Bescheidbeschwerde – Einzel – Beschluss, BFG vom 22.07.2020, RV/7101097/2017

Einstellung des Beschwerdeverfahrens mangels Zustellmöglichkeit und Vorliegens von Vermögen.

Entscheidungstext

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Dr. Christine Smolle in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch LBG Wirtschaftsprüfung & Steuerberatung GmbH, Boerhaavegasse 6 Tür 3. OG, 1030 Wien, über die Beschwerden vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Wien 1/23 vom betreffend Körperschaftsteuer 2007 und Körperschaftsteuer 2008, Steuernummer ***BF1StNr1*** beschlossen:

Das Beschwerdeverfahren wird eingestellt.

Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Die Beschwerdeführerin (Bf.) ist eine juristische Person, deren Betriebsgegenstand der Kauf und Verkauf von Straßenmaschinen war.

Im Rahmen einer Außenprüfung wurden Feststellungen getroffen, aufgrund derer das Finanzamt bestimmte näher bezeichnete Aufwendungen nicht als Betriebsausgaben anerkannte. Es erließ dementsprechende Bescheide betreffend Körperschaftsteuer für die Jahre 2007 und 2008.

Gegen diese Bescheide wurden Beschwerden eingebracht, die mit ausführlich begründeten Beschwerdevorentscheidungen abgewiesen wurden.

Innerhalb offener Frist stellte die Bf. Vorlageanträge und legte das Finanzamt die Beschwerden dem Bundesfinanzgericht vor.

Aufgrund einer Anfrage des BFG teilte das Finanzamt mit Mail vom mit, dass an der Firmenadresse keine Zustellung mehr möglich sei und die Bf. über kein Vermögen verfüge. Gründe, die gegen eine Einstellung des Beschwerdeverfahrens sprechen, hat das Finanzamt nicht angeführt.

Mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien wurde am die amtswegige Löschung gem. § 40 FBG im Firmenbuch eingetragen.

Hieraus folgt rechtlich:

Die Auflösung und Löschung einer im Firmenbuch eingetragenen juristischen Person hat bloß deklaratorischen Charakter () und beendet die Rechtsfähigkeit nicht, solange Vermögen vorhanden ist () und Rechtsverhältnisse zu Dritten nicht vollständig abgewickelt - also zB Abgaben noch festzusetzen - sind (Ritz, BAO³, § 79, Tz 10, 11; ; , 2006/13/0187).

Die Rechts- und Parteifähigkeit einer GmbH bleibt daher auch nach ihrer Löschung im Firmenbuch solange erhalten, als noch Abwicklungsbedarf besteht, was dann der Fall ist, wenn Abgabenverbindlichkeiten einer solchen Gesellschaft bescheidmäßig festzusetzen sind. An eine im Firmenbuch bereits gelöschte GmbH gerichtete Bescheide ergehen daher grundsätzlich rechtswirksam ().

Bis zur Vollbeendigung braucht die aufgelöste Gesellschaft - so wie bisher - einen gesetzlichen oder gewillkürten Vertreter. In der Zeit zwischen Auflösung und Vollbeendigung (vollständige Abwicklung aller Rechtsverhältnisse) fungiert grundsätzlich der vormalige Geschäftsführer als "geborener Liquidator"(; , 92/15/0121; -K/06; -K/07; ). An ihn können an die Gesellschaft adressierte Erledigungen bis zur Bestellung eines Liquidators noch zugestellt werden.

Der Auflösung folgt i.d.R. die Liquidation oder Abwicklung (§89 GmbHG). Während dieser Zeit wird eine Kapitalgesellschaft gemäß § 93 GmbHG durch die im Firmenbuch eingetragenen Liquidatoren oder Abwickler vertreten. Nach Beendigung der Liquidation und Entlastung der Liquidatoren erfolgt die Löschung im Firmenbuch. Mit ihr endet auch das Liquidatorenamt. Sollten in weiterer Folge noch Bescheide an die im Firmenbuch gelöschte Gesellschaft erlassen werden, regelt § 80 Abs. 3 BAO, dass Zustellungsvertreter einer gelöschten GmbH nach Beendigung der Liquidation ist, wer gemäß § 93 Abs. 3 GmbHG auf die Dauer von sieben Jahren zur Aufbewahrung der Bücher und Schriften der aufgelösten Gesellschaft verpflichtet ist oder zuletzt verpflichtet war. Bei diesem "Verwahrer", der in Ermangelung einer Bestimmung des Gesellschaftsvertrages oder eines Gesellschafterbeschlusses durch das Gericht bestimmt wird, kann es sich um einen Gesellschafter oder um eine dritte Person handeln. Keine Liquidation findet im Falle des Konkurses einer Gesellschaft statt (vgl. Haberer/Zehetner in Straube (Hrsg), GmbHG § 89 Rz 11).

