Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 25.02.2021, RV/6100023/2021

Fehlende Wiederaufnahmegründe

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***1*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch ***2***, über die Beschwerden vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Österreich vom und betreffend Wiederaufnahme der Verfahren gemäß § 303 BAO hinsichtlich Einkommensteuer 2013 bis 2015 zu Recht erkannt:

Den Beschwerden wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Die angefochtenen Bescheide werden aufgehoben.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Nach Aktenlage war der Beschwerdeführer (Bf) in den streitgegenständlichen Jahren mit Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit aus dem Bundesdienst rechtskräftig zur Einkommensteuer veranlagt.

Das Finanzamt erließ am 31. Mai und Bescheide betreffend Wiederaufnahme der Verfahren gemäß § 303 Abs. 1 BAO hinsichtlich der Einkommensteuer für die Jahre 2013 bis 2015 und begründete diese wie folgt:

Wiederaufnahmebescheid 2013:

"Das Verfahren war nach § 303 (1) Bundesabgabenordnung wiederaufzunehmen, weil dem Finanzamt auf Grund eines berichtigten oder neuen Lohnzettels oder einer (geänderten) Mitteilung über progressionswirksame Transferleistungen (Arbeitslosengeld, Notstandshilfe etc.) erst nachträglich Umstände bekannt wurden, die im betreffenden Veranlagungszeitraum bereits existent waren und aus denen sich eine geänderte Einkommensteuerfestsetzung ergibt.

Die nähere Begründung finden Sie im neu erlassenen Einkommensteuerbescheid."

Wiederaufnahmebescheide 2014 und 2015:

"Wir haben das Verfahren nach § 303 (1) Bundesabgabenordnung wiederaufgenommen, da es nachträglich eine oder mehrere der folgenden Änderungen gegeben hat:

•Ein Lohnzettel wurde berichtigt oder neu übermittelt.

•Eine Mitteilung über progressionswirksame Transferleistungen wie Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe wurde berichtigt oder neu übermittelt.

Die nähere Begründung finden Sie im neu erlassenen Einkommensteuerbescheid."

Die im Zuge der Wiederaufnahme der Verfahren neu ergangenen Einkommensteuerbescheide der Jahre 2013 bis 2015 vom 31. Mai und enthalten folgende Begründung:

"Durch die nachträgliche Übermittlung eines Lohnzettels des Bundesministeriums für Landesverteidigung ergeben sich neue Tatsachen, die eine Wiederaufnahme des Verfahrens notwendig machen".

Auf Seite 5 des neu ergangenen Einkommensteuerbescheides 2013 finden sich neben einem Lohnzettel der bezugsauszahlenden Stelle "Bundesdienst" folgende Lohnzetteldaten:

"Bundesministerium Landesverteidigung 01.01. bis

Bruttobezüge in € (210) 994,85

Steuerpflichtige Bezüge (245) 994,85

Die Bezüge waren gemäß § 84 bzw. § 3 Abs. 2 EStG 1988 von den bezugs-, pensionsauszahlenden Stellen dem Finanzamt zu melden."

Auf Seite 4 des neu ergangenen Einkommensteuerbescheides 2014 finden sich neben einem Lohnzettel der bezugsauszahlenden Stelle "Bundesdienst" folgende Lohnzetteldaten:

"Bundesministerium Landesverteidigung bis

Bruttobezüge in EUR (210) 1.131,65

Steuerpflichtige Bezüge (245) 1.131,65

Die Bezüge waren gemäß § 84 bzw. § 3 Abs. 2 EStG 1988 von den bezugs-, pensionsauszahlenden Stellen dem Finanzamt zu melden.

Auf Seite 4 des neu ergangenen Einkommensteuerbescheides 2015 finden sich neben einem Lohnzettel der bezugsauszahlenden Stelle "Bundesdienst" folgende Lohnzetteldaten:

"Bundesministerium Landesverteidigung bis

Bruttobezüge in EUR (210) 1.257,99

Steuerpflichtige Bezüge (245) 1.257,99

Die Bezüge waren gemäß § 84 bzw. § 3 Abs. 2 EStG 1988 von den bezugs-, pensionsauszahlenden Stellen dem Finanzamt zu melden.

