Anwendbarkeit der Befreiung nach § 15 Abs. 3 GebG bei Einräumung des lebenslänglichen Fruchtgenussrechtes gleichzeitig und in einer Urkunde mit der Schenkung der Liegenschaft
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Ilse Rauhofer in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel vom betreffend Gebühren, ErfNr ***, StNr. 10-***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:
I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.
Der angefochtene Bescheid wird - ersatzlos - aufgehoben.
II. beschlossen:
Der Antrag auf Ersatz der Verfahrenskosten wird als unzulässig zurückgewiesen
III. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensablauf und Sachverhalt
1. Schenkungsvertrag vom und Selbstberechnung der Grunderwerbsteuer
Mit Schenkungsvertrag vom schenkte und übergab Frau ***Bf1*** (die nunmehrige Beschwerdeführerin, kurz Bf.) ihre Liegenschaft EZ*** KG*** je zur Hälfte an ihren Sohn ***1*** und ihre Tochter ***2***.
Punkt 5.2. des Schenkungsvertrages hat folgenden Inhalt:
"Die Geschenkgeberin behält sich ein nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Vertrages lebenslängliches Fruchtgenussrecht am Schenkungsgegenstand vor. Für die Dauer des Fruchtgenussrechtes wird zwischen den Vertragsparteien vereinbart, dass die Geschenkgeberin an die Geschenknehmer jährlich eine Abgeltung für die Abnutzung, eine sogenannte Substanzabgeltung für die in Punkt 1. (erstens) näher beschriebenen Eigentumsanteile zu entrichten hat. Die Höhe der Substanzabgeltung richtet sich nach der Höhe der jährlichen Abgeltung für Abnutzung, des Schenkungsgegenstandes. Zahlungsfrist ist jeweils der 31.07. des folgenden Jahres. Die Zahlungsverpflichtung erlischt mit dem Ableben des Geschenkgebers. Die Geschenkgeberin als Fruchtgenussberechtigte ist berechtigt und verpflichtet, Erhaltungs- und Verbesserungsarbeiten, die zu der Vermietung notwendig sind, vorzunehmen."
Für diesen Schenkungsvertrag wurde von der ***3*** Rechtsanwälte GmbH die Grunderwerbsteuer ausgehend vom dreifachen Einheitswert der Liegenschaft selbstberechnet und der Abgabenbetrag ans (damalige) Finanzamt für Gebühren, Verkehrssteuern und Glücksspiel (nunmehr Finanzamt Österreich, Dienststelle für Sonderzuständigkeiten, kurz FA) entrichtet.
2. Überprüfung von Selbstberechnungen
Im Zuge einer Überprüfung der Selbstberechnungen der Rechtsanwaltskanzlei ***3*** Rechtsanwälte GmbH zu ABNr *** durch das FA wurde ua der oben angeführte Schenkungsvertrag überprüft und dazu in der Niederschrift vom beanstandet, dass die Einräumung der Dienstbarkeit nach § 33 TP 9 GebG zu vergebühren sei.
3. Gebührenbescheid vom
Mit Bescheid vom setzte das Finanzamt gegenüber der Bf. für die Einräumung des Fruchtgenussrechtes eine Rechtsgebühr gemäß § 33 TP 9 GebG ausgehend von einer Bemessungsgrundlage von € 198.966,09 iHv € 3.979,32 fest.
