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Bescheidbeschwerde – Einzel – Beschluss, BFG vom 22.02.2021, RV/7101353/2012

Falscher Bescheidadressat bei Umsatz- und Gewinnfeststellungsbescheiden

Beachte

Revision (Amtsrevision) beim VwGH anhängig zur Zahl Ra 2021/13/0060. Zurückweisung mit Beschluss vom hinsichtlich Feststellung der Einkünfte 2005-2007, hinsichtlich Umsatzsteuer 2005-2007 mit Erk. v. wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufgehoben.

Entscheidungstext

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht hat durch den RichterRi in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, betreffend Beschwerden vom bzw. vom gegen die als Bescheide intendierten Erledigungen des FA Wien 12/13/14 Purkersdorf vom betreffend Umsatzsteuer für die Jahre 2005 bis 2007 sowie Feststellung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung gemäß § 188 Abs. 1 lit. d BAO für die Jahre 2005 bis 2007 beschlossen:

Die Beschwerden werden gemäß § 260 Abs. 1 lit. a BAO als nicht zulässig zurückgewiesen.

Gegen diesen Beschluss ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Begründung

Bei der Bf. handelt es sich um eine aus den natürlichen Personen Herrn ***2*** sowie Frau ***3*** bestehende, als Gesellschaft nach bürgerlichem Recht fungierende Hausgemeinschaft, welche an der Lageadresse in ***4*** zunächst- gemeinsam im Wohnungseigentum erworbene - Liegenschaftsanteile adaptierte, respektive diese ab dem Jahr 2007 in Bestand gegeben hat.

Im Zuge einer die Jahre 2005 bis 2007 umfassenden Außenprüfung wurden am für nämlichen Zeitraum im wiederaufgenommenen Verfahren neue Umsatz- und Gewinnfeststellungsbescheide gemäß § 188 BAO erlassen, wobei der Prüfer via Erhöhung der privat genutzten Flächen eine Reduktion der Werbungskostenüberschüsse bzw. der geltend gemachten Vorsteuerüberhänge vornahm.

Vorangeführte, zu Handen der steuerlichen Vertretung zugestellte Bescheide wiesen samt und sonders Herrn ***1*** als Adressaten aus.

In der Folge wurde vermittels dreier separater, mit bzw. datierter Schriftsätze gegen die Umsatz- und Gewinnfeststellungsbescheide 2005 bis 2007 Berufung (Beschwerde) erhoben und im Wesentlichen die Unrichtigkeit des Ausmaßes der "betrieblichen Flächen" moniert.

Nachdem den Rechtsmitteln mit Berufungsvorentscheidungen vom nur teilweise Folge gegeben wurde, wurde mit Schriftsatz vom ein Antrag auf Vorlage an den unabhängigen Finanzsenat gestellt, wobei die Abgabenbehörde zweiter Instanz unter Anberaumung einer mündlichen Verhandlung über die Berufungen durch den gesamten Senat befinden sollte.

Nach der Bestimmung des § 323 Abs. 38 BAO sind die am beim unabhängigen Finanzsenat als Abgabenbehörde zweiter Instanz anhängigen Berufungen und Devolutionsanträge vom Bundesfinanzgericht als Beschwerden im Sinne des Art. 130 Abs. 1 B-VG zu erledigen. Solche Verfahren betreffende Anbringen wirken mit auch gegenüber dem Bundesfinanzgericht.

Die in Beschwerde gezogenen Erledigungen des Finanzamtes vom betreffend Umsatzsteuer sowie Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO für die Jahre 2005 bis 20007, weisen als Bescheidadressaten "***1***." aus.

Gemäß § 93 Abs. 2 BAO ist jeder Bescheid ausdrücklich als solcher zu bezeichnen, er hat den Spruch zu enthalten und in diesem die Person (Personenvereinigung, Personengemeinschaft) zu nennen, an die er ergeht.

Gemäß § 97 Abs. 1 BAO werden Erledigungen dadurch wirksam, dass sie demjenigen bekannt gegeben werden, für den sie ihrem Inhalt nach bestimmt sind.

Gemäß § 188 Abs. 1 lit. d BAO werden die Einkünfte (der Gewinn oder der Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten) aus Vermietung und Verpachtung unbeweglichen Vermögens festgestellt, wenn an den Einkünften derselben Einkunftsart mehrere Personen beteiligt sind.

Gemäß § 191 Abs. 1 lit. c BAO ergeht der Feststellungsbescheid in den Fällen des § 188 BAO an die Personenvereinigung(Personengemeinschaft) ohne eigene Rechtspersönlichkeit, deren Gesellschaftern (Mitgliedern)gemeinschaftliche Einkünfte zugeflossen sind.

Nach § 191 Abs. 3 zweiter Satz BAO wirken Feststellungsbescheide (§ 188) gegen alle, denen im Spruch des Bescheides Einkünfte zugerechnet bzw. nicht zugerechnet werden.

