§ 212a BAO kann nicht auf Verfahren vor dem VfGH oder VwGH ausgedehnt werden.
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***R*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Magistrats der Stadt Wien Magistratssabteilung 6, Rechnungs- und Abgabenwesen Dezernat Rechnungswesen - Buchhaltungsabteilung 33 vom betreffend Zurückweisung eines Antrages auf Aussetzung der Einhebung, Kontonummern ***1*** und ***2***,zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang
Mit Schriftsatz vom brachte die nunmehrige Beschwerdeführerin (in der Folge kurz Bf. genannt) beim Magistrat der Stadt Wien, Referat Landes- und Gemeindeabgaben, folgenden Antrag auf Aussetzung der Einhebung ein:
"Verlängerung der Aussetzung der Einhebungsforderung
Kontonummer:***1*** ua,
Haftung für die insolvente ***3X** GmbH wegen Kommunalsteuer/Dienstgeberabgabe aus den Jahren 2011/2012
Sehr geehrte Damen und Herren,
da ich gegen den Entscheid des Bundesfinanzgerichtes vom mit der GZ. RV/7400061/2020 eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof einbringen möchte und aus diesem Grunde einen Antrag auf Verfahrenshilfe gestellt habe, ersuche ich bis zum Ausgang der Angelegenheit um Aussetzung der von Ihnen gestellten Restforderung über EUR 543,53 für die Haftung für die insolvente ***3X** GmbH wegen Kommunalsteuer/Dienstgeberabgabe aus den Jahren 2011/2012 als damaliger Geschäftsführer."
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Mit Bescheid vom wies die belangte Behörde das Ansuchen mit der Begründung zurück, dass eine Aussetzung der Einhebung nur in einem laufenden Beschwerdeverfahren gewährt werden könne. Im gegenständlichen Fall sei das Verfahren mit Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom rechtskräftig enderledigt worden. Ein ordentliches Rechtsmittel sei nicht möglich. Es sei daher spruchgemäß zu entscheiden gewesen.
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Mit Eingabe vom brachte die Bf. dagegen eine Bescheidbeschwerde ein und führte zur Begründung aus, dass sie mitteilen möchte, dass sie um Verfahrenshilfe zur Einbringung einer außerordentlichen Revision gegen den Bescheid (Anm. gemeint wohl gegen das Erkenntnis) des Bundesfinanzgerichtes mit der GZ. RV/7400061/2020 vom angesucht habe. Die Bf. ersuche daher um Aussetzung der Einhebung der im Schreiben (Anm. gemeint wohl Bescheid) der belangten Behörde aufgelisteten Forderungen aus den Jahren 2011-2012. Sobald die Bf. diesbezüglich eine Rückmeldung erhalte, würde sie die belangte Behörde umgehend darüber informieren, ob ihr eine Verfahrenshilfe genehmigt werde und dadurch eine außerordentliche Revision möglich sei.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies die belangte Behörde die Beschwerde als unbegründet ab und führte aus:
Der Antrag sei zurückgewiesen worden, weil eine Aussetzung der Einhebung der Abgabe bis zur Erledigung des Beschwerdeverfahrens gemäß § 212a BAO im konkreten Fall nicht mehr möglich sei. Der ordentliche Rechtsweg sei bereits in der gegenständlichen Angelegenheit durch Entscheidung des Bundesfinanzgerichtes vom abgeschlossen. Bei einer außerordentlichen Revision, wie von der Bf. angedacht, könne nur mehr vom Höchstgericht eine aufschiebende Wirkung zuerkannt werden. Eine Zahlungserleichterung (Angebot von angemessenen Raten bzw. einer entsprechenden Sicherheitsleistung) könne auch von der Abgabenbehörde bewilligt werden.
Dagegen brachte die Bf. am per Mail einen Antrag auf Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor.
Zur Begründung wurde ausgeführt:
"Hinsichtlich der Entscheidung über die Ablehnung meiner Entlassung aus der Gesamtschuld dieses Verfahren betreffend, habe ich aufgrund meiner derzeitigen finanziellen Situation bereits um Übernahme einer Verfahrenshilfe angesucht - dieses Schreiben dient somit ausschließlich dem Ansuchen um Aussetzung der Einhebung bis zu dem Zeitpunkt an dem mir die weitere Vorgangsweise bekanntgegeben wird."
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Sachverhalt
Die Bf. war zwischen und handelsrechtliche Geschäftsführerin der Firma ***3X** GmbH (Primärschuldnerin). Für aushaftende Abgabenschulden (Kommunalsteuer und Dienstgeberabgabe) in der Höhe von 1.107,53 Euro wurde sie mit rechtskräftigem Haftungsbescheid vom zur Haftung für den Zeitraum Jänner 2011 bis Jänner 2012 herangezogen, da über das Vermögen der Primärschuldnerin mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom ***Datum1*** ein Sanierungsverfahren eröffnet wurde.
Mit Schreiben vom , bei der belangten Behörde eingelangt am , die "Entlassung aus der restlichen Gesamtschuld".
Mit Bescheid vom wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf Entlassung aus der Gesamtschuld wegen der bestehenden Rückstände an Kommunalsteuer und Dienstgeberabgabe der Primärschuldnerin in der Höhe von 431,97 Euro für den Zeitraum Jänner 2011 bis Jänner 2012 abgewiesen. Das diesbezügliche Beschwerdeverfahren wurde mit Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom , GZ. RV/7400061/2020 abweislich abgeschlossen.
Der hier gegenständliche Antrag auf Aussetzung der Einhebung wurde am eingebracht.
