Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 19.11.2020, RV/7200048/2018

Festsetzung einer Verwaltungsabgabe wegen mehrerer Fehler in der Zollanmeldung

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/7200048/2018-RS1
Die Festsetzung einer Verwaltungsabgabe gegenüber dem Ersteller einer mit mehreren Fehlangaben behafteten Zollanmeldung, dem als Vertreter die Verantwortung für die Richtigkeit der Informationen in der Anmeldung nach Art. 15 Abs. 2 letzter Satz UZK trifft, ist als Sanktion iSd Art. 42 UZK zu werten, wenn sie sich in dem vom EuGH in der Entscheidung vom , C-655/18 gesteckten Rahmen bewegt.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***R*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Zollamtes Eisenstadt Flughafen Wien vom , Zl. ***1***, betreffend Verwaltungsabgaben, zu Recht erkannt:

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang und Sachverhalt

Mit Zollanmeldung CRN ***2*** meldete die nunmehrige Beschwerdeführerin (Bf.), die ***Bf1***, ***Bf1-Adr*** beim Zollamt Eisenstadt Flughafen Wien am unter Verfahrenscode 1000 eine Sendung mit 2 Packstücken und einer Rohmasse von 468,00 kg zur Ausfuhr an.

Laut Zollanmeldung trat sie dabei als direkte Vertreterin der ***NN1*** auf.

Die Überlassung der Waren (Art. 194 UZK) durch das Zollamt erfolgte am selben Tag ohne Durchführung näherer Kontrollen und ohne Beschau.

Am brachte die Bf. dem Zollamt zur Kenntnis, dass sie in der erwähnten Zollanmeldung versehentlich unrichtige Angaben hinsichtlich des Ausführers gemacht habe. Tatsächlich sei nicht die ***NN1.*** sondern die ***NN2*** der Ausführer. Sie beantrage daher einer Richtigstellung der diesbezüglichen Angaben (inkl. ATU-Nummer und EORI-Nummer).

Das Zollamt entsprach diesem Antrag vollinhaltlich und änderte die genannte Zollanmeldung mit Bescheid vom , Zl. ***3***, im Grunde des Art. 173 Abs. 3 UZK ab.

Eine Vertreterin der ***NN2*** teilte dem Zollamt am mit, dass die erwähnten Falschangaben nicht durch ihr Unternehmen verursacht worden seien und auch nicht in ihrer Verantwortung liegen.

Nach einem entsprechenden Vorhalt zur Wahrung des Parteiengehörs setzte das Zollamt mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom , Zl. ***1***, der Bf. gem. Art. 42 UZK iVm § 41 ZollR-DG und § 30 Abs. 1 Z 3 und Abs. 2 ZollR-DV eine Verwaltungsabgabe in der Höhe von € 93,96 fest.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde vom . Gem. Art. 52 UZK sei es den Zollbehörden untersagt, für Zollkontrollen oder sonstige in Anwendung zollrechtlicher Vorschriften während der offiziellen Öffnungszeiten der zuständigen Zollstellen durchgeführte Handlungen Gebühren zu erheben. Gem. § 98 Abs. 1 Z 5 ZollR-DG handle es sich bei Verwaltungsabgaben um Kosten. Die Bestimmungen des § 41 ZollR-DG kollidieren daher mit den Bestimmungen des Art. 52 UZK.

Außerdem sei im Feld 44 der Zollanmeldung unter der Codierung N380 die Faktura ***4*** deklariert worden. Diese weise als Rechnungsleger die ***NN2*** aus. Durch die Deklaration sei diese Rechnung in die Willenserklärung der Zollanmeldung vollinhaltlich eingeflossen, wodurch der richtige Ausführer als angemeldet gelte. Die Festsetzung einer Verwaltungsabgabe sei daher rechtswidrig.

Das Zollamt wies diese Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom , Zl. ***5***, ab.

Die Bf. stellte daraufhin mit Eingabe vom den Vorlageantrag. Die Bf. bekräftigt darin neuerlich ihre Ansicht, dass sie auf Grund der Zitierung der zutreffenden Faktura keine unrichtigen Angaben in der Zollanmeldung gemacht habe.

