmeldung einer Beschwerde gemäß § 134 Satz 4 FinStrG erfolgte (daher?) nicht (vgl. Niederschrift vom ).
In der Folge wurde dem Beschwerdeführer am die schriftliche Ausfertigung des Straferkenntnisses zugestellt, gegen welche der Beschwerdeführer am Beschwerde an das Bundesfinanzgericht erhob.
Mit dem gegenständlichen angefochtenen Bescheid wurde diese Beschwerde mit der Begründung zurückgewiesen, das Rechtsmittel sei entgegen § 150 Abs 4 FinStrG nicht innerhalb einer Woche ab Erkenntnisverkündung angemeldet worden.
2) Beschwerdepunkt:
Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde das subjektiv öffentliche Recht des Beschwerdeführers verletzt, gegen das Straferkenntnis vom Beschwerde gemäß § 150 FinStrG erheben zu können.
3} Begründung:
Der Zurückweisungsbescheid ist inhaltlich rechtswidrig:
3.1. Der Beschwerdeführer erklärte nach der Erkenntnisverkündung ausdrücklich, auf Rechtsmittel nicht verzichten zu wollen. Diese Erklärung kann nicht anders als die Anmeldung eines Rechtsmittels verstanden werden, da sie sonst überflüssig wäre. Das rechtzeitig angemeldete Rechtsmittel ist daher zulässig und der angefochtene Zurückweisungsbescheid als inhaltlich rechtswidrig aufzuheben.
3 2. Darüber hinaus enthält § 134 FinStrG die Bestimmung, dass der Verhandlungsleiter nach mündlicher Verkündung des Erkenntnisses Belehrung über das Erfordernis der Anmeldung einer Beschwerde zu erteilen hat. Diese Belehrung wurde nicht erteilt. In analoger Anwendung des § 140 FinStrG hat daher die Frist zur Anmeldung der Beschwerde gemäß § 150 Abs 4 FinStrG nie zu laufen begonnen. Auch aus diesem Grund ist daher die Beschwerde vom zulässig und der angefochtene Bescheid als inhaltlich rechtswidrig aufzuheben.
Aus diesen Gründen stellt der Beschwerdeführer an das Bundesfinanzgericht als zuständige Finanzstrafbehörde zweiter Instanz den Antrag, den angefochtenen Bescheid als inhaltlich rechtswidrig aufzuheben und der Behörde 1. Instanz die Vorlage der Beschwerde an das zuständige Bundesfinanzgericht aufzutragen.
Als Punkt II stellt in eventu für den Fall, dass rechtskräftig festgestellt werden sollte, dass der Beschwerdeführer die Frist zur Anmeldung der Beschwerde gegen das Straferkenntnis vom gemäß § 150 Abs 4 FinStrG versäumt haben sollte, der Beschwerdeführer schon jetzt vorsorglich gemäß § 167 FinStrG den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Anmeldung der Beschwerde gegen das Straferkenntnis vom und begründet diesen wie folgt:
Wie aus dem oben zu I.) ausgeführten Sachverhalt hervorgeht, ist der Beschwerdeführer bzw. dessen Rechtsvertretung davon ausgegangen, dass angesichts der nach der Erkenntnisverkündung ausdrücklich abgegebenen Erklärung, auf Rechtsmittel nicht verzichten zu wollen, sowie auch angesichts der Tatsache, dass weder nach Abgabe dieser Erklärung, noch sonst im Zuge der Erkenntnisverkündung eine Belehrung gemäß § 134 Satz 4 FinStrG erfolgte, eine Rechtsmittelanmeldung gemäß § 150 Abs 4 FinStrG bereits erfolgt ist, und daher eine (weitere) Anmeldung der Beschwerde nicht erforderlich ist. Für den Fall, dass sich diese Annahme nach rechtskräftiger Feststellung der zuständigen Verwaltungsgerichte als Irrtum heraussteilen sollte, wäre der Beschwerdeführer durch ein nicht vorwerfbares unvorhergesehenes Ereignis an der Einhaltung der Frist zur Anmeldung der Beschwerde gegen das Straferkenntnis vom gehindert gewesen. Dieses Hindernis würde erst aufhören, wenn dieser Irrtum durch die zuständigen Verwaltungsgerichte rechtskräftig festgestellt würde. Der Antrag ist daher rechtzeitig gemäß § 167 Abs 2 FinStrG.
Zugleich wird die versäumte Rechtshandlung nachgeholt und die Anmeldung der Beschwerde gegen das Straferkenntnis vom erklärt."