Gegen die Wiederaufnahmebescheide 2013 bis 2015 hat der Beschwerdeführer (Bf.) mitSchriftsätzen vom Beschwerden mit inhaltlich gleichlautender Begründung erhoben:

"Die Voraussetzungen für die Wiederaufnahme des Verfahrens zur Veranlagung der Einkommensteuer liegen nicht vor. Nach § 303 BAO kann das Verfahren von Amts wegen unter den Voraussetzungen des Abs 1 lit a) und c) leg. cit. sowie in allen Fällen wiederaufgenommen werden, in denen Tatsachen oder Beweismittel neu hervorkommen, die im abgeschlossenen Verfahren nicht geltend gemacht worden sind, und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit den sonstigen Ergebnissen des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

Der Wiederaufnahmegrund des § 303 Abs.1 lit a BAO (Urkundenfälschung oder vergleichbare Fälle) scheidet aus. Der Wiederaufnahmegrund nach lit c) ist ebenfalls nicht gegeben, da eine abweichende Vorfragenentscheidung nur dann einen Wiederaufnahmegrund darstellt, wenn die Abgabenbehörde an die Entscheidung der Hauptfragenbehörde gebunden war. Eine solche liegt nicht vor.

Es bleiben somit bloß die sonstigen Fälle über, die zwar im Ermessen der Abgabenbehörde liegen und dem Ziel der Rechtsrichtigkeit der steuerlichen Veranlagung dienen müssen. Bei einer Wiederaufnahme zu Ungunsten der Steuerpflichtigen ist in der Begründung der positiven Ermessensentscheidung darzutun, aus welchen Gründen bei der vorzunehmenden Interessensabwägung den Gesichtspunkten der Zweckmäßigkeit gegenüber der Billigkeit der Vorzug eingeräumt wurde (). Das ist nicht erfolgt, weshalb den Bescheiden ein Begründungsmangel anhaftet. Die formularhafte Begründung - auf Grund eines berichtigten oder neuen Lohnzettels oder einer (geänderten) Mitteilung über progressionswirksame Transferleistungen (Arbeitslosengeld, Notstandshilfe etc.) - ist bloß exemplarisch und genügt damit nicht den von der Judikatur aufgestellten Voraussetzungen.

Dazu ist auszuführen, dass das Finanzamt Wien 1/23 beim Bundesministerium für Landesverteidigung vom bis gemäß § 144 BAO eine Nachschau durchführte und diese am wieder eingestellt hat. Eine Neuberechnung des Sachbezuges, der in den Naturalwohnungen lag, hatte diese Nachschau sohin nicht zur Folge.

Erst die über Anregung des Rechnungshofes erfolgte neuerliche Überprüfung der steuerlichen Sachbezüge aus der zur Verfügungstellung von Natural- und Dienstwohnungen an Bedienstete des BMLV wurden seitens des Finanzamtes Wien 1/23 Vorbehalte erhoben, da nach Ansicht der Abgabenbehörde die Wohnungen vom Arbeitgeber zu einem günstigeren Preis als marktüblich (Richtwert) zur Verfügung gestellt worden seien und daher (zusätzliche) lohnsteuerpflichtige Einnahmen (geldwerte Vorteile aus dem Dienstverhältnis) zu besteuern gewesen wären. Gegen das BMLV wurde seitens des Finanzamtes Wien 1/23 ein Haftungsbescheid erlassen. Das BMLV hat dagegen Beschwerde erhoben. Ich habe mich dem Verfahren gemäߧ 257 BAO angeschlossen.

Auch für die Abgabenbehörde gilt, dass die Wiederaufnahme dann vorzunehmen ist, wenn ein Wiederaufnahmegrund evident wird. Dies wäre anlässlich der Nachschau 2013/2014 der Fall gewesen. Der Sachverhalt hat sich seither nicht verändert. Die Wiederaufnahme ist daher auch wegen der verspäteten (bzw. verfristeten) Geltendmachung unbillig.

