Bescheidbeschwerde – Einzel – Beschluss, BFG vom 26.02.2021, RV/7100184/2021

Zurückweisung wegen Verspätung

Entscheidungstext

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht hat durch die RichterinIBV in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Magistrat der Stadt Wien, Kinder- und Jugendhilfe, Rechtsvertretung 16,17,18,19, Kalvarienberggasse 29, 1170 Wien, betreffend die Beschwerde vom gegen den Abweisungsbescheid des Finanzamtes Österreich (bisher Finanzamt Wien 2/20/21/22) vom betreffend Familienbeihilfe ab Jänner 2016 beschlossen:

Der am eingebrachte, mit datierte Vorlageantrag betreffend die am zugestellte Beschwerdevorentscheidung vom wird gemäß § 264 Abs 4 lit e BAO iVm § 260 Abs 1 lit b BAO als nicht fristgerecht eingebracht zurückgewiesen.

Eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 iVm Abs. 9 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Begründung

Mit Bescheid des Finanzamtes vom wurde der Antrag des durch den Magistrat der Stadt Wien Kinder- und Jugendhilfe, Rechtsvertretung 16,17, 18, 19, vertretenen minderjährigen Beschwerdeführers (kurz: Bf) auf Zuerkennung der Familienbeihilfe gemäß § 6 Abs. 5 FLAG 1967 ab Jänner 2016 abgewiesen.

Dagegen wurde mit Schriftsatz vom , beim Finanzamt eingelangt am , Beschwerde eingebracht.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom hat das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und den Spruch geändert: Der Antrag auf Familienbeihilfe wird für den Zeitraum Jänner 2016 bis Februar 2020 zurückgewiesen und für den Zeitraum ab März 2020 abgewiesen:

Gemäß der höchstgerichtlichen Entscheidung des , sei die Geltendmachung eines Familienbeihilfeanspruches dem Bereich der Geltendmachung von unterhaltsrechtlichen Ansprüchen zuzuordnen. Dies ergebe sich auch aus den primären Zielsetzungen des FLAG 1967 gemäß welcher Unterhaltskosten, die durch die Betreuung und Versorgung von Kindern entstünden, ausgeglichen und der Mindestunterhalt des Kindes sichergestellt werden sollte. In Fällen einer Fremdunterbringung im Rahmen der vollen Erziehung (Kinderschutzmaßnahme) verfüge der Kinder- und Jugendhilfeträger über die Obsorge im Bereich der Pflege und Erziehung. Entsprechend dieser Entscheidung des OGH und nach Rechtsansicht des Justizressorts sowie des BKA falle die Geltendmachung von Familienbeihilfenbeträgen für vergangene Zeiträume nicht in den Bereich der Pflege und Erziehung, da sich diese nicht auf aktuelle Lebensbedürfnisse beziehe. Vielmehr würde dies die Geltendmachung von Vermögensbestandteilen bedeuten, die durch die einmalige rückwirkende Auszahlung zu einem Ertrag und Bildung von Stammvermögen des Kindes führten. Nach Rechtsansicht des Justizressorts seien Kinder- und Jugendhilfeträger, welche nur über eine Obsorge im Bereich der Pflege und Erziehung verfügen würden, nicht legitimiert, einen rückwirkenden Antrag auf Familienbeihilfe für vergangene Zeiträume zu stellen. Für die Antragstellung und Geltendmachung der Familienbeihilfe durch den Kinder- und Jugendhilfeträger für vergangene Zeiträume müsste somit auch eine Obsorgeübertragung auf den Kinder- und Jugendhilfeträger im Bereich der Vermögensverwaltung vorhanden sein.
Nach § 6 Abs. 5 FLAG 1967 hätten Kinder, deren Eltern ihnen nicht überwiegend Unterhalt leisten würden, nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe im Eigenbezug, wenn sie die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllten, keine Ausschließungsgründe vorlägen und ihr Unterhalt nicht zur Gänze aus Mitteln der Kinder- und Jugendhilfe oder nicht zur Gänze aus öffentlichen Mitteln zur Sicherung des Lebensunterhaltes und des Wohnbedarfes getragen würden.
Da keine Übertragung im Bereich der Vermögensverwaltung vorliege, sei der Antrag von Jänner 2016 bis Juni 2020 zurückzuweisen. Die Eltern würden keinen Kostenbeitrag leisten, daher werde der Unterhalt des Bf zur Gänze aus öffentlichen Mitteln finanziert. Der Antrag sei deshalb für den Zeitraum ab Juli 2020 abzuweisen.