Der auch dem Verteidiger zur Wahrung des Parteiengehörs übermittelte Niederschrift (eine Stellungnahme des Beschwerdeführers dazu ist nicht aktenkundig) über die Vernehmung der Zeugin B. vom , die in der angesprochenen Verhandlung die Funktion einer Schriftführerin ausgeübt hat, ist auszugsweise Folgendes zu entnehmen:
"[…] Können Sie sich noch an den Abschluss der Verhandlung erinnern?
Ja.
Was passierte nach Verkündung der Entscheidung?
Es wurde umfassend erörtert, warum es zu dieser Entscheidung gekommen ist. Meines Erachtens wollte der Beschwerdeführer die Entscheidung annehmen. Mit der Begründung, er wolle die Sache, die schon lange zurückliegt, endlich abgeschlossen wissen damit "das alles vorbei ist".
Erfolgte seitens der Verhandlungsleiterin eine Rechtsmittelbelehrung?
Ja.
Es wurde in weiterer Folge auch gefragt, ob er einen Rechtsmittelverzicht abgeben wolle. Wie gesagt, meines Erachtens wirkte es als würde, der Beschwerdeführer selbst dies wollen. Sein Anwalt hat sich dann auch eingebracht. Nach einer Unterredung hat die Verhandlungsleiterin vorgeschlagen die beiden Herren können auch den Raum verlassen, um sich zu besprechen.
Wissen Sie warum diese nicht protokolliert wurde?
Weil dies nicht üblich ist; es befindet sich dieser Passus auch nicht in der Formatvorlage
(Standarddokumente). Es wurde aber mündlich thematisiert.
Wurde seitens des Beschuldigten bzw. seines Verteidigers am Tag der Verhandlung eine Beschwerde angemeldet?
Nein. Definitiv nicht.
Sie sind sich hier sehr sicher. Warum?
Weil ich mich noch gut erinnern kann, dass ich mich im Anschluss an die Verhandlung mit meiner TL (Verhandlungsleiterin) unterhalten habe und wir davon ausgegangen sind, dass der Beschwerdeführer die Entscheidung annimmt. Ich kann mich auch deswegen noch so genau daran erinnern, da wir am Tag als uns die Beschwerde erreichte sehr verwundert darüber waren.
Vorhalt: in der Beschwerde wird behauptet, dass nach der Entscheidungsverkündung am ein Rechtsmittel angemeldet wurde. Was sagen Sie dazu?
Das stimmt nicht. Siehe oben.
Wie hat der Beschwerdeführer auf das Straferkenntnis reagiert?
Gelassen. Eher "annehmend". Natürlich wäre ihm lieber gewesen, dass er keine Strafe erhalten hätte. Er hat aber verstanden, dass die "Geldaushilfe" an seinen Freund der Besteuerung unterliegt und deswegen das Finanzstrafverfahren die Folge war.
Wie hat sein Anwalt auf das Straferkenntnis reagiert?
Nicht auffällig. Auch ruhig und gelassen.
Was ich an dieser Stelle noch erwähnen möchte ist der Umstand, dass sich auch der Anwalt das Protokoll durchgelesen hatte u. unterfertigte. Wenn er nun meint er hat ein Rechtsmittel angemeldet, hätte er doch auf die Protokollierung bestehen müssen.
Der Beschwerdeführer u. sein Anwalt haben nach der Strafverkündung den Raum verlassen. Können Sie sich erinnern ob es hierfür eine Begründung gab u. falls ja, wie lautete diese?
Einfach nur, um Sie sich zum Thema Rechtsmittel, Rechtsmittelverzicht ja od. nein besprechen zu können.
Können Sie sich noch erinnern mit welchen Worten/welcher Entscheidung die Herrschaften den Verhandlungsraum wieder betreten haben?
Dass sie keinen Rechtsmittelverzicht abgeben. Mehr nicht.
Was ist unter "es ergeht kein Rechtsmittelverzicht" (Protokoll v. , S. 8/8) zu verstehen?
Dass sie nach der Beratung keinen RM-Verzicht abgaben. […]"
Über die Beschwerde wurde erwogen:
Rechtslage:
§ 150 Abs. 1 FinStrG: Rechtsmittel im Finanzstrafverfahren ist die Beschwerde an das Bundesfinanzgericht.
§ 150 Abs. 2 FinStrG: Die Rechtsmittelfrist beträgt einen Monat. Sie beginnt mit der Zustellung des angefochtenen Erkenntnisses oder sonstigen Bescheides, bei Beschwerden gegen die Ausübung unmittelbarer finanzstrafbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt mit deren Kenntnis, sofern der Beschwerdeführer aber durch den Verwaltungsakt behindert war, von seinem Beschwerderecht Gebrauch zu machen, ab dem Wegfall dieser Behinderung.