Zudem stellt ggfalls. die Entscheidung über den Haftungsbescheid die Entscheidung über eine Vorfrage dar. Eine Wiederaufnahme setzt unter anderem voraus, dass die Entscheidung der Vorfragenbehörde gegenüber der Partei des wiederaufzunehmenden Verfahrens bindend(rechtskräftig) geworden ist. Eine solche Entscheidung liegt damit (noch) nicht vor.

Die Voraussetzungen für die Wiederaufnahme liegen damit nicht vor."

Desgleichen wurden auch Beschwerden gegen die Einkommensteuerbescheide 2013 bis 2015 wegen inhaltlicher Unrichtigkeit erhoben. Diese Beschwerden bilden Gegenstand eines gesonderten Verfahrens zu RV/6100434/2020.

Mit Beschwerdevorentscheidungen vom wurden die Beschwerden gegen die Wiederaufnahmsbescheide betreffend Einkommensteuer 2013 bis 2015 als unbegründet abgewiesen und wurde seitens des Finanzamtes u.a. entscheidungsrelevant ausgeführt:

"Seitens des Bundesministeriums für Landesverteidigung wurden mit Mai 2019 nachträglich Lohnzettel für die in Streit stehenden Jahre 2013 bis 2015 eingebracht. Bereits vorhanden waren Lohnzettel für die Jahre 2013 bis 2015 über den Erhalt von Pensionsbezügen (nichtselbstständige Einkünfte gem. § 25 EStG) aus dem Bundesdienst.

Die Abgabenbehörde begründete die Wiederaufnahmebescheide gemäß § 303 Abs. 1 BAO vom (betreffend Veranlagung 2013) sowie vom (betreffend Veranlagungen 2014 und 2015) wie folgt: "Wir haben das Verfahren nach § 303 Abs. 1 Bundesabgabenordnung wiederaufgenommen, da es nachträglich eine oder mehrere der folgenden Änderungen gegeben hat: • Ein Lohnzettel wurde berichtigt oder neu übermittelt • Eine Mitteilung über progressionswirksame Transferleistungen wie Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe wurde berichtigt oder neu übermittelt. Die nähere Begründung finden Sie im neuen Einkommensteuerbescheid." Weiters: "Auf die Begründung im Sachbescheid wird verwiesen. "Im neu erlassenen Einkommensteuerbescheid 2013 vom bzw. in den Einkommensteuerbescheiden 2014 und 2015, jeweils vom , begründet die Abgabenbehörde wie folgt: "Durch die nachträgliche Übermittlung eines Lohnzettels des Bundesministeriums für Landesverteidigung ergeben sich neue Tatsachen, die eine Wiederaufnahme des Verfahrens erforderlich machen." Maßgebend ist in diesem Zusammenhang, ob der Abgabenbehörde in dem wiederaufzunehmenden Verfahren (hier betreffend Jahre 2013 bis 2015) der Sachverhalt so vollständig bekannt gewesen ist, dass sie schon in diesem Verfahren bei richtiger rechtlicher Subsumtion zu der nunmehr im wiederaufgenommenen Verfahren erlassenen Entscheidung hätte gelangen können (vgl. mit weiteren Nachweisen). Hierbei kommt es auf den Wissensstand der Behörde (auf Grund der Abgabenerklärungen und ihrer Beilagen) im jeweiligen Veranlagungsjahr an (vgl. unter Hinweis auf VwGH23.2.2010, 2006/15/0314; , 2006/15/0208).

Der Erlass der ursprünglichen Einkommensteuerbescheide erfolgte betreffend der Einkommensteuer 2013 am , betreffend Einkommensteuer 2014 und 2015 am .

Die zusätzlichen Lohnzettel des BMLV wurden erst mit Mai 2019 an die Abgabenbehörde übermittelt. Das ist unzweifelhaft eine neue Tatsache, die sich auf den Inhalt des Einkommensteuerbescheides auswirken muss.

