Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 23.02.2021, RV/6100062/2020

Polizeigrundausbildung als Berufsausbildung im Sinne des FLAG 1967

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die RichterinIBV in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Pallauf Meißnitzer Staindl & Partner, Rechtsanwälte, Petersbrunnstraße 13, 5020 Salzburg, über die Beschwerde vom gegen den Abweisungsbescheid des Finanzamtes Österreich (bisher Finanzamt St. Johann Tamsweg Zell am See) vom betreffend Familienbeihilfe für den Zeitraum Juni 2019 bis Mai 2021 zu Recht erkannt:

1.Der Beschwerde wird hinsichtlich der Monate Juni 2019 bis Jänner 2021 gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird insoweit - ersatzlos - aufgehoben.

2. Der angefochtene Bescheid wird dahingehend abgeändert, dass der Antrag vom auf Gewährung der Familienbeihilfe für den Zeitraum "ab Februar 2021" abgewiesen wird.

3. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.

Entscheidungsgründe

Die Beschwerdeführerin (kurz: Bf) stellte unter Verwendung des Formulars Beih 100 am einen Eigenantrag auf Gewährung der Familienbeihilfe ab dem Monat Juni 2019 unter Vorlage einer Bestätigung der Sicherheitsakademie in Linz über die Teilnahme am Aspirant-Polizeigrundausbildungslehrgang.

Mit Bescheid vom wurde dieser Antrag für die Monate Juni 2019 bis Mai 2021 unter Hinweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Ra 2018/16/0203, abgewiesen und begründend ausgeführt, der Verwaltungsgerichtshof vertrete die Auffassung, dass Grundausbildungen oder sonstige Ausbildungsphasen, die öffentlich Bedienstete in der ersten Zeit ihres Dienstverhältnisses absolvieren würden, als Berufsausübung und nicht als Berufsausbildung im Sinne des FLAG 1967 anzusehen seien.

Mit Schriftsatz vom brachte die Bf daraufhin Beschwerde ein und erklärte, dass ihr Antrag für die Monate Juni 2019 bis Mai 2021 wegen der zweijährigen Exekutivdienstausbildung, die sie im Bildungszentrum Linz absolviere, gestellt worden sei. Das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes , Ra 2018/16/0203, betreffe ausschließlich die KollegInnen der FGB-Lehrgänge und sei damit keine Begründung für die Ablehnung ihres Antrages.

Das Finanzamt wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom betreffend den Zeitraum Juni 2019 bis Mai 2021 unter Hinweis auf § 6 Abs. 5 FLAG 1967, § 6 Abs. 2 lit. a FLAG 1967 und § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 ab und führte begründend Folgendes aus:

Die Bf erfülle (grundsätzlich) die gesetzlichen Voraussetzungen für den Eigenanspruch. Der Eigenanspruch sei jedoch nicht begründet:

