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Bescheidbeschwerde – Einzel – Beschluss, BFG vom 23.02.2021, RV/5100365/2014

Adressierung von Feststellungsbescheiden nach der Einbringung sämtlicher Mitunternehmeranteile in die übernehmende Körperschaft (Anwachsung); Berufung des die Beschwerde einbringenden steuerlichen Vertreters auf die von der untergegangenen KG erteilte Vollmacht

Entscheidungstext

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht beschließt durch den Richter Mag. Günter Narat über die von der P GmbH, Adr 1, im Namen der Klientin Ü KG eingebrachte Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Grieskirchen Wels vom betreffend Feststellung von Einkünften gem. § 188 BAO für das Jahr 2010:

I)
Die Beschwerde wird gemäß § 260 Abs 1 lit a BAO iVm § 278 Abs 1 lit a BAO als nicht zulässig zurückgewiesen.

II)
Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist gem. Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Begründung

Das Finanzamt Grieskirchen Wels legte die Beschwerde vom am dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor.

Von der gültigen Geschäftsverteilung wurde sie vorerst der Gerichtsabteilung 123 zur Erledigung zugewiesen. Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom wurde sie mit Wirksamkeit der Gerichtsabteilung 456 übertragen.

Verfahrensgang

Das Finanzamt nahm hinsichtlich der Ü KG (in weiterer Folge als Kommanditgesellschaft bezeichnet) mit Bescheiden vom das Verfahren hinsichtlich der Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO für das Jahr 2010 gemäß § 303 Abs 1 BAO wieder auf und erlies einen (neuen) Bescheid über die Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO für das Jahr 2010.

Der Bescheid über die Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO für das Jahr 2010 vom wies folgenden Bescheidadressaten auf:

"Kommanditgesellschaft

z.H. SM

Adr 2"

Mit Schreiben vom erhob die P GmbH mit Berufung auf die von der Kommanditgesellschaft erteilte Vollmacht sowohl gegen den Wiederaufnahmebescheid hinsichtlich der Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO für das Jahr 2010 gemäß § 303 Abs 1 BAO als auch gegen den Bescheid über die Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO für das Jahr 2010 das Rechtsmittel der Beschwerde.

Mit Beschwerdevorentscheidungen vom erklärte das Finanzamt die Beschwerde gegen den Wiederaufnahmebescheid hinsichtlich der Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO für das Jahr 2010 gemäß § 303 Abs 1 BAO - nach einem durchgeführten Mängelbehebungsverfahren - aufgrund der Nichtbeantwortung des Mängelbehebungsauftrages für zurückgenommen und wies die Beschwerde gegen den Bescheid über die Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO für das Jahr 2010 als unbegründet ab.

Mit Schreiben vom brachte die P GmbH im Namen und Auftrag der Kommanditgesellschaft einen Vorlageantrag beim Finanzamt ein und beantragte, das Finanzamt möge die Beschwerde gegen den Bescheid über die Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO für das Jahr 2010 dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorlegen.

Sachverhalt

An der Kommanditgesellschaft waren die Kommanditisten SM und SF mit je einer Haftsumme von € 10.900,93 am Vermögen beteiligt. Komplementär der Kommanditgesellschaft war die Ü GmbH. An dieser Körperschaft sind seit dem Herr SM und Herr SF zu je 50 % beteiligt.

Mit Einbringungsvertrag vom brachten die beiden Kommanditisten ihre gesamten Kommanditanteile an der Kommanditgesellschaft zum Einbringungsstichtag unter Inanspruchnahme der Begünstigung des Artikel III UmgrStG und unter Fortführung der Buchwerte in die Ü GmbH ein.

Nach Punkt VI des Einbringungsvertrages ist nach der Einbringung der gegenständlichen Kommanditanteile die Ü GmbH die alleinige Gesellschafterin der Kommanditgesellschaft.

