Bescheidbeschwerde – Einzel – Beschluss, BFG vom 28.12.2020, RV/4100414/2017

Zustellung durch Hinterlegung gem. § 8 Abs. 2 ZustG

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/4100414/2017-RS1
Die Befassung des Central Liaison Office for International Cooperation (CLO), einer zwischenstaatlichen Nachforschungsstelle, erfüllt aus der Sicht des Bundesfinanzgerichtes nicht das Erfordernis gemäß § 8 Abs. 2 ZustG, wonach „ohne Schwierigkeiten" und „mit einfachen Mitteln" die Ermittlung einer Abgabestelle des mit unbekanntem Ziel verzogenen BF möglich gewesen wäre.

Entscheidungstext

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht hat durch den RichterR. in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, gegen die Bescheide des Finanzamtes Spittal Villach vom betreffend Umsatzsteuer 2010 und Einkommensteuer 2010, Steuernummer, den Beschluss gefasst:

Die Beschwerde wird gemäß § 260 Abs. 1 lit. b Bundesabgabenordnung (BAO) als nicht fristgerecht eingebracht zurückgewiesen.

Gegen diesen Beschluss ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Mit Eingabe vom 21. Feber 2017 (eingelangt am 27. Feber 2017) erhob ***Bf1*** Beschwerde gegen die Bescheide des Finanzamtes vom , betreffend Umsatzsteuer und Einkommensteuer für das Jahr 2010. Begründend führte der Beschwerdeführer (im Folgenden als BF bezeichnet) aus, dass ihm diese Bescheide im Rahmen des Amtshilfeverfahrens durch das in Deutschland für ihn zuständige Finanzamt am 16. Feber 2017 erstmals zur Einsicht zur Verfügung gestellt worden seien. Die vierwöchige Beschwerdefrist sei somit eingehalten.

Zum Sachverhalt führte der BF aus, dass er bis zum Dezember 2010 in Kärnten gelebt habe und danach wieder in seine alte Heimat ins Allgäu gezogen sei. Während er in den ersten Jahren unselbstständig erwerbstätig gewesen sei, habe er sich während den beiden letzten Jahren in Österreich selbstständig gemacht. Leider sei sein Vorhaben nicht gelungen, sodass er die Gewerbeschein wieder ordnungsgemäß zurückgegeben und Österreich verlassen habe. Während seinerzeit der Selbstständigkeit habe er im Jahr 2010 keinerlei Einnahmen gehabt und habe von Ersparnissen und finanziellen Leihgaben aus der Familie gelebt.

Das Finanzamt habe daraufhin seine Steuersituation im Jahr 2010 geschätzt und fordere seitdem immer unterschiedliche, nicht nachvollziehbare Summen, welche derzeit im Vollstreckung seien. Erst durch eine Zahlungsaufforderung durch die SVA sei er auf den Steuerbescheid aufmerksam geworden (ohne ihn jemals gesehen zu haben) und sofort proaktiv auf das Finanzamt zugegangen, jedoch bislang ohne jeglichen Erfolg. Seit 2013 bemühe er sich nun alleine oder mit seinem damaligen Steuerberater um Aufklärung bzw. Richtigstellung, zumal ihm das Finanzamt bis zum Zeitpunkt der Einbringung der Beschwerde die Steuerbescheide noch nicht zugeschickt habe, er also keine Möglichkeit gehabt habe, einen Einspruch einzulegen.

Die umstrittenen Steuerbescheide habe er inzwischen kulanterweise über das Finanzamt in Deutschland, welches im Rahmen der Vollstreckung eingeschalteten worden sei, am 16. Feber 2017 erhalten. Es sei deshalb eine Säumnisbeschwerde einzulegen und zulässig. Sämtliche E-Mails und ein Schreiben an das Finanzamt seien bisher gänzlich unbeantwortet geblieben bzw. die wenigen Antworten seien in der Angelegenheit nicht dienlich gewesen. Auf telefonische Nachfrage erhalte er ebenso keine Antwort bzw. werde ihm mündlich gesagt, dass es gar keine Vollstreckung oder offene Salden gebe. Das Finanzamt habe sich mit ihm nicht in Verbindung gesetzt, sondern treibe die Vollstreckung ohne handfeste Begründung weiter, obwohl bereits nach Bekanntwerden des Falles vom Steuerberater am die korrekten Steuererklärungen eingelangt seien (ohne die originalen Steuererklärungen zu kennen).