Was unter Berufsausbildung zu verstehen sei, werde im Gesetz nicht definiert. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei es Ziel einer Berufsausbildung im Sinn des FLAG 1967, die fachliche Qualifikation für die Ausübung des angestrebten Berufes zu erlangen. Dazu gehöre regelmäßig auch der Nachweis der Qualifikation. Das Ablegen von Prüfungen, die in einer Ausbildungsvorschrift vorgesehen sein, sei essentieller Bestandteil der Berufsausbildung (zB , ). Unter den Begriff "Berufsausbildung" würden alle Arten schulischer und kursmäßiger Ausbildungen, in deren Rahmen noch nicht berufstätige Personen ohne Bezugnahme auf die spezifischen Tätigkeiten an einem konkreten Arbeitsplatz für das künftige Berufsleben erforderliches Wissen vermittelt werde (zB ). Laut Verwaltungsgerichtshof könnten im Zuge einer Berufsausbildung auch praktische und nicht nur theoretische Kenntnisse vermittelt werden (zB ) und es falle auch ein "duales System" der Ausbildung zu einem anerkannten Lehrberuf unter eine Berufsausbildung im Sinne des FLAG (zB ).
Laut Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes , Ra 2018/16/0203, stelle die Ausbildungsphase/Grundausbildung eines (Grenz)Polizisten keine Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 dar.
Dieses Erkenntnis betreffe zwar den Zeitraum, in dem der Sohn des (dortigen) Revisionswerbers nach Absolvierung der ersten Ausbildungsphase seinen Dienst als Grenzpolizist ausgeübt habe, jedoch verneine der Verwaltungsgerichtshof in diesem Erkenntnis das Vorliegen einer Berufsausbildung für die gesamte Grundausbildung oder Ausbildungsphase von öffentlich Bediensteten und qualifiziere dies als Berufsausübung. Es sei daher unerheblich, ob eine Grundausbildung, praktische Verwendung oder Ergänzungsausbildung absolviert werde (vgl. ).
Mit einer Berufsausübung seien die Tatbestandsvoraussetzungen in § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 nicht erfüllt und es spiele daher auch keine Rolle, ob das Ausbildungsentgelt einer Entschädigung aus einem anerkannten Lehrverhältnis im Sinne des § 5 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 gleichgehalten werden könnte.
Da die Bf somit keine Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG absolviere, bestehe für den Zeitraum Juni 2019 bis Mai 2021 kein Anspruch auf Familienbeihilfe.
Auf das zu einem vergleichbaren Fall erst kürzlich ergangene Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes, RV/2101014/2019, werde zusätzlich verwiesen.

Mit Schriftsatz vom beantragte die nunmehr rechtsfreundlich vertretene Bf unter Hinweis auf die Beschwerdevorentscheidung vom die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht und führte ergänzend aus:

Auch die Beschwerdevorentscheidung verkenne, dass die Ergänzungsausbildung, in welcher sich die Bf seit Juni 2019 befinde, keine Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 sei. Das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Ra 2018/16/0203, habe bloß zum Ergebnis gehabt, dass die Kursunterbrechung des Sohnes des dortigen Beschwerdeführers zur Ausübung des Dienstes als Grenzpolizist eine Berufsausbildungsphase nicht begründet habe. Dies deshalb, da dieser exekutivdienstlich im fremden- und grenzpolizeilichen Bereich eingesetzt gewesen sei, für diesen Zeitraum keine Ausbildungsunterlagen zu Verwendung gestanden seien und auch kein Unterricht stattgefunden habe und er zur Unterstützung des sicherheitspolizeilichen Bereichs eingeteilt gewesen sei. Ebenso habe dieser Entgelt in der Höhe der jeweiligen Einstufung entsprechend der Entlohnungsstufe bezogen.
Das sei hier nicht der Fall:
Der von der Bf zu absolvierende Ergänzungslehrgang sei keine Option, sondern Voraussetzung für den Antritt zur Dienstprüfung. Der positive Ausgang der Dienstprüfung sei wiederum Voraussetzung für die Ernennung bzw. Übernahme als Polizeibeamtin. Die Ergänzungsausbildung vermittle eine Ausbildung in zusätzlichen Kenntnissen, die für die Dienstprüfung und für die Ausübung des Berufs als Polizistin (ohne Einschränkung auf fremdenpolizeiliche Angelegenheit) mit "Imperium" erforderlich sei. Die Beischaffung der Ausbildungsordnung werde daher beantragt.

Mit Vorhalt vom wurde ua. darauf hingewiesen, dass in der aktenkundigen Bestätigung der Sicherheitsakademie (SIAK) vom bestätigt werde, dass die Bf seit den Aspirant-Polizeigrundausbildungslehrgang L-PGA21-19-B-S belege und die Ausbildungsdauer für den Polizeigrundausbildungslehrgang 24 Monate betrage. Im Vorlageantrag werde ausgeführt, dass sich die Bf seit Juni 2019 in einer Ergänzungsausbildung befinde.
Die Bf werde daher ersucht,
1. darzulegen, aus welchen Gründen sie - entgegen der Bestätigung der SIAK vom - von einer Ergänzungsausbildung und nicht von der 24-monatigen Polizeigrundausbildung ausgehe und
2. sämtliche Verträge für ihre exekutivrechtliche Ausbildung in Kopie vorzulegen.

Mit der Vorhaltsbeantwortung vom legte die Bf durch ihren rechtsfreundlichen Vertreter die Zusage der Landespolizeidirektion Salzburg vom , den Sondervertrag vom und die Pflichtangelobung vom vor. Gleichzeitig wurde darauf hingewiesen, dass diese Grundausbildung die Präsenzausbildung in einem Bildungszentrum der Sicherheitsexekutive beinhalte und durch Praktika ergänzt werde. Damit sei eine Berufsausbildung geben.

Mit Bericht vom erfolgte die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht. Darin wurde auf eine beim Verwaltungsgerichthof anhängige außerordentliche Revision hingewiesen.

Im Rahmen des Verfahrens vor dem Bundesfinanzgericht wurde ua eine Zustimmungserklärung nach § 300 BAO und das Zeugnis über die abgelegte Dienstprüfung der Grundausbildung für den Exekutivdienst (Polizeigrundausbildung) vorgelegt. Nach dem Ergehen eines Beschlusses nach § 300 BAO, teilte das Finanzamt mit, dass wegen der unterschiedlichen Rechtsprechung des Bundesfinanzgerichts eine Maßnahme nach § 300 BAO nicht durchgeführt werden könne.

DAZU WIRD ERWOGEN:

1 gesetzliche Grundlagen

Anspruch auf Familienbeihilfe haben gemäß § 6 Abs. 1 FLAG 1967 auch minderjährige Vollwaisen, wenn
a) sie im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben,
b) ihnen nicht Unterhalt von ihrem Ehegatten oder ihrem früheren Ehegatten zu leisten ist und
c) für sie keiner anderen Person Familienbeihilfe zu gewähren ist.

Volljährige Vollwaisen haben gemäß § 6 Abs. 2 FLAG 1967 Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn auf sie die Voraussetzungen des Abs. 1 lit. a bis c zutreffen und wenn sie
a) das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und für einen Beruf ausgebildet werden oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist. ....

Kinder, deren Eltern ihnen nicht überwiegend Unterhalt leisten und die sich nicht auf Kosten der Jugendwohlfahrtpflege oder der Sozialhilfe in Heimerziehung befinden, haben nach § 6 Abs. 5 FLAG 1967 unter den selben Voraussetzungen Anspruch auf Familienbeihilfe, unter denen eine Vollwaise Anspruch auf Familienbeihilfe hat (Abs. 1 bis 3).

Ein zu versteuerndes Einkommen (§ 33 Abs. 1 EStG 1988) eines Kindes führt gemäß § 5 Abs. 1 FLAG 1967 idF BGBl I 138/2013 bis zu einem Betrag von 10.000,00 Euro in einem Kalenderjahr nicht zum Wegfall der Familienbeihilfe. Übersteigt das zu versteuernde Einkommen (§ 33 Abs. 1 EStG 1988) eines Kindes in einem Kalenderjahr, das nach dem Kalenderjahr liegt, in dem das Kind das 19. Lebensjahr vollendet hat, den Betrag von 10.000,00 Euro, so verringert sich die Familienbeihilfe, die für dieses Kind nach § 8 Abs. 2 einschließlich § 8 Abs. 4 gewährt wird, für dieses Kalenderjahr um den 10.000,00 Euro übersteigenden Betrag. § 10 Abs. 2 ist nicht anzuwenden. Bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens (§ 33 Abs. 1 EStG 1988) des Kindes bleiben außer Betracht:
a) das zu versteuernde Einkommen, das vor oder nach Zeiträumen erzielt wird, für die Anspruch auf Familienbeihilfe besteht,
b) Entschädigungen aus einem anerkannten Lehrverhältnis,
….

Der Grenzbetrag von 10.000,00 Euro erhöht sich mit auf 15.000,00 Euro (vgl. BGBl I 109/2020).

Gemäß § 10 Abs. 2 FLAG 1967 wird die Familienbeihilfe vom Beginn des Monats gewährt, in dem die Voraussetzungen für den Anspruch erfüllt werden. Der Anspruch auf Familienbeihilfe erlischt mit Ablauf des Monats, in dem eine Anspruchsvoraussetzung wegfällt oder ein Ausschließungsgrund hinzukommt.

2 Sachverhalt

Die Bf kam am 06/99 zur Welt, vollendet am 06/17 das 18. Lebensjahr und wird am 06/23 das 24. Lebensjahr vollenden.

Aufgrund des von ihr am mit der Landespolizeidirektion Salzburg abgeschlossenen Sondervertrages gemäß § 36 VBG 1948 für die exekutivdienstliche Ausbildung, welche auf 24 Monate befristet ist, ist die Bf als Vertragsbedienstete des Bundes beschäftigt.

Die Polizeigrundausbildung ist in der Verordnung des Bundesministers für Inneres über die Grundausbildungen für den Exekutivdienst (Grundausbildungsverordnung - Exekutivdienst BMI), BGBl. II Nr. 153/2017, geregelt. Diese Verordnung wurde aufgrund der Bestimmungen der §§ 26 und 144 BDG, des § 67 VBG und des §§ 11 Abs. 4 SPG erlassen.

Diese Verordnung regelt gemäß § 1 Zif. 1 für den Ressortbereich des Bundesministeriums für Inneres (BMI) die Grundausbildung für den Exekutivdienst - Polizeigrundausbildung.

Ausbildungsziel der Grundausbildungen ist die inhaltliche und methodische Vermittlung jener Kompetenzen, die erforderlich sind, um den Anforderungen des jeweiligen Aufgabenbereichs professionell und verantwortungsvoll nachzukommen. Der Lehrstoff ist entsprechend dem neuesten Stand der Wissenschaft, den dienstlichen Erfordernissen sowie den aktuellen pädagogisch-didaktischen Grundsätzen zu vermitteln (§ 2 der VO).

Die Sicherheitsakademie (SIAK) hat für die in § 1 angeführten Grundausbildungen nach Maßgabe des dienstlichen Bedarfes Grundausbildungslehrgänge bereitzustellen. Die Leitung der Grundausbildungslehrgänge obliegt der SIAK (§ 3 Abs. 1 der VO).

Die Grundausbildungen sind in Form von Grundausbildungslehrgängen zu gestalten. Die Inhalte und die Mindeststundenanzahl der Lehrgegenstände der Grundausbildungslehrgänge für die jeweilige Grundausbildung sind in den Anlagen 1 bis 3 festgelegt (§ 4 Abs. 1 der VO).

Die Zuweisung zu einem Grundausbildungslehrgang erfolgt durch die zuständige Dienstbehörde nach Maßgabe der im BDG 1979 sowie im VBG vorgesehenen Voraussetzungen (§ 5 Abs. 1 der VO).

Die Grundausbildung wird durch die Ablegung einer Dienstprüfung vor einem Prüfungssenat (§ 11) abgeschlossen. Die Anlagen 1 bis 3 beinhalten Aufbau, Ablauf und Inhalt der Dienstprüfung für die jeweilige Grundausbildung. Die Bediensteten sind von Amts wegen zur Dienstprüfung zuzuweisen. Voraussetzung für die Zulassung zur Dienstprüfung ist das Erreichen der gemäß § 4 Abs. 2 definierten Lernziele aller Ausbildungsmodule der jeweiligen Grundausbildung (§ 9 Abs. 1 und 2 der VO).

Nach der Anlage 1 zu dieser Verordnung umfasst die Polizeigrundausbildung folgende Lehrgegenstände:


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  • A - LEHRPLAN
LEHRGEGENSTAND
AUSBILDUNGSMODUL
MINDESTSTUNDENANZAHL
Personale und Sozial- Kommunikative Kompetenzen
Einführung und Behördenorganisation
204
Angewandte Psychologie
Kommunikation und Konfliktmanagement
Berufsethik und Gesellschaftslehre
Menschenrechte
Polizeifachliche Kompetenzen
Dienstrecht
1134
Sicherheitspolizeiliche Handlungslehre
Straf- und Privatrecht
Verfassungsrecht und Europäische Union
Verkehrsrecht
Verwaltungsrecht
Kriminalistik
Bürokommunikation
Situationsadäquate Handlungskompetenzen sowie Wahrnehmungs- & Reflexionskompetenzen
Modulares Kompetenztraining
806
Einsatztraining
Sport
Erste Hilfe
Fremdsprachen
Themenzentrierter Unterricht
Berufspraktikum
Berufspraktikum I
468
2612


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B - DIENSTPRÜFUNG
MÜNDLICHE GESAMTPRÜFUNG
Im Zuge der Prüfung sollen exekutivspezifische Sachverhalte praxisorientiert, themenübergreifend und kompetenzorientiert behandelt werden.Der Schwerpunkt liegt dabei in den polizeifachlichen Kompetenzen, wobei seitens der Prüfer auch Themengebiete aus den anderen im Lehrplan angeführten Ausbildungsmodulen berücksichtigt werden sollen.

Laut dem Ausbildungsplan der Sicherheitsakademie des Bundesministeriums für Inneres zur Grundausbildung für den Exekutivdienst gliedert sich die zweijährige Grundausbildung in
die Basisausbildung (12 Monate Theorie),
das Berufspraktikum I (3 Monate),
die Vertiefung der Ausbildung (5 Monate Theorie mit anschließender Dienstprüfung)
und das viermonatige Berufspraktikum II.

Ferner werden im Ausbildungsplan Struktur und Ausbildungsziele der Polizeigrundausbildung wie folgt beschrieben:

Die Polizeigrundausbildung soll den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes durch praxisnahe Lehre unter Berücksichtigung wissenschaftlicher Erkenntnisse und Methoden jene Kompetenzen vermitteln, die im Kompetenzprofil für den uniformierten Polizeidienst als relevant definiert wurden. Die Schwerpunkte der polizeilichen Grundausbildung sind Handlungssicherheit und Bürgernähe auf Basis menschenrechtskonformen Verhaltens.

BASISAUSBILDUNG - 12 MONATE

Die Polizeibediensteten sollen jenes rechtliche sowie einsatztaktische und -technische Basiswissen erlangen, das sie für den Dienst in einer Polizeiinspektion (PI) benötigen. Die Wissensvermittlung soll kompetenzorientiert und praxisnah unter Vernetzung aller Ausbildungsinhalte erfolgen.

BERUFSPRAKTIKUM I - KENNENLERNEN DES DIENSTBETRIEBES - 3 MONATE

Das Berufspraktikum dient zur Vermittlung des für die Verwendung in einer Polizeiinspektion nötigen dienstbetrieblichen Wissens sowie der Beurteilung der persönlichen und fachlichen Eignung für den exekutiven Außendienst. Die Polizeibediensteten werden dabei, ohne zum Personalstand der Praktikumsdienststelle zu zählen, von Exekutivbediensteten geschult und betreut.

VERTIEFUNG - 5 MONATE

Die Polizeibediensteten sollen die Ausbildungsinhalte, Erlebnisse und Erfahrungen des Berufspraktikums reflektieren. Darüber hinaus sollen sie das in der Basisausbildung erworbene Wissen vertiefen und mit den Ausbildungsinhalten des Berufspraktikums vernetzen.

BERUFSPRAKTIKUM II - EINFÜHRUNG IN DEN DIENSTBETRIEB - 4 MONATE

Während der Einführung in den Dienstbetrieb werden die Auszubildenden von Exekutivbediensteten kontinuierlich in den Dienstbetrieb ihrer Polizeidienststelle eingeführt.

In der im Ausbildungsplan enthaltenen Stundentafel werden die in der Anlage 1 zur Ausbildungsverordnung angeführten Lehrgegenstände und Unterrichtseinheiten wie folgt näher aufgegliedert:


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LEHRGEGENSTAND
UNTERRICHTS-EINHEITEN
GESAMT
1. PERSONALE UND SOZIALKOMMUNIKATIVE KOMPETENZEN
204
Einführung und Behördenorganisation
24
Angewandte Psychologie
48
Kommunikation und Konfliktmanagement
48
Berufsethik und Gesellschaftslehre
28
Menschenrechte
56
2. POLIZEIFACHLICHE KOMPETENZEN
1134
Dienstrecht
40
Sicherheitspolizeiliche Handlungslehre
240
Straf- und Privatrecht
172
Verfassungsrecht und Europäische Union
32
Verkehrsrecht
176
Verwaltungsrecht
160
Kriminalistik
164
150
3. SITUATIONSADÄQUATE HANDLUNGSKOMPETENZEN SOWIE WAHRNEHMUNGS- UND REFLEXIONSKOMPETENZEN
Modulares Kompetenztraining
160
806
Einsatztraining
424
Sport
120
Bürokommunikation
16
Fremdsprachen
4
Themenzentrierter Unterricht
82
4. BERUFSPRAKTIKUM
448
SUMME
2612

(Quelle: https://bmi.gv.at/104/Beruf_und_Karriere/start.aspx).

Laut dem vorgelegten Zeugnis bestand die Bf am die Dienstprüfung für den Exekutivdienst (Polizeigrundausbildung).

Die Bf bezog im Jahr 2019 laut dem im Abgabeninformationssystem des Bundes gespeicherten Lohnzettel für den Zeitraum Juni 2019 bis Dezember 2019 einen Ausbildungsbeitrag, der knapp über dem Grenzbetrag von 10.000,00 Euro liegt. Im Kalenderjahr 2020 betrugen die steuerpflichtigen Bezüge laut dem im Abgabeninformationssystem des Bundes gespeicherten Lohnzettel 19.794,64 Euro. Im Jänner 2021 liegt der Ausbildungsbeitrag zweifellos unter dem gesetzlich vorgesehenen Grenzbetrag.

3 rechtliche Würdigung

Einleitend ist festzuhalten, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH) die Frage, ob für einen bestimmten Zeitraum Familienbeihilfe zusteht, an Hand der rechtlichen und tatsächlichen Gegebenheiten im Anspruchszeitraum zu beantworten ist. Der gesetzlich festgelegte Anspruchszeitraum für die Familienbeihilfe ist, wie sich dies den Regelungen des § 10 Abs. 2 und 4 FLAG 1967 entnehmen lässt, der Monat. Das Bestehen des Familienbeihilfenanspruches für ein Kind kann somit je nach Eintritt von Änderungen der Sach- und/oder Rechtslage von Monat zu Monat anders zu beurteilen sein (vgl. etwa ).

Im Spruch des angefochtenen Bescheides hat das Finanzamt einen Antrag des Bf für den Zeitraum "Juni 2019- Mai 2021" abgewiesen. Damit hat das Bundesfinanzgericht über diesen Zeitraum zu entscheiden.

Strittig ist, ob die von der Bf absolvierte Polizeigrundausbildung eine Berufsausbildung im Sinne des FLAG 1967 darstellt.

Der Begriff der Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG wird im Gesetz nicht näher definiert. Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung eine Reihe von Kriterien entwickelt, die erfüllt sein müssen, um vom Vorliegen einer Berufsausbildung im Sinne des FLAG ausgehen zu können. Im Erkenntnis vom , Ra 2018/16/0203, hat der Verwaltungsgerichtshof diese in der Rz 11 wie folgt zusammengefasst:

"Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fallen unter den Begriff der "Berufsausbildung" alle Arten schulischer oder kursmäßiger Ausbildung, in deren Rahmen noch nicht berufstätigen Personen ohne Bezugnahme auf die spezifischen Tätigkeiten an einem konkreten Arbeitsplatz für das künftige Berufsleben erforderliches Wissen vermittelt wird (, , ). Für die Qualifikation als Berufsausbildung ist nicht allein der Lehrinhalt bestimmend, sondern auch die Art der Ausbildung und deren Rahmen. Ziel einer Berufsausbildung in diesem Sinn ist es, die fachliche Qualifikation für die Ausübung des angestrebten Berufes zu erlangen. Das Ablegen von Prüfungen, die in einer Ausbildungsvorschriftvorgesehen sind, ist essentieller Bestandteil der Berufsausbildung ().
Dass im Zuge einer Berufsausbildung praktische und nicht nur theoretische Kenntnisse vermittelt werden können und etwa im Praktikum zu vermittelnde praktische Grundkenntnisse unter die Berufsausbildung fallen, hat der Verwaltungsgerichtshof etwa im Erkenntnis vom , 2009/16/0315, ausgesprochen. Wie sich auch aus § 5 Abs. 1 lit.b FLAG ergibt, fällt unter eine Berufsausbildung auch ein "duales System" der Ausbildung zu einem anerkannten Lehrberuf (; zur Berufsausbildung im Rahmen einer Lehre )."

Im Erkenntnis , wies der Verwaltungsgerichtshof darauf hin, dass bei einer "Basisausbildung" mit einem Lehrplan und einer Stundentafel, die in theoretischen Unterweisungen, Aufgabenstellungen, Übungen und Arbeiten besteht, eine Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG vorliegt (Rz 32).

Weiters hob der Verwaltungsgerichtshof in dieser Entscheidung hervor, dass das von einer Absolventin eines Lehramtsstudiums absolvierte Unterrichtspraktikum eine Einschulung am Arbeitsplatz im Beruf eines Lehrers und keine Berufsausbildung mehr darstelle (Rz 26, 27). Dagegen stelle die Ableistung der Gerichtspraxis durch einen Rechtspraktikanten eine Berufsausbildung dar, da es sich dabei um eine Berufsvorbildung und keine Einschulung am Arbeitsplatz handle (Rz 28).

Angesichts dieser höchstgerichtlichen Rechtsprechung stellen jedenfalls die oben näher dargestellte zwölfmonatige Basisausbildung (laut Ausbildungsplan "12 Monate Theorie") und die fünfmonatige Vertiefung dieser Basisausbildung (laut Ausbildungsplan "5 Monate Theorie mit anschließender Dienstprüfung") eine Berufsausbildung im Sinne des FLAG dar.

Das zwischen diesen beiden Theorie-Ausbildungsblöcken zu absolvierende Berufspraktikum I dient nach dem Ausbildungsplan der Vermittlung des für die Verwendung in einer Polizeiinspektion nötigen dienstbetrieblichen Wissens sowie der Beurteilung der persönlichen und fachlichen Eignung für den exekutiven Außendienst. Die Polizeibediensteten werden dabei, ohne zum Personalstand der Praktikumsdienststelle zu zählen, von Exekutivbediensteten geschult und betreut. Dieser Teil der Ausbildung stellt somit eine typische Form der Vermittlung praktischer Grundkenntnisse dar, die nach der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ebenfalls unter die Berufsausbildung fällt (vgl. ). Auch der Umstand, dass dieses Praktikum vor Ablegung der Dienstprüfung geleistet wird, spricht dafür, dass das Berufspraktikums I noch keine Berufsausübung darstellt.

Anderes gilt dagegen für das Berufspraktikum II. In diesem werden "während der Einführung in den Dienstbetrieb die Auszubildenden von Exekutivbediensteten kontinuierlich in den Dienstbetrieb ihrer Polizeidienststelle eingeführt". Dieses nach Ablegung der Dienstprüfung zu absolvierende Praktikum ist damit vergleichbar mit dem von einer Absolventin eines Lehramtsstudiums geleisteten Unterrichtspraktikums am Arbeitsplatz. Insofern liegt keine Berufsausbildung mehr vor, sondern bereits eine Einschulung im Beruf des Polizisten am Arbeitsplatz.

Insgesamt gesehen stellen daher die ersten drei Teile der im Ausbildungsplan der Sicherheitsakademie des Bundesministeriums für Inneres zur Grundausbildung für den Exekutivdienst angeführten Teile (Basisausbildung, Berufspraktikum I und Vertiefung der Basisausbildung samt Dienstprüfung) eine Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG dar. (Vgl. , , , , ).

Die Bf befand sich somit in den Monaten Juni 2019 bis einschließlich Jänner 2021 in Berufsausbildung.

In den zuletzt angeführten Erkenntnissen hat das Bundesfinanzgericht unter Verweis auf das Erkenntnis , darüber hinaus auch festgehalten, dass die Polizeigrundausbildung die vom Verfassungsgerichtshof herausgearbeiteten Kriterien eines anerkannten Lehrverhältnisses im Sinne des § 5 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 erfüllt und daher als ein "anerkanntes Lehrverhältnis" anzusehen ist.

Der Ausbildungsbeitrag, welcher den Polizeischülerinnen und Polizeischülern während ihrer Polizeigrundausbildung zusteht, ist demnach als Entschädigung aus einem anerkannten Lehrverhältnis im Sinne des § 5 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 zu qualifizieren und bleibt bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens des Kindes außer Betracht.

Dieser Rechtsansicht hat sich im Übrigen auch die Bundesministerin für Frauen, Familie, Jugend und Integration im Bundeskanzleramt angeschlossen. Das Finanzamt Österreich wurde in einer Information der Abt. VI/1 der Sektion Familie und Jugend im Bundeskanzleramt, ehemals Abt. II/1 im BMAFJ, vom Jänner 2021 entsprechend in Kenntnis gesetzt.

Aus den angeführten Gründen steht der Bf somit unabhängig von der Höhe des von ihr bezogenen Ausbildungsbeitrages für den Zeitraum Juni 2019 bis Jänner 2021 Familienbeihilfe zu. Der angefochtene Abweisungsbescheid ist daher hinsichtlich der Monate Juni 2019 bis einschließlich Jänner 2021 aufzuheben. (Vgl. ).

Das FLAG 1967 kennt keine bescheidmäßige Zuerkennung von Familienbeihilfe. Gleiches gilt für den gemäß § 33 Abs. 3 EStG 1988 gemeinsam mit der Familienbeihilfe auszuzahlenden Kinderabsetzbetrag.

Steht Familienbeihilfe zu, ist diese gemäß § 11 FLAG 1967 vom Finanzamt auszuzahlen und darüber vom Finanzamt gemäß § 12 FLAG 1967 eine Mitteilung auszustellen. Diese Mitteilung ist nicht rechtskraftfähig. Nur wenn einem Antrag auf Familienbeihilfe nicht oder nicht zur Gänze stattzugeben ist, ist hinsichtlich des (monatsbezogenen) Abspruchs über die Abweisung gemäß § 13 Satz 2 FLAG 1967 ein Bescheid (Abweisungsbescheid) auszufertigen (vgl. Wanke in Lenneis/Wanke, FLAG, 2.Auflage 2020, § 26 Rz 3 m.w.N).

Gemäß § 282 BAO sind die Abgabenbehörden verpflichtet, in dem betreffenden Fall mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtes entsprechenden Rechtszustand herzustellen.

Das Finanzamt wird daher im Beschwerdefall die Familienbeihilfe für die Dauer der Absolvierung der ersten drei Teile der Polizeigrundausbildung (bis zur Ablegung der Dienstprüfung) gemäß § 11 FLAG 1967 auszahlen und gemäß § 12 FLAG 1967 eine Mitteilung über den Bezug der Familienbeihilfe ausstellen.

Die Beschwerde gegen die Monate ab Februar 2021 ist demgegenüber abzuweisen, da dieser mit Februar 2021 beginnende Zeitraum bereits nach der abgelegten Dienstprüfung liegt.

Es ist daher spruchgemäß zu entscheiden.

4 Revision

Eine Revision ist nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn ein Erkenntnis von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil der Beschluss nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom , Ra 2018/16/0203, die Frage, ob die Bezüge des Polizeischülers Entschädigungen aus einem anerkannten Lehrverhältnis im Sinne des § 5 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 gleich gehalten werden können, ausdrücklich offengelassen (Rz 18). Da zu dieser Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung somit Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt, ist eine ordentliche Revision zulässig.

Salzburg, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.6100062.2020

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