2. Rechtliche Beurteilung
Gemäß § 311 Abs. 1 BAO sind die Abgabenbehörden verpflichtet, über die in Abgabenvorschriften vorgesehenen Anbringen (§ 85) der Parteien ohne unnötigen Aufschub zu entscheiden.
Ein Anbringen ist zurückzuweisen, wenn es unzulässig ist.
Unzulässig sind u.a. Anbringen, die in den Abgabenvorschriften nicht vorgesehen sind.
Gemäß § 212a BAO ist die Einhebung einer Abgabe, deren Höhe unmittelbar oder mittelbar von der Erledigungeiner Bescheidbeschwerde abhängt, auf Antrag des Abgabepflichtigen von der Abgabenbehördeinsoweit auszusetzen, als eine Nachforderung unmittelbar oder mittelbar auf einenBescheid, der von einem Anbringen abweicht, oder auf einen Bescheid, dem kein Anbringenzugrunde liegt, zurückzuführen ist, höchstens jedoch im Ausmaß der sich bei einerdem Begehren des Abgabepflichtigen Rechnung tragenden Beschwerdeerledigung ergebendenHerabsetzung der Abgabenschuld. Dies gilt sinngemäß, wenn mit einer Bescheidbeschwerdedie Inanspruchnahme für eine Abgabe angefochten wird."
Gemäß § 212a Abs. 3 BAOkönnen Anträge auf Aussetzung der Einhebung können bis zur Entscheidung über die Bescheidbeschwerde gestellt werden. (...)
Gemäß § 212a Abs. 5 BAObesteht die Wirkung einer Aussetzung der Einhebung in einem Zahlungsaufschub. Dieserendet mit Ablauf der Aussetzung oder ihrem Widerruf (§ 294). Der Ablauf der Aussetzungist anlässlich einer (eines) über die Beschwerde (Abs. 1) ergehendena) Beschwerdevorentscheidung (§ 262) oderb) Erkenntnisses (§ 279) oderc) anderen das Beschwerdeverfahren abschließenden Erledigungzu verfügen.
Die Bundesabgabenordnung regelt nur den Verfahrensablauf bis zum Ergehen des Erkenntnisses des Bundesfinanzgerichtes und nicht darüber hinaus auch das höchstgerichtliche Verfahren. Die diesbezüglichen Bestimmungen für das Verfahren vor den Höchstgerichten sind ausschließlich im VfGG bzw. VwGG normiert.
Dem Wortlaut des § 212a Abs. 3 zufolge sind Aussetzungsanträge von der Einbringung der maßgeblichen Berufung (nunmehr Beschwerde) bis zur Bekanntgabe der Entscheidung über diese zulässig (). Daraus folgt, dass Aussetzungsanträge, die nach der Bekanntgabe der Entscheidung über die Beschwerde eingebracht werden unzulässig sind.
Unzulässige Anbringen sind zurückzuweisen.
Bereits aus der Begründung des Aussetzungsantrages vom , dass die Bf. gegen das Erkenntnis des GZ.RV/7400061/2020, eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof einzubringen beabsichtige, ergibt sich inhaltlich, dass der Antrag auf Aussetzung der Einhebung erst nach Bekanntgabe der Entscheidung über die maßgebliche Beschwerde eingebracht wurde und somit unzulässig ist. Die belangte Behörde war daher nicht befugt, die Aussetzung der Einhebung zu verfügen.
Weiters hat der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung dargetan, dass keine gesetzliche Grundlage dafür besteht, die Aussetzung der Einhebung gemäß § 212a BAO wegen der Erhebung einer Bescheidbeschwerde vor den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts über den Zeitpunkt der Erlassung der jeweiligen, das Berufungsverfahren (nunmehr Beschwerdeverfahren) abschließenden Erledigung hinaus auszudehnen (vgl. ).
Die beantragte Aussetzung der Einhebung kommt allerdings auch noch aus einem weiteren Grund nicht in Betracht:
Zufolge § 212a Abs. 1 BAO kommt eine Aussetzung der Einhebung nur für Nachforderungen in Betracht, worunter vor allem eine aus einer Abgabenfestsetzung resultierende Zahlungsverpflichtung zu verstehen ist (vgl. Ritz, BAO-Kommentar6, § 212a; Tz. 13). Aus dem Bescheid vom , mit welchem das Ansuchen auf Entlassung aus der Gesamtschuld abgewiesen wurde, ergab sich eine solche Nachforderung im hier maßgeblichen Sinn allerdings nicht. Diese resultierte vielmehr aus jener Zahlungsverpflichtung, die sich aus dem Haftungsbescheid vom für aushaftende Abgabenschuldigkeiten der ***3X** ergibt. Da es schon solcherart an den gesetzlichen Voraussetzungen für die Anwendbarkeit des § 212a Abs. 1 BAO auf den Berufungsfall mangelte, käme die Aussetzung der Einhebung, selbst bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen (offenes Beschwerdeverfahren betreffend § 237 BAO) nicht in Betracht (vgl. nochmals Ritz, a. a. O., § 212a, Tz. 14).
Aus den Ausführungen ergibt sich, dass dem Zurückweisungsbescheid vom keine Rechtswidrigkeit anlastet.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Zulässigkeit einer Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Das gegenständliche Erkenntnis weicht von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht ab, bzw. ergibt sich die Lösung der Rechtsfrage aus dem Gesetz selbst.
Da die Voraussetzungen des Art 133 Abs. 4 B-VG nicht erfüllt sind, ist eine ordentliche Revision nicht zulässig.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Landesabgaben Wien |
betroffene Normen | § 212a Abs. 3 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 212a Abs. 5 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 212a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2021:RV.7400021.2021 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at