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Bescheidbeschwerde – Einzel – Beschluss, BFG vom 15.02.2021, RV/7100157/2021

Zurückweisung eines verspäteten Vorlageantrags

Entscheidungstext

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Elisabeth Wanke in der Beschwerdesache betreffend die Beschwerde der ***1***-***2*** ***3***, ***4***, ***5***, vertreten durch den Magistrat der Stadt Wien, Kinder und Jugendhilfe, Rechtsvertretung 16, 17, 18, 19, 1170 Wien, Kalvarienberggasse 29, vom gegen den Bescheid des damaligen Finanzamts Wien 2/20/21/22, 1220 Wien, Dr. Adolf Schärf-Platz 2, vom , mit welchem der Antrag vom 13.3.3020 auf Familienbeihilfe für die im Dezember 2010 geborene ***1***-***2*** ***3*** für den Zeitraum ab Jänner 2016 abgewiesen wurde, Sozialversicherungsnummer ***6***, beschlossen:

I. Der am eingebrachte, mit datierte Vorlageantrag betreffend die am zugestellte Beschwerdevorentscheidung vom wird gemäß § 264 Abs. 4 lit. b BAO i.V.m. § 260 Abs. 1 lit. a BAO als nicht fristgerecht eingebracht zurückgewiesen.

II. Gegen diesen Beschluss ist gemäß Art. 133 Abs. 4 und Abs. 9 B-VG i.V.m. § 25a VwGG eine Revision nicht zulässig.

Begründung

Antrag vom

Mit Schreiben vom , beim Finanzamt eingelangt am , stellte die im Dezember 2010 geborene ***1***-***2*** ***3***, vertreten durch den Magistrat der Stadt Wien, Kinder- und Jugendhilfe, Rechtsvertretung Bezirke 16, 17, 18, 19, einen Antrag auf Zuerkennung der Familienbeihilfe gemäߧ 6 Abs 5 FLAG (BGBI.I Nr. 77/2018) ab . Dazu wurde ausgeführt:

Die Antragstellerin sei österreichische Staatsbürgerin und wohne derzeit in der Wohngemeinschaft ***4***, ***5***. Der Wiener Kinder- und Jugendhilfe komme die Obsorge im Bereich der Pflege und Erziehung zu. Mutter des antragstellenden Kindes sei ***7*** ***3***, Vater ***8*** ***3***, beide wohnhaft in ***9***, ***10***.

Für den Fall, dass einem Elternteil bislang die Familienbeihilfe ausbezahlt wurde und diesem Elternteil die Familienbeihilfe auch nicht rückwirkend aberkannt wird, gilt der vorliegende Antrag nur für künftige Zeiträume ab Antragstellung.

Begründend wurde ausgeführt:

Nach Auffassung der Kinder- und Jugendhilfe genügt für die rückwirkende Antragstellung, dass die Wiener Kinder- und Jugendhilfe mit der Pflege und Erziehung des Kindes betraut ist. Da es jedoch durchaus sein kann, dass in weiterer Folge diese Vertretungsbefugnis für den rückwirkenden Teil des Antrages nicht als ausreichend erkannt wird, wurde mit gleicher Post der aus der Beilage ersichtliche Antrag auf Betrauung der Kinder- und Jugendhilfe mit der Obsorge im Bereich Beantragung und Verwaltung der Familienbeihilfe beim Pflegschaftsgericht gestellt {siehe Beilage).

Das antragstellende Kind befindet sich seit ...01.2016 in einer sozialpädagogischen Einrichtung im Rahmen der vollen Erziehung. Der Stadt Wien entstehen dadurch Kosten von mindestens EUR 80,- täglich.

Das antragstellende Kind hat folgendes Einkommen: -

Von den Eltern des Kindes langen seit Antragsbegehren übergegangene Unterhalts- bzw. Kostenersatzbeträge (siehe Beilage) ein.

Folgende Nachweise sind diesem Antrag angeschlossen:

schriftliche Vereinbarung über die Unterbringung des Kindes

Nachweis über die Vermögensverwaltung oder volle Obsorge

Unterhalts-, bzw. Kostenersatztitel

Übergangsanzeigen

Auflistung der eingelangten Unterhalts-, bzw. Kostenersatzbeträge

Die angeführten Unterlagen waren beigeschlossen.