Der Bescheid über die Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO für das Jahr 2010 vom wies folgenden Bescheidadressaten auf:

"Kommanditgesellschaft

z.H. SM

Adr 2"

Die Beschwerde vom gegen den Bescheid über die Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO für das Jahr 2010 vom wurde von der steuerlichen Vertretung unter Berufung auf die seinerzeit von der Kommanditgesellschaft erteilte Vollmacht eingereicht.

Beweiswürdigung

Die obigen unstrittigen Sachverhaltsfeststellungen sind allesamt aktenkundig und können somit gemäß § 167 Abs 2 BAO als erwiesen angenommen werden.

Dass die Beschwerde vom gegen den Bescheid über die Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO für das Jahr 2010 vom von der steuerlichen Vertretung unter Berufung auf die seinerzeit von der Kommanditgesellschaft erteilte Vollmacht eingereicht wurde, ist von der steuerlichen Vertretung mit Email an das Bundesfinanzgericht vom klargestellt worden.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 243 BAO sind gegen Bescheide, die Abgabenbehörden erlassen, Beschwerden (Bescheidbeschwerden) an die Verwaltungsgerichte zulässig, soweit in Abgabenvorschriften nicht anderes bestimmt ist.

Gemäß § 260 Abs. 1 lit a BAO ist eine Bescheidbeschwerde mit Beschwerdevorentscheidung der Abgabenbehörde (§ 262 BAO) oder mit Beschluss des Verwaltungsgerichtes (§ 278 BAO) zurückzuweisen, wenn sie nicht zulässig ist.

Wie oben festgestellt wurde, war nach der Einbringung der gegenständlichen Kommanditanteile durch Herrn SM und Herrn SF die Ü GmbH die alleinige Gesellschafterin der Kommanditgesellschaft.

§ 142 Abs 1 UGB sieht vor, dass das Ausscheiden des vorletzten Gesellschafters einer Personengesellschaft zum Erlöschen der Gesellschaft ohne Liquidation führt und dass das Gesellschaftsvermögen "im Wege der Gesamtrechtsnachfolge" auf den letzten Gesellschafterübergeht (sog. Anwachsung). In der Praxis üblich ist die Einbringung sämtlicher Mitunternehmeranteile zu einem Einbringungsstichtag in dieselbe übernehmende Körperschaft (zB Komplementär-GmbH), die nach dieser Einbringung alleinige Gesellschafterin der Mitunternehmerschaft ist; infolge der Vereinigung aller Anteile in der Hand der übernehmenden Körperschaft geht die Personengesellschaft unter und das Gesellschaftsvermögen auf den letzten Gesellschafter nach § 142 UGB über. Zivilrechtlich liegt ein zweistufiger Vorgang vor: Einbringung der Mitunternehmeranteile im Wege der Einzelrechtsnachfolge und in der Folge Übergang des Gesellschaftsvermögens im Wege der Gesamtrechtsnachfolge nach § 142 UGB. Die Tatsache einer Anwachsung ist dem Firmenbuchgericht nach § 3 Z 15 FBG mitzuteilen und in das Firmenbuch einzutragen; die untergegangene Personengesellschaft ist zu löschen, die Anwachsung nach § 142 UGB wird erst mit der Firmenbucheintragung zivilrechtlich wirksam (keine zivilrechtliche Rückwirkung; Moser, SWK 2006, S 845; allg Jabornegg/Artmann in Jabornegg/Artmann, UGB 2 § 142 Rz 1, 24 mwN). Das Anwachsungsmodell ist in der Praxis von Bedeutung, da es die steuerlichen Begünstigungen für Einbringungen nach Art III mit der häufig angestrebten zivilrechtlichen Gesamtrechtsnachfolge verbindet (Huber in W/Z/H/K 5 § 19 Rz 70; im Detail Körner in FS Ritz 149 ff).

Durch die Vereinigung aller Anteile an der Kommanditgesellschaft in der Hand der Ü GmbH ist somit die Kommanditgesellschaft untergegangen und das gesamte Vermögen der Kommanditgesellschaft auf den letzten Gesellschafter, die Ü GmbH, nach § 142 UGB im Wege der Gesamtrechtsnachfolge übergegangen.