Außerdem möge das Bundesfinanzgericht eine Normprüfung gem. Art. 140 Abs. 1 Z1 lit. a B-VG bzw. eine Verordnungsprüfung gem. Art. 139 Abs. 1 Z 1 B-VG durch den Verfassungsgerichtshof initiieren.

Am teilte die Bf. dem Bundesfinanzgericht mit, dass sie ihre zuvor gestellten Anträge auf Entscheidung durch den Senat und auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung zurückzieht.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Auf Pkt. I. der vorliegenden Entscheidung wird verwiesen.

Beweiswürdigung

Die Beweiserhebung seitens des Bundesfinanzgerichtes erfolgte durch Einsichtnahme in den vom Zollamt Eisenstadt Flughafen Wien elektronisch vorgelegten Verwaltungsakt. Daraus ergibt sich der oben wiedergegebene Sachverhalt und der geschilderte Verfahrensgang.

Die Bf. hat keinerlei Einwendungen gegen die sachverhaltsbezogenen Feststellungen des Zollamtes erhoben. Diese waren somit bedenkenlos als erwiesen anzunehmen.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Rechtslage:

Gemäß Art. 42 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Festlegung des Zollkodex der Union (UZK) sieht jeder Mitgliedstaat Sanktionen für Zollzuwiderhandlungen gegen die zollrechtlichen Vorschriften vor. Diese Sanktionen müssen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein.

Werden verwaltungsrechtliche Sanktionen verhängt, so können sie gemäß Art. 42 Abs.2 UZK unter anderem in einer oder beiden folgenden Formen erfolgen:

a) als eine von den Zollbehörden auferlegte finanzielle Belastung, gegebenenfalls auch an Stelle oder zur Abwendung einer strafrechtlichen Sanktion,

b) als Widerruf, Aussetzung oder Änderung einer dem Beteiligten erteilten Bewilligung.

Gemäß Art. 52 Abs. 1 UZK erheben die Zollbehörden für Zollkontrollen oder sonstige in Anwendung zollrechtlicher Vorschriften während der offiziellen Öffnungszeiten der zuständigen Zollstellen durchgeführte Handlungen keine Gebühren.

Zu Art. 42 UZK bestimmt § 41 ZollR-DG Folgendes:

"Wer zollrechtliche Aufsichts- oder Erhebungsmaßnahmen behindert oder eine sonstige zollrechtliche Pflichtverletzung begeht, ohne dabei den Tatbestand eines Finanzvergehens zu erfüllen, hat zur Abgeltung des dadurch entstehenden erhöhten Verwaltungsaufwandes eine pauschalierte Verwaltungsabgabe zu leisten. Die Höhe dieser Verwaltungsabgabe sowie die hiervon betroffenen Zollzuwiderhandlungen sind mit Verordnung des Bundesministers für Finanzen fest zu legen."

Auf der Grundlage dieser Verordnungsermächtigung bestimmt § 30 ZollR-DV Folgendes:

"(1) Der Verwaltungsabgabe nach § 41 ZollR-DG unterliegt, sofern dadurch kein Tatbestand eines Finanzvergehens erfüllt wird

1. die Verletzung der Gestellungspflicht;

2. die Nichterfüllung von Verpflichtungen aus einer zollrechtlichen Entscheidung (Art.23 Abs. 1 Zollkodex);

3. die Erklärung unrichtiger oder unvollständiger Angaben in der Zollanmeldung, in der Anmeldung zur vorübergehenden Verwahrung, in der summarischen Eingangs- oder Ausgangsanmeldung, sowie in der Wiederausfuhranmeldung;

4. die Überschreitung einer Frist in den besonderen Verfahren.

(2) Die Höhe der Verwaltungsabgabe beträgt ein Vielfaches des nach § 101 Abs. 2 ZollR-DG für Beamte der Verwendungsgruppe A 2 bestimmten Personalkostenersatzes für Amtshandlungenaußerhalb der Nachtzeit, und zwar in den Fällen des

(…)

3. Abs. 1 Z 3 das Zweifache,

(…)."

