Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 08.02.2021, RV/3100912/2016

Tagesbetreuungskosten eines Sozial- und Gesundheitssprengels als außergewöhnliche Belastung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R in der Beschwerdesache des Bf., über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes AB vom betreffend Abweisung eines Antrages auf Aufhebung gemäß § 299 BAO hinsichtlich Einkommensteuer für das Jahr 2013, Steuernummer 123, zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Der angefochtene Abweisungsbescheid bleibt unverändert.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

1. Der Abgabepflichtige reichte am (Datum der Einbringung beim Finanzamt AB) die Erklärung zur ArbeitnehmerInnenveranlagung für das Jahr 2013 ein.

Am erließ das Finanzamt AB einen Bescheid betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) für das Jahr 2013, mit dem eine antrags- und erklärungsgemäße Veranlagung zu Einkommensteuer durchgeführt wurde. Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft.

2. Am stellte der Abgabepflichtige fristgerecht den Antrag gemäß § 299 BAO auf Aufhebung des Einkommensteuerbescheides für das Jahr 2013 vom . Er habe erst jetzt darüber Kenntnis erlangt, dass die Aufwendungen für die Tagesbetreuung nach Abzug des anteiligen Pflegegeldes als außergewöhnliche Belastung geltend gemacht werden könnten. Die Tagesbetreuung habe zweimal wöchentlich durch den Sozial- und Gesundheitssprengel GemeindeX stattgefunden. Er mache dafür Aufwendungen von 4.316,91 € geltend (die entsprechenden Rechnungen samt Zahlungsbelegen wurden für sechs Monate beigelegt). Davon sei das anteilig für 91 Tage erhaltene Pflegegeld von 2.015,65 € (91 Tage x 22,15 €/Tag) in Abzug zu bringen. Er beantrage daher, den Betrag von 2.301,26 € ohne Abzug eines Selbstbehaltes als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen.

3. Das Finanzamt AB erließ am einen Bescheid betreffend Abweisung des Antrages gemäß § 299 BAO vom auf Aufhebung des Einkommensteuerbescheides für das Jahr 2013 (Abweisungsbescheid). Zur Begründung wurde ausgeführt, dass bei der Betreuung eines Steuerpflichtigen zu Hause die damit verbundenen Aufwendungen wie bei einer Heimbetreuung ab dem Bezug von Pflegegeld der Pflegestufe 1 als außergewöhnliche Belastung im Sinne der §§ 34 bzw. 35 EStG 1988 abzugsfähig seien. Dabei könnten alle im Zusammenhang mit der Betreuung und Pflege anfallenden Aufwendungen und Ausgaben geltend gemacht werden. Diese Aufwendungen seien jedoch um die erhaltenen steuerfreien Zuschüsse (zB Pflegegeld, Zuschuss zu den Betreuungskosten) zu kürzen.

Im Kalenderjahr 2013 sei das bezogene Pflegegeld (7.971,60 €) höher gewesen als die angefallenen Tagesbetreuungskosten (4.316,91 €), weshalb sich in diesem Jahr keine außergewöhnlichen Belastungen ergäben. Demzufolge erweise sich aber der Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2013 als nicht unrichtig. Der gegenständliche Antrag auf Bescheidaufhebung sei daher als unbegründet abzuweisen.

4. Gegen diesen Abweisungsbescheid erhob der Abgabepflichtige am fristgerecht Beschwerde. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass das bezogene Pflegegeld (anteilig) nur für jene Zeiträume abzuziehen sei, für die auch derartige Aufwendungen angefallen seien; solche Pflegeaufwendungen seien nur zweimal wöchentlich angefallen. Somit sei das Pflegegeld für jene Zeiträume, für die gar keine Aufwendungen geltend gemacht worden seien, "logischerweise" nicht abzuziehen. Das bedeute also, dass das Pflegegeld "periodengerecht" den geltend gemachten Aufwendungen gegenzurechnen sei.

Der Abzug des gesamten erhaltenen Pflegegeldes sei nicht sachgerecht. Der Abgabepflichtige ersuchte, seinem Aufhebungsantrag im Wege einer stattgebenden Beschwerdevorentscheidung zu entsprechen.

5. Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde vom gegen den Abweisungsbescheid vom vom Finanzamt AB als unbegründet abgewiesen. Aufwendungen für die häusliche Pflege eines Steuerpflichtigen bzw. seiner Angehörigen könnten - wie bei einer Heimbetreuung - ab dem Verlust der Fähigkeit zur eigenen Haushaltsführung bzw. dem Bezug von Pflegegeld als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden. Dies gelte bei einer Pflege im Familienverband wie bei einer gewerblichen oder nichtselbständigen Pflege durch Fremde. Dabei könnten alle im Zusammenhang mit der Betreuung anfallenden Geld- und Sachaufwendungen geltend gemacht werden; sie seien um die erhaltenen steuerfreien Zuschüsse zu kürzen. Zuschüsse kürzten immer dann die außergewöhnliche Belastung, wenn der dem Zuschuss immanente Leistungszweck der Minderung der außergewöhnlichen Belastung diene.

Nach § 1 Bundespflegegeldgesetz habe das Pflegegeld den Zweck, in Form eines Beitrages pflegebedingte Mehraufwendungen pauschaliert abzugelten, um pflegebedürftigen Personen soweit wie möglich die notwendige Betreuung und Hilfe zu sichern sowie die Möglichkeit zu verbessern, ein selbstbestimmtes, bedürfnisorientiertes Leben zu führen. Mit dem Pflegegeld werde ein Teil der pflegebedingten Mehraufwendungen durch eine Geldleistung abgegolten.

Der Leistungszweck des Pflegegeldes liege in der direkten Pflege eines pflegebedürftigen Menschen. Pflegekosten könnten daher nur in dem Ausmaß als außergewöhnliche Belastung geltend gemacht werden, als diese Kosten das gesamte für diesen Leistungszweck bezogene Pflegegeld überschreiten würden. Das gelte auch, wenn das Pflegegeld für andere Zwecke oder von anderen Personen verwendet würde. Grundsätzlich verfolge das Pflegegeld zwei Ziele: größere finanzielle Entlastung und mehr Selbstbestimmung durch größtmögliche Wahl- und Gestaltungsfreiheit in der Pflegesituation. Eine Aliquotierung des Pflegegeldes könne demnach nicht erfolgen.

6. Am stellte der Abgabepflichtige fristgerecht den Antrag auf Entscheidung über die Bescheidbeschwerde durch das Verwaltungsgericht. Es erscheine nicht korrekt, von den Aufwendungen für die "Pflege außer Haus" (zwei Tage in der Woche) das gesamte Pflegegeld in Abzug zu bringen. Das Pflegegeld für die häusliche Pflege stehe der pflegenden Person (Ehegattin) für die restlichen Zeiträume zu.

7. Mit Vorlagebericht vom legte das Finanzamt AB die gegenständliche Beschwerde vom dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor. Infolge Verhinderung iSd § 9 Abs. 9 BFGG wurde die vorliegende Rechtssache durch Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses des Bundesfinanzgerichtes vom umverteilt und dem unterzeichnenden Richter am zur Erledigung zugeteilt.

II. Sachverhalt

1. Der Beschwerdeführer (Bf.) erzielt als Pensionist Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Im Jahr 2013 bezog er Bundespflegegeld von 7.971,60 € (12 Monate x 664,30 €/Monat in der Pflegestufe 4). Der Bf. wurde im Streitjahr zu Hause gepflegt, wobei die häusliche Pflege überwiegend von der Ehegattin übernommen wurde. Im Zuge der Pflege wurde aber auch eine Tagesbetreuung durch den Sozial- und Gesundheitssprengel GemeindeX in Anspruch genommen, die zweimal wöchentlich stattgefunden hat.