Das Finanzamt begründete dies in einer gesonderten Begründung wie folgt:
"Mit gegenständlichem Schenkungsvertrag wird nicht nur eine Liegenschaft gegen Einräumung des Vorbehaltsfruchtgenussrechtes übergeben, sondern leistet der Übergeber zusätzlich die Zahlung der Substanzabgeltung in Höhe der Afa. Es liegen hier zwei Erwerbsvorgänge vor, nämlich ein grunderwerbsteuerpflichtiger Vorgang und eine entgeltliche Einräumung einer Dienstbarkeit. Soweit der Kapitalwert des Fruchtgenussrechtes den Wert der vom Berechtigten zu erbringenden Leistungen - dazu zählen neben der Substanzabgeltung auch die vom Fruchtgenussberechtigten auf Grund der vertraglichen Verpflichtung zu übernehmenden Betriebskosten bzw. ev. Kosten für Erhaltungs- und Verbesserungsarbeiten - übersteigt, stellt das Fruchtgenussrecht die Gegenleistung für den Liegenschaftserwerb dar. Die Summe der vom Berechtigten laut vertraglicher Verpflichtung zu erbringenden Leistungen stellt das Entgelt für das Fruchtgenussrecht dar.
Gemäß § 15 Abs. 3 GebG sind Rechtsgeschäfte, die unter das Grunderwerbsteuergesetz fallen, von der Gebührenpflicht ausgenommen. Soweit für die Einräumung des Fruchtgenussrechtes Entgeltlichkeit vorliegt, ist Gebührenpflicht gegeben. Soweit darüber hinaus ein Restwert des kapitalisierten Fruchtgenussrechtes verbleibt, stellt dieser Wert eine Gegenleistung für den Liegenschaftserwerb dar und fällt unter das Grunderwerbsteuergesetz.
Auch wenn die Regelung über die Tragung der Instandhaltungskosten den gesetzlichen Bestimmungen entspricht, löst die Beurkundung aufgrund des geltenden Urkundenprinzips die Gebührenpflicht aus.
Bemessungsgrundlage für die Erhebung der Gebühr bilden der kapitalisierte Wert der auf Lebenszeit zu leistenden Substanzabgeltung und die Kosten für Erhaltungs- und Verbesserungsarbeiten.
Die Berechnung erfolgt anhand der im Erlass des BMfF v. , 08 0104/2-IV/8/03 zur Bewertung von un- oder niedrig verzinsten Forderungen oder Verbindlichkeiten sowie von Renten und dauernden Lasten, dargelegten Berechnungsmethode (www.bmf.gv.at/steuern/Berechnungsprogramme - § 16 BewG und § 14 BewG).
Ermittlung der Bemessunqsqrundlaqe:
Die Abschreibungen der Jahre 2014 - 2017 wurden mit insgesamt (Gebäude u. Sachanlagevermögen) € 36.705,82, die getätigten Instandhaltungskosten für 2016 und 2017 mit insgesamt 10.009,99 bekanntgegeben. Aus den jeweilig ermittelten Durchschnittswerten errechnet sich somit ein jährliches Entgelt von € 14.181,46.
Der Kapitalwert beträgt somit € 198.966,09
gem. § 33 TP 9 GebG 2% v, € 198.966,09 = € 3.979,32
Abgerechnet It. RA: € 0,00
Berechnung It. FAGVG: € 3.979,32
Ergibt eine Nachforderung von € 3.979,32"
4. Beschwerde
In der dagegen am eingebrachten Beschwerde wurde im Wesentlichen unter Hinweis auf die Einkommensteuerrichtlinien 2000 geltend gemacht, dass es sich um ein Vorbehaltsfruchtgenussrecht handle und dieses den Wert des übertragenen Wirtschaftsgutes vermindere. Es sei nicht zusätzlich zur Übertragung der Liegenschaft ein Fruchtgenussrecht eingeräumt und hierfür ein Entgelt geleistet worden. Schon alleine deshalb sei kein Gebührentatbestand erfüllt.
Außerdem sei die Leistung der Substanzabgeltung, Betriebs- und Instandhaltungskosten nicht als Gegenleitung für das vorbehalten Fruchtgenussrecht erfolgt.
Die Kosten für Erhaltungs- u Verbesserungsarbeiten seien auch deshalb nicht in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen, weil es sich dabei um eine Beurkundung von gesetzlich bestehenden Verpflichtungen (§ 513 ABGB) handle.