Laut Rückschein wurde die Beschwerdevorentscheidung am übernommen.

Mit Schriftsatz vom brachte der Bf, vertreten durch den Magistrat der Stadt Wien Kinder- und Jugendhilfe Rechtsvertretung 16, 17, 18 , 19, einen Vorlageantrag ein und stellte den Antrag den angefochtenen Abweisungsbescheid dahingehend abzuändern, dass die Familienbeihilfe für den Zeitraum Jänner 2016 bis Februar 2018 gewährt werde. Zur Antrags- und Beschwerdelegitimation wurde im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:

Aus den Entscheidungen des OGH 8 Ob 99/12k, 6 Ob 62/20s und 6 Ob 50/20a, ergebe sich eindeutig, dass die Obsorge im Bereich Pflege und Erziehung ausreiche, um das Kind im Verfahren auf Zuerkennung der Familienbeihilfe zu vertreten, unabhängig davon, ob der Antrag nur die Zuerkennung der Familienbeihilfe ab Antragstellung oder auch für rückwirkende Zeiträume anstrebe. Der Magistrat der Stadt Wien Kinder- und Jugendhilfe Rechtsvertretung 16, 17, 18, 19, sei im gegenständlichen Fall mit der Obsorge im Bereich Pflege und Erziehung betreffend den Bf betraut, was auch von Seiten des Finanzamtes nicht bezweifelt werde. Dies legitimiere den Magistrat der Stadt Wien Kinder- und Jugendhilfe Rechtsvertretung 16, 17, 19, 19, zur Antragstellung auf Familienbeihilfe sowohl für laufende als auch für rückwirkende Zeiträume.

Zusätzlich stellte der Bf, vertreten durch den Magistrat der Stadt Wien Kinder- und Jugendhilfe Rechtsvertretung 16, 17, 18, 19, mit Schriftsatz vom , beim Finanzamt eingelangt am , einen weiteren Antrag auf Zuerkennung der Familienbeihilfe ab .

Dieser Antrag wurde mit Bescheid vom zurückgewiesen, da bereits mit Bescheid vom seitens der Behörde rechtskräftig über diesen Zeitraum abgesprochen worden sei. Ein neuerlicher Antrag über denselben Zeitraum sei nicht zulässig.

Mit Bericht vom wurde die Beschwerde vom , beim Finanzamt eingelangt am , dem Bundesfinanzgericht vorgelegt und zum Sachverhalt ua Folgendes ausgeführt:

Der minderjährige Bf befinde sich seit in einer sozialpädagogischen Einrichtung im Rahmen der vollen Erziehung. Der Magistrat der Stadt Wien Kinder- und Jugendhilfe habe seit die Obsorge im Bereich der Pflege und Erziehung inne. Beide Eltern hätten bis inklusive Februar 2018 Kostenbeiträge an die Stadt Wien geleistet und bis dahin hätten auch immer wieder Besuche der Kinder bei ihren Eltern stattgefunden. Ab März seien allerdings die Kostenbeiträge der Eltern eingestellt worden und auch Besuche hätten - wenn überhaupt - sehr unregelmäßig stattgefunden. Aus diesem Grund sei auch im Vorlageantrag der Antrag respektive das Beschwerdebegehren auf Jänner 2016 bis Februar 2018 eingeschränkt worden.

In der Stellungnahme wurde darauf hingewiesen, dass die Beschwerdevorentscheidung laut Rückschein am nachweislich zugestellt worden sei, die Frist zur Einbringung des Vorlageantrages daher am geendet habe, der Vorlageantrag am erstellt worden sei und am beim Finanzamt eingelangt sei, der Vorlageantrag somit verspätet sei.

Der an den Bf gerichtete Vorhalt des Bundesfinanzgerichtes vom , in dem die Möglichkeit zur Stellungnahme hinsichtlich der verspäteten Einbringung des Vorlageantrags eingeräumt wurde, blieb unbeantwortet.

Das Bundesfinanzgericht ermittelte, dass der Vorlageantrag am zur Post gegeben und am zugestellt worden ist:

Im vorgelegten Akt befinden sich noch folgende Unterlagen:
Vereinbarung der vollen Erziehung vom , Antrag auf Betrauung mit der Vermögensverwaltung vom , Vereinbarung über den Kostenersatz vom und Schriftsatz des Magistrates der Stadt Wien, Rechtsvertretung 17,18,19, vom .