Ergänzungsersuchen

Das Finanzamt ersuchte mit E-Mail vom und vom um folgende Unterlagen:

Bestätigung über bereits geleistete Unterhaltsbeiträge der Eltern ab März 2018 bis laufend

Bekanntgabe ob seit Jänner 2016 Ausgänge und Übernachtungen zu den Eltern stattgefunden haben - falls ja dann:

Aufstellung der regelmäßigen Ausgänge mit Übernächtigungen in den elterlichen Haushalt ab Jänner 2016 bis laufend

Die Wiener Kinder- und Jugendhilfe anwortete darauf mit E-Mail vom :

Es habe betreffend der mj. Kinder ***11*** ***3***, ***1***-***2*** ***3*** und ***8*** ***3*** folgende Nachtausgänge während des Krisenaufenthalts gegeben:

Nachtausgang Eltern

Nachtausgang Eltern

Nachtausgang Eltern

Nachtausgang Eltern

Nachtausgang Eltern

Nachtausgang Eltern

Eine sozialpädagogische Einrichtung teilte in Bezug auf die Kinder mit, dass es in den Jahren 2017 bis 2019 keine regelmäßigen Übernachtungen bei den Eltern gegeben habe.

Kurzzeitig wurde einmal damit begonnen, einzelne Übernachtungen durchzuführen, dies wurde dann aber wieder ausgesetzt. Es gab in dieser Zeit - bis auf die erwähnte Erprobung - nur tagsüber - Besuchskontakte (ohne Übernachtung)

Seit September 2019 seien die Kinder in der WG der MA 11 in ***4***, ***5***.

Folgende Zahlungen seien zu ***1***-***2*** ***3*** eingegangen:

Ein Beschluss über die Betrauung mit der Vermögensverwaltung liege noch nicht vor.

Es wird jedoch darauf hingewiesen, dass laut Entscheidung des OGH, 6 Ob 62/20s die Pflege und Erziehung für die Geltendmachung des - auch rückwirkenden - Eigenanspruchs des Kindes auf Familienbeihilfe nach § 6 Abs. 5 FLAG ausreichend ist.

Bescheid

Mit Bescheid vom wies das Finanzamt den Antrag vom auf Familienbeihilfe für die mj. ***1***-***2*** ***3*** ab Jänner 2016 mit folgender Begründung ab:

Da Sie trotz Aufforderung nicht den Beschluss im Bereich der Vermögensverwaltung vorgelegt haben, und dadurch Ihrer Mitwirkungspflicht nach § 119 Bundesabgabenordnung nicht nachgekommen sind, muss angenommen werden, dass ab oben genannten Zeitraum kein Eigenanspruch auf Familienbeihilfe besteht. Ihr Antrag auf Familienbeihilfe ist daher abzuweisen.

Ein Zustellnachweis ist nicht aktenkundig.

Beschwerde

Mit Schreiben vom erhob die Bf durch die Wiener Kinder- und Jugendhilfe Beschwerde gegen den Abweisungsbescheid vom , der am eingelangt sei und beantragte die ersatzlose Aufhebung. Dazu wurde ausgeführt:

Das Finanzamt 2/20/21/22 wies den Antrag vom auf Zuerkennung der Familienbeihilfe gemäß § 6 Abs 5 FLAG (BGBI.I Nr. 77/2018) mit der Begründung ab, dass trotz Aufforderung der Beschluss im Bereich der Vermögensverwaltung nicht vorgelegt wurde.

Es wird unrichtige rechtliche Beurteilung geltend gemacht.

Es wurde beim Bezirksgericht Floridsdorf ein Antrag auf Betrauung mit der Vermögensverwaltung im Umfang der Beantragung und Verwaltung des Eigenanspruches des Kindes auf Familienbeihilfe gestellt und nach Aufforderung des Gerichtes mit dem Hinweis auf die OGH Entscheidung 6 Ob 62/20s zurückgezogen.

Ist der Kinder-und Jugendhilfeträger mit der Pflege und Erziehung betraut, stellt dies eine ausreichende Vertretungsbefugnis für die Geltendmachung des - auch rückwirkenden - Eigenanspruchs des Kindes auf Familienbeihilfe nach § 6 Abs 5 FLAG dar ( 6 Ob 62/20s) dar. Ein Beschluss im Bereich der Vermögensverwaltung ist für die Zuerkennung der Familienbeihilfe nicht notwendig.