Die Wirkung eines Feststellungsbescheides nach § 188 BAO tritt nur beim kumulativen Vorliegen folgender Voraussetzungen ein (vgl. Zl. 2010/15/0029 mwN):

1. der Bescheid muss in seinem Spruch seinen Adressaten gesetzmäßig bezeichnen (§ 191 Abs. 1 lit. c bzw. § 191 Abs. 2 BAO iVm § 93 Abs. 2 BAO);

2. der Bescheid muss seinem Adressaten zugestellt sein oder kraft Zustellfiktion ihm gegenüber als zugestellt gelten (§ 97 Abs. 1 BAO iVm § 101 Abs. 3 und 4 BAO).

Das Fehlen auch nur einer dieser Voraussetzungen steht der Wirksamkeit einer behördlichen Erledigung als Bescheid entgegen (vgl. Zl. 2012/13/0027).

Der Bescheidadressat, also die Person, an die der Bescheid ergeht, ist im Spruch des Bescheides namentlich zu nennen, wobei eine Nennung im Adressfeld ebenfalls reicht (vgl. Ritz, BAO, § 93 Tz 6 unter Hinweis auf die Rspr des VwGH).

Bei einer Hausgemeinschaft handelt es sich sowohl zivil- als auch abgabenrechtlich um eine nicht rechtsfähige Personengesellschaft. Die Gemeinschaft selbst ist materiell-rechtlich kein Träger von Rechten und Pflichten. Vielmehr sind dies die daran beteiligten Personen.

Aufgrund der Bestimmungen des § 191 BAO kommt einer solchen Gemeinschaft aber verfahrensrechtlich insofern Bedeutung zu, als Feststellungsbescheide - darunter jene nach § 188 BAO - kraft der ausdrücklichen, gesetzlichen Anordnung an die Gemeinschaft, mit Wirkung für alle Beteiligten zu ergehen haben.

Bei einer Miteigentümergemeinschaft kommen im Falle der Vermietung unbeweglichen Vermögens als Adressierung des Feststellungsbescheides in Betracht

•"An die Gemeinschaft der Miteigentümer der Liegenschaft ..." (wenn die Miteigentümerim Spruch namentlich genannt sind,

•"An A, B und C" (wenn die Liegenschaft im Bescheid bezeichnet ist),

•"An A und Mitbes. der Liegenschaft ...." (wenn die Mitbesitzer im Bescheidspruch namentlich genannt sind).

Die Adressierung in der Form "***1***" wird nur dann als ausreichend erachtet, wenn die Miteigentümer im Bescheidspruch namentlich genannt sind und wenn die betreffende Liegenschaft im Bescheid bezeichnet ist. Die Angabe der Steuernummer würde hierfür nicht ausreichen (s. sinngemäß Richtlinien zur Feststellung von Einkünften § 188 BAO, AÖF 2010/36).

Die mit der "Personenumschreibung" getroffene Wahl des Normadressaten ist wesentlicher Bestandteil jedes Bescheides. Die Benennung jener Person, der gegenüber die Behörde die in Betracht kommende Angelegenheit des Verwaltungsrechtes in förmlicher Weise gestalten will, ist notwendiges, auch deutlich und klar zum Ausdruck zu bringendes Inhaltserfordernis des individuellen Verwaltungsaktes und damit konstituierendes Bescheidmerkmal. Die in § 191 Abs. 3 BAO normierte Wirkung eines einheitlichen Feststellungsbescheides setzt einen wirksam erlassenen Feststellungsbescheid voraus (vgl. beispielsweise VwGH21. 10.1999, 99/15/0121).

Die im vorliegenden Fall mit Beschwerde angefochtenen Erledigungen vom weisen als Bescheidadressat jeweils "***1***" aus, wohingegen die Bezeichnung der betreffenden Liegenschaft, auf die sich die Feststellung bzw. Verteilung der Einkünfte bezieht, in den Erledigungen fehlt.

Die angefochtenen Erledigungen vom haben damit keine Rechtswirksamkeit erlangt (vgl. die Beschlüsse des ; , 96/13/0058).

Gemäß § 191 Abs. 3 BAO wirken Feststellungsbescheide iSd § 188 BAO gegen alle, denen gemeinschaftliche Einkünfte zufließen. Damit ein Feststellungsbescheid die ihm nach§ 191 Abs. 3 lit. b BAO zukommende Wirksamkeit äußern kann, muss er nach § 97 Abs.1 BAO auch seinem Adressaten zugestellt sein oder als zugestellt gelten. Das ergibt sich aus der Regelung des § 101 Abs. 3 BAO, die für bestimmte Feststellungsbescheide eine Zustellfiktion normiert (vgl. VwgH , 2012/15/0039 und die dort angeführte Literatur). Zu diesen Bescheiden zählen auch solche, mit denen ausgesprochen wird, dass die genannten Feststellungen zu unterbleiben haben.