§ 98 Abs. 1 ZollR-DG lautet:

"An Nebenansprüchen sind im Verfahren der Zollbehörden zu erheben

1. Kosten, und zwar:

a) Kommissionsgebühren nach Maßgabe der §§ 99 bis 102,

b) Verwaltungsabgaben nach Maßgabe des § 104,

c) Kostenersätze nach Maßgabe der §§ 106 und 107;

d) Auslagenersätze für Verwahrungs- und Lagerkosten, die dem Bund im Falle der Lagerung beschlagnahmter Waren bei privaten Lagerhaltern entstehen, höchstens jedoch im Ausmaß des § 104. Diese Beschränkung der Höhe der Verwahrungs- und Lagerkosten findet keine Anwendung, wenn eine Lagerung in einem öffentlichen Zolllager, das von der Zollbehörde betrieben wird, auf Grund der Natur der betroffenen Waren nicht möglich oder nicht tunlich ist.

e) Bereinigungsgebühren im Sinne von Art. 9 des A.T.A.-Abkommens bzw. Art. 11 der Anlage A des Übereinkommens von Istanbul in Höhe des Doppelten der nach § 101 Abs. 2 für Beamte der Verwendungsgruppe A 2 bestimmten Personalkostenersätze, höchstens jedoch 10% der Eingangsabgaben.

2. Kreditzinsen und Verzugszinsen nach Maßgabe der zollrechtlichen Vorschriften;

3. Abgabenerhöhungen nach Maßgabe des § 108;

4. sonstige Nebenansprüche im Sinn des § 3 Abs. 2 BAO, soweit im Abschnitt D nicht anderes bestimmt ist;

5. Verwaltungsabgaben nach Maßgabe des § 41."

Erwägungen:

Die Regelungen des § 41 ZollR-DG und § 30 ZollR-DV betreffend die Verwaltungsabgaben dienen der nationalen Umsetzung des Art. 42 UZK.

Mit der Bestimmung des Art. 42 UZK hat der Normensetzer auf Unionsebene klar und deutlich zum Ausdruck gebracht, dass die Mitgliedstaaten - neben der in Art. 52 UZK vorgesehenen Untersagung einer Gebührenerhebung für bestimmte Handlungen, die während der offiziellen Öffnungszeiten der Zollstellen durchgeführt werden - bei Zollzuwiderhandlungen Sanktionen vorzusehen haben. Denn es muss ein angemessenes Niveau wirksamer, abschreckender und verhältnismäßiger Sanktionen im ganzen Binnenmarkt gewährleistet sein (23. Erwägungsgrund zum UZK).

Dem Vorbringen der Bf., die Bestimmung des Art. 52 UZK verbiete die Vorschreibung einer Verwaltungsabgabe, war daher nicht zu folgen, weil zutreffendenfalls die Bestimmungen des Art. 42 UZK als nahezu inhaltsleer zu sehen wären. Hätte der Unionsgesetzgeber eine Lösung iSd der von der Bf. vertretenen Meinung im Auge gehabt, dann hätte es nach der logischen Interpretation, wonach eine Rechtsnorm im Zweifel nicht so verstanden werden darf, dass sie überflüssig ist und im Allgemeinen niemand zwecklose und funktionslose (weil praktisch unanwendbare) Anordnungen treffen will, der Regelung des Art. 42 UZK nicht bedurft.

Die Bf. ist auch mit ihrer Behauptung nicht im Recht, bei der in Rede stehenden Verwaltungsabgabe handle es sich um Kosten iSd § 98 ZollR-DG. Die zitierte Norm enthält in ihrem Abs. 1 Z 1 eine Legaldefinition von Kosten. Demnach fallen darunter u.a. auch Verwaltungsabgaben nach Maßgabe des § 104 ZollR-DG. Verwaltungsabgaben gem. § 41 ZollR-DG sind hingegen nicht in Z1 leg.cit. sondern in § 98 Abs. 1 Z 5 genannt und zählen somit nicht zu den Kosten, sondern zu den sonstigen Nebenansprüchen die im Verfahren der Zollbehörden zu erheben sind.

Der bei der Verhängung von Sanktionen gem. Art. 42 UZK zu beachtenden Rahmen lässt sich aus dem Urteil des EuGH in der Rechtssache Schenker EOOD erkennen. Der EuGH hat dort unter Randnummern 41 bis 44 ausgesprochen ():

"(41) Nach Art. 42 Abs. 1 der Verordnung Nr. 952/2013 müssen die von den Mitgliedstaaten für Zuwiderhandlungen gegen die zollrechtlichen Vorschriften vorgesehenen Sanktionen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein.

(42) Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die Mitgliedstaaten in Ermangelung einer Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Union auf dem Gebiet der Sanktionen bei Nichtbeachtung der Voraussetzungen, die eine nach dem Unionsrecht geschaffene Regelung vorsieht, befugt sind, die Sanktionen zu wählen, die ihnen sachgerecht erscheinen. Sie sind allerdings verpflichtet, bei der Ausübung ihrer Befugnis das Unionsrecht und seine allgemeinen Grundsätze, also auch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, zu beachten (Urteil vom , Chmielewski, C 255/14, EU:C:2015:475, Rn. 21 und die dort angeführte Rechtsprechung).

(43) Insbesondere dürfen die nach den nationalen Rechtsvorschriften zulässigen administrativen oder repressiven Maßnahmen nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung der mit diesen Rechtsvorschriften in legitimer Weise verfolgten Ziele erforderlich ist und im Verhältnis zu diesen Zielen nicht unangemessen sein (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , Euro-Team und Spirál-Gép, C 497/15 und C 498/15, EU:C:2017:229, Rn. 40 und 58 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

(44) Im vorliegenden Fall erscheint eine Sanktion, die in der Verpflichtung besteht, einen dem Wert der der zollamtlichen Überwachung entzogenen Waren entsprechenden Betrag zu zahlen, nicht angemessen; dies gilt unabhängig davon, dass diese Sanktion zusätzlich zu der des Art. 234a Abs. 1 ZM verhängt wird. Eine Sanktion in dieser Höhe übersteigt die Grenzen dessen, was erforderlich ist, um u. a. sicherzustellen, dass die für das Zolllagerverfahren zugelassenen Waren nicht der zollamtlichen Überwachung entzogen werden."

Bei der Klärung der Frage, ob im vorliegenden Fall der eben skizzierte vom EuGH gesteckte Rahmen Beachtung fand, ist zunächst zu prüfen, ob überhaupt eine Zollzuwiderhandlung vorliegt.

Außer Streit steht, dass die von der Bf. erstellte o.a. Zollanmeldung vom in mehrfacher Hinsicht unrichtige Angaben enthält. Die Bf. hat darin angegeben, als direkte Vertreterin der ***NN1*** einzuschreiten. Tatsächlich verfügte die Bf. allerdings für diesen konkreten Geschäftsfall über keine Vertretungsmacht des genannten Unternehmens und war damit nicht berechtigt, in dessen Namen und für dessen Rechnung zu handeln. Damit liegt ein Verstoß gegen die Bestimmungen des Art. 19 Abs. 1 UZK vor, der bestimmt, dass im Verkehr mit den Zollbehörde der Zollvertreter anzugeben hat, dass er für die Rechnung der vertretenen Person handelt und ob es sich um eine direkte oder eine indirekte Person handelt.

Darüber hinaus hat die Bf. unrichtige Angaben hinsichtlich der tatsächlichen Person des Ausführers und hinsichtlich dessen UID-Nummer und EORI-Nummer gemacht.

Die Richtigkeit dieser Daten ist für die Abfertigung, die Kontrolle und die Dokumentation von Ausfuhrlieferungen von besonderer Bedeutung. Durch die vorliegende Zollanmeldung wird eine Ausfuhrlieferung iSd § 7 Abs. 1 UStG 1994 dokumentiert. Sie dient damit als Nachweis für die Steuerbefreiung gem. § 6 Abs. 1 UStG 1994 und als Ausfuhrnachweis iSd § 7 Abs. 1 leg.cit. für den in der Zollanmeldung genannten Unternehmer. Zusätzlich kann eine Ausfuhranmeldung gegebenenfalls auch als Nachweis der Rückwareneigenschaft (Art. 203 UZK) Verwendung finden.

Auf Grund dieser Umstände besteht für das Bundesfinanzgericht kein Zweifel, dass der Bf. die Begehung einer Zollzuwiderhandlung iSd Art. 42 Abs. 1 UZK anzulasten ist.

Denn der Beteiligte ist mit Abgabe einer Zollanmeldung gem. Art. 15 Abs. 2 Buchstabe a UZK für die Richtigkeit und Vollständigkeit der Informationen in der Anmeldung verantwortlich. Diese Verantwortung trifft gem. Art. 15 Abs. 2 letzter Satz UZK auch den Vertreter (im vorliegenden Fall also die Bf.).