DAZU WIRD ERWOGEN:

Die Bescheidbeschwerde ist gemäß § 260 Abs 1 BAO mit Beschwerdevorentscheidung (§ 262) oder mit Beschluss (§ 278) zurückzuweisen, wenn sie
a) nicht zulässig ist oder
b) nicht fristgerecht eingebracht wurde.

Gegen eine Beschwerdevorentscheidung kann gemäß § 264 Abs 1 S 1 BAO innerhalb eines Monats ab Bekanntgabe (§ 97) der Antrag auf Entscheidung über die Bescheidbeschwerde durch das Verwaltungsgericht gestellt werden (Vorlageantrag).

Für Vorlageanträge ist nach § 264 Abs 4 lit e BAO § 260 Abs 1 (Unzulässigkeit, nicht fristgerechte Einbringung) sinngemäß anzuwenden.

§ 260 BAO und § 260 iVm 264 Abs. 4 lit. e BAO regeln die die Beschwerde und den Vorlageantrag betreffenden Zurückweisungsgründe. Als solche kommen die Unzulässigkeit der Beschwerde oder des Vorlageantrags oder aber die mangelnde Rechtzeitigkeit der Beschwerde oder des Vorlageantrags in Betracht.

Unzulässig ist eine Beschwerde oder ein Vorlageantrag insbesondere wegen mangelnder Aktivlegitimation des Einbringenden.

Im gegenständlichen Fall brachte der Magistrat Wien Kinder- und Jugendhilfe Rechtsvertretung 16, 17, 18, 19, sowohl den Antrag auf Zuerkennung der Familienbeihilfe gemäß § 6 Abs. 5 FLAG als auch die Beschwerde und den Vorlageantrag als Vertreter des Bf ein.

Es stellt sich in diesem Zusammenhang zunächst die Frage der Vertretungsbefugnis. Dazu ist Folgendes auszuführen:

Der Bf befindet sich aufgrund der mit den Eltern abgeschlossenen Vereinbarung seit in voller Erziehung der Stadt Wien. Dem Magistrat der Stadt Wien Kinder- und Jugendhilfe obliegt die Obsorge im Bereich der Pflege und Erziehung. Der Antrag auf Betrauung mit der Vermögensverwaltung im Umfang der Beantragung und Verwaltung des Eigenanspruches des Kindes auf Familienbeihilfe wurde erst am gestellt und nach Aufforderung des Gerichtes mit dem Hinweis auf das Erkenntnis des , wieder zurückgezogen.

Laut , hat der EOGH bereits klargestellt, dass die Unterhaltsleistungen der Eltern regelmäßig der Erbringung bzw Finanzierung jener Obsorgemaßnahmen dienen, die der Pflege und Erziehung zuzuordnen sind. Dementsprechend betrifft die Geltendmachung von Unterhalt den Bereich der Pflege und Erziehung und nicht jenen der Vermögensverwaltung. Die gesetzliche Vertretung in Unterhaltssachen steht damit grundsätzlich jenem Elternteil zu, dem die Pflege und Erziehung zukommt bzw übertragen wurde. Zweck der Familienbeihilfe ist, die Pflege und Erziehung des Kindes (als Zuschuss) zu erleichtern und die mit dessen Betreuung verbundenen Mehrbelastungen - zumindest zum Teil - auszugleichen. Gerade diesem Zweck dient aber auch der Unterhaltsbeitrag, den der geldunterhaltspflichtige Elternteil gemäß § 231 ABGB zu leisten hat, womit nicht ersichtlich ist, weshalb zwar Geltendmachung und Empfangnahme von Kindesunterhalt zum Obsorgeteilbereich Pflege und Erziehung gehören sollen, nicht aber Geltendmachung und Empfangnahme von dem Kind zustehenden Familienbeihilfenleistungen.

In der Entscheidung des 6 Ob50/20a, ist der OGH der Rechtsauffassung des dortigen Revisionsrekurswerbers, für den rückwirkenden Teil des Unterhaltsbemessungsantrages sei die Obsorge im Bereich Pflege und Erziehung nicht ausreichend, sondern sei dafür die Obsorge im Bereich der Vermögensverwaltung erforderlich, entgegen getreten und hat ausdrücklich ausgesprochen, dass auch für den rückwirkenden Teil des Unterhaltsbegehrens die Obsorge im Bereich der Pflege und Erziehung die entsprechende Grundlage bietet.