Antrag vom

Mit der Beschwerde gegen den Abweisungsbescheid wurde mit Schreiben vom neuerlich ein Antrag auf Familienbeihilfe gestellt, der dem Antrag vom 3./ inhaltlich entspricht. Wiederum wurde auf die Entscheidung hingewiesen.

Zurückweisungsbescheid

Mit Bescheid vom wurde der Antrag vom wegen entschiedener Sache zurückgewiesen.

Beschwerdevorentscheidung

Mit Beschwerdevorentscheidung vom entschied das Finanzamt über die Beschwerde wie folgt:

Ihre Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Spruch des Bescheides vom wird folgendermaßen geändert:

Ihr Antrag auf Familienbeihilfe vom wird für den Zeitraum Jänner 2016 bis Februar 2020 zurückgewiesen und für den Zeitraum ab März 2020 abgewiesen.

Sachverhalt:

Sie befinden sich seit Jänner 2016 in voller Erziehung der Stadt Wien und sind in einer sozialpädagogischen Einrichtung Fremduntergebracht. Der Jugendwohlfahrtsträger wurde mit Vereinbarung vom mit der Pflege und Erziehung zur Gänze betraut. Es liegt jedoch kein Beschluss für den Bereich der Vermögensverwaltung vor. Die Eltern bezahlen seit März 2018 keinen Unterhalt und es gibt auch keine Übernachtungen bei den Eltern.

Ihr Eigenantrag wurde mit Bescheid vom für den Zeitraum ab Jänner 2016 abgewiesen.

Gesetzliche Grundlagen:

Nach § 6 Abs. 5 haben Kinder einen Eigenanspruch auf Familienbeihilfe unter denselben Voraussetzungen unter denen ein Vollwaise Anspruch auf Familienbeihilfe hat (§6 Abs. Ibis 3):

• sofern ihre Eltern ihnen nicht überwiegend Unterhalt leisten und

• ihr Unterhalt nicht zur Gänze aus Mitteln der Kinder- und Jugendhilfe oder nicht zur Gänze aus öffentlichen Mitteln zur Sicherung des Lebensunterhaltes oder des Wohnbedarfs getragen wird

Würdigung:

Gemäß der höchstgerichtlichen Entscheidung des ( 8 Ob 99/12k) ist die Geltendmachung eines Familienbeihilfeanspruches dem Bereich der Geltendmachung von unterhaltsrechtlichen Ansprüchen zuzuordnen. Dies ergibt sich (nach Rechtsansicht der Fachabteilung für Familienbeihilfe) auch aus den primären Zielsetzungen des FLAG 1967 gemäß welcher Unterhaltskosten, die durch die Betreuung und Versorgung von Kindern entstehen, ausgeglichen und der Mindestunterhalt des Kindes sichergestellt werden soll.

In Fällen einer der Fremdunterbringung im Rahmen der vollen Erziehung (Kinderschutzmaßnahme), verfügt der Kinder- und Jugendhilfeträger über die Obsorge im Bereich der Pflege und Erziehung.

Entsprechend der vorliegenden OGH Entscheidung und nach Rechtsansicht des Justizressorts sowie des BKA fällt die Geltendmachung von Familienbeihilfebeträgen für vergangene Zeiträume nicht in den Bereich der Pflege und Erziehung, da sich diese nicht auf aktuelle Lebensbedürfnisse bezieht. Vielmehr würde dies die Geltendmachung von Vermögensbestandteilen bedeuten, die durch die einmalige rückwirkende Auszahlung zu einem Ertrag und Bildung von Stammvermögen des Kindes führen.

Nach Rechtsansicht des Justizressorts sind Kinder- und Jugendhilfeträger, welche nur über eine Obsorge im Bereich der Pflege und Erziehung verfügen, nicht legitimiert, einen rückwirkenden Antrag auf Familienbeihilfe für vergangene Zeiträume zu stellen. Für die Antragstellung und Geltendmachung der Familienbeihilfe durch den Kinder- und Jugendhilfeträger für vergangene Zeiträume müsste somit auch eine Obsorgeübertragung auf den Kinder- und Jugendhilfeträger im Bereich der Vermögensverwaltung vorhanden sein.

Nach der oben genannten Bestimmung des Familienlastenausgleichsgesetzes haben Kinder, deren Eltern ihnen nicht überwiegend Unterhalt leisten, nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe im Eigenbezug, wenn sie die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllen, keine Ausschlussgründe vorliegen und ihr Unterhalt nicht zur Gänze aus Mitteln der Kinder- und Jugendhilfe oder nicht zur Gänze aus öffentlichen Mitteln zur Sicherung des Lebensunterhaltes und des Wohnbedarfes getragen wird.