Angemerkt wird zudem, dass durch den Umstand, dass für den Steuerpflichtigen neben einem Lohnzettel für seine Pensionsbezüge durch das BVA Pensionsservice (Bundesdienst) ein weiterer Lohnzettel durch das BMLV ausgestellt wurde, die Voraussetzungen für eine Pflichtveranlagung nach § 39 Abs. 1 EStG vorliegen."

Dagegen wurde fristgerecht am ein Antrag auf Entscheidung über die Beschwerden durch das Bundesfinanzgericht eingebracht.

Mit Vorlagebericht vom legte das Finanzamt gegenständliche Beschwerden dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen

Gemäß § 303 BAO ist eine Wiederaufnahme des Verfahrens von Amts wegen unter den Voraussetzungen des Abs. 1 lit. a und c leg. cit. und in allen Fällen zulässig, in denen Tatsachen oder Beweismittel neu hervorkommen, die im Verfahren nicht geltend gemacht worden sind, und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anderslautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

Die Wiederaufnahme des Verfahrens hat den Zweck, ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren, dem besondere Mängel anhaften, aus den im Gesetz (§ 303 BAO) erschöpfend aufgezählten Gründen aus der Welt zu schaffen und die Rechtskraft des Bescheides zu beseitigen.

Die Entscheidung über die Wiederaufnahme des Verfahrens steht gemäß § 305 BAO der Abgabenbehörde zu, die den Bescheid erlassen hat. Die Wiederaufnahme von Amts wegen ist nur auf Grund der gesetzlich vorgegebenen Wiederaufnahmegründe zulässig. Welche gesetzlichen Wiederaufnahmegründe durch einen konkreten Sachverhalt als verwirklicht angesehen und daher als solche herangezogen werden, bestimmt bei der Wiederaufnahme von Amts wegen die gemäß § 305 BAO für die Entscheidung über die Wiederaufnahme zuständige Behörde.

Nach Maßgabe des § 93 Abs. 3 lit. a BAO haben Bescheide ua. eine Begründung zu enthalten, sofern sie von Amts wegen oder auf Grund eines Parteienanbringens erlassen wurden, welchem nicht vollinhaltlich stattgegeben wurde. Erst die Begründung macht den Bescheid für den Abgabepflichtigen nachvollziehbar und kontrollierbar. Die Bescheidbegründung ist für einen effizienten Rechtsschutz des Abgabepflichtigen von grundlegender Bedeutung. Der Abgabepflichtige soll nicht rätseln müssen, warum ihm eine Abgabe vorgeschrieben wird (vgl. Ritz, Bundesabgabenordnung, Kommentar, Tz 10 zu § 93 BAO).

Die Begründung von Verfügungen der Wiederaufnahme hat die zeitliche Abfolge des Bekanntwerdens der maßgebenden Tatsachen und Beweismittel darzustellen (vgl. zB ; ; siehe auch Ritz3, a.a.O., Tz 3 zu § 307 BAO). Keinesfalls reicht als Begründung etwa der Hinweis auf behördliche Ermittlungen (vgl. zB ), oder die bloße Wiedergabe des Gesetzestextes. Ferner sind auch die Gründe anzuführen, die für die Ermessensübung bedeutsam sind (vgl. zB ).

Die Verpflichtung zur Anführung der Wiederaufnahmegründe ist nicht zuletzt deshalb notwendig, weil sich nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. zB ; ; ; , 0188; ) das Bundesfinanzgericht bei der Erledigung der gegen die Verfügung der Wiederaufnahme gerichteten Beschwerde auf keine neuen Wiederaufnahmegründe stützen kann. Es hat lediglich zu beurteilen, ob die von der Abgabenbehörde angeführten Gründe eine Wiederaufnahme rechtfertigen.