Das Finanzamt sei nicht für eine Anhörung oder für eine erneute Prüfung bereit. Es würde hier beispielsweise von umsatzsteuerpflichtigen Lieferungen seines Unternehmens in Höhe von rund 84.000 € gesprochen, was völlig absurd und aus der Luft gegriffen sei. Zusätzlich seien vom heute pensionierten Prüfer Behauptungen aufgestellt worden, die schlichtweg falsch seien. So sei beispielsweise eine Behauptung gewesen, der BF hätte sich bei einer Außenprüfung nicht kooperativ gezeigt und das Verfahren in die Länge gezogen, obwohl nie eine Außenprüfung stattgefunden habe, jedenfalls nicht unter seiner Anwesenheit. Weiters werde behauptet, nie eine Berichtigung der Einkommens-und Umsatzsteuererklärung erhalten zu haben, obwohl diese nachweislich mit Schreiben vom beim Finanzamt eingelangt sei.

Er beantrage, dass alle bekämpften Steuerbescheide auf Null abgeändert würden, sodass keine Steuerschuld gegenüber dem Finanzamt mehr bestehe, da auch keine Einnahmen oder Ausgangsrechnungen in 2010 stattgefunden hätten. Im Steuerjahr 2010 habe er weder zu versteuernde Einnahmen gehabt noch seien irgendwelche Ausgangsrechnungen gestellt worden. Da keine Einnahmen oder Ausgangsrechnungen erfolgt seien, könne er als Nachweis auch keine Kopie beifügen. Einziger Nachweis wären die Kontoauszüge des damaligen Geschäftskontos, welche er aber nicht beifügen könne, da diese online im Kundenportal gespeichert worden seien und ihm ein Login nicht mehr möglich sei. Der BF gab noch die seinerzeitige Kontonummer bekannt.

In der Ergänzung vom (eingelangt am ) zu seiner Beschwerde vom 21. Feber 2017 bezog sich der BF auf ein Antwortschreiben des Bundesministeriums für Finanzen vom , mit welchem ihm mitgeteilt worden sei, dass es sich bei der Forderung um zwei Ausgangsrechnungen seiner Werbeagentur handle, welche zwar nie bezahlt worden seien, der Rechnungsempfänger aber die ausgewiesene Umsatzsteuer als Vorsteuer geltend gemacht habe. Er habe nun endlich den Grund für diese Forderungen erfahren, habe nachgesehen und die besagten Rechnungen gefunden. Beide Rechnungen habe er ordnungsgemäß storniert, da die Geschäfte nicht zum Abschluss gekommen seien. Die Rechnungen seien aber vom Rechnungsempfänger zum Vorsteuerabzug eingereicht worden, es handle sich daher um Betrug durch den Rechnungsempfänger. Das Schreiben des BMF sowie die Rechnungskopien samt Stornokopien lege er dieser Ergänzung bei.

Gegen den ausdrücklichen Hinweis des Bundesministeriums für Finanzen im Antwortschreiben, wonach das Finanzamt gesetzeskonform vorgegangen sei, erhebe er entschiedenen Einspruch. Ihm werde ein Fristversäumnis vorgeworfen. Er habe sich ordnungsgemäß bei seinem Umzug nach Deutschland bei allen zuständigen Stellen in Villach abgemeldet. Nachdem 2010 keine Einnahmen vorhanden gewesen seien, sei er sich nicht bewusst gewesen, dass er eine Steuermeldung abgeben müsse. Als diese angefordert worden sei, habe er alle Unterlagen nachgereicht, jedoch nie eine Antwort bekommen. Zahlreiche E-Mails und Einschreiben seien unbeantwortet geblieben. Von diesen oben genannten Rechnungen, auf welche sich die Steuerforderung hauptsächlich stütze, habe er auch erst durch die Ermittlungen seitens des Bundesministeriums für Finanzen erfahren. Es könne ihm daher kein Fristversäumnis angelastet werden, da er proaktiv und mit allen Informationen das Finanzamt informiert habe, jedoch keine Antwort erhielt.

