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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 22.02.2021, RV/7103012/2020

Keine Familienheimfahrten bei Wegverlegung des Wohnsitzes vom Beschäftigungsort

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. Hans Blasina in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Wien 3/6/7/11/15 Schwechat Gerasdorf vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2018 und 2019, Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer (Bf.) beantragt die Berücksichtigung von Kosten für Familienheimfahrten iHv EUR 360,- und für doppelte Haushaltsführung iHv EUR 1.815,- als Werbungskosten. Begründend führt er hierzu in der Beschwerde und im Vorlageantrag aus, dass die Voraussetzungen einer beruflich veranlassten doppelten Haushaltsführung ab Oktober 2018 vorliegen würden, da mit dem Umzug der Ehegattin und des minderjährigen Sohnes im September 2018 von Wien (= Beschäftigungsort des Bf.) nach Polen, in Polen ein neuer Familienwohnsitz begründet worden sei, der vom Beschäftigungsort so weit entfernt ist, dass ihm eine tägliche Rückkehr zum Familienwohnsitz nicht zugemutet werden könne. Anlass der Rückübersiedelung war lt. Ausführungen des Bf. der Wunsch, das gemeinsame Kind lieber in Polen zu erziehen und ausbilden zu lassen.

Die Ehegattin des Bf. erzielte laut der Bescheinigung der polnischen Steuerbehörde (Formular E 9) bzw Bescheinigung des Kreisarbeitsamtes vom in den Jahren 2018 und 2019 keinerlei Einkünfte (siehe Ersuchen um Ergänzung inkl. Beantwortung). Sie war als arbeitslos gemeldet, kümmerte sich lt. Ausführungen des Bf. jedoch um den Haushalt in Polen, was eine Beschäftigung von mehr als 20 Stunden in der Woche bedeute. Es sei dem Bf. daher aus wirtschaftlichen und humanitären Gründen unzumutbar, seinen Familienwohnsitz wieder von Polen nach Österreich zu seinem Beschäftigungsort zu verlegen. Zumal auch die Erziehung des Kindes in der polnischen Muttersprache durch eine Verlegung des Familienwohnsitzes nach Österreich mangels entsprechendem sozialen Umfeld erschwert werden würde.

Im Erstbescheid wurden die beantragten Werbungskosten nach Wahrung des Parteiengehörs (siehe Ersuchen um Ergänzung inkl. Beantwortung) mangels Vorliegens der Voraussetzungen nicht berücksichtigt. Daraufhin wurde frist- und formgerecht das Rechtsmittel der Bescheidbeschwerde eingebracht. Mit Beschwerdevorentscheidung wurde die Beschwerde abgewiesen, weil der Familienwohnsitz in Wien - der auch der Beschäftigungsort ist - aus privaten Gründen vom Beschäftigungsort wegverlegt worden sei und somit die Voraussetzungen für die Berücksichtigung der beantragten Werbungskosten nicht vorlägen. Daraufhin wurde ein Vorlageantrag eingebracht.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Es steht fest, dass die Ehefrau des Bf. vom und das gemeinsame Kind seit der Geburt Ende Juli 2015 bis zum im gemeinsamen Haushalt mit dem Bf. in Wien wohnhaft waren. Der Bf. wohnt bereits seit 2008 (mit Unterbrechung) in Wien. Der Familienwohnsitz befand sich somit bis zur Verlegung nach Polen im September 2018 am Beschäftigungsort in Österreich. Die Zurückverlegung des Familienwohnsitzes nach Polen erfolgte aufgrund privater Umstände (Ausbildung und Erziehung des minderjährigen Sohnes in der Muttersprache). Die Ehefrau des Bf. erzielte in Polen keinerlei Einkünfte. Der Bf. ging weiterhin in Wien einer Beschäftigung nach und bewohnt nach wie vor die ehemalige Familienwohnung in Wien.

Beweiswürdigung

Die Feststellungen ergeben sich bezüglich Aufenthalts in Österreich aus dem Zentralen Melderegister, betreffend Einkommenssituation der Ehefrau aus den vorgelegten Unterlagen und auch im Übrigen aus dem Akt und dem Beschwerdevorbringen.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Werbungskosten sind die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen (§ 16 Abs 1 EStG). Sie müssen nach ständiger Rechtsprechung objektiv durch die berufliche Tätigkeit veranlasst sein. Aufwendungen des Steuerpflichtigen für eine doppelte Haushaltsführung (Familienwohnsitz, weiterer Wohnsitz am Beschäftigungsort) und Familienheimfahrten sind steuerlich nur zu berücksichtigen, wenn eine berufliche Veranlassung für die doppelte Haushaltsführung besteht. Von einer beruflichen Veranlassung ist dem Grunde nach auszugehen, wenn der Familienwohnsitz des Steuerpflichtigen so weit von seinem Beschäftigungsort entfernt ist, dass ihm die tägliche Rückkehr nicht zugemutet werden kann und die Beibehaltung des Familienwohnsitzes außerhalb des Beschäftigungsortes noch als durch die Einkunftserzielung veranlasst gilt (vgl zB ).

Die doppelte Haushaltsführung ist dann als beruflich veranlasst anzusehen, wenn die Gründung des zweiten Hausstandes einen objektiven Zusammenhang mit der Berufstätigkeit aufweist; eine berufliche Veranlassung in diesem Sinne liegt hingegen nicht vor, wenn der Arbeitnehmer seine Familienwohnung aus privaten Gründen vom bisherigen Wohnort, der auch der Beschäftigungsort ist, wegverlegt und am Beschäftigungsort einen zweiten Hausstand führt (, mit Hinweis auf BFH , BStBl 1982 II, 297 und 323).

Schon deshalb war es dem Bf versagt, die doppelte Haushaltsführung und die Familienheimfahrten steuerlich geltend zu machen. Auch andere Gründe (eigenes Einkommen der Gattin am Familienwohnort, fehlende Ausbildungsmöglichkeit am bisherigen Wohnort) sind nicht ersichtlich. Ebenso ist nicht einsichtig, weshalb es der Familie ab Oktober 2018 aus wirtschaftlichen Gründen unzumutbar gewesen sein soll, weiterhin in Österreich wohnhaft zu bleiben. Der bloße Wunsch, das gemeinsame Kind in einem anderen sozialen Umfeld aufzuziehen, ist eine rein persönliche Entscheidung, die nicht in die Sphäre der Einkünfteerzielung hineinwirken kann und würde auch bei einem privat veranlassten Umzug innerhalb Österreichs zu keinem anderen Ergebnis führen. Somit stehen dieser Rechtsanschauung auch keine unionsrechtlichen Bedenken entgegen.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.7103012.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at