Da keine Übertragung im Bereich der Vermögensverwaltung vorliegt war Ihr Antrag für den Zeitraum von Jänner 2016 bis Juni 2020 zurückzuweisen. Die Eltern leisten keinen Kostenbeitrag, daher wird Ihr Unterhalt zur Gänze aus öffentlicher Hand finanziert, deshalb ist Ihr Antrag für den Zeitraum ab Juli 2020 abzuweisen.

Somit war Ihre Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Laut Zustellnachweis wurde die Beschwerdevorentscheidung am zugestellt.

Vorlageantrag

Mit Schreiben vom , beim Finanzamt eingelangt am , stellte die durch die Wiener Kinder- und Jugendhilfe vertretene Bf Vorlageantrag:

Antrag zur Vorlage zur Entscheidung der Beschwerdevorentscheidung an das Bundesfinanzgericht

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und der Spruch des Bescheides vom folgendermaßen geändert:

"Ihr Antrag auf Familienbeihilfe vom wird für den Zeitraum Jänner 2016 bis Februar 2020 zurückgewiesen und für den Zeitraum ab März 2020 abgewiesen.

Da keine Übertragung im Bereich der Vermögensverwaltung vorliegt war Ihr Antrag für den Zeitraum von Jänner 2016 bis Juni 2020 zurückzuweisen. Die Eltern leisten keinen Kostenbeitrag, daher wird Ihr Unterhalt zur Gänze aus öffentlicher Hand finanziert, deshalb ist Ihr Antrag für den Zeitraum ab Juli 2020 abzuweisen."

In der Sachverhaltsdarstellung wird angeführt "Die Eltern bezahlen seit März 2018 keinen Unterhalt und es gibt auch keine Übernachtungen bei den Eltern".

Es liegt offenbar kein materieller Grund für den vorliegenden Abweisungsbescheid vor, sondern zieht die Behörde mit der oben wörtlich wiedergegebenen Begründung scheinbar die Vertretungsbefugnis des Kinder- und Jugendhilfeträgers in Zweifel bzw geht die Behörde scheinbar davon aus, dass der Kinder- und Jugendhilfeträger nicht befugt sei, den Beschwerdeführer zu vertreten.

Vom datieren die Entscheidungen des OGH zu 6 Ob 62/20s sowie 6 Ob 50/20a.

Der Entscheidung 6 Ob 62/20s lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Das Kind beantragte, vertreten durch den Kinder- und Jugendhilfeträger Wien, beim Finanzamt im Juli 2019 die Zuerkennung der Familienbeihilfe nach § 6 Abs 5 FLAG rückwirkend ab Februar 2019. Das betreffende Kind befand sich ab in voller Erziehung der Stadt Wien. Parallel dazu wurde beim Pflegschaftsgericht vom Kinder- und Jugendhilfeträger Wien im Juli 2019 der Antrag gestellt, mit der Obsorge im Bereich der Vermögensverwaltung betraut zu werden. Das Erstgericht, Bezirksgericht Fünfhaus, wies mit Beschluss vom diesen Antrag mit der Begründung ab, die Obsorge des Kinder- und Jugendhilfeträgers im Bereich Pflege und Erziehung reiche für eine Beantragung der Familienbeihilfe aus. Eine Differenzierung zwischen Zeiträumen vor und ab Antragstellung auf Familienbeihilfe wurde nicht vorgenommen. Der OGH bestätigte mit 6 Ob 62/20s letztlich diese Entscheidung. Auch vom OGH wurde keine Differenzierung zwischen Zeiträumen vor und ab Antragstellung auf Familienbeihilfe vorgenommen.

In 6 Ob 62/20s zieht der OGH für den Eigenanspruch nach § 6 Abs 5 FLAG zudem Parallelen zum Unterhaltsanspruch des Kindes und verweist in Bezug auf die Vertretungsbefugnis auf 8 Ob 99/12k. Dieser Entscheidung lag ein im Juli 2011 eingebrachter Unterhaltsbemessungsantrag zugrunde, mit dem das Kind rückwirkend ab den Zuspruch erhöhter Unterhaltsbeträge angestrebt hat. Auch in dieser Entscheidung wurde für die Vertretungsbefugnis nicht zwischen rückwirkenden Begehren und laufenden Begehren unterschieden und erkannt, dass die Vertretungsbefugnis im Unterhaltsbereich jenem Elternteil zukommt, der mit Pflege und Erziehung betraut ist.