Die Bf. beantragte gemäß § 274 BAO eine mündliche Verhandlung durchzuführen und den angefochtenen Bescheid aufzuheben.
Weiters beantragte die Bf, der belangten Behörde den Ersatz der Verfahrenskosten aufzutragen und verzeichnete dazu unter Hinweis auf "Tarif TP 3B (Schriftsatz)" Kosten iHv € 414,26.
5. Beschwerdevorentscheidung
Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das FA die Beschwerde als unbegründet ab. Das Finanzamt begründete die Entscheidung wie folgt:
"Wird nicht nur eine Liegenschaft gegen Einräumung eines Fruchtgenussrechtes übergeben, sondern leistet der Übergeber zusätzlich - im Gegenzug zur Einräumung des Fruchtgenussrechtes - die Zahlung einer Substanzabgeltung in Höhe der Afa, so liegt sowohl ein grunderwerbsteuerpflichtiger Vorgang (§ 1 Abs. 1 GrEStG 1987) als auch eine entgeltliche Einräumung einer Dienstbarkeit (§ 33 TP 9 GebG) vor.
Die zur Geltendmachung der Afa erforderliche Beurkundung löst eben durch die vertragliche Vereinbarung die Gebührenpflicht gern. § 33 TP 9 GebG aus.
Hinsichtlich der Grunderwerbsteuer stellt die Einräumung des Fruchtgenussrechtes die Gegenleistung für die Übertragung des Grundstückes dar.
Da im beschwerdegegenständlichen Fall - der Schenkungsvertrag wurde am abgeschlossen - die Steuer gern. § 4 Abs. 2 GrEStG idF BGBl I Nr. 36/2014 vom Dreifachen Einheitswert zu berechnen ist, ist - wie in der Beschwerde vorgebracht - eine allfällige Gegenleistung unbeachtlich.
Bemessungsgrundlage der Gebühr nach § 33 TP 9 GebG ist der Wert des bedungenen Entgelts. Aufwendungen, die der Erleichterung der Ausübung des bestimmungsgemäßen Gebrauches dienen und die der Fruchtgenussberechtigte auf Grund vertraglicher Verpflichtungen zu tragen hat, um in den Genuss des Fruchtgenussrechtes zu kommen, stellen die Gegenleistung für die Einräumung des Fruchtgenussrechtes dar (vgl. ).
Auch wenn die Verpflichtung, die Kosten für die Erhaltungs- und Verbesserungsarbeiten zu tragen aufgrund des Gesetzes besteht, sind diese Kosten, sobald eine vertragliche Vereinbarung erfolgt, aufgrund des Urkundenprinzips Teil der Bemessungsgrundlage.
Parteienvereinbarungen sind auch dann Gegenstand einer Gebühr, wenn der vereinbarte Erfolg auch ohne Vorliegen der Vereinbarung kraft Gesetzes einträte (vgl. ).
Das FAGVG vertritt weiterhin die Ansicht, dass zwei Rechtsgeschäfte vorliegen, von denen eines gebührenpflichtig und das andere grunderwerbsteuerpflichtig ist.
Im Übrigen wird auf die Ausführungen im Bescheid vom und der Bescheidbegründung vom verwiesen.
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen."
6. Vorlageantrag
Im Antrag auf Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht zur Entscheidung erstattete die Bf. kein weiteres Vorbringen.
7. Vorlage der Beschwerde an das BFG
Mit Vorlagebericht vom legte das Finanzamt die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor. Darin verwies das FA auf die Ausführungen im Bescheid und in der Beschwerdevorentscheidung und beantragte die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
8. Übergang der Zuständigkeit auf die GA 1062
Mit Beschluss des Geschäftsverteilungsausschusses wurde (ua) die gegenständliche Rechtssache zum Stichtag gemäß § 9 Abs. 9 BFGG der unbesetzten Gerichtsabteilung 7015 abgenommen und der Gerichtsabteilung 1062 zur Bearbeitung zugeteilt.