Gleiches gilt im Grundsatz für die als Umsatzsteuer(festsetzungs)bescheide intedierten Erledigungen. Hierfür ist zunächst jedoch die Frage zu beantworten, inwieweit eine allenfalls vorliegende Unternehmereinheit iSd § 2 Abs. 1 2. Satz UStG 1994 die Konkretisierung des Bescheidadressaten obsolet macht.

Bei gleichteiligem Miteigentum an mehreren Sachen (z. B . ein Ehepaar besitzt mehrere Mietobjekte) ist nach Ruppe/Achatz regelmäßig davon auszugehen, dass die (nach außen auftretende) Miteigentümergemeinschaft Unternehmereigenschaft besitzt und sich ihr Unternehmen auf sämtliche im Miteigentum stehende Sachen erstreckt. Anders sei es, wenn unterschiedliche Beteiligungsverhältnisse bestehen, sofern dies dazu führe, dass eine einheitliche Willensbildung nicht gewährleistet sei (vgl. Ruppe/Achatz, Umsatzsteuergesetz 5, § 2 UStG, Tz 124 mwN). Ruppe/Achatz leiten ihre Ansicht von der zur vergleichbaren deutschen Rechtslage ergangenen Judikaturdes BFH ab.

Vor diesem Hintergrund kommt das Bundesfinanzgericht zu dem Schluss, dass gerade in jenen Fällen, in denen schon aus umsatzsteuerlicher Sicht klar erkennbar sein musss, ob es sich um einen an eine Unternehmereinheit oder bloß an einen einzelnen Unternehmer gerichteten Bescheid handelt, den verfahrensrechtlichen Kriterien über die Eindeutigkeit des Bescheidadressaten entscheidende Bedeutung zukommt. Bestünden nämlich zwei Miteigentümergemeinschaften mit den gleichen Miteigentümern, aber unterschiedlichen Beteiligungsverhältnissen, dürften diese nicht zu einer Unternehmereinheit zusammengefasst werden und hätten somit zwei Umsatzsteuerbescheide zu ergehen (vgl BFH vom , V R 38/89). In diesem Fall würde eine Bescheidadressierung, wie sie im Beschwerdefall gewählt wurde, dazu führen, dass es weder den Parteien, noch dem im Rechtsmittelweg angerufenen Verwaltungsgericht möglich wäre, das vom Bescheid betroffene Rechtssubjekt zu konkretisieren.

Da Umsätze aus Vermietung und Verpachtung iSd § 28 EStG nicht nur im Zusammenhang mit der Vermietung und Verpachtung von unbeweglichem Vermögen sondern beispielsweise auch bei der Überlassung oder Verwertung von Rechten (zB Lizenzgebühren) generiert werden können und diesbezüglich das Grundbuch keine Aufklärung bieten kann, erachtet das Bundesfinanzgericht eine Konkretisierung des Bescheidadressaten dahingehend, dass dieser als die konkreten Umsätze bewirkender Unternehmer eindeutig identifiziert werden kann, als bescheidbegründendes Merkmal.

Eine an einen Umsätze aus der Vermietung und Verpachtung erzielenden Unternehmer gerichtete, als Umsatzsteuerbescheid intendierte Erledigung, die den Unternehmer nicht in einer Weise konkretisiert, dass dieser unzweifelhaft als Normadressat dieses individualisierten Hoheitsaktes erkennbar ist, ist nicht geeignet, Bescheidqualität zu entfalten.

Gemäß § 260 Abs. 1 lit. a BAO ist die Bescheidbeschwerde mit Beschwerdevorentscheidung (§ 262 BAO) oder mit Beschluss (§ 278 BAO) zurückzuweisen, wenn sie nicht zulässig ist.

Mit Beschwerde anfechtbar sind nur Bescheide. Daher sind Bescheidbeschwerden gegen Schriftstücke ohne Bescheidcharakter als unzulässig zurückzuweisen (z.B. ; , 2006/13/0001; , 2004/15/0131, 0132; , 2010/17/0066).

Da - wie oben dargestellt - den als Bescheiden intendierten Erledigungen keine Rechtswirkung zukommt, waren die Beschwerden als unzulässig zurückzuweisen.

Nach der Bestimmung des § 272 Abs. 4 Satz 1 BAO können bei Beschwerden deren Entscheidung einem Senat obliegt die dem Verwaltungsgericht gemäß § 269 eingeräumten Rechte zunächst vom Berichterstatter ausgeübt werden. Nach dem zweiten Satz leg. cit. obliegen diesem unter anderem die Erlassung von Zurückweisungen (§ 260).

In Ansehung der zwingenden Zurückweisung der Rechtsmittel (§ 260) konnte nach § 274 Abs. 3 Z 1 BAO darüber hinaus - ungeachtet der Ordnungsmäßigkeit der diesbezüglichen Anträge - von der Durchführung der mündlichen Verhandlung Abstand genommen werden.

Zusammenfassend war wie im Spruch zu befinden.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil der Beschluss von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Eine derartige Rechtsfrage liegt nicht vor da das Verwaltungsgericht der dargestellten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes folgt.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.7101353.2012

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at

Fundstelle(n):
MAAAC-26851