Die Anwachsung nach § 142 UGB bewirkt aufgrund der zivilrechtlichen Gesamtrechtsnachfolge zwar eine steuerliche Gesamtrechtsnachfolge nach § 19 Abs 1 BAO (Huber in W/Z/H/K 5 § 19 Rz 70). Da jedoch nicht die vorgelagerte Einbringung der Kommanditanteile, sondern erst die Anwachsung des Gesellschaftsvermögens unter zivilrechtlicher Gesamtrechtsnachfolge nach § 142 UGB erfolgt, sind Feststellungsbescheide für Zeiträume vor der Einbringung auch nach Löschung der Mitunternehmerschaft im Firmenbuch nicht an die übernehmende Körperschaft als Gesamtrechtsnachfolgerin, sondern gemäß § 191 Abs 2 BAO an die ehemaligen Gesellschafter der Mitunternehmerschaft zu richten ( ; UmgrStR Rz 954; Huber in W/Z/H/K 5 § 18 Rz 30 FN 37).

Der Bescheid über die Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO für das Jahr 2010 vom wies folgenden Bescheidadressaten auf:

"Kommanditgesellschaft

z.H. SM

Adr 2"

Die gegenständliche Beschwerde wurde von der P GmbH mit Schreiben vom unter Berufung auf die seinerzeit erteilte Vollmacht für die "Kommanditgesellschaft" beim Finanzamt eingebracht.

Infolge der Vereinigung aller Anteile an der Kommanditgesellschaft in der Hand der Ü GmbH ist die Kommanditgesellschaft untergegangen und das gesamte Vermögen auf den letzten Gesellschafter, die Ü GmbH, nach § 142 UGB im Wege der Gesamtrechtsnachfolge übergegangen.

Die Kommanditgesellschaft konnte somit die P GmbH nicht zur Einbringung einer Beschwerde gegen den Bescheid über die Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO für das Jahr 2010 vom bevollmächtigen.

Gem. § 246 Abs 1 BAO ist zur Einbringung einer Bescheidbeschwerde jeder befugt, an den der den Gegenstand der Anfechtung bildende Bescheid ergangen ist (Aktivlegitimation).

Der Bescheid über die Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO für das Jahr 2010 vom erging an die untergegangene Kommanditgesellschaft und nicht an die ehemaligen Gesellschafter der Mitunternehmerschaft. Da er sich an eine nicht mehr existente Abgabepflichtige richtete, ging er ins Leere. Damit gibt es hier schon aus diesem Grund keine Aktivlegitimation.

Dazu kommt, dass die falsche Bezeichnung des Einschreiters kein bloßes Formgebrechen darstellt. Anbringen einer dazu nicht legitimierten Person sind vielmehr vom Bundesfinanzgericht sofort zurückzuweisen.

Eine Vertreterin kann immer nur als Vertreter jener Person angesehen werden, für die er nach außen hin auftritt. Vertritt er dabei irrtümlich eine Person, der im Abgabenverfahren keine Parteistellung zukommt, so wird dieser Legitimationsmangel nicht dadurch zu einem behebbaren Formgebrechen, dass derselbe Vertreter auch zur Vertretung der Partei selbst befugt gewesen wäre (Hinweis auf sowie Stoll, BAO, 853 f und ). Es liegt kein undeutlicher Inhalt der Erklärung, sondern ein Mangel vor, der das Verwaltungsgericht zur Zurückweisung verpflichtet (vgl. unter Hinweis auf ).

Die Beschwerde ist daher zurückzuweisen, da die Vertreterin im Namen und im Auftrag der nicht mehr existenten Kommanditgesellschaft aufgetreten ist. Der Vertreterin mangelt es an der von ihr in der Beschwerde behaupteten Auftraggeberin. Die Kommanditgesellschaft existierte weder zivil- noch abgabenrechtlich, weshalb sie eine Vollmacht nicht erteilt haben konnte.

Die Zurückweisung der Beschwerde hat sich deshalb an die Vertreterin zu richten.