9. Beweisaufnahme durch das BFG
Von der nunmehr zuständigen Richterin wurde Beweis erhoben durch Einsicht in die vom FA elektronisch vorgelegten Teile des Bemessungsaktes ErfNr *** und ergibt sich daraus der oben dargestellte Verfahrensablauf und der unstrittige Sachverhalt.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe der Beschwerde gegen den Gebührenbescheid)
Rechtslage
Gemäß § 15 Abs. 3 GebG sind Rechtsgeschäfte, die unter das Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz, Grunderwerbsteuergesetz, Kapitalverkehrsteuergesetz (I. Teil Gesellschaftsteuer und II. Teil Wertpapiersteuer) oder Versicherungssteuergesetz fallen, von der Gebührenpflicht ausgenommen; dies gilt auch für Rechtsgeschäfte, sofern und insoweit diese unter das Stiftungseingangssteuergesetz fallen.
Gemäß § 17 Abs. 1 GebG ist für die Festsetzung der Gebühren der Inhalt der über das Rechtsgeschäft errichteten Schrift (Urkunde) maßgebend. Zum Urkundeninhalt zählt auch der Inhalt von Schriften, der durch Bezugnahme zum rechtsgeschäftlichen Inhalt gemacht wird.
Wenn aus der Urkunde die Art oder Beschaffenheit eines Rechtsgeschäftes oder andere für die Festsetzung der Gebühren bedeutsame Umstände nicht deutlich zu entnehmen sind, so wird gemäß § 17 Abs. 2 GebG bis zum Gegenbeweis der Tatbestand vermutet, der die Gebührenschuld begründet oder die höhere Gebühr zur Folge hat.
Werden in einer Urkunde mehrere Rechtsgeschäfte derselben oder verschiedenen Art, die nicht zusammenhängende Bestandteile des Hauptgeschäftes sind, abgeschlossen, so ist gemäß § 19 Abs. 2 erster Satz GebGdie Gebühr für jedes einzelne Rechtsgeschäft zu entrichten.
Gemäß § 33 TP 9 GebGunterliegen Dienstbarkeiten, wenn jemandem der Titel zur Erwerbung einer Dienstbarkeit entgeltlich eingeräumt oder die entgeltliche Erwerbung von dem Verpflichteten bestätigt wird, einer Gebühr von 2 v.H. von dem Werte des bedungenen Entgeltes.
Gemäß § 1 Abs 1 Z 1 GrEStG 1987 unterliegen Kaufverträge oder andere Rechtsgeschäfte, die den Anspruch auf Übereignung begründen - soweit sie sich auf inländische Grundstücke beziehen - der Grunderwerbsteuer.
Nach § 4 Abs 1 GrEStG 1987 idF BGBl I Nr. 36/2014 ist die Steuer vom Wert der Gegenleistung (§ 5) zu berechnen.
Nach § 4 Abs. 2 Z. 1 GrEStG 1987 idF BGBl I Nr. 36/2014 gilt abweichend von Abs. 1 Folgendes:
1. Bei den nachstehend angeführten begünstigten Erwerbsvorgängen ist die Steuer vom Dreifachen des Einheitswertes (§ 6), maximal jedoch von 30% des gemeinen Wertes, wenn dieser nachgewiesen wird, zu berechnen:
a) bei Übertragung eines Grundstückes an den in § 7 Abs. 1 Z 1 und 2 angeführten Personenkreis;
Gemäß § 5 Abs 1 Z 1 GrEStG 1987 ist bei einem Kauf Gegenleistung der Kaufpreis einschließlich der vom Käufer übernommenen sonstigen Leistungen und der dem Verkäufer vorbehaltenen Nutzungen.