In der Entscheidung 6 Ob 50/20a schließlich ist der OGH der Rechtsauffassung des dortigen Revisionsrekurswerbers, für den rückwirkenden Teil des Unterhaltsbemessungsantrages sei die Obsorge im Bereich Pflege und Erziehung nicht ausreichend, sondern sei dafür die Obsorge im Bereich der Vermögensverwaltung erforderlich, entgegen getreten und hat ausdrücklich ausgesprochen, dass auch für den rückwirkenden Teil des Unterhaltsbegehrens die Obsorge im Bereich der Pflege und Erziehung die entsprechende Grundlage bietet.

Im Zusammenwirken der drei genannten Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes (8 Ob 99/12k; 6 Ob 62/20s; 6 Ob 50/20a), die in RIS-Justiz RS0128525 zusammen gefasst sind, ergibt sich daher eindeutig, dass die Obsorge im Bereich Pflege und Erziehung ausreicht, um das Kind im Verfahren auf Zuerkennung der Familienbeihilfe zu vertreten, unabhängig davon, ob der Antrag nur die Zuerkennung der Familienbeihilfe ab Antragstellung oder auch für rückwirkende Zeiträume anstrebt.

Der Kinder- und Jugendhilfeträger Wien ist im vorliegenden Fall mit der Obsorge im Bereich Pflege und Erziehung betreffend den Beschwerdeführer betraut, was auch von der den angefochtenen Bescheid erlassenden Behörde nicht bezweifelt wird. Dies legitimiert den Kinder- und Jugendhilfeträger Wien entsprechend der obgenannten Rechtsprechung des OGH zur Antragstellung auf Familienbeihilfe sowohl für laufende als auch für rückwirkende Zeiträume.

Gerade bei der Antragstellung auf Familienbeihilfe nach § 6 Abs 5 FLAG ist es geradezu typisch, dass nicht nur die Familienbeihilfe ab Antragstellung begehrt wird, sondern auch für einen gewissen rückwirkenden Zeitraum. Bei Übernahme des Kindes in volle Erziehung müssen nämlich die anspruchsbegründenden Umstände vor einer Antragstellung auf Gewährung der Familienbeihilfe erst abgeklärt werden. Dafür müssen etwa Nachweise über allfälliges Eigeneinkommen des Kindes beschafft werden oder es muss erst abgewartet werden, ob die Eltern ihre Unterhalts-Verpflichtungen halbwegs regelmäßig erfüllen, damit der anspruchsbegründende Tatbestand erfüllt ist, dass sich das Kind nicht zur Gänze auf Kosten des Kinder- und Jugendhilfeträgers in voller Erziehung befindet. In einer solchen Situation hinsichtlich der Vertretungsbefugnis danach zu differenzieren, ob der Antrag nur laufende Perioden ab Antragstellung oder in gewissem Umfang auch - von der Antragstellung her betrachtet - rückwirkende Perioden betrifft, steht einerseits nicht im Einklang mit der genannten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes und steht andererseits auch den praktischen Bedürfnissen an einer einheitlichen Zuordnung der Vertretungsbefugnis und damit einer raschen Abwicklung ohne zwingenden Grund entgegen.

Der Beschwerdeführer, vertreten durch den Kinder- und Jugendhilfeträger Wien (Regionalstelle Rechtsvertretung Bezirke 16,17,18,19), stellt daher den Antrag, den angefochtenen Bescheid dahingehend abzuändern, dass die Familienbeihilfe für den Zeitraum Jänner 2016 bis Februar 2018 gewährt wird.

Weiters verweise ich auch auf die Ausführungen in meiner Beschwerde und beantrage diese dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorzulegen.

Vorlage

Mit Bericht vom legte das Finanzamt Österreich die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor und gab dazu an:

Inhaltsverzeichnis zu den vorgelegten Aktenteilen (Aktenverzeichnis)

Beschwerde

1 Beschwerde

Bescheide

2 Familienbeihilfe (Monat: 01.2016)

Antrag / Anzeige an die Behörde

3 Antrag auf Zuerkennung der Familienbeihilfe

Beschwerdevorentscheidung

4 Beschwerdevorentscheidung

5 Rückschein BVE

Vorlageantrag

6 Vorlageantrag

Vorgelegte Aktenteile

7 Schreiben MA11 + Unterlagen

8 Antrag

9 Zurückweisungsbescheid

Bezughabende Normen

§ 6 Abs 5 FLAG 1967, § 264 BAO

Sachverhalt und Anträge

Sachverhalt:

Die am ...12.2010 geborene mj. Beschwerdeführerin stellte, vertreten durch die Kinder- und Jugendhilfe, einen auf § 6 Abs 5 FLAG gestützten Antrag auf Zuerkennung der Familienbeihilfe ab Jänner 2016.

Seit befindet sich die Bf in einer sozialpädagogischen Einrichtung im Rahmen der vollen Erziehung. Die Kinder- und Jugendhilfe hat seit die Obsorge im Bereich der Pflege und Erziehung inne.

Beide Eltern leisteten bis inklusive Februar 2018 Kostenbeiträge an die Stadt Wien und bis dahin fanden auch immer wieder Besuche der Kinder bei ihren Eltern statt. Ab März 2018 wurden allerdings die Kostenbeiträge der Eltern eingestellt und auch Besuche fanden - wenn überhaupt - sehr unregelmäßig statt.

Aus diesem Grund wurde auch im Vorlageantrag der Antrag respektive das Beschwerdebegehren auf Jänner 2016 - Februar 2018 eingeschränkt.

Beweismittel:

Siehe Inhaltsverzeichnis, va Rückschein der BVE.

Stellungnahme:

Die Beschwerdevorentscheidung wurde laut Rückschein am nachweislich zugestellt. Die Frist zur Einbringung des Vorlageantrages endete daher am (der 3. war ein Sonntag).

Der Vorlageantrag wurde am erstellt und ist am beim Finanzamt eingelangt. Inhaltlich wird auf die Begründung der Beschwerdevorentscheidung verwiesen.

Da der Vorlageantrag verspätet ist, wird beantragt, diesen zurückzuweisen.

Mit Anschluss einer Ausfertigung des Vorlageberichts wurde die Bf von der Vorlage verständigt.

Postaufgabe

Das Bundesfinanzgericht ermittelte, dass der Vorlageantrag am zur Post gegeben und am zugestellt worden ist:

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Das Finanzamt hat mit Beschwerdevorentscheidung vom über die Beschwerde der Bf ***1***-***2*** ***3*** vom gegen den Abweisungsbescheid vom entschieden. Die Beschwerdevorentscheidung wurde der Bf am zugestellt. Am Dienstag, wurde ein mit datierter Vorlageantrag zur Post gegeben und langte am Finanzamt am ein.

Beweiswürdigung

Die getroffenen Feststellungen ergeben sich aus der Aktenlage. Dass der Vorlageantragverspätet eingebracht wurde, wurde der Bf durch die Übermittlung des Vorlageberichts vom Finanzamt zur Kenntnis gebracht. Seitens der Bf erfolgte dazu keine Aüßerung.

Rechtsgrundlagen

§ 2 BAO lautet:

§ 2. Die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes gelten, soweit sie hierauf nicht unmittelbar anwendbar sind und nicht anderes bestimmt ist, sinngemäß in Angelegenheiten

a) der von den Abgabenbehörden des Bundes zuzuerkennenden oder rückzufordernden bundesrechtlich geregelten

1. Beihilfen aller Art und

2. Erstattungen, Vergütungen und Abgeltungen von Abgaben und Beiträgen;

b) des Tabak-, Salz- und Alkoholmonopols, soweit die Abgabenbehörden des Bundes nach den diese Monopole regelnden Vorschriften behördliche Aufgaben zu besorgen haben;

c) der von den Abgabenbehörden der Länder und Gemeinden zuzuerkennenden oder rückzufordernden landesrechtlich geregelten Erstattungen von Abgaben.

§ 243 BAO lautet:

§ 243. Gegen Bescheide, die Abgabenbehörden erlassen, sind Beschwerden (Bescheidbeschwerden) an die Verwaltungsgerichte zulässig, soweit in Abgabenvorschriften nicht anderes bestimmt ist.

§ 260 BAO lautet:

§ 260. (1) Die Bescheidbeschwerde ist mit Beschwerdevorentscheidung (§ 262) oder mit Beschluss (§ 278) zurückzuweisen, wenn sie

a) nicht zulässig ist oder

b) nicht fristgerecht eingebracht wurde.

(2) Eine Bescheidbeschwerde darf nicht deshalb als unzulässig zurückgewiesen werden, weil sie vor Beginn der Beschwerdefrist eingebracht wurde.

§ 262 BAO lautet:

§ 262. (1) Über Bescheidbeschwerden ist nach Durchführung der etwa noch erforderlichen Ermittlungen von der Abgabenbehörde, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat, mit als Beschwerdevorentscheidung zu bezeichnendem Bescheid abzusprechen.

(2) Die Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung hat zu unterbleiben,

a) wenn dies in der Bescheidbeschwerde beantragt wird und

b) wenn die Abgabenbehörde die Bescheidbeschwerde innerhalb von drei Monaten ab ihrem Einlangen dem Verwaltungsgericht vorlegt.

(3) Wird in der Bescheidbeschwerde lediglich die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen, die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen oder die Rechtswidrigkeit von Staatsverträgen behauptet, so ist keine Beschwerdevorentscheidung zu erlassen, sondern die Bescheidbeschwerde unverzüglich dem Verwaltungsgericht vorzulegen.

(4) Weiters ist keine Beschwerdevorentscheidung zu erlassen, wenn der Bundesminister für Finanzen den angefochtenen Bescheid erlassen hat.

§ 264 BAO lautet:

§ 264. (1) Gegen eine Beschwerdevorentscheidung kann innerhalb eines Monats ab Bekanntgabe (§ 97) der Antrag auf Entscheidung über die Bescheidbeschwerde durch das Verwaltungsgericht gestellt werden (Vorlageantrag). Der Vorlageantrag hat die Bezeichnung der Beschwerdevorentscheidung zu enthalten.

(2) Zur Einbringung eines Vorlageantrages ist befugt

a) der Beschwerdeführer, ferner

b) jeder, dem gegenüber die Beschwerdevorentscheidung wirkt.

(3) Wird ein Vorlageantrag rechtzeitig eingebracht, so gilt die Bescheidbeschwerde von der Einbringung des Antrages an wiederum als unerledigt. Die Wirksamkeit der Beschwerdevorentscheidung wird durch den Vorlageantrag nicht berührt. Bei Zurücknahme des Antrages gilt die Bescheidbeschwerde wieder als durch die Beschwerdevorentscheidung erledigt; dies gilt, wenn solche Anträge von mehreren hiezu Befugten gestellt wurden, nur für den Fall der Zurücknahme aller dieser Anträge.

(4) Für Vorlageanträge sind sinngemäß anzuwenden:

a) § 93 Abs. 4 und 5 sowie § 245 Abs. 1 zweiter Satz und Abs. 2 bis 5 (Frist),

b) § 93 Abs. 6 und § 249 Abs. 1 (Einbringung),

c) § 255 (Verzicht),

d) § 256 (Zurücknahme),

e) § 260 Abs. 1 (Unzulässigkeit, nicht fristgerechte Einbringung),

f) § 274 Abs. 3 Z 1 und 2 sowie Abs. 5 (Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung).

(5) Die Zurückweisung nicht zulässiger oder nicht fristgerecht eingebrachter Vorlageanträge obliegt dem Verwaltungsgericht.

(6) Erfolgt die Vorlage der Bescheidbeschwerde an das Verwaltungsgericht nicht innerhalb von zwei Monaten ab Einbringung des Vorlageantrages bzw. in den Fällen des § 262 Abs. 3 und 4 (Unterbleiben einer Beschwerdevorentscheidung) ab Einbringung der Bescheidbeschwerde, so kann die Partei (§ 78) beim Verwaltungsgericht eine Vorlageerinnerung einbringen. Diese wirkt wie eine Vorlage der Beschwerde. Sie hat die Bezeichnung des angefochtenen Bescheides, der Beschwerdevorentscheidung und des Vorlageantrages zu enthalten.

(7) Durch die Aufhebung einer Beschwerdevorentscheidung scheidet der Vorlageantrag aus dem Rechtsbestand aus.

Zustellung der Beschwerdevorentscheidung am

Nach den getroffenen Feststellungen wurde die Beschwerdevorentscheidung vom der Bf im am zugestellt.

Kein rechtzeitig gestellter Vorlageantrag

Innerhalb der gesetzlichen Frist von einem Monat nach Bekanntgabe der Beschwerdevorentscheidung (§ 264 Abs. 1 BAO) wurde kein Vorlageantrag gestellt. Der Vorlageantrag vom wurde erst am zur Post gegeben und damit beim Finanzamt eingebracht. Es wäre auch ein am eingebrachter Vorlageantrag verspätet gewesen, da die Zustellung der Beschwerdevorentscheidung am erfolgte und die Frist zur Stellung eines Vorlageantrags am Montag, endete.

Zurückweisung des Vorlageantrags

Der Vorlageantrag vom , eingebracht wurde nach Ablauf der in § 264 Abs. 1 BAO vorgesehenen Frist gestellt und war somit gemäß § 260 Abs. 1 BAO i.V.m. § 264 Abs. 4 lit. e BAO als verspätet eingebracht zurückzuweisen.

Keine Revision zulässig

Gegen diesen Beschluss ist gemäß Art. 133 Abs. 9 B-VG i.V.m. Art. 133 Abs. 4 B-VG und § 25a VwGG eine Revision nicht zulässig, da sich die Rechtsfolge unmittelbar aus dem Gesetz ergibt.

Antrag auf Bescheidaufhebung

Die Bf wird gemäß §§ 2a, 113 BAO darauf hingewiesen, dass es ihr freisteht, rechtzeitig einen Antrag auf Bescheidaufhebung der Beschwerdevorentscheidung vom , zugestellt , gemäß § 299 BAO zu stellen, wenn sie der Ansicht ist, der Spruch der Beschwerdevorentscheidung sei rechtswidrig.

Die maßgebenden Bestimmungen lauten:

§ 299 BAO lautet:

§ 299. (1) Die Abgabenbehörde kann auf Antrag der Partei oder von Amts wegen einen Bescheid der Abgabenbehörde aufheben, wenn der Spruch des Bescheides sich als nicht richtig erweist. Der Antrag hat zu enthalten:

a) die Bezeichnung des aufzuhebenden Bescheides;

b) die Gründe, auf die sich die behauptete Unrichtigkeit stützt.

(2) Mit dem aufhebenden Bescheid ist der den aufgehobenen Bescheid ersetzende Bescheid zu verbinden. Dies gilt nur, wenn dieselbe Abgabenbehörde zur Erlassung beider Bescheide zuständig ist.

(3) Durch die Aufhebung des aufhebenden Bescheides (Abs. 1) tritt das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor der Aufhebung (Abs. 1) befunden hat.

§ 302 BAO lautet:

§ 302. (1) Abänderungen, Zurücknahmen und Aufhebungen von Bescheiden sind, soweit nicht anderes bestimmt ist, bis zum Ablauf der Verjährungsfrist, Aufhebungen gemäß § 299 jedoch bis zum Ablauf eines Jahres nach Bekanntgabe (§ 97) des Bescheides zulässig.

(2) Darüber hinaus sind zulässig:

a) Berichtigungen nach § 293 innerhalb eines Jahres ab Rechtskraft des zu berichtigenden Bescheides oder wenn der Antrag auf Berichtigung innerhalb dieses Jahres eingebracht ist, auch nach Ablauf dieses Jahres;

b) Aufhebungen nach § 299 auch dann, wenn der Antrag auf Aufhebung vor Ablauf der sich aus Abs. 1 ergebenden Jahresfrist eingebracht ist.

Zur Rechtslage betreffend die Vertretungsbefugnis wird darauf verwiesen, dass gemäß § 85 Abs. 2 BAO i.V.m. § 80 BAO bei (angenommener) fehlender Vertretungsbefugnis eines einschreitenden Vertreters zunächst mit Mängelbehebungsauftrag vorzugehen ist (vgl. ). Wird der Mangel rechtzeitig behoben, so ist nach Maßgabe des § 84 (Ablehnung) vorzugehen. Die Ablehnung wirkt nicht für vorher eingereichte Eingaben (vgl. Ritz, BAO, 6.A., § 85 Rz 20). Bezüglich Vertretungsbefugnis der Kinder- und Jugendhilfe bei Übertragung der Obsorge im Bereich der Pflege und Erziehung für rückwirkende Zeiträume auf das Erkenntnis hingewiesen.

Zur Frage, ob ein Eigenanspruch des Kindes nach § 6 Abs. 5 FLAG 1967 bei Pflege in einer sozialpädagogischen Wohngemeinschaft oder einer vollbetreuten Einrichtung besteht, wird beispielsweise auf die Entscheidungen ; ; oder hingewiesen.

Wien, am

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