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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 19.02.2021, RV/7500082/2021

Keine Versäumnis der Beschwerdefrist bei fristgerechter Einbringung der Beschwerde

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Andrea Müller-Dobler MBA MSc in der Verwaltungsstrafsache gegen ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, wegen der Verwaltungsübertretung gemäß § 5 Abs. 2 Parkometerabgabeverordnung, ABl. der Stadt Wien Nr. 51/2005 in Verbindung mit § 4 Abs. 1 Parkometergesetz 2006, LGBl. für Wien Nr. 9/2006, idF. LGBl. für Wien Nr. 71/2018, über die Beschwerde des Beschuldigten vom gegen den Zurückweisungsbescheid der belangten Behörde Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 67, vom , Zahl MA67/Zahl/2020, zu Recht erkannt:

I. Gemäß § 50 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) wird der Beschwerde Folge gegeben und der angefochtene Zurückweisungsbescheid vom , Zahl MA67/Zahl/2020, ersatzlos aufgehoben.

II. Eine Revision durch die beschwerdeführende Partei wegen Verletzung in Rechten nach Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG ist gemäß § 25a Abs. 4 VwGG kraft Gesetzes nicht zulässig.

Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine ordentliche Revision durch die belangte Behörde nach Art. 133 Abs. 6 Z 2 B-VG nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Mit Strafverfügung des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 67, vom , Zahl MA67/Zahl/2020, wurde der Beschwerdeführer (in weiterer Folge: Bf.) der Begehung einer Verwaltungsübertretung nach § 5 Abs. 2 Wiener Parkometerabgabeverordnung für schuldig erkannt und über ihn nach § 4 Abs. 1 Wiener Parkometergesetz 2006 eine Geldstrafe in der Höhe von € 60,00 verhängt und für den Fall ihrer Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 14 Stunden festgesetzt.

Die Strafverfügung enthielt auszugsweise nachfolgende (rechtsrichtige) Rechtsmittelbelehrung:

"Sie haben das Recht, gegen diese Strafverfügung Einspruch zu erheben. Der Einspruch ist innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung der Strafverfügung schriftlich oder mündlich bei uns einzubringen. Wenn Sie der Ansicht sind, dass Sie die Tat etwa überhaupt nicht oder anders begangen haben und deshalb rechtzeitig Einspruch erheben, tritt die Strafverfügung außer Kraft. Wir leiten dann das ordentliche Verfahren ein, das heißt, wir ermitteln weiter und prüfen alle Umstände des Falles. Dabei gilt der Einspruch als Rechtfertigung im Sinne des § 40 VStG."

Mit E-Mail vom erhob der Bf. fristgerecht Einspruch gegen diese Strafverfügung und führte dabei Folgendes aus:

"Hiermit erhebe ich im Vorhinein Einspruch gegen Ihren Strafverfügung vom (Anmerkung BFG, gemeint: ,Strafverfügung vom '; am wurde die Straftat begangen). Da ich einen Parkausweis besitze, finde ich Ihre Strafe Gegenstandslos. Den Ausweis finden sie in dem Anhang. Ich hoffe Ihnen gedient zu haben und verbleibe zwischenzeitlich."

Entgegen den Ausführungen in der Rechtsmittelbelehrung leitete die belangte Behörde das ordentliche Verfahren nicht ein, sondern sendete sie mit Datum die Strafverfügung erneut an die Adresse des Bf., wo sie durch Hinterlegung zugestellt wurde. Ob die neuerlich zugesandte Strafverfügung vom Bf. behoben wurde, geht aus dem vorgelegten Akt nicht hervor und ist auch nicht entscheidungsrelevant.

Am erließ der Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 6, die beschwerdegegenständliche Vollstreckungsverfügung, Zahl MA67/Zahl/2020 mit folgendem Wortlaut:

Die mit der Strafverfügung vom , Zahl MA67/Zahl/2020, verhängte rechtskräftige Strafe sei bis heute nicht bezahlt worden. Die offene Forderung inklusive Kostenbeitrag (Mahngebühr gemäß § 54b Abs. 1a VStG) betrage € 65,00. Da der Bescheid inklusive Kostenbeitrag (Mahngebühr) vollstreckbar sei, werde zur Einbringung des Gesamtbetrages gemäß § 3 VVG und § 10 VVG die Zwangsvollstreckung verfügt.

Der Bf. erhob mit E-Mail vom gemäß "Art 130 Abs 1 Z 1 B-VG und Art. 132 Abs 1 Z 1 B-VG" gegen die Mahnung Beschwerde und brachte zusammengefasst vor, dass seine Mutter im Besitz eines Parkausweises nach § 29b StVO sei, weswegen er keine Verwaltungsübertretung begangen habe können. Bis dato habe er keine Schriftstücke zur gegenständlichen Zahl MA67/Zahl/2020 erhalten. Diese Zahl gehöre einer anderen Person zugeordnet, sie sei aber ihm zugeschrieben worden. Da seine Rechte umfangreich verletzt worden seien stelle er einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.

Der Bf. stellte unter Punkt 5. seiner Beschwerde wörtlich folgende Anträge:

"1. Angefochtene Mahnung ersatzlos zu beheben und das Verfahren gemäß § 38 VwGVG iVm § 45 Abs. 1 VStG einzustellen

in eventu

2a. es aufgrund der geringen Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und der geringen Intensität meiner Beeinträchtigung durch die Tat sowie aufgrund meines geringen Verschuldens bei einer Ermahnung gemäß § 45 Abs. 1 VStG bewenden zu lassen.

2b. die Strafhöhe auf ein tat- und schuldangemessenes Maß herabzusetzen."

Die Magistratsabteilung 67 legte die Beschwerde gegen die Vollstreckungsverfügung samt Verwaltungsakt dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor (Datum des Einlangens: ).

Über die Beschwerde vom gegen die Vollstreckungsverfügung hat das Bundesfinanzgericht mit RV/7500062/2021 gesondert abgesprochen. Zusätzlich hat der Bf. in dieser Beschwerde einen Antrag auf Widereinsetzung in den vorigen Stand mit dem Hinweis gestellt, dass er kein Schriftstück zur Zahl MA67/Zahl/2020 vom erhalten habe.

Mit Bescheid vom , Zahl MA67/Zahl/2020, wies die Magistratsabteilung 67 den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einbringung eines Rechtsmittels gegen die Strafverfügung vom , Zahl MA67/Zahl/2020, gemäß § 71 Abs. 1 AVG 1991 in Verbindung mit § 24 VStG 1991 zurück.

Begründend führte die belangte Behörde aus:

"Mit Strafverfügung vom wurde über Sie wegen Übertretung gemäß § 5 Abs. 2 Parkometerabgabeverordnung, ABI. der Stadt Wien Nr. 51/2005, in der geltenden Fassung, in Verbindung mit § 4 Abs. 1 Parkometergesetz 2006, LGBI. für Wien Nr. 9/2006, in der geltenden Fassung, eine Geldstrafe in der Höhe von € 60,00, im Falle der Uneinbringlichkeit Ersatzfreiheitsstrafe von 14 Stunden, verhängt.

Mit Eingabe vom haben Sie eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Begründet wurde der Wiedereinsetzungsantrag im Wesentlichen damit, dass Sie bis jetzt keine Schriftstücke mit der Geschäftszahl MA67/Zahl/2020 erhalten hätten.

§ 71 Abs. 1 AVG zufolge ist gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn:

1. die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis ohne ihr Verschulden verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft, oder

2. die Partei die Rechtsmittelfrist versäumt hat, weil der Bescheid keine Rechtsmittelbelehrung, keine Rechtsmittelfrist oder fälschlich die Angabe enthält, dass kein Rechtsmittel zulässig sei.

Gemäß § 71 Abs. 2 AVG muss der Antrag auf Wiedereinsetzung binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses oder nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit der Berufung Kenntnis erlangt hat, gestellt werden.

§ 71 Abs. 3 AVG zufolge hat die Partei im Fall der Versäumung einer Frist die versäumte Handlung gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag nachzuholen.

Unabwendbar ist ein Ereignis dann, wenn sein Eintritt objektiv von einem Durchschnittsmenschen nicht verhindert werden kann. Unvorhergesehen ist es hingegen, wenn die Partei es tatsächlich nicht mit einberechnet hat und seinen Eintritt auch unter Bedachtnahme auf zumutbare Aufmerksamkeit und Voraussicht nicht erwarten konnte (vgl. Zl. 91/06/0162, ZI. 92/04/0194).

Ist ein Zustellvorgang rechtswidrig, daher die Zustellung nicht rechtswirksam, so ist die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht der zum Ziel führende Rechtsbehelf, weil mangels des Beginnes des Laufes der Berufungsfrist auch keine Frist versäumt werden kann ( ZI. 99/20/0069).

Ein Zustellmangel stellt somit keinen tauglichen Wiedereinsetzungsgrund dar, zumal dieser in den Ziffern 1 und 2 des § 71 AVG 1991 auch nicht genannt ist.

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war daher zurückzuweisen."

Gegen diesen Bescheid erhob der Bf. fristgerecht Beschwerde:

"Ich bin der Zullasungsbesitzer und auch meine Mutter des Fahrzeuges mit der Kennzeichen W-*** und ich parke fast immer in 1160 Wien aus dem Grund, weil diese Gasse in der Nähe meines Wohnorts ist, und meine Mutter eine 100% Invalide. Da ich im Besitz eines Parkausweises nach § 29b des StVO bin, konnte ich somit keine Verwaltungsübertretung begangen haben. Mit dem Bescheid des Sozialministeriums von , darf meine Mutter in der Nähe Ihren Ortes das Auto ohne dafür gültigen Parkpickerl abstellen. Die Grundlage ist der ärztliche Befund dafür. Ihre Hartnäckigkeit ist nicht nachvollzuziehen in dem sie eine 100%ige Person bestrafen, die an fremde Hilfe angewiesen ist.

1. angefochtene Straferkenntnis ersatzlos zu beheben und das Verfahren gemäß § 38 VwGVG iVm § 45 Abs.1 VStG einzustellen, in eventu

2. es aufgrund der geringen Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und des geringen Intensität meiner Beeinträchtigung durch die Tat sowie aufgrund meines geringen Verschuldens bei einer Ermahnung gemäß § 45 Abs. 1 VStG bewenden zu lassen.

3. § 47 Urkunden; 4. Zeugen § 48ff; 5. Beteiligten § 51; 6. Sachverständigen; 7. Augenschein § 54 AVG."

Mit Bericht vom (Eingangsstempel) wurde die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

§ 49 VStG normiert:

"(1) Der Beschuldigte kann gegen die Strafverfügung binnen zwei Wochen nach deren Zustellung Einspruch erheben und dabei die seiner Verteidigung dienlichen Beweismittel vorbringen. Der Einspruch kann auch mündlich erhoben werden. Er ist bei der Behörde einzubringen, die die Strafverfügung erlassen hat.

(2) Wenn der Einspruch rechtzeitig eingebracht und nicht binnen zwei Wochen zurückgezogen wird, ist das ordentliche Verfahren einzuleiten. Der Einspruch gilt als Rechtfertigung im Sinne des § 40. Wenn im Einspruch ausdrücklich nur das Ausmaß der verhängten Strafe oder die Entscheidung über die Kosten angefochten wird, dann hat die Behörde, die die Strafverfügung erlassen hat, darüber zu entscheiden. In allen anderen Fällen tritt durch den Einspruch, soweit er nicht binnen zwei Wochen zurückgezogen wird, die gesamte Strafverfügung außer Kraft. In dem auf Grund des Einspruches ergehenden Straferkenntnis darf keine höhere Strafe verhängt werden als in der Strafverfügung."

Aktenkundig ist, dass der Bf. gegen die Strafverfügung vom , Zahl MA67/Zahl/2020 mit E-Mail vom frist- und formgerecht Einspruch erhoben hat (Akt S 12).

Wegen des rechtzeitig eingebrachten Einspruches ist die Strafverfügung vom , Zahl MA67/Zahl/2020 außer Kraft getreten und war (ist) gem. § 49 Abs. 2 VStG das ordentliche Verfahren einzuleiten.

Daran vermochte auch ein neuerliches Zustellen der Strafverfügung am nichts ändern.

Da sich wegen der vorstehenden Ausführungen die (neuerliche) Zustellung der Strafverfügung am als unwirksam erweist, hat der Bf. keine Frist versäumt.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zur Unzulässigkeit der Revision

Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine Revision nicht zulässig, da das Erkenntnis nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Eine solche Rechtsfrage lag verfahrensgegenständlich nicht vor.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Verwaltungsstrafsachen Wien
betroffene Normen
§ 49 VStG, Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr. 52/1991
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.7500082.2021

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at

Fundstelle(n):
XAAAC-26869