Das Finanzamt wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung gemäß § 260 Bundesabgabenordnung (BAO) als nicht fristgerecht eingebracht zurück. Begründend führte das Finanzamt aus, dass gemäß § 8 Abs. 1 Zustellgesetz (ZustG) eine Partei, die während eines Verfahrens, von dem sie Kenntnis habe, ihre bisherige Abgabestelle ändere, dies der Behörde unverzüglich mitzuteilen habe. Werde diese Mitteilung unterlassen, so sei, soweit die Verfahrensvorschriften nicht anderes vorsehen, gemäß Abs. 2 die Zustellung durch Hinterlegung ohne vorausgehenden Zustellversuch vorzunehmen, falls eine Abgabestelle nicht ohne Schwierigkeiten festgestellt werden könne.

Laut Aktenlage habe der BF trotz eines laufenden Prüfungsverfahrens (Umsatzsteuersonderprüfung für den Zeitraum Januar bis Oktober 2010), im Zuge dessen der Prüfer mit dem BF telefonisch Kontakt aufnahm, seinen Telefonanschluss abgemeldet und sei daraufhin nicht mehr erreichbar gewesen. Des Weiteren habe der BF laut Abfrage des Zentralen Melderegisters mit seinen Wohnsitz in Österreich aufgegeben. Seine steuerliche Vertreterin habe die Vertretungsvollmacht mit zurückgelegt. Eine neue Zustelladresse sei vom BF in der Folge, entgegen seiner Behauptung, nicht bekannt gegeben worden. Vom Finanzamt konnte eine solche ebenfalls nicht eruiert werden. Die gegenständlichen Umsatz-und Einkommensteuerbescheide 2010 vom seien daher gemäß § 8 Abs. 2 ZustG durch Hinterlegung im Steuerakt zugestellt worden und in Rechtskraft erwachsen. Auf das an den BF gerichtete Schreiben des Bundesministeriums für Finanzen vom werde inhaltlich verwiesen. Die nunmehrige Aushändigung einer Abschrift der gegenständlichen Bescheide sollte nur der Information des BF dienen, eine erneute Rechtsmittelfrist sei damit jedoch nicht ausgelöst worden. Da die Umsatz-und Einkommensteuerbescheide 2010 bereits im November 2011 zugestellt worden seien, sei die gegenständliche Beschwerde als verspätet zurückzuweisen.

In dem dagegen erhobenen Antrag auf Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht führte der BF aus, dass er dem Brief des Bundesministeriums für Finanzen entnommen habe, dass laut Aktenlage das Finanzamt den Steuerbescheid 2010 am an die alte Anschrift Adr Inland, ohne Zustellnachweis geschickt habe. Dieser sei jedoch nicht eingetroffen. Zu dieser Zeit habe jedoch ein Nachsendeauftrag Ausland bei der österreichischen Post bestanden, welcher sämtliche eingeschriebene und nicht eingeschriebene Briefsendungen an seine damals aktuelle Anschrift Deutschland automatisch weiterleitete. Der Steuerbescheid habe ihn (im Gegensatz zu anderen Sendungen), jedoch nicht erreicht. Da dieser ohne Zustellnachweis geschickt worden sei, sei der Verbleib der Sendung nicht nachzuvollziehen. Erst als er von der Sozialversicherung über eine Nachforderung der Krankenkassenbeiträge informiert worden sei, habe er von dem Steuerbescheid aus 2010 erfahren wonach er proaktiv schriftlich am mit einem Schreiben an das Finanzamt herangetreten sei. Datiert mit habe er dann eine Buchungsmitteilung erhalten, dass die eingeforderten Beträge ausgesetzt seien eine nähere Begründung über den Sachverhalt habe er nicht erhalten. Am habe er durch das Finanzamt in Deutschland eine Zahlungsaufforderung erhalten, obgleich doch genau 18 Tage vorher die Beträge ausgesetzt worden seien. Am habe er nach einem Telefonat mit dem Finanzamt einen Brief an das Team gesendet, welcher gänzlich unbeantwortet geblieben sei. Datiert mit (zugestellt per Einschreiben am ) habe sein damaliger Steuerberater einen 4-seitigen Brief mit korrigierter Einkommensteuererklärung samt Anlage E1 und Umsatzsteuererklärung 2010 gesendet, welcher ebenfalls gänzlich unbeantwortet geblieben sei. Erst am habe er eine erneute Reaktion des Finanzamtes in Form einer Zahlungsaufforderung durch das Finanzamt in Deutschland erhalten. Die Steuerbescheide hätten ihm zu diesem Zeitpunkt noch immer nicht vorgelegen.