Hinzuweisen ist auf die Bestimmungen des § 41 zweiter Satz ZollR-DG. Nach dieser Regelung wurde der Bundesminister für Finanzen unter anderem ermächtigt, die von der Festsetzung von Verwaltungsabgaben betroffenen "Zollzuwiderhandlungen" festzulegen. Mit der Bestimmung des § 30 Abs. 1 Z 3 ZollR-DV hat der Bundesminister für Finanzen bestimmt, dass u.a. die Erklärung unrichtiger oder unvollständiger Angaben in der Zollanmeldung der Verwaltungsabgabe und somit einer Sanktion unterliegt.

Es ist somit als erstes Zwischenergebnis festzuhalten, dass es sich bei den unrichtigen Angaben der Bf. um eine Zollzuwiderhandlung iSd § 41 ZollR-DG handelt.

Die beschriebene Pflichtverletzung hat auch zweifellos zu einem (in § 41 ZollR-DG geforderten) Verwaltungsaufwand bei der Behörde geführt, zumal das Zollamt - dem diesbezüglichen Abänderungsantrag der Bf. entsprechend - den o.a. Bescheid vom zur Richtigstellung der Angaben in der Zollanmeldung erlassen hat.

Da die Erfüllung des Tatbestandes eines Finanzvergehens die Festsetzung einer Verwaltungsabgabe ausschließt, ist in einem nächsten Schritt zu prüfen, ob der Bf. die Verwirklichung eines derartigen Deliktes vorzuwerfen ist.

Dem Antrag der Bf. vom auf Abänderung der Zollanmeldung ist zu entnehmen, dass es zu den falschen Angaben versehentlich gekommen ist. Die Verwechslung der beiden betroffenen Unternehmen dürfte wohl auch damit in Zusammenhang stehen, dass beide Beteiligte (sowohl der unzutreffend angeführte als auch der tatsächliche Ausführer) ihren Sitz an der gleichen Adresse haben. Es liegen nicht die geringsten Hinweise dafür vor, dass die Bf. gegenüber den Zollbehörden die tatsächlichen Verhältnisse bewusst verschleiern wollte, zumal sie in der Zollanmeldung die Nummer der zutreffenden Faktura mit dem wahren Ausführer angeführt hat. Nach der Aktenlage fehlt es auch an Anhaltspunkten für das Vorliegen von offensichtlicher Fahrlässigkeit oder gar betrügerischen Motiven. Es spricht somit alles dafür, dass es sich um einen bloßen Arbeitsfehler handelt.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei einem Fehler, der "passieren kann" (Arbeitsfehler) im Gegensatz zu einem solchen, der "nicht hätte passieren dürfen" nicht von offensichtlicher Fahrlässigkeit auszugehen ().

Angesichts dieser Umstände ist das Zollamt im Recht, wenn es im vorliegenden Fall nicht von der Begehung eines Finanzvergehens durch die Bf. ausgeht. Es liegen daher auch aus dieser Sicht die Voraussetzungen für die Vorschreibung einer Verwaltungsabgabe vor.

Zu prüfen bleibt, ob es sich bei der Verwaltungsabgabe um eine Sanktion iSd Art. 42 UZK handelt.

Sanktion und Strafe sind von Werten und Normen nicht zu trennen und damit wesentliche Elemente der sozialen Kontrolle. Sie tragen entscheidend dazu bei, dass das soziale Geschehen - in der Gesellschaft als ganzer, in Unternehmen, Behörden oder Verbänden, in der Familie, im Freundeskreis usw. - regelhaft verläuft. Dies geschieht zum einen, indem Sanktionen denjenigen Nachteile bringen, die Gemeinschaftsregeln verletzt haben, zum anderen dadurch, dass im Prozess der Sanktionierung die Gültigkeit kollektiver Werte bestätigt wird. Aus dieser Doppelfunktion erwächst die spezial- und auch generalpräventive Wirkung von Strafe (P. Heinrich et al. (eds.), Wörterbuch der Mikropolitik, Springer Fachmedien Wiesbaden 1998, in Anlehnung an Emile Durkheim).