Erwägungen
Zur Verwirklichung des Tatbestandes nach § 33 TP 9 GebG
Voraussetzung der Erfüllung des Tatbestandes des § 33 TP 9 GebG ist es, dass die Dienstbarkeit entgeltlich eingeräumt wird. Soll nach dem Willen der Vertragsparteien die eine Leistung durch die andere "vergolten" werden, so liegt damit eine "subjektive Äquivalenz" und Entgeltlichkeit vor (, , und Fellner, Gebühren und Verkehrsteuern, Band I, Stempel- und Rechtsgebühren, Rz12 zu § 33 TP 9 GebG).
Auf das Vorliegen einer solchen Äquivalenz kann auch aus dem Sachverhalt geschlossen werden (vgl. nochmals ).
Entgeltlichkeit verlangt aber nicht Gleichwertigkeit der Leistungen (vgl. ).
Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzgerichtes ist ein Zuwendungsfruchtgenussrecht gegen AfA-Ersatz als entgeltliche Einräumung einer Dienstbarkeit (subjektive Äquivalenz von Leistung und Gegenleistung) zu beurteilen. Zum gebührenpflichtigen Entgelt gehören auch die übernommenen Betriebskosten, die zu zahlenden Versicherungsprämien (Gebäudeversicherung) und sonstige übernommene öffentliche Abgaben (vgl. ).
Auch ein Vorbehaltsfruchtgenuss gegen Gegenleistung im Zuge einer Grundstücksschenkung wurde vom Bundesfinanzgericht gebührenrechtlich als Schenkung des Eigentums und Einräumung des Fruchtgenussrechtes durch den Geschenknehmer beurteilt, da das GebG - anders als die ertragssteuerliche Sichtweise - nicht zwischen Vorbehalts- und Zuwendungsfruchtgenuss unterscheidet, sondern primär auf die Gegenleistung für den Fruchtgenuss abstellt (vgl. ).
Dabei stützte sich das BFG auf das Erkenntnis in dem vom Verwaltungsgerichtshof Folgendes ausgesprochen wurde:
"Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass beim Verkauf einer Liegenschaft unter Vorbehalt des Fruchtgenusses der Wert dieser vorbehaltenen Nutzung der Gegenleistung zuzurechnen ist (Hinweis E , 1861/51, VwSlg 814 F/1953). Soweit aber der Verkäufer für das Fruchtgenussrecht an Teilen der erworbenen Liegenschaften ein Entgelt zu leisten hat - und hierüber also ein vom Kaufgeschäft unabhängiges selbständiges Rechtsgeschäft geschlossen hat (vgl auch § 33 TP 9 GebG 1957) -, liegt eine der Gegenleistung iSd § 5 GrEStG 1987 zuzurechnende vorbehaltene Nutzung nicht vor."
Da dieses Erkenntnis des Verwaltungsgerichthofes zur Grunderwerbsteuer ergangen ist, wurde darin die Frage der Anwendbarkeit der Befreiungsbestimmung des § 15 Abs. 3 GebG auf die Einräumung der Dienstbarkeit nicht thematisiert.
Zur Anwendbarkeit der Befreiung nach § 15 Abs. 3 GebG
Im erst jüngst ergangenen Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichthof zur Befreiungsbestimmung des § 15 Abs. 3 GebG wie folgt ausgeführt:
"Zweck des § 15 Abs. 3 GebG ist es zu vermeiden, dass ein Rechtsgeschäft, das nach einem der erschöpfend angeführten Abgabengesetze steuerbar ist, nicht überdies noch mit einer Rechtsgebühr belegt wird (vgl. etwa die bei Fellner, Stempel- und Rechtsgebühren, Bd. I10, Rz 66 zu § 15 GebG wiedergegebene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes).
Die Frage, ob ein einheitlicher Vertrag oder zwei (oder mehr) selbständige Rechtsgeschäfte mit mehreren verschiedenen Leistungspflichten vorliegen, ist gemäß § 914 ABGB nach dem Willen der Vertragsparteien zu beurteilen (; Fellner, aaO, Rz 68 zu § 15 GebG, mwN).