Die fehlende Angabe der Wiederaufnahmegründe in der Begründung des mit Beschwerde angefochtenen Bescheides ist in der Beschwerdevorentscheidung nicht "nachholbar". Dies ergibt sich insbesondere daraus, dass die für Beschwerdevorentscheidungen bestehende Änderungsbefugnis (§263 BAO) ident ist mit jener für Entscheidungen des Bundesfinanzgerichtes (§ 279 Abs. 1 zweiter Satz BAO). Weiters hat das Bundesfinanzgericht über die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides (und nicht über jene der Beschwerdevorentscheidung) zu entscheiden (vgl. Ritz3, a.a.O., Tz 3 zu § 307 BAO).

Bei einer Beschwerde gegen eine Wiederaufnahme von Amts wegen durch das gemäß § 305 BAO zuständige Finanzamt ist die Sache, über welche das Bundesfinanzgericht gemäß § 279 BAO zu entscheiden hat, nur die Wiederaufnahme aus den vom Finanzamt herangezogenen Gründen, also jene wesentlichen Sachverhaltsmomente, die das Finanzamt als Wiederaufnahmegrund beurteilt hat. Unter Sache ist in diesem Zusammenhang die Angelegenheit zu verstehen, die den Inhalt des Spruches des Bescheides der Abgabenbehörde erster Instanz gebildet hat. Bei einem verfahrensrechtlichen Bescheid wie dem der Wiederaufnahme des Abgabenverfahrens von Amts wegen wird die Identität der Sache, über die abgesprochen wurde, durch den Tatsachenkomplex begrenzt, der als neu hervorgekommen von der für die Wiederaufnahme zuständigen Behörde zur Unterstellung unter den von ihr gebrauchten Wiederaufnahmetatbestand herangezogen wurde (vgl. VwGH Erkenntnis vom , 2003/15/0141).

Auf welche konkret neu hervorgekommenen Tatsachen aber das Finanzamt gegenständlich die Wiederaufnahme der Einkommensteuerverfahren 2013 bis 2015 gestützt hat, kann mangels dementsprechender Angaben (z.B. keine Darstellung der den Bf konkret betreffenden neu hervorgekommenen Tatsachen und Sachverhalte, keine zeitliche Abfolge des Bekanntwerdens der maßgebenden Tatsachen und Beweismittel etc.) weder vom Bf noch vom Bundesfinanzgericht nachvollzogen werden.

So enthalten die Wiederaufnahmsbescheide 2013 bis 2015 lediglich eine standardisierte Begründung, die keine Sachverhaltsdarstellung des gegenständlichen Beschwerdefalls aufweist.

Konkrete Feststellungen zum gegenständlichen Beschwerdefall oder belegmäßige Nachweise eines für die Wiederaufnahmeverfahren erforderlichen neu hervorgekommenen Sachverhaltes, sowie die rechnerische Darstellung etwa neu hervorgekommener steuerpflichtiger Bezüge durch das Finanzamt fehlen sowohl in den bekämpften Wiederaufnahmsbescheiden und Sachbescheiden, aber auch in dem vorgelegten Verwaltungsakt zur Gänze.

So führte das Finanzamt selbst in der Beschwerdevorentscheidung vom zur Frage der Rechtmäßigkeit der Verfahrenswiederaufnahme aller Jahre noch einmal aus, die "zusätzlichen Lohnzettel vom Bundesministerium für Landesverteidigung wurden erst im Mai 2019 an die Abgabenbehörde übermittelt. Das ist unzweifelhaft eine neue Tatsache, die sich auf den Inhalt des Einkommensteuerbescheides auswirken muss.. ."

Abgesehen davon, dass nach § 303 Abs. 1 BAO Voraussetzung für eine Wiederaufnahme des Verfahrens ist, dass Tatsachen neu hervorgekommen, nicht aber, dass Tatsachen oder Beweismittel neu entstanden sind (Lohnzettel), wird in der Begründung des erstinstanzlichen Bescheides nicht aufgezeigt, welche konkreten Tatsachen tatsächlich neu hervorgekommen sind.