Der BF verwies auf verschiedene Telefonate und E-Mails, welche ihm keine Aufklärung gebracht hätten. Vom Bundesministerium für Finanzen habe er dann erstmals eine Antwort erhalten, was denn genau vorliege.

Gemäß § 260 BAO sei ein Einspruch gerechtfertigt, solange dieser fristgerecht erfolgte. Er sehe dies in seinem Fall gegeben, da eine Zustellung der Bescheide nicht erfolgt und auch das zahlreiche Betteln um Zustellung über Jahre hinweg ignoriert worden sei. Eine reine Zustellung durch Hinterlegung im Steuerakt sehe er hier nicht als angemessen, da ihm wie bereits erwähnt die Einsicht in die Steuerakte verwehrt geblieben sei.

Der BF schloss seinen Vorlageantrag mit dem Ersuchen, den gesamten Sachverhalt nochmals zu überprüfen und danach entsprechend "menschlich" zu entscheiden. Eine Begleichung dieser Forderung würde ihn finanziell komplett ruinieren.

In seinem Vorlagebericht an das Bundesfinanzgericht führte das Finanzamt aus, dass der Beschwerdeführer seiner Verpflichtung zur Mitteilung der Änderung seiner Abgabestelle nicht nachgekommen sei. Vielmehr habe er nach telefonischer Kontaktaufnahme durch das Prüfungsorgan des Finanzamtes im Rahmen einer Umsatzsteuersonderprüfung, für den Zeitraum Jänner bis Oktober 2010, seinen Wohnsitz in Österreich aufgegeben und das Finanzamt von seiner neue Zustelladresse nicht in Kenntnis gesetzt. Da auch die Vertretungsvollmacht durch die steuerliche Vertretung gekündigt worden sei und das Finanzamt keine andere Zustelladresse eruieren habe können, sei die Zustellung des Berichtes über die Umsatzsteuerprüfung für den Zeitraum März bis Dezember 2010 sowie der Umsatz- und Einkommensteuerbescheide 2010 vom bereits im Jahre 2011 durch Hinterlegung im Steuerakt, gemäß § 8 Abs. 2 ZustG, erfolgt. Die gegenständlichen Bescheide seien nach Ansicht des Finanzamtes bereits im Jahre 2011 in Rechtskraft erwachsen. Die am beim Finanzamt eingelangte Beschwerde sei daher verspätet.

Zweitschriften der angefochtenen Bescheide seien dem BF erst am 16. Feber 2017, als Beilage zur Vollstreckungankündigung vom 14. Feber 2017 durch das Finanzamt Memmingen, zugekommen. Die Aushändigung der Bescheide habe jedoch lediglich der Information des Beschwerdeführers gedient und keine erneute Rechtsmittelfrist ausgelöst.

Nach Ansicht des Finanzamtes könnten die durch den steuerlichen Vertreter des BF eingebrachten Steuererklärungen für das Jahr 2010 nur als Anregung auf Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 Abs. 4 BAO gewertet werden. Dieser Anregung sei das Finanzamt jedoch nicht nachgekommen.

Zum Vorbringen des BF, wonach er die streitgegenständlichen Rechnungen vom und vom mittels Stornorechnung ordnungsgemäß storniert habe, führte das Finanzamt aus, dass der BF keinen Nachweis der Kenntnisnahme der angeführten Stornorechnungen durch den Rechnungsempfänger vorgelegt habe. Damit liege keine wirksame Rechnungskorrektur vor. Aufgrund einer Kontaktaufnahme mit dem Finanzamt des Rechnungsempfängers sei außerdem bekannt worden, dass der BF nicht nur die bereits bekannten Rechnungen an den Rechnungsempfänger gelegt habe, sondern zwei weitere Rechnungen, vom über Euro 26.916,00 brutto und vom über Euro 22.669,82 brutto. Auch diese Beträge habe der BF nicht der Umsatzsteuer unterworfen, während der Rechnungsempfänger die Vorsteuer geltend gemacht habe. Sollte das Bundesfinanzgericht zur Ansicht gelangen, dass die Beschwerde rechtzeitig eingebracht worden sei, werde neben der Abweisung der Beschwerde betreffend die Einkommensteuer noch die Erhöhung der Umsatzsteuerzahllast um die Umsatzsteuer aus der Rechnung vom in Höhe von Euro 4.486,00 beantragt.

Das Finanzamt wies in seinem Vorlagebericht auch auf - dem Firmenbuch zu entnehmende - wirtschaftliche Verflechtungen zwischen dem BF und dem seinerzeitigen Rechnungsempfänger hin. Der BF stehe in einem Naheverhältnis zum Geschäftsführer des Rechnungsempfängers.

Über die Beschwerde wurde erwogen

Nachstehender entscheidungsrelevanter Sachverhalt wurde festgestellt:

Durch eine Kontrollmitteilung eines anderen Finanzamtes wurde dem Finanzamt bekannt, dass der BF mit Rechnungsdatum sowie Ausgangsrechnungen über Vermittlungsprovisionen in Höhe von insgesamt Euro 75.950,00, zzgl. 20 % Umsatzsteuer in Höhe von Euro 15.190,00 gelegt hatte. Die ausgewiesene Umsatzsteuer wurde von der Rechnungsempfängerin, einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, als Vorsteuer geltend gemacht. Die Rechnungsbeträge wurden nicht entrichtet. Die Rechnungsempfängerin wurde im Jahr 2013 im Wege der Liquidation aufgelöst.

Da der BF für die in den Rechnungen angeführten Zeiträume weder Umsatzsteuervorauszahlungen geleistet noch Umsatzsteuervoranmeldungen eingereicht hatte, ordnete das Finanzamt beim BF für den Zeitraum Jänner bis September 2010 eine Umsatzsteuersonderprüfung an.

Der BF wurde vom Prüfer über diesen Prüfungsauftrag am telefonisch in Kenntnis gesetzt. Im Zuge dieses Telefonats erklärte der Beschwerdeführer, er befinde sich auf Geschäftsreise in Deutschland und sei erst in der ersten Februarwoche wieder zurück. Der Prüfer versuchte sodann, den BF am telefonisch zu erreichen, was jedoch nicht gelang, da der Telefonanschluss des BF zu diesem Zeitpunkt nicht mehr aufrecht war.

Aus dem Zentralen Melderegister geht hervor, dass der BF seinen Wohnsitz in Österreich am abmeldete. Die steuerliche Vertreterin des BF legte die Vertretungsvollmacht am zurück. Der BF teilte dem Finanzamt seinen neuen Wohnsitz nicht mit.

Das Finanzamt schloss die Umsatzsteuersonderprüfung ohne Einbeziehung des BF, entsprechend der Aktenlage, ab und schrieb dem BF die in Rechnung gestellte Umsatzsteuer aus den gegenständlichen Ausgangsrechnungen in Höhe von Euro 15.190,00, zuzüglich eines Sicherheitszuschlages von 10 %, insgesamt sohin Euro 16.709,00 vor. Der Bescheid vom über diese Festsetzung von Umsatzsteuervorauszahlungen wurde an den BF ohne Zustellnachweis an die zuletzt bekannte Adresse in Adr Inland, zugestellt.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom schrieb das Finanzamt dem BF Umsatzsteuer für das Jahr 2010 in Höhe von Euro 16.665,98 vor. Das Finanzamt legte der Ermittlung der Bemessungsgrundlagen das Ergebnis der Umsatzsteuersonderprüfung zugrunde und berücksichtigte noch die vom BF für die Monate Jänner und Feber 2010 eingereichten Umsatzsteuervoranmeldungen. Der BF hatte für den Monat Jänner 2010 eine Umsatzsteuer-Zahllast in Höhe von Euro 22,96 vorangemeldet und für den Monat Feber 2010 eine Umsatzsteuer-Gutschrift in Höhe von Euro 65,98 eingereicht. Mit dem ebenfalls angefochtenen Bescheid betreffend Einkommensteuer 2010 selben Datums setzte das Finanzamt die Einkommensteuer für das Jahr 2010 mit Euro 5.088,10 fest. Das Finanzamt schätzte hierbei die Einkünfte des BF aus Gewerbebetrieb mit Euro 25.000,00.

Die mit Rückscheinbrief an die zuletzt bekannt gegebene Adresse des BF in Adr Inland, adressierten, nunmehr angefochtenen Abgabenbescheide wurden, mit dem Vermerk "verzogen", von der Post an das Finanzamt zurückgeleitet.

Mangels Kenntnis einer neuen Abgabenstelle verfügte das Finanzamt die Zustellung der angefochtenen Bescheide vom gemäß § 8 Abs. 2 ZustG durch Hinterlegung im Steuerakt.

Erst im Zuge von Einbringungsmaßnahmen im Jahr 2012 wurde dem Finanzamt, über das Central Liaison Office for International Cooperation (CLO), bekannt, dass der BF an der Adresse Adr-1 Deutschland, in Deutschland wohnhaft sei. Das zuständige Finanzamt in Deutschland wurde daraufhin mittels Rechtshilfeersuchen vom um Beitreibung der aushaftenden Abgabenbeträge ersucht. Die aus den angefochtenen Bescheiden resultierenden Abgabenforderungen sind bis dato unbeglichen.

Beim dem für die zuletzt bekannt gegebene Adresse Adr Inland, zuständigen Postamt bestand vom bis ein Nachsendeauftrag des BF an seine Adresse in Deutschland, mit dem Vermerk "Nachsendung wegen Umzug".

Der Geschäftsführer der Rechnungsempfängerin der streitgegenständlichen Rechnungen war im Streitjahr gemeinsam mit dem BF vertretungsbefugter Geschäftsführer einer weiteren Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Diese gemeinsame Geschäftsführung bestand seit und war zum Zeitpunkt des Vorlageberichtes des Finanzamtes noch aufrecht.

Beweiswürdigung:

Dieser Sachverhalt gründet sich in wesentlichen Teilen auf die im Akt einliegenden Urkunden, an deren Beweiskraft kein Zweifel besteht. Bei den auf den Ablauf der Umsatzsteuersonderprüfung sowie auf die offenkundigen Vermeidungshandlungen - um für das Finanzamt nicht greifbar zu sein - des BF bezogenen Feststellungen war der Darstellung des Finanzamtes zu folgen. Der BF widersprach sich in seinem Vorbringen mehrfach und räumte Teile des Sachverhaltes lediglich in dem Maße ein, als ihm der Kenntnisstand des Finanzamtes bekannt wurde. Wenn der BF behauptete, dass ihm keine Umsatzsteuersonderprüfung bekannt geworden sei, konnte dem kein Glauben geschenkt werden, da an der Kontaktnahme des Prüfers mit dem BF vom kein Zweifel bestand. Der ursprünglichen Behauptung des BF, wonach er im Jahr 2010 keinerlei Umsätze erzielt habe, konnte auch im Lichte der für die Monate Jänner und Februar 2010 eingereichten Umsatzsteuervoranmeldungen kein Glauben geschenkt werden. Die Existenz der streitgegenständlichen Rechnungen wurde vom BF im Beschwerdeverfahren erst eingeräumt, nachdem diese ihm vom Finanzamt vorgehalten wurden. Für die vom BF behaupteten Rechnungsstornierungen fand sich kein tauglicher Nachweis, weshalb eine derartige Feststellung zu unterbleiben hatte. Ebenfalls zu unterbleiben hatte eine Feststellung, wonach dem BF der nach der Außenprüfung mit Datum 22. Februar ergangene Umsatzsteuer-Festsetzungsbescheid für die Monate März bis Dezember 2010 nicht zugegangen wäre, da der BF zum Zeitpunkt des Ergehens der Bescheide dem zuständigen Postamt einen aufrechten Nachsendeauftrag erteilt hatte. Es liegt nahe, dass der BF von den Erhebungen des Finanzamtes hinsichtlich der streitgegenständlichen Rechnungen Kenntnis erlangte, was die Auskunft an den Prüfer am erklärt, er befinde sich auf einer Geschäftsreise und kehre in der ersten Feberwoche 2011 wieder zurück, obwohl der BF bereits am einen Nachsendeauftrag an das Postamt wegen Umzuges erteilt hatte. Insgesamt erschien das Vorbringen des BF nicht glaubwürdig, weshalb der Darstellung des Finanzamtes zu folgen war.

Rechtliche Würdigung:

§ 8 Abs. 1 Zustellgesetz (ZustG) in der für den Streitzeitraum anzuwendenden Fassung bestimmt, dass eine Partei, die während eines Verfahrens, von dem sie Kenntnis hat, ihre bisherige Abgabestelle ändert, dies der Behörde unverzüglich mitzuteilen hat.

Gemäß § 8 Abs. 2 ZustG ist in dem Fall, dass diese Mitteilung unterlassen wird, soweit die Verfahrensvorschriften nicht anderes vorsehen, die Zustellung durch Hinterlegung ohne vorausgehenden Zustellversuch vorzunehmen, falls eine Abgabestelle nicht ohne Schwierigkeiten festgestellt werden kann.