Die Vertretungsregelung des § 80 Abs. 3 BAO erfasst nur jene Fälle, in denen eine Liquidation nach § 89 GmbHG stattgefunden hat. Nicht erfasst sind Fälle, in denen eine Kapitalgesellschaft gemäß § 40 Abs. 1 FBG wegen Vermögenslosigkeit durch das Gericht gelöscht wird oder eine Gesellschaft gemäß § 39 Abs. 1 FBG bei Konkursabweisung mangels eines zur Deckung der Verfahrenskosten ausreichenden Vermögens als aufgelöst gilt und daher mangels Vermögens von Amts wegen zu löschen ist.

Der Löschung im Firmenbuch kann durch das für die Abgabenerhebung zuständige Finanzamt gemäß § 160 Abs. 3 BAO die Zustimmung versagt werden (Löschungssperre). Das Finanzamt kann sich auch gem. § 40 Abs. 2 FBG gegen eine vom Firmenbuchgericht beabsichtigte amtswegige Löschung aussprechen. Die Löschung gemäß § 40 Abs. 1 FBG sowie die im Firmenbuch gemäß § 39 Abs. 2 FBG einzutragende Auflösung gelten zwar nur als deklarativ und führen grundsätzlich nicht zur Vollbeendigung der Gesellschaft (), jedoch ist mit der nur deklarativ wirkenden Löschung der Gesellschaft im Firmenbuch nach der Rechtsprechung des OGH konstitutiv auch der Wegfall der organschaftlichen Vertretung der Gesellschaft verbunden (; , 3 Ob 113/07z), sodass in diesem Fall an eine im Firmenbuch gelöschte juristische Person mangels Handlungsfähigkeit keine Bescheide mehr wirksam erlassen werden können. Eine Zustellung etwa an den früheren Geschäftsführer wäre unwirksam (). Für den gegenständlichen Fall bedeutet dies, dass eine Entscheidung über die Beschwerden durch das Gericht nicht mehr wirksam zugestellt werden kann. Der steuerliche Vertreter, der namens der Bf. die Beschwerde eingebracht hatte, vertritt die gelöschte GmbH nicht mehr. Eine andere Person, der ein Beschluss oder Erkenntnis in diesem Rechtsmittelverfahren zugestellt werden kann, besteht auf Grund der vorstehenden Ausführungen nicht.

Wegen der fehlenden Möglichkeit eine Rechtsmittelentscheidung der Bf. zuzustellen, kann eine solche durch das Gericht auch nicht wirksam erlassen werden. Das Beschwerdeverfahren ist daher einzustellen.

Gemäß § 206 Abs. 1 lit. b BAO kann die Abgabenbehörde von der Festsetzung von Abgaben ganz oder teilweise Abstand nehmen, soweit im Einzelfall auf Grund der der Abgabenbehörde zur Verfügung stehenden Unterlagen und der durchgeführten Erhebungen mit Bestimmtheit anzunehmen ist, dass der Abgabenanspruch gegenüber dem Abgabenschuldner nicht durchsetzbar sein wird. Gemäß § 206 Abs.2 BAO erlischt durch die Abstandnahme der Abgabenanspruch nicht. Die Abstandnahme berührt nicht die Befugnis, diesbezügliche persönliche Haftungen gegenüber Haftungspflichtigen geltend zu machen.

Das Gericht gelangt somit zur Ansicht, dass die Bf. über kein Vermögen mehr verfüge und keine Gründe vorliegen, die gegen eine Einstellung des gegenständlichen Verfahrens sprechen. Das Beschwerdeverfahren ist somit einzustellen.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die gegenständliche Entscheidung folgt der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. ), weshalb keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliegt. Eine Revision ist daher nicht zulässig.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 206 Abs. 1 lit. b BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.7101097.2017

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at