Für das Vorliegen eines einheitlichen Vertrages spricht etwa die Zusammenfassung und gleichzeitige Annahme mehrerer Leistungen in einem Schriftstück (). Selbst getrennt abgeschlossene Verträge sind dann als Einheit aufzufassen, wenn die Beteiligten trotz mehrerer (in ein oder mehreren Urkunden enthaltener) getrennter Verträge eine einheitliche Regelung beabsichtigen und wenn zwischen den mehreren Verträgen ein enger sachlicher und zeitlicher Zusammenhang besteht (, und , 2003/16/0126).
Enthält ein einheitlicher Vertrag verschiedenen Vertragstypen entnommene Elemente, ist er gebührenrechtlich nach seinem überwiegenden rechtlich und wirtschaftlichen Zweck zu beurteilen. Für die Rechtsnatur eines Vertrages ist die nach § 914 ABGB ermittelte Absicht der Parteien hinsichtlich der Wirkungen des Vertrages maßgebend. Dabei kommt es vor allem auf den von den Parteien bei Abschluss des Vertrages verfolgten, objektiv erkennbaren Zweck des Vertrages an (, mwN).
Legt man diesen Maßstab zugrunde, so ist allein anhand der Inhalte der nach § 17 Abs. 1 GebG maßgeblichen "Schenkungsverträge" von einem engen sachlichen und zeitlichen Zusammenhang der Begründung aller darin vorgesehenen Berechtigungen und Verpflichtungen und damit von einheitlichen Rechtsgeschäften auszugehen. Anhaltspunkte dafür, dass die Parteien der Schenkungsverträge etwa die Einräumung des Fruchtgenussrechtes nach Punkt VII. auch losgelöst von einer vorherigen Schenkung in Betracht gezogen hätten (ohne vorheriger Übertragung des Eigentums allerdings wohl nur vom Revisionswerber an seinen Sohn, weil eine Dienstbarkeit an der eigenen Sache zivilrechtlich nicht in Betracht kommt), sind weder dem angefochtenen Erkenntnis noch dem Vorbringen der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens zu entnehmen.
Damit ist von einheitlichen Rechtsgeschäften, nämlich von Schenkungen gegen Vorbehalt des Fruchtgenussrechtes an der Liegenschaft - dieses wiederum gegen laufende Zahlung von Beträgen in Höhe der AfA - auszugehen.
Das im angefochtenen Erkenntnis für eine gegenteilige Sicht ins Treffen geführte Erkenntnis vom , 98/16/0349, hatte den Verkauf eines Grundstückes gegen Vorbehalt des Fruchtgenusses gegen Entgelt zum Gegenstand und befasste sich mit der Bestimmung der Gegenleistung für den Erwerb der Liegenschaft im Sinne des § 5 Abs. 1 Z 1 GrEStG in Ansehung des vorbehaltenen Fruchtgenussrechtes und des Entgelts für das Fruchtgenussrecht; die Bestimmung der Gegenleistung nach § 5 Abs. 1 Z 1 GrEStG unter Berücksichtigung des Fruchtgenussrechtes und des Entgelts hiefür setzte gerade die Annahme eines einheitlichen Rechtsgeschäfts voraus.
Dem weiters vom Verwaltungsgericht ins Treffen geführten Erkenntnis vom , 2003/16/0126, lag der Fall zu Grunde, dass dort Sparbücher zum Ankauf von Wohnungseigentum "geschenkt" wurden, wofür der Empfänger in einem getrennt abgeschlossenen Vertrag an den um die Valuta erworbenen Wohnungen ein Wohnrecht einräumte; der Verwaltungsgerichtshof billigte damals ausgehend von dem von der Abgabenbehörde festgestellten engen sachlichen und zeitlichen Zusammenhang der Rechtsgeschäfte deren Beurteilung als Einheit und daraus folgend die Übergabe der Sparbücher als Entgelt für die Einräumung des Wohnrechts.
Die im angefochtenen Erkenntnis zitierten Judikate vom und vom gingen daher von einer Einheit der damaligen Rechtsgeschäfte aus.
Im Revisionsfall ist daher im Einklang mit der unter Rz 9 zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes von einheitlichen Rechtsgeschäften auszugehen.
Mit Ablauf des ist die Befreiungsbestimmung des § 15 Abs. 3 GebG, soweit sich diese auf das Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz bezieht, für Rechtsvorgänge, für die die Steuerschuld nach dem entsteht, inhaltsleer geworden. Im Revisionsfall ist vielmehr entscheidend, dass für die gegenständlichen Schenkungsverträge das Grunderwerbsteuergesetz maßgebend ist und damit der Tatbestand der Befreiungsbestimmung des § 15 Abs. 3 GebG "Rechtsgeschäfte, die unter das ... Grunderwerbsteuergesetz ... fallen" eingreift.
Für die Anwendung der Befreiungsbestimmung genügt es, dass ein Rechtsgeschäft überhaupt dem genannten Verkehrsteuergesetz unterliegt; es ist also nicht erforderlich, dass eine nach diesen Gesetzen anfallende Steuer auch tatsächlich vorgeschrieben wurde (vgl. Fellner, aaO, Rz 66 ff zu § 15 GebG, mwN).
Indem das Gericht die Einheitlichkeit der gegenständlichen Schenkungsverträge und damit die Reichweite der Befreiungsbestimmung des § 15 Abs. 3 GebG auch für die in Punkt VII. der Verträge vorgesehenen Vereinbarungen verkannte, belastete es das angefochtene Erkenntnis mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, weshalb dieses gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben ist."
Im vorliegenden Fall ergibt sich ebenso wie im Fall des Erkenntnis aus dem nach § 17 Abs. 1 GebG maßgeblichen, eindeutigen Urkundeninhalt der zeitliche und sachliche Zusammenhang zwischen den mehreren Rechtsvorgängen. Es wurde neben der Schenkung der Liegenschaft von der Bf. an ihre Kinder gleichzeitig die Einräumung des lebenslänglichen Fruchtgenussrechtes an dieser Liegenschaft zu Gunsten der Bf. vereinbart und verpflichtete sich die Bf. bis zu ihrem Ableben jährlich eine Substanzabgeltung in der Höhe der jährlichen Abgeltung für Abnutzung zu leisten sowie die zur Vermietung notwendigen Erhaltungs- u Verbesserungsarbeiten vorzunehmen. Der damit zweifellos gegebene zeitliche und sachliche Zusammenhang spricht auch hier dafür, dass die zwischen der Bf. und ihren Kindern getroffenen Vereinbarungen miteinander kausal verknüpft sind und ist damit von einheitlichen Rechtsgeschäften, nämlich von Schenkungen gegen Vorbehalt des Fruchtgenussrechtes an der Liegenschaft - dieses wiederum gegen laufende Zahlung von Beträgen in Höhe der AfA und Übernahme der Erhaltungs- u Verbesserungsarbeiten - auszugehen.
Unstrittig ist, dass die Schenkung von jeweils einer Liegenschaftshälfte an die beiden Kinder gemäß § 1 Abs 1 Z 1 GrEStG 1987 der Grunderwerbsteuer unterliegt. Wie oben ausgeführt kommt es für die Anwendbarkeit der Befreiungsbestimmung nicht darauf an, ob die tatsächliche Bemessung der Grunderwerbsteuer vom Wert des vorbehaltenen Fruchtgenussrechtes (als Gegenleistung iSd § 5 Abs 1 Z 1 GrEStG 1987) oder vom Dreifachen des Einheitswertes (nach § 4 Abs. 2 Z. 1 lit. a GrEStG 1987 idF BGBl I Nr. 36/2014) vorgenommen wurde und ist die Einräumung der Dienstbarkeit (lebenslängliches Fruchtgenussrecht) an die Bf. somit gemäß § 15 Abs. 3 GebG gebührenfrei.
Abstandnahme von der mündlichen Verhandlung
Mündliche Verhandlungen dienen nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes der Wahrung der Parteienrechte, insbesondere der Mitwirkung der Aufklärung des entscheidungsrelevanten Sachverhaltes sowie dazu, zu Beweisergebnissen Stellung zu nehmen ().
Das Bundesfinanzgericht hat auch bei der Ausübung der gerichtlichen Geschäfte auf die in § 6 Abs. 2 BFGG verankerten Grundsätze der Einfachheit, Raschheit, Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit Bedacht zu nehmen, somit bei verschiedenen in Betracht kommenden Handlungsvarianten die möglichst unkomplizierteste, die zu einer möglichst schnellen Entscheidung führt, zu wählen (vgl. Wanke/Unger, BFGG § 6 Anm. 5 m. w. N.). Eine Verzögerung des Verfahrens durch Anberaumung einer Tagsatzung zur Parteienvernehmung zu außer Streit stehenden Tatsachen stünde diesen Grundsätzen entgegen (vgl. dazu ).
Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht im gegenständlichen Fall auf Grund des eindeutigen Urkundeninhaltes fest und ist unstrittig. Hinzu kommt, dass vom Bundesfinanzgericht auch keine (neuen) Beweise aufgenommen wurden. Einer (weiteren) Sachverhaltsklärung bedarf es daher nicht und können durch das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung auch keine (berechtigten) Parteieninteressen verletzt werden.
Von der (beantragten) Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde daher insbesondere auch im Hinblick auf die gegenwärtig hohe COVID-19 Gefährdungslage (siehe dazu auch die gemäß § 323c. Abs 4 BAO idgF bis zum Ablauf des gelten Sonderregelungen) Abstand genommen.
Der Beschwerde ist daher - ohne Durchführung weiterer Verfahrensschritte - Folge zu geben und der angefochtene Gebührenbescheid - ersatzlos- aufzuheben.
Zum Antrag auf Kostenersatz
Gemäß § 312 BAO besteht keine Verpflichtung der Parteien (§ 78 BAO), die angefallenen Kosten für die Tätigkeit der Abgabenbehörden und für die Tätigkeit der Verwaltungsgerichte zu ersetzen. Diese Kosten werden von Amts wegen getragen.
§ 313 BAO regelt andererseits, dass die Parteien die ihnen im Abgabenverfahren und im Beschwerdeverfahren erwachsenden Kosten selbst zu bestreiten haben.
Ein Antrag auf Kostenersatz für Schriftsätze im Beschwerdeverfahren vor dem Bundesfinanzgericht ist gesetzlich nicht vorgesehen. Dementsprechend sieht die BAO auch keine sachliche Zuständigkeit für die Behandlung eines solchen Antrages vor.
Die Bf nennt in ihrer Beschwerde auch keine Rechtsgrundlage, auf die sie ihr Begehren auf Kostenersatz stützt.
Der Antrag auf Ersatz der Verfahrenskosten wird daher als unzulässig zurückgewiesen.
Zur Unzulässigkeit der Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die für die Stattgabe der Beschwerde gegen den Gebührenbescheid maßgeblichen Rechtsfragen wurde durch das Erkenntnis geklärt. Die Rechtsfolgen zum Spruchpunkt II ergeben sich unmittelbar aus dem Gesetz.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 15 Abs. 3 GebG, Gebührengesetz 1957, BGBl. Nr. 267/1957 § 33 TP 9 GebG, Gebührengesetz 1957, BGBl. Nr. 267/1957 § 1 Abs. 1 Z 1 GrEStG 1987, Grunderwerbsteuergesetz 1987, BGBl. Nr. 309/1987 |
Verweise | |
Zitiert/besprochen in | Mischkreu/Knesl in BFGjournal 2021, 222 Schaffer in ecolex 2021/626 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2021:RV.7101499.2019 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at