Das Bundesfinanzgericht kommt daher zu dem Ergebnis, dass die im gegenständlichen Fall dem Magistrat der Stadt Wien Kinder- und Jugendhilfe seit Jänner 2016 übertragene Obsorge im Bereich Pflege und Erziehung für die Vertretung des Bf zur Geltendmachung des Familienbeihilfenanspruchs, die Einbringung der Beschwerde gegen den Abweisungsbescheid und die Einbringung des Vorlageantrags ausreicht und zwar auch für den rückwirkend ab Jänner 2016 geltend gemachten Teil des Familienbeihilfeanspruchs. (Vgl. ).

Die Vertretungsbefugnis des Magistrates der Stadt Wien Kinder- und Jugendhilfe Rechtsvertretung 16, 17, 18, 19, ist damit zu bejahen. Die Aktivlegitimation des Einschreiters ist gegeben.

Zu klären bleibt die Frage, ob der Vorlageantrag rechtzeitig eingebracht wurde:

Erledigungen werden nach § 97 Abs. 1 BAO dadurch wirksam, dass sie demjenigen bekanntgegeben werden, für den sie ihrem Inhalt nach bestimmt sind. Die Bekanntgabe erfolgt nach lit. a bei schriftlichen Erledigungen, wenn nicht in besonderen Vorschriften die öffentliche Bekanntmachung oder die Auflegung von Listen vorgesehen ist, durch Zustellung.

Nach Wochen, Monaten oder Jahren bestimmte Fristen enden gemäß § 108 Abs. 2 BAO mit Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monates, der durch seine Benennung oder Zahl dem für den Beginn der Frist maßgebenden Tag entspricht. Fehlt dieser Tag in dem letzten Monat, so endet die Frist mit Ablauf des letzten Tages dieses Monates.

Beginn und Lauf einer Frist werden gemäß § 108 Abs. 3 BAO durch Samstage, Sonntage oder Feiertage nicht behindert. Fällt das Ende einer Frist auf einen Samstag, Sonntag, gesetzlichen Feiertag, Karfreitag oder 24. Dezember, so ist der nächste Tag, der nicht einer der vorgenannten Tage ist, als letzter Tag der Frist anzusehen.

Die Tage des Postenlaufes werden gemäß § 108 Abs. 4 BAO in die Frist nicht eingerechnet.

Wird der Lauf einer Frist durch eine behördliche Erledigung ausgelöst, so ist für den Beginn der Frist nach § 109 BAO der Tag maßgebend, an dem die Erledigung bekanntgegeben worden ist (§ 97 Abs. 1).

Für den Beginn der Antragsfrist ist also gemäß § 109 BAO der Tag maßgebend, an dem die Beschwerdevorentscheidung bekannt gegeben wurde. Dies ist gemäß § 97 Abs. 2 BAO der Tag der Zustellung.

Die gegenständliche Beschwerdevorentscheidung vom wurde am zugestellt. Dies ist durch den vorliegenden Rückschein erwiesen und wird von Seiten des Bf nicht bestritten.

Nach § 264 Abs. 1 BAO beträgt die Frist für die Einbringung eines Vorlageantrages einen Monat. Hinsichtlich des Fristendes ist § 108 Abs. 2 BAO zu beachten, wobei unter "Zahl" das Datum bei Monatsfristen gemeint ist (vgl. Ritz, BSAO6, § 108 Rz 5).

Die Frist für die rechtzeitige Stellung des Vorlageantrags endete somit im gegenständlichen Fall am . Der Vorlageantrag, datiert mit , wurde laut der durchgeführten Nachverfolgung des Sendungsverlaufs am bei der Post aufgegeben. Der Vorlageantrag ist somit als verspätet zu werten und nach § 260 Abs. 1 BAO als nicht fristgerecht eingebracht zurückzuweisen.

Hingewiesen wird auf die Möglichkeit, einen Antrag auf Bescheidaufhebung gemäß § 299 BAO zu stellen. Es darf dazu auf den Beschluss des Bundesfinanzgerichts vom , RV/7100157/2021, verwiesen werden.

Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil der Beschluss von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. (Art. 133 Abs 4 B-VG)

Die Gegenstandsloserklärung ergibt sich schon aus dem Gesetzestext, sodass eine Revision nicht zuzulassen war.

Salzburg, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 264 Abs. 4 lit. e BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.7100184.2021

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at