Mit der in den Wiederaufnahmebescheiden angeführten "Begründung" wurde dem zwingenden Erfordernis der Angabe des konkreten Wiederaufnahmegrundes insgesamt nicht entsprochen. Der im letzten Satz der "Begründung" enthaltene Verweis auf die Begründung der in den wiederaufgenommenen Verfahren neu erlassenen Einkommensteuerbescheide geht insofern ins Leere, als sich dort bei den Einkommensteuerbescheiden lediglich eine ganz allgemein gehaltene formularhafte Begründung findet, die keinerlei Aufschluss über den gegenständlichen Beschwerdefall gibt.

Infolge der lediglich exemplarischen Ausführungen im Wiederaufnahmesbescheid (auf Grund eines berichtigten oder neuen Lohnzettels oder einer (geänderten) Mitteilung über progressionswirksame Transferleistungen wie Arbeitslosengeld, Notstandshilfe etc.) - und der zur Gänze fehlenden bzw. standardisierten Ausführungen in den Sachbescheiden 2013 bis 2015, ohne konkrete Sachverhaltsdarstellung und fehlender Bezugnahme auf den Beschwerdeführer, ist weder für den Bf. noch für das Bundesfinanzgericht erkennbar, welche konkreten Umstände im betreffenden Abgabenverfahren dem Finanzamt erst nachträglich bekannt wurden, insbesondere

  • welche maßgebenden Umstände dem Finanzamt zu welchem Zeitpunkt bekannt wurden,

  • ob ein neuer oder ein berichtigter Lohnzettel Grund für die Wiederaufnahme ist,

  • ob Transferleistungen (und wenn ja, welche) oder deren Änderung nachträglich bekannt wurden.

Welchen konkreten Wiederaufnahmegrund das Finanzamt den angefochtenen Bescheiden zugrunde gelegt hat, verschweigt die Begründung. Die ausschließliche Anführung eines Eurobetrages in den Einkommessteuerbescheiden unter "Lohnzettel und Meldungen" als steuerpflichtige Bezüge für das jeweilige Jahre erfüllt nicht die Erfordernisse des § 93 Abs.3 lit.a BAO.

Es fehlt die Begründung für den Ansatz (Änderung) der Lohnzetteldaten.

Insgesamt liegt eine den Erfordernissen des § 93 Abs.3 lit. a BAO Genüge leistende Begründung für die Verfahrenswiederaufnahme nicht vor (vgl. auch Bundesfinanzgericht , RV/2100646/2020)."

Laut Bundesfinanzgericht vom , RV/2101157/2019, ist ein zum Zeitpunkt des Ergehens des jeweiligen Erstbescheides noch nicht existenter (sondern erst später ausgefertigter) Lohnzettel kein neu hervorgekommenes Beweismittel im Sinne des § 303 BAO (nova reperta), sondern ein nachträglich entstandenes Beweismittel (nova producta), das für sich allein eine Wiederaufnahme nicht rechtfertigt (vgl.; ; ; ; u.v.m.).

Nicht die Übermittlung neuer Lohnzettel als solche, sondern gegebenenfalls erst eine diesen Lohnzetteln zugrundeliegende Tatsache könnte eine Wiederaufnahme der Verfahren rechtfertigen.

Die Wiederaufnahmebescheide zeigen im Beschwerdefall aufgrund des alleinigen Verweises auf die berichtigten Lohnzettel (auch in Zusammenschau mit den Sachbescheiden) keine hinreichenden Wiederaufnahmegründe auf.

Die angefochtenen Wiederaufnahmebescheide sind daher aufzuheben.

Zulässigkeit der Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

In den Beschwerden werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art.133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.

Die Entscheidung betreffend die Unzulässigkeit der Wiederaufnahme der Verfahren mangels Vorliegen eines konkreten Wiederaufnahmegrundes entspricht der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. insbesondere ).

Die Revision ist nicht zulässig.

Salzburg, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 303 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Zitiert/besprochen in
Fröhlich/Aigner in BFGjournal 2021, 179
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.6100023.2021

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at