§ 150 Abs. 4 FinStrG: Wurde ein Erkenntnis mündlich verkündet, so ist die Erhebung einer Beschwerde dagegen innerhalb einer Woche bei der Behörde, die das anzufechtende Erkenntnis erlassen hat, schriftlich oder mündlich zu Protokoll anzumelden. Eine angemeldete Beschwerde ist innerhalb der Frist gemäß Abs. 2 einzubringen. Eine nicht oder verspätet angemeldete Beschwerde ist zurückzuweisen, es sei denn, sie wurde von einer gemäß § 151 Abs. 1 berechtigten Person eingebracht, die bei der mündlichen Verhandlung weder anwesend noch vertreten war.
Gemäß § 156 Abs. 1 FinStrG hat die Finanzstrafbehörde eine Beschwerde, die gegen ein von ihr erlassenes Erkenntnis eingebracht worden ist, zurückzuweisen, wenn u.a. die Beschwerde nicht zulässig ist.
§ 134 FinStrG: Im Verfahren vor dem Spruchsenat hat der Vorsitzende nach Schluß der mündlichen Verhandlung auf Grund der Ergebnisse der Beratung und Abstimmung das Erkenntnis öffentlich zu verkünden und hiebei die wesentlichen Entscheidungsgründe bekanntzugeben. War die Öffentlichkeit der mündlichen Verhandlung ausgeschlossen, so ist sie auch bei der Bekanntgabe der Entscheidungsgründe des Erkenntnisses auszuschließen, soweit dabei Verhältnisse oder Umstände zur Sprache kommen, die unter die Geheimhaltungspflicht nach § 48a BAO fallen. Im Verfahren vor dem Einzelbeamten ist die Verkündung des Erkenntnisses nicht öffentlich; das Erkenntnis kann auch der schriftlichen Ausfertigung vorbehalten werden. Nach mündlicher Verkündung des Erkenntnisses hat der Verhandlungsleiter Belehrung über das Erfordernis der Anmeldung einer Beschwerde zu erteilen.
Der Niederschrift über die in dieser Finanzstrafsache durchgeführten mündlichen Verhandlung vor der Finanzstrafbehörde vom ist auszugsweise Folgendes zu entnehmen:
"Beginn 9:25 Uhr […]
Um 10:05 erscheint der Rechtswalt C.
[…]
Es ergeht die Verkündung des Erkenntnisses:
§ 34 Abs 3 FinStrG, grob fahrlässige Abgabenverkürzung
Geldstrafe EUR 1.250,- EUR 125,-Kosten des Verfahrens
Entscheidungsgründe werden umfassend erörtert.
Der Anwalt und der Beschwerdeführer verlassen den Raum zur Beratung.
10:54: es ergeht kein Rechtsmittelverzicht.
Entscheidungsausfertigung ergeht schriftlich.
Ich hatte die Möglichkeit, dieses Protokoll zur Gänze durchzulesen bzw. durchlesen zu lassen. Ich hatte die Möglichkeit, Korrekturen vornehmen zu lassen."
Diese Niederschrift wurde sowohl vom Beschwerdeführer als auch seinem Verteidiger unterfertigt, ohne Korrekturen vorzunehmen.
Zum Beschwerdevorbringen, "auf Rechtsmittel nicht verzichten zu wollen. Diese Erklärung kann nicht anders als die Anmeldung eines Rechtsmittels verstanden werden, da sie sonst überflüssig wäre," ist festzustellen, dass laut Wikipedia unter Rechtsmittelverzicht Folgendes verstanden wird:
Als Rechtsmittelverzicht wird die Erklärung eines Prozessbeteiligten bezeichnet, auf die Einlegung von Rechtsmitteln oder Rechtsbehelfen gegen eine gerichtliche oder behördliche Entscheidung zu verzichten. Angesichts seiner prozessualen Tragweite muss der Verzicht eindeutig, unzweifelhaft und unmissverständlich erklärt werden.
Nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH sind Parteienerklärungen nach ihrem objektiven Erklärungswert auszulegen. Es kommt somit darauf an, wie die Erklärung unter Berücksichtigung der konkreten gesetzlichen Regelung, des Verfahrenszwecks und der der Behörde bzw. dem Verwaltungsgericht vorliegenden Aktenlage objektiv verstanden werden muss. Bei undeutlichem Inhalt eines Anbringens ist die Absicht der Partei zu erforschen. Im Zweifel ist dem Anbringen einer Partei, das sie zur Wahrung ihrer Rechte stellt, nicht ein solcher Inhalt beizumessen, der ihr die Rechtsverteidigungsmöglichkeit nimmt (Hinweis ; , Ra 2014/13/0003; , Ra 2015/15/0041; ).