2. Dem Internet (Quelle: www) ist dazu zu entnehmen, dass der Sozial- und Gesundheitssprengel GemeindeX pflegebedürftigen Menschen jeden Alters Unterstützung und Betreuung bietet und so ein selbstbestimmtes Leben in der häuslichen Umgebung ermöglicht. Der Sozial- und Gesundheitssprengel bietet auch eine - vom Bf. in Anspruch genommene - Tagesbetreuung ("Pflege außer Haus") an, die ua. von folgenden Zielen getragen wird (vgl. den Folder "Tagesbetreuung OrtX"):

  • Entlastung der pflegenden Angehörigen

  • Aufrechterhaltung der sozialen Kontakte

  • Sorgen für das körperliche Wohlgefühl (Betreuung, Baden, Frisieren, Fußpflege)

  • Trainieren kognitiver Fähigkeiten (zB Gedächtnistraining)

  • Gesundheitsvorsorge und Erhaltung der Gesundheit

  • Erhaltung und Förderung motorischer Fähigkeiten (Osteoporoseturnen, Tanzen…) und lebenspraktischer Fähigkeiten

  • Sinnesübungen, Wahrnehmungsübungen (Geruch, Geschmack, Tasten…)

  • Förderung der Sprache und der Kreativität

In der Tagesbetreuung werden die Patienten von ausgebildetem Pflegepersonal, von geschulten Haushaltshilfen und einem Zivildiener betreut. Zusätzlich wird das Tagesprogramm durch die Mitarbeit von ehrenamtlich tätigen Helfern bereichert. Für die Tagesbetreuung können sich Patienten mit Pflegestufe anmelden, die aufgrund ihres Alters, einer Erkrankung oder Behinderung untertags nicht alleine zu Hause sein können bzw. wollen. Menschen jeden Alters, welche dauernd oder vorübergehend hilfs- oder pflegebedürftig sind. Der Sozial- und Gesundheitssprengel GemeindeX bietet die Tagesbetreuung seit Oktober 2005 im X-Gebäude in OrtX an.

3. Vom Sozial- und Gesundheitssprengel GemeindeX wurden monatliche Abrechnungen erstellt, mit denen die gegenüber dem Bf. erbrachten Leistungen ("Grundpflege", "Tagesbetreuung" sowie "Fahrtendienst" für die Tagesbetreuung) verrechnet wurden (die entsprechenden Rechnungen samt Zahlungsbelegen wurden für sechs Monate vorgelegt). Für die Tagesbetreuung machte der Bf. für das Streitjahr Aufwendungen von 4.316,91 € geltend, die (nach Abzug von Pflegegeld für - anteilig - 91 Tage) mit 2.301,26 € als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen seien.

4. Der vorstehende Sachverhalt ergibt sich aus dem gesamten Akteninhalt.

Es ist unbestritten, dass die angefallenen Aufwendungen für die Tagesbetreuung von 4.316,91 € als außergewöhnliche Belastung geltend gemacht werden können und dabei erhaltene pflegebedingte Geldleistungen gegenverrechnet werden müssen. Streit besteht darüber, ob dabei das im Jahr 2013 bezogene Bundespflegegeld im Gesamtausmaß von 7.971,60 € (Ansicht des Finanzamtes AB) oder lediglich anteilig in jenem Ausmaß, das auf 91 Tage der Tagesbetreuung entfällt (demnach 91 Tage x 22,15 €/Tag = 2.015,65 €; Ansicht des Bf.), abzuziehen ist.

III. Rechtslage

1. Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO):

Gemäß § 299 Abs. 1 BAO in der zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Abweisungsbescheides geltenden Fassung des FVwGG 2012, BGBl. I Nr. 14/2013, kann die Abgabenbehörde auf Antrag der Partei oder von Amts wegen einen Bescheid der Abgabenbehörde aufheben, wenn der Spruch des Bescheides sich als nicht richtig erweist. Der Antrag hat zu enthalten:

a) die Bezeichnung des aufzuhebenden Bescheides;

b) die Gründe, auf die sich die behauptete Unrichtigkeit stützt.

Gemäß § 299 Abs. 2 BAO in der zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Abweisungsbescheides geltenden Fassung des AbgVRefG, BGBl. I Nr. 20/2009, ist mit dem aufhebenden Bescheid der den aufgehobenen Bescheid ersetzende Bescheid zu verbinden. Dies gilt nur, wenn dieselbe Abgabenbehörde zur Erlassung beider Bescheide zuständig ist.