Gemäß § 93 Abs 2 BAO ist jeder Bescheid ausdrücklich als solcher zu bezeichnen, hat den Spruch zu enthalten und in diesem die Person (Personenvereinigung, Personengemeinschaft) zu nennen, an die er ergeht. Nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH ist dabei die Personenumschreibung notwendiger Bestandteil des Spruchs eines Bescheides mit der Wirkung, dass ohne gesetzmäßige Bezeichnung des Adressaten im Bescheidspruch (zu dem auch das Adressfeld zählt) kein individueller Verwaltungsakt gesetzt wird (vgl. mit weiteren Nachweisen).

Wie bereits ausgeführt sind Feststellungsbescheide für Zeiträume vor der Einbringung auch nach Löschung der Mitunternehmerschaft im Firmenbuch nicht an die übernehmende Körperschaft als Gesamtrechtsnachfolgerin, sondern gemäß § 191 Abs 2 BAO an die ehemaligen Gesellschafter der Mitunternehmerschaft zu richten (). Da ein Feststellungsbescheid nach § 188 BAO den Gesellschaftern der Personenvereinigung (Mitgliedern der Personengemeinschaft) gegenüber aber auch im Sinne des § 97 Abs 1 BAO wirksam werden muss, muss er ihnen auch zugestellt sein oder als zugestellt gelten. Erledigungen werden nämlich gem. § 97 Abs. 1 BAO dadurch wirksam, dass sie demjenigen bekannt gegeben werden, für den sie ihrem Inhaltnach bestimmt sind ().

Das hier relevante abgabenbehördliche Schriftstück (Bescheid über die Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO für das Jahr 2010 vom ) war zwar als Bescheid intendiert, es war aber an die "Kommanditgesellschaft" adressiert und ging deshalb ins Leere.

Gemäß § 260 Abs 1 lit a BAO ist eine Beschwerde mit Beschluss zurückzuweisen, wenn sie nicht zulässig ist. Da sich die gegenständliche Beschwerde gegen eine Erledigung ohne Bescheidqualität richtet, ist sie auch aus diesem Grund zurückzuweisen ().

Gemäß § 272 Abs. 4 BAO idF BGBl. I 117/2016 wird dieser Beschluss vom Einzelrichter, welcher Berichterstatter im beantragten Senat wäre, erlassen.

§ 274 Abs. 3 BAO: Der Senat kann ungeachtet eines Antrages (Abs. 1 Z 1) von einer mündlichen Verhandlung absehen, wenn die Beschwerde

1. als unzulässig oder nicht rechtzeitig eingebracht zurückzuweisen ist (§ 260),

2. als zurückgenommen (§ 85 Abs 2, § 86a Abs. 1) oder als gegenstandslos (§ 256 Abs 3, § 261) zu erklären ist oder

3. wenn eine Aufhebung unter Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde erfolgt (§ 278)

Gemäß § 274 Abs 3 Z 1 iVm Abs 5 BAO kann im Falle der Zurückweisung einer Beschwerde von einer beantragten mündlichen Verhandlung abgesehen werden. Das Absehen von der beantragten mündlichen Verhandlung liegt im Ermessen und ist hier prozessökonomisch zweckmäßig.

Revision

Das Verwaltungsgericht hat im Spruch seines Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen (§ 25a Abs 1 VwGG).

Gegen einen Beschluss des Verwaltungsgerichtes ist eine Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere, weil der Beschluss von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird (Art. 133 Abs 4 B-VG).

Dies trifft nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht zu, wenn die in Betracht kommenden Normen klar und eindeutig sind (vgl. mit vielen weiteren Nachweisen).

Soweit Rechtsfragen für die hier zu klärenden Fragen entscheidungserheblich sind, sind sie durch Rechtsprechung ausreichend geklärt (vgl. insbesondere und ).

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 260 Abs. 1 lit. a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 142 Abs. 1 UGB, Unternehmensgesetzbuch, dRGBl. S 219/1897
§ 19 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 191 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 246 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 93 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise








ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.5100365.2014

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at