Umgelegt auf den angefochtenen Bescheid ergibt sich daraus der Schluss, dass die Festsetzung der Verwaltungsabgabe als Sanktion zu qualifizieren ist. Sie als geeignetes Mittel anzusehen, die Wirtschaftsbeteiligten im Allgemeinen und die Bf. im Besonderen zu einer genauen Beachtung der zollrechtlichen Vorschriften anzuhalten, indem sie Verstöße dagegen an bestimmte finanzielle Konsequenzen knüpft. Damit werden auch die vom Gesetzgeber geforderten Kriterien der Wirksamkeit und der Abschreckung erfüllt.

Eine Sanktion in der Höhe von € 93,96 übersteigt nach der Überzeugung des Bundesfinanzgerichtes auch nicht die Grenzen dessen, was erforderlich ist, um u. a. sicherzustellen, dass die für die Abgabe von Zollanmeldungen festgelegten Vorschriften Beachtung finden. Die Sanktion ist somit auch als angemessen iSd o.a. Judikatur des EuGH zu werten.

Die Bf. verweist auf die Tatsache, dass sie in der Zollanmeldung die zutreffende Rechnungsnummer angeführt habe. Diese Faktura weise als Ausführer die ***NN2*** aus.

Bei der Zollanmeldung handle es ich um eine (öffentlich-rechtliche) Willenserklärung. Wie jede Willenserklärung bedürfe die Zollanmeldung der Auslegung. Hierbei sei der objektive Erklärungswert (vgl. §§ 863 Abs. 1, 914 ABGB) maßgebend. Bei der Auslegung einer Willenserklärung habe ein objektiv redlicher Erklärungsempfänger die erkennbare Absicht des Erklärenden zu erforschen und dabei auf die Umstände des Einzelfalls Bedacht zu nehmen.

Durch die Deklaration sei die richtige Rechnung in die Willenserklärung der Zollanmeldung vollinhaltlich eingeflossen, wodurch der richtige Anmelder als angemeldet gelte. Es seien somit keine unrichtigen Angaben gemacht worden. Die Bf. sieht sich durch die Entscheidungen -Z3K/09 und in ihrer Argumentation bestärkt.

Dem ist zu entgegnen, dass die beiden von der Bf. angeführten Entscheidungen weder die Folgen von unrichtigen Angaben hinsichtlich der Person des Ausführers noch die Verhängung von Verwaltungsabgaben zum Gegenstand hatten. Sie sind daher für den vorliegenden Fall nicht einschlägig.

Dazu kommt, dass durch die Anführung einer Rechnungsnummer die falsche Bezeichnung des Ausführers in der Zollanmeldung nicht saniert werden kann. Im vorliegenden Fall ergibt sich aus den zollamtlichen Prüfvermerken der Zollanmeldung, dass der Abfertigungsfall vom IT-System im Zuge der Risikobewertung auf "Grün" gesetzt worden ist. Aus diesem Grund kam es weder zu einer Beschau der Waren noch zu einer Dokumentenkontrolle. Die Überlassung der Waren erfolgte somit ohne weitergehende Kontrollmaßnahmen, sodass die am Empfängerhorizont zu messende und in der Zollanmeldung ihren Niederschlag findende öffentlich-rechtliche Willenserklärung nur dahingehend zu werten war, dass eine Anmeldung der ***NN1*** vorliegt.

Da das Zollamt von seinem aus den Bestimmungen des Art. 194 Abs. 1 UZK ableitbaren Recht Gebrauch machte, auf eine nähere Überprüfung der Angaben der Zollanmeldung zu verzichten und somit nicht in der Lage war, den Widerspruch zwischen den Angaben in der Faktura und in der Zollanmeldung zu erkennen, war es im Gegensatz zur Meinung der Bf. auch nicht verpflichtet, nähere Ermittlungen zur Absicht des Anmelders aufzunehmen.

Die Bf. kann daher auch mit ihrem Vorbringen, ihre Erklärung sei auslegungsbedürftig gewesen, der Beschwerde nicht zum Erfolg verhelfen.

Zu den verfassungsrechtlichen Bedenken der Bf. wird ausgeführt:

Gemäß Art. 18 des Bundes-Verfassungsgesetzes (B-VG) darf die gesamte staatliche Verwaltung nur auf Grund der Gesetze ausgeübt werden.

Diese Verfassungsbestimmung stellt den Angelpunkt für das im B-VG normierte Verhältnis zwischen Gesetz und Vollziehung dar. Damit ist - als wesentliches Element des rechtsstaatlichen Prinzips - die Bindung der gesamten Vollziehung (Verwaltung und Gerichtsbarkeit) an das Gesetz angeordnet (Legalitätsprinzip; siehe Walter-Mayer, Grundriss des österreichischen Bundesverfassungsrechts, 6. Aufl., Wien 1988, Rz 569).

Dass Art. 18 B-VG ausdrücklich nur von der Verwaltung spricht und die Gerichtsbarkeit nicht nennt, ist historisch zu erklären; an der Geltung des Legalitätsgrundsatzes für die Justiz bestand bei der Schaffung des B-VG längst kein Zweifel mehr. Dass das Legalitätsprinzip auch für die Gerichtsbarkeit gilt, kann nicht ernstlich bestritten werden (siehe Walter-Mayer, Grundriss, Rz 572 unter Verweis auf Art. 140 B-VG) und entspricht herrschender Lehre (vgl. Öhlinger, Verfassungsrecht, 8. überarb. Aufl., Rz 625).

Die Gerichte sind - ebenso wie die Verwaltungsbehörden - verpflichtet, ihre Entscheidungen nur auf Grundlage der geltenden Gesetze und Verordnungen zu treffen. Sowohl die Abgabenbehörden als auch das Bundesfinanzgericht haben daher die Bestimmungen des ZollR-DG sowie der hiezu ergangenen Verordnungen - jeweils in der geltenden Fassung - so lange anzuwenden, als sie dem Rechtsbestand angehören.

Den Gerichten steht die Prüfung der Gültigkeit gehörig kundgemachter Gesetze und Verordnungen nicht zu (Art. 89 Abs. 1 B-VG iVm Art. 135 Abs. 4 B-VG). Das entsprechende Prüfungsrecht wurde beim VfGH konzentriert. Gerichte haben generelle Normen anzuwenden, nicht aber auf ihre Rechtmäßigkeit zu überprüfen.

Gemäß Art. 139 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über Gesetzwidrigkeit von Verordnungen auf Antrag eines Gerichtes.

Gemäß Art. 140 Abs. 1 Z 1 lit. a B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auf Antrag des Obersten Gerichtshofes, eines in zweiter Instanz zuständigen ordentlichen Gerichtes, eines Verwaltungsgerichtes oder des Verwaltungsgerichtshofes.

Hat ein Verwaltungsgericht gegen die Anwendung einer Verordnung aus dem Grund der Gesetzwidrigkeit Bedenken, so hat es den Antrag auf Aufhebung dieser Verordnung beim Verfassungsgerichtshof zu stellen. Ebenso hat es bei Bedenken gegen die Anwendung eines Gesetzes aus dem Grund der Verfassungswidrigkeit beim Verfassungsgerichtshof einen Antrag auf Aufhebung dieses Gesetzes zu stellen (Art. 89 Abs. 2 B-VG iVm Art. 135 Abs. 4 B-VG).

Aus diesen Bestimmungen ergibt sich für das Gericht somit die Verpflichtung, einen derartigen Antrag zu stellen, wenn es Bedenken gegen eine anzuwendende Norm hat (VfSlg 1692, 2187, 5176, 5310; Klecatsky-Morscher, Bundesverfassungsrecht, 3. Aufl., Wien 1982, E 13ff; Öhlinger, Verfassungsrecht, Rz 1012).

Das Bundesfinanzgericht hatte daher im gegenständlichen Beschwerdeverfahren auch Erwägungen dahingehend anzustellen, inwieweit sich aus den von der Bf. in Zweifel gezogenen Bestimmungen Anhaltspunkte ergeben, die eine Verfassungswidrigkeit naheliegend erscheinen lassen.

Artikel 4 des 7. Zusatzprotokolls zur Europäischen Menschenrechtskonvention bestimmt:

"Artikel 4 - Recht, wegen derselben Sache nicht zweimal vor Gericht gestellt oder bestraft zu werden

1. Niemand darf wegen einer strafbaren Handlung, wegen der er bereits nach dem Gesetz und dem Strafverfahrensrecht eines Staates rechtskräftig verurteilt oder freigesprochen worden ist, in einem Strafverfahren desselben Staates erneut vor Gericht gestellt oder bestraft werden.

2. Abs. 1 schließt die Wiederaufnahme des Verfahrens nach dem Gesetz und dem Strafverfahrensrecht des betreffenden Staates nicht aus, falls neue oder neu bekannt gewordene Tatsachen vorliegen oder das vorausgegangene Verfahren schwere, den Ausgang des Verfahrens berührende Mängel aufweist.

3. Dieser Artikel darf nicht nach Art. 15 der Konvention außer Kraft gesetzt werden."

Dem völlig unsubstantiiert vorgetragenen Einwand, im vorliegenden Fall sei der Grundsatz "ne bis in idem" verletzt worden und der Bescheid sei im Hinblick auf Art. 4 des 7. Zusatzprotokolls zur EMRK rechtswidrig, ist zu entgegnen, dass sich weder aus dem Vorbringen des Bf. noch aus der Aktenlage der geringste Hinweis darauf ergibt, dass hier ein solcher Verstoß vorliegen könnte. Es trifft schlicht nicht zu, dass das Zollamt mit dem angefochtenen Bescheid über eine idente Sache erneut abgesprochen hat. Der angesprochene Bescheid widerspricht somit nicht dem im Verfassungsrang stehenden Art. 4 des 7. Zusatzprotokoll zur EMRK.

Warum die gesetzlichen Bestimmungen, auf die sich der Bescheid stützt, mit der österreichischen Bundesverfassung nicht in Einklang stehen sollen, führt die Bf. nicht näher aus. Ein Verstoß gegen das Legalitätsprinzip des Art. 18 B-VG und des Gleichheitssatzes gem. Art. 7 B-VG liegt nach der Überzeugung des BFG nicht vor. Den diesbezüglichen Bedenken kann sich das BFG daher nicht anschließen. Bemerkt wird, dass die Bf. selbst von einer "vermeintlich verfassungswidrigen Bestimmung" spricht, freilich ohne auch nur ein Wort darüber zu verlieren, worin sich dieser Vorwurf manifestieren soll.

Insgesamt konnte das Bundesfinanzgericht keine ausreichenden Bedenken im Hinblick auf die Verfassungskonformität der hier anzuwendenden Bestimmungen des § 41 ZollR-DG und des § 30 ZollR-DV erblicken, die eine Verpflichtung begründet hätten, gemäß Art. 139 B-VG bzw. Art. 140 B-VG einen Antrag auf deren Aufhebung beim Verfassungsgerichtshof zu stellen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Da betreffend die Festsetzung einer Verwaltungsabgabe gem. § 41 ZollR-DG noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung vorliegt, war die Revision als zulässig zu erklären.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Zoll
betroffene Normen
Art. 135 Abs. 4 B-VG, Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930
Art. 140 Abs. 1 Z 1 lit. a B-VG, Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930
§ 41 ZollR-DG, Zollrechts-Durchführungsgesetz, BGBl. Nr. 659/1994
§ 98 Abs. 1 Z 5 ZollR-DG, Zollrechts-Durchführungsgesetz, BGBl. Nr. 659/1994
Art. 139 Abs. 1 Z 1 B-VG, Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930
§ 30 ZollR-DV, Zollrechts-Durchführungsverordnung, BGBl. Nr. 1104/1994
§ 101 Abs. 2 ZollR-DG, Zollrechts-Durchführungsgesetz, BGBl. Nr. 659/1994
§ 98 Abs. 1 ZollR-DG, Zollrechts-Durchführungsgesetz, BGBl. Nr. 659/1994
§ 3 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 98 ZollR-DG, Zollrechts-Durchführungsgesetz, BGBl. Nr. 659/1994
§ 41 ZollR-DG, Zollrechts-Durchführungsgesetz, BGBl. Nr. 659/1994
§ 30 Abs. 1 Z 3 ZollR-DV, Zollrechts-Durchführungsverordnung, BGBl. Nr. 1104/1994
Art. 18 B-VG, Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930
Art. 89 Abs. 1 B-VG, Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930
Art. 140 B-VG, Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930
Art. 89 Abs. 2 B-VG, Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930
Art. 7 B-VG, Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930
Art. 139 B-VG, Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.7200048.2018

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