Nach Verkündung des Erkenntnisses und Belehrung über die Rechtsmittelmöglichkeit kann von einem Verteidiger verlangt werden, dass zwischen der Alternative, auf ein Rechtsmittel zu verzichten (mit der Konsequenz, dass die Finanzstrafbehörde die Möglichkeit der Erlassung eines vereinfachten Erkenntnisses gehabt hätte) oder der Alternative, ein Rechtsmittel bzw. eine Beschwerde anmelden zu wollen, ein Unterschied besteht.
Rechtsmittelerklärungen des Beschuldigten, eines Nebenbeteiligten und des Amtsbeauftragten dürfen nicht nur sinngemäß, sondern müssen wörtlich festgehalten werden [Kalcher in Köck/Kalcher/Judmaier/Schmitt, Finanzstrafgesetz, Band 2, 5. Aufl. (2021), § 134, I. Kommentar zu § 134 (Rz 3)]. Das protokollierte Parteienvorbringen, auf Rechtsmittel nicht verzichten zu wollen, ist - entgegen der Darstellung in der Beschwerde - eindeutig: es wird auf ein Rechtsmittel nicht verzichtet.
Die Anwendung des Grundsatzes, dass es in der Beurteilung von Parteienvorbringen nicht auf Bezeichnungen und zufällige verbale Formen ankommt, sondern auf den Inhalt, das erkennbare oder zu erschließende Ziel eines Parteischrittes (Hinweis ; , 89/17/0174), setzt voraus, dass eine der Auslegung zugängliche Parteienerklärung überhaupt vorliegt, und dass der Wille der Partei aus ihrem Vorbringen mit Eindeutigkeit erschlossen werden kann ().
Üblich ist es, dass Verhandlungsleiter dem Informationsbedürfnis der nicht rechtskundigen und unvertretenen Verhandlungsteilnehmer (Beschuldigter, Geschäftsführer eines belangten Verbandes) im Zeitpunkt nach Verkündung des Erkenntnisses bzw. der Eröffnung, dass die Bekanntgabe des Erkenntnisses der schriftlichen Ausfertigung vorbehalten werde, durch eine Belehrung über ihre Rechte im weiteren Verfahren (beispielsweise, dass sie auf die Erhebung einer Beschwerde verzichten konnten, eine Beschwerde anmelden konnten oder dafür noch eine einwöchige Bedenkzeit hatten bzw. andernfalls die ausgesprochene Geldstrafe bzw. Verbandsgeldbuße nach einem Monat fällig werden würde oder auf ein Rechtsmittel verzichten können) anleiten. Einer derartigen Hilfestellung bedarf es im Verfahren gegenüber den berufsmäßigen Parteienvertretern und den Amtsbeauftragten in der Regel eher nicht, weil davon auszugehen ist, dass diesen ihre diesbezüglichen Rechte und Pflichten bekannt sind.
Unterlässt die Verhandlungsleiterin nach Verkündung des Erkenntnisses allenfalls die Belehrung zur Anmeldung einer Beschwerde (§ 150 Abs. 4 FinStrG) hat das nicht zur Folge, dass die Anmeldefrist analog einer unterlassenen Rechtsmittelbelehrung (§ 140 Abs. 2 FinStrG) nicht in Lauf gesetzt werden würde ().
Im vorliegenden Fall liegt keine der Auslegung zugängliche Parteienerklärung vor, da hier eindeutig "kein Rechtsmittelverzicht" zu Protokoll gegeben wurde. Eine Anmeldung einer Beschwerde schaut jedenfalls anders aus. Dazu kommt, dass der Beschwerdeführer samt Verteidiger bei der Verkündung anwesend war und von einem Parteienvertreter nicht nur die Kenntnis der Verfahrensbestimmungen verlangt werden kann, sondern auch, dass er, wenn er eine Beschwerde anmelden hätte wollen, dies auch in einer eindeutigen Art und Weise vorgebracht und auch in der von ihm unterfertigten Niederschrift kontrolliert hätte, ob seine Anmeldung einer Beschwerde protokolliert wurde, und er gegebenenfalls das Protokoll korrigiert hätte. Da dies nicht der Fall war kann nur davon ausgegangen werden, dass "nur" nicht auf ein Rechtsmittel verzichtet wurde und der Beschwerdeführer und sein Verteidiger zur allfälligen Einbringung einer Anmeldung allenfalls noch eine weitere Bedenkzeit nehmen wollten, zumal es nach dem Ende der mündlichen Verhandlung gemäß § 150 Abs. 4 FinStrG noch möglich gewesen wäre, gegen das mündlich verkündete Erkenntnis innerhalb einer Woche bei der Finanzstrafbehörde schriftlich eine Beschwerde anzumelden. Allein daraus ist nachvollziehbar, dass für die Finanzstrafbehörde nach den logischen Denkgesetzen mit der protokollierten Aussage "nicht auf ein Rechtsmittel verzichten zu wollen" sich der Beschwerdeführer und sein Verteidiger erst innerhalb der gesetzlichen Frist von einer Woche zur Möglichkeit der Anmeldung einer Beschwerde beraten und dann möglicherweise äußern wollten.
Wird eine Beschwerde gegen ein im Beisein des Beschuldigten mündlich verkündetes Straferkenntnis entgegen der Bestimmung des § 150 Abs. 4 FinStrG nicht angemeldet, aber dennoch erhoben, ist sie zurückzuweisen, auch wenn im Anschluss an die mündliche Verhandlung eine diesbezügliche Belehrung über das Erfordernis der Anmeldung unterblieben sein soll und auch wenn die schriftliche Ausfertigung des Straferkenntnisses eine Rechtsmittelbelehrung enthalten hatte, wonach - unzutreffenderweise - eine Beschwerde gegen dieses Erkenntnis zugelassen wäre (vgl. ).
Der Vollständigkeit halber ist festzuhalten, dass dem hier relevanten Erkenntnis eine korrekte Rechtsmittelbelehrung wie folgt zu entnehmen ist:
Nachdem das Erkenntnis am mündlich verkündet wurde, war die Erhebung einer Beschwerde dagegen innerhalb einer Woche bei der Behörde, die das anzufechtende Erkenntniserlassen hat, schriftlich oder mündlich zu Protokoll anzumelden. Eine angemeldete Beschwerde ist innerhalb der Frist gemäß § 150 Abs. 2 einzubringen. […]
Selbst der Umstand, dass die entsprechende Rechtsbelehrung des Beschuldigten gemäß § 134 letzter Satz FinStrG im Anschluss an die mündliche Verhandlung vor der Einzelbeamtin unterblieben sein sollte, führt hinsichtlich nicht zur rechtlich nicht mehr gegebenen nachträglichen Aktivlegitimierung des vertretenen Beschuldigten zur Erhebung einer in dieser Konstellation tatsächlich nicht mehr vorgesehenen Beschwerde (vgl. ).
Die Finanzstrafbehörde sah die protokollierte Äußerung des Beschwerdeführers, "nicht auf ein Rechtsmittel verzichten zu wollen" nicht als Erklärung einer Beschwerdeanmeldung an. Das Bundesfinanzgericht kann nicht feststellen, dass der Finanzstrafbehörde bei einer derartigen Interpretation dieser Parteierklärung im Einzelfall eine krasse Fehlbeurteilung unterlaufen wäre (vgl. , mwN; ). Die Zurückweisung der Beschwerde erweist sich somit als rechtmäßig.
Über den Eventualantrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 167 Abs. 1 FinStrG wird die Finanzstrafbehörde (seit Amt für Betrugsbekämpfung) noch zu entscheiden haben.
Zur Unzulässigkeit der Revision
Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine Revision nicht zulässig, da das Erkenntnis nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Gegenstand dieses Beschwerdeverfahrens war allein die Beurteilung, ob die protokollierte Aussage, "nicht auf ein Rechtsmittel verzichten zu wollen" schon eine Anmeldung einer Beschwerde darstellt, somit die Klärung einer Sachverhaltsfrage und nicht einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen | § 140 Abs. 2 FinStrG, Finanzstrafgesetz, BGBl. Nr. 129/1958 § 150 Abs. 4 FinStrG, Finanzstrafgesetz, BGBl. Nr. 129/1958 § 134 FinStrG, Finanzstrafgesetz, BGBl. Nr. 129/1958 § 156 Abs. 1 FinStrG, Finanzstrafgesetz, BGBl. Nr. 129/1958 |
Schlagworte | Inhalt einer Eingabe Zurückweisung Belehrung über erforderliche Beschwerdeanmeldung fehlende Beschwerdeanmeldung Rechtsmittelbelehrung |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2021:RV.7300070.2020 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at