In der Streitsache steht fest, dass der BF dem Finanzamt keine Änderung der Abgabestelle mitgeteilt hat. Um zu beurteilen, ob die vom Finanzamt verfügte Zustellung durch Hinterlegung gemäß § 8 Abs. 2 ZustG rechtmäßig erfolgte, ist daher zu prüfen, ob eine Abgabestelle des BF ohne Schwierigkeiten festgestellt werden hätte können.

Die höchstgerichtliche Rechtsprechung hat hierzu ausgeführt, dass nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalles zu beurteilen sei, ob der Behörde der Versuch der Ermittlung einer neuen Abgabestelle "ohne Schwierigkeiten" und mit "einfachen Mitteln" möglich gewesen wäre.

Der Verwaltungsgerichtshof hat z.B. den Umstand, dass einer Behörde die Mobiltelefonnummer des Betroffenen durchgehend zur Verfügung stand, als Möglichkeit betrachtet, ohne Schwierigkeiten und mit einfachen Mitteln eine Ermittlung der neuen Abgabestelle vorzunehmen ().

In der Beschwerdesache hat der BF seine Abgabestelle in das Ausland verlegt, ohne der Behörde davon Mitteilung zu machen. Da der BF auch seine Mobiltelefonnummer abmeldete, war es dem Finanzamt verwehrt, die neue Abgabestelle beim BF, nach der Abmeldung seines Wohnsitzes im Inland, zu erfragen. Das Verhalten des BF war offenkundig darauf gerichtet, für das Finanzamt eben nicht erreichbar zu sein.

In den gesamten Akten fand sich kein Hinweis darauf, dass dem Finanzamt eine einfache Möglichkeit zur Aufenthaltsermittlung des BF zur Verfügung gestanden wäre. Erst die Befassung einer zwischenstaatlichen Nachforschungsstelle, nämlich des Central Liaison Office for International Cooperation (CLO), ermöglichte im Juni des folgenden Jahres die Kenntnis des Finanzamtes, wonach sich der BF in Deutschland aufhalte. Diese Befassung einer zwischenstaatlichen Nachforschungsstelle erfüllt aus der Sicht des Bundesfinanzgericht jedoch keinesfalls das Erfordernis, wonach "ohne Schwierigkeiten" und "mit einfachen Mitteln" die Ermittlung einer Abgabestelle des BF möglich gewesen wäre.

Der BF trug mit der Unterlassung der ihm obliegenden Mitteilung der Änderung der Abgabestelle die Gefahr, dass die Behörde diese Änderung nicht erkennen würde und dass die Zustellung an der bisherigen Abgabestelle bewirkt werden konnte. Die Unterlassung der Mitteilung der Aufgabe der Abgabestelle in Adr Inland, durch den BF hatte somit zur Folge, dass an dieser Abgabestelle zugestellt werden konnte, gleichgültig, wo sich der BF aufhielt und welche Abgabestelle für ihn zu diesem Zeitpunkt sonst in Betracht gekommen wäre ().

Wenn das Finanzamt, nach dem erfolglosen Versuch der Zustellung mittels Rückscheinbriefes, daher durch schriftliche Verfügung im Akt anordnete, die Zustellung der angefochtenen Bescheide gemäß § 8 Abs. 2 ZustG durch Hinterlegung im Akt vorzunehmen, so war dies nicht zu beanstanden. Die Zustellung der angefochtenen Bescheide ist mit ihrer Hinterlegung im Jahr 2011 rechtskräftig erfolgt.

Die gegenständliche Beschwerde vom 21. Feber 2017 war, in Entsprechung der Bestimmung des § 260 Abs. 1 lit. b BAO, mit Beschluss als nicht fristgerecht eingebracht zurückzuweisen.

Im Hinblick darauf war auf das Vorbringen des BF zu den festgesetzten Abgaben nicht mehr einzugehen, ebenso wenig auf den Antrag des Finanzamtes, die in einer weiteren Rechnung ausgewiesene Umsatzsteuer dem BF zusätzlich vorzuschreiben.

Zulässigkeit einer Revision:

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Keine dieser Voraussetzungen lag in der Beschwerdesache vor, weshalb eine Revision nicht zuzulassen war.

Es war spruchgemäß zu entscheiden.

Klagenfurt am Wörthersee, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 8 Abs. 1 ZustG, Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982
§ 8 Abs. 2 ZustG, Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982
§ 260 Abs. 1 lit. b BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.4100414.2017

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at