2. Bestimmungen des Einkommensteuergesetzes (EStG 1988):

2.1. Gemäß § 34 Abs. 1 EStG 1988 sind bei der Ermittlung des Einkommens (§ 2 Abs. 2 EStG 1988) eines unbeschränkt Steuerpflichtigen nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18 EStG 1988) außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Die Belastung muss außergewöhnlich sein, sie muss zwangsläufig erwachsen und sie muss die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen. Die Belastung darf weder Betriebsausgaben, Werbungskosten noch Sonderausgaben sein.

Gemäß § 34 Abs. 2 EStG 1988 ist die Belastung außergewöhnlich, soweit sie höher ist als jene, die der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse erwächst.

Gemäß § 34 Abs. 3 EStG 1988 erwächst die Belastung dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann.

Gemäß § 34 Abs. 4 EStG 1988 beeinträchtigt die Belastung wesentlich die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, soweit sie einen vom Steuerpflichtigen von seinem Einkommen (§ 2 Abs. 2 in Verbindung mit Abs. 5 EStG 1988) vor Abzug der außergewöhnlichen Belastungen zu berechnenden Selbstbehalt übersteigt.

Gemäß § 34 Abs. 6 sechster Teilstrich EStG 1988 in der für das Streitjahr geltenden Fassung des BudBG 2011, BGBl. I Nr. 111/2010, können Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung, wenn die Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 EStG 1988 vorliegen, soweit sie die Summe pflegebedingter Geldleistungen (Pflegegeld, Pflegezulage, Blindengeld oder Blindenzulage) übersteigen, ohne Berücksichtigung des Selbstbehaltes abgezogen werden.

2.2. Hat der Steuerpflichtige außergewöhnliche Belastungen

- durch eine eigene körperliche oder geistige Behinderung,

- bei Anspruch auf den Alleinverdienerabsetzbetrag durch eine Behinderung des (Ehe-)Partners (§ 106 Abs. 3 EStG 1988),

- ohne Anspruch auf den Alleinverdienerabsetzbetrag durch eine Behinderung des (Ehe-)Partners, wenn er mehr als sechs Monate im Kalenderjahr verheiratet oder eingetragener Partner ist und vom (Ehe-)Partner nicht dauernd getrennt lebt und der (Ehe-)Partner Einkünfte im Sinne des § 33 Abs. 4 Z 1 EStG 1988 von höchstens 6.000,00 Euro jährlich erzielt,

- durch eine Behinderung eines Kindes (§ 106 Abs. 1 und 2 EStG 1988), für das keine erhöhte Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 4 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 gewährt wird,

und erhält weder der Steuerpflichtige noch sein (Ehe-)Partner noch sein Kind eine pflegebedingte Geldleistung (Pflegegeld, Pflegezulage, Blindengeld oder Blindenzulage), so steht ihm gemäß § 35 Abs. 1 EStG 1988 in der für das Streitjahr geltenden Fassung des AbgÄG 2012, BGBl. I Nr. 112/2012, jeweils ein Freibetrag (Abs. 3) zu.

Gemäß § 35 Abs. 5 EStG 1988 können an Stelle des Freibetrages auch die tatsächlichen Kosten aus dem Titel der Behinderung geltend gemacht werden, wobei diese Aufwendungen gemäß § 34 Abs. 6 EStG 1988 ohne Berücksichtigung des Selbstbehaltes abgezogen werden können.

IV. Erwägungen

1. Bei der Betreuung von betreuungsbedürftigen Personen in deren Privathaushalten (wie auch bei deren Tagesbetreuung außer Haus) sind die damit verbundenen Aufwendungen wie bei einer Heimbetreuung zur Gänze als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig, wenn ein Steuerpflichtiger nicht mehr fähig ist, den Haushalt selbst zu führen. Der besondere Pflege- oder Betreuungsbedarf ist wie bei der Heimbetreuung durch ein ärztliches Gutachten oder durch den Bezug von Pflegegeld nachzuweisen (dh. ab Pflegestufe 1 gegeben). Das gilt bei einer Pflege im Familienverband wie bei einer gewerblichen oder nichtselbständigen Pflege durch Fremde. Dabei können alle im Zusammenhang mit der Betreuung anfallenden Aufwendungen und Ausgaben, wie zB Kosten für das Pflegepersonal und eventuelle Aufwendungen für eine Vermittlungsorganisation sowie für Pflegehilfsmittel als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden. Diese Aufwendungen sind um die erhaltenen steuerfreien Zuschüsse (zB Pflegegeld, Landeszuschuss zu den Betreuungskosten) zu kürzen (vgl. Wanke in Wiesner/Grabner/Knechtl/Wanke, EStG, § 34 Rz 78 (Stand , rdb.at), Stichwort "Häusliche Betreuung"; Jakom/Peyerl, EStG, 2020, § 34 Rz 90, Stichwort "Häusliche Pflege (Pflegekosten)").

Die mit 4.316,91 € geltend gemachten Aufwendungen des Bf. (im Streitjahr Pflegestufe 4) für die zweimal wöchentlich stattgefundene Tagesbetreuung "außer Haus" durch den Sozial- und Gesundheitssprengel GemeindeX stellen somit in dem die Kostenersätze durch die öffentliche Hand übersteigenden Umfang eine außergewöhnliche Belastung dar (§ 34 Abs. 6 sechster Teilstrich EStG 1988). Der die steuerfreien Zuschüsse übersteigende Betrag kann vom Bf. ohne Abzug des Selbstbehaltes als außergewöhnliche Belastung geltend gemacht werden.

2. Zur - hier strittigen - Frage, in welcher Höhe die Kostenersätze durch die öffentliche Hand (das erhaltene Bundespflegegeld) von den geltend gemachten Tagesbetreuungskosten abzuziehen sind, ist Folgendes festzuhalten:

Gemäß § 1 des Bundespflegegeldgesetzes (BPGG) hat das Pflegegeld den Zweck, in Form eines Beitrages pflegebedingte Mehraufwendungen pauschaliert abzugelten, um pflegebedürftigen Personen soweit wie möglich die notwendige Betreuung und Hilfe zu sichern sowie die Möglichkeit zu verbessern, ein selbstbestimmtes, bedürfnisorientiertes Leben zu führen.

Gemäß § 4 Abs. 1 BPGG gebührt das Pflegegeld bei Zutreffen der übrigen Anspruchsvoraussetzungen, wenn auf Grund einer körperlichen, geistigen oder psychischen Behinderung oder einer Sinnesbehinderung der ständige Betreuungs- und Hilfsbedarf (Pflegebedarf) voraussichtlich mindestens sechs Monate andauern wird oder würde. Gemäß § 4 Abs. 2 BPGG besteht Anspruch auf Pflegegeld in Höhe der Stufe 4 für Personen, deren Pflegebedarf nach Abs. 1 durchschnittlich mehr als 160 Stunden monatlich beträgt.

Gemäß § 5 BPGG in der für das Streitjahr geltenden Fassung des BudBG 2011, BGBl. I Nr. 111/2010, gebührt das Pflegegeld zwölf Mal jährlich, es betrug im Streitjahr in der Pflegestufe 4 monatlich 664,30 €. Das Pflegegeld gebührt mit Beginn des auf die Antragstellung oder die Einleitung des amtswegigen Verfahrens zur Feststellung der Anspruchsvoraussetzungen folgenden Monats. Die Entziehung oder Neubemessung des Pflegegeldes wird mit dem auf die wesentliche Veränderung folgenden Monat wirksam (vgl. § 9 BPGG).

Diesen Gesetzesbestimmungen zufolge handelt es sich beim Pflegegeld um einen Monatsbetrag. Eine Aliquotierung des Pflegegeldes nach Tagen ist (vom Fall des Todes des Anspruchsberechtigten abgesehen; vgl. § 9 Abs. 3 BPGG) nicht vorgesehen und demnach auch bei der gegenständlichen Geltendmachung von Tagesbetreuungskosten als außergewöhnliche Belastung (im Hinblick auf die abzuziehenden pflegebedingten Geldleistungen) nicht zulässig. Es ist eine monatsweise Betrachtung vorzunehmen: Den Aufwendungen eines Monats für die häusliche Pflege (bzw. Tagesbetreuