Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 17.02.2021, RV/1100449/2016

Drittelbegünstigung gemäß § 124b Z 53 EStG 1988 für Todesfallkapital.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri***

in der Beschwerdesache der ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Herburger Frei & Partner Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungs GmbH & Co KG, Schloßgraben 10, 6800 Feldkirch,

betreffend den Bescheid des Finanzamtes Feldkirch vom hinsichtlich Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2015, Steuernummer ***BF1StNr1***,

zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem am Ende der Entscheidungsgründe als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen, das einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses bildet.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführerin die Begünstigung gemäß § 124b Z 53 EStG 1988, wonach ein Drittel der Pensionsabfindung steuerfrei zu belassen ist, versagt. Begründend wurde dazu ausgeführt, die Begünstigung stehe nur dann zu, wenn dem Anspruchsberechtigten keine andere Möglichkeit als die Inanspruchnahme der Pensionsabfindung eingeräumt sei. Habe der Anwartschaftsberechtigte die freie Wahl zwischen mehreren Ansprüchen, d.h., zwischen einer Rente und einer Einmalzahlung, so liege nach ständiger Rechtsprechung keine Abfindung vor.

Im Streitfall habe die Wahlmöglichkeit bestanden. Der verstorbene Gatte der Bescheidadressatin habe sich entschlossen, die Freizügigkeitsleistung auf ein Personalvorsorgekonto mit Sperrwirkung zu transferieren und es sich später als Einmalzahlung auszahlen zu lassen. Die Auszahlung der Freizügigkeitsleistung sei zur Gänze steuerpflichtig.

Die Bescheidadressatin brachte Beschwerde ein und erläuterte darin:

Aus dem Gesetzestext des § 124b Z 53 EStG 1988 gehe als einzige Anspruchsvoraussetzung hervor, dass die Pensionsabfindung "aufgrund gesetzlicher oder statutenmäßiger Regelungen" erfolgen müsse.

In teleologischer Hinsicht liege die Funktion des § 124b Z 53 EStG 1988 in der Abmilderung des Progressionseffektes für Pensionsabfindungen im Zuge der Einmalzahlung. Die Zusammenballung der Einkünfte sei unabhängig davon gegeben, ob eine obligatio alternativa vorliege.

Die Beschwerdeführerin verwies durch ihre steuerliche Vertretung auf das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom , RV/1100654/2015, sowie das Erkenntnis des , in welchen übereinstimmend die Freiwilligkeit der Entscheidung zur Pensionsabfindung im Wege einer Einmalzahlung nicht als einer Drittelbegünstigung entgegenstehend beurteilt worden sei.

In der Folge wurde durch das Finanzamt eine abweisende Beschwerdevorentscheidung erlassen und darin ausgeführt:

Die Beschwerdeführerin habe von der Pensionskasse ihres verstorbenen Ehegatten eine Kapitalabfindung erhalten. Strittig sei, ob das Pensionskapital der vollen Besteuerung unterliege oder ob unter Anwendung der Bestimmung des § 124b Z 53 EStG 1988 ein Drittel steuerfrei zu belassen sei.

Der VwGH habe in seiner Entscheidung vom , 2007/15/0026, ausgeführt, dass es sich bei einer Auszahlung als Einmalzahlung, die aufgrund eines Wahlrechts anstatt einer Rentenzahlung bezogen werden könne, nicht um eine Abfindung des Pensionsanspruches im Sinne des § 124b Z 53 EStG 1988, sondern um einen davon getrennten eigenständigen Anspruch handle und daher die Drittelbegünstigung nicht zur Anwendung komme.

In seinem Erkenntnis vom , 2009/15/0188, habe der VwGH diese Rechtsansicht bestätigt. Im Falle einer sogenannten obligatio alternativa (Wahlschuld iSd § 906 ABGB) liege keine begünstigungsfähige Abfindung vor.

Die Möglichkeit der wahlweisen Auszahlung - entweder eines Einmalbetrages oder einer monatlichen Rente - stehe im Streitfall daher einer Anwendung der Begünstigungsbestimmung entgegen.

In der Folge langte unter Aufrechterhaltung des schon bisher Vorgebrachten ein Antrag auf Vorlage der Beschwerde zur Entscheidung an das Bundesfinanzgericht ein.

In Beantwortung eines Ergänzungsersuchens, das die Richterin des BFG an das Finanzamt richtete, führte der Vertreter des Finanzamtes aus:

Mangels Anspruches auf eine Pension in Form einer Rente konnte auch keine solche abgefunden werden und liege daher bei der Beschwerdeführerin schon begrifflich keine Pensionsabfindung vor, weshalb die Begünstigungsbestimmung gemäß § 124b Z 53 EStG 1988 nicht zur Anwendung komme. Soweit das Finanzamt bisher vom Vorliegen eines Wahlrechtes zwischen Rentenauszahlung und Kapitalabfindung ausgegangen sei, treffe dies im Lichte inzwischen angestellter Erhebungen bei der ***1*** nicht zu. Vielmehr sei gegenständlich von vornherein nur eine Auszahlung der Freizügigkeitsleistung vom Vorsorgesperrsparkonto in kapitalisierter Form möglich gewesen.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

  • Der Gatte der Beschwerdeführerin verstarb am ***2***.2015.

  • Seine Freizügigkeitsleistung wurde am in Höhe von CHF 187.777,19 (= € 173.200,23) von einem Vorsorgesperrsparkonto bei der ***1*** zugunsten der Beschwerdeführerin auf ein inländisches Konto bei der Sparkasse der Stadt ***3*** überwiesen.

  • Mit Einantwortungsbeschluss vom wurde die Verlassenschaft zu einem Drittel der Beschwerdeführerin und zu zwei Dritteln der Tochter des Verstorbenen eingeantwortet.

Gesetzliche Grundlagen und rechtliche Würdigung

Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)

Strittig ist: Ist die Auszahlung des Todesfallkapitals begünstigungsfähig im Sinne des § 124b Z 53 EStG 1988?

Nicht weiter strittig ist, dass gegenständlich kein Wahlrecht zwischen der kapitalisierten Auszahlung und einem Rentenbezug bestand. Eine obligatio alternativa, wie sie grundsätzlich einer Begünstigung gemäß § 124b Z 53 EStG 1988 entgegensteht, lag daher nicht vor.

Zu untersuchen verbleibt somit allein der Einwand der Abgabenbehörde, wonach mangels Anspruchs auf eine Pension im Falle der Beschwerdeführerin keine Pensionsabfindung vorliege und daher die in Streit stehende Begünstigungsbestimmung nicht anwendbar sei.

In einem aktuellen, zur Beurteilung eines Todesfallkapitals ergangenen Erkenntniss hat der VwGH (, Ra 2019/15/0028-6) ausgesprochen:

"Die Abfindung ausländischer Pensionskassenleistungen führt nach § 25 Abs. 1 Z 2 lit. b EStG 1988 in der ab 1997 geltenden Fassung…. zu Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit.

Bei den Einkünften iSd § 25 Abs. 1 EStG 1988 ist es unmaßgeblich, ob es sich um einmalige oder laufende Einnahmen handelt, ob ein Rechtsanspruch auf sie besteht, oder ob sie dem originär Bezugsberechtigten oder seinem Rechtsnachfolger zufließen (§ 25 Abs. 2 EStG 1988)"...

Umgelegt auf das Todesfallkapital ergibt sich gemäß VwGH daraus:

"Wenn § 25 Abs. 2 EStG 1988 und § 32 Abs. 1 Z. 2 EStG 1988 die Einnahmen des verstorbenen Rechtsvorgängers dem Rechtsnachfolger zurechnen, ohne die Identität der Einkunftsart zu berühren, spricht dies dafür, diesen Einkünften auch jene einkünftebezogenen Begünstigungen zukommen zu lassen, die beim Rechtsvorgänger anwendbar gewesen wären. Denn durch die Rechtsnachfolge ändert sich der sachliche Gehalt der betreffenden Einkünfte nicht, weshalb auch die rechtspolitischen Ziele der Steuerermäßigung davon unberührt bleiben, ob die Einkünfte, auf die sich die Ermäßigung bezieht, vom ursprünglichen Steuerpflichtigen oder seinem Rechtsnachfolger bezogen werden"…

Der Zweck der Bestimmung des § 124b Z 53 EStG 1988, der darin liegt, eine tarifmäßige Besteuerung von Pensionsabfindungen zu vermeiden, wenn keine andere Möglichkeit als die Inanspruchnahme dieser Abfindung besteht, bleibt daher gemäß VwGH von der Rechtsnachfolge unberührt. Auch im Falle der Auszahlung des Abfindungsbetrages an einen nach dem Tod des Dienstnehmers Anspruchsberechtigten kommt es nämlich zu einer kumulierten Erfassung von Einkünften in einem Jahr (Barwert der Altersrente).

In zusammenfassender Würdigung lässt sich aus dem zitierten höchstgerichtlichen Erkenntnis für den Streitfall ableiten:

Die Beschwerdeführerin, die keine andere Möglichkeit als den kapitalisierten Bezug des Todesfallkapitals hatte, hat Anspruch auf die Begünstigung gemäß § 124b Z 53 EStG 1988. Der ihr zugekommene Teil des Todesfallkapitals ist daher zu einem Drittel steuerfrei zu belassen, d. h., er fließt in Höhe von € 38.488,94 neben der AHV- Rente der Beschwerdeführerin in die "Einkünfte ohne inländischen Steuerabzug" gemäß Berechnungsblatt ein.

Insgesamt war wie im Spruch zu entscheiden.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere, weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Lösung der in Streit stehenden Rechtsfrage findet Deckung in dem Erkenntnis des -6.

Feldkirch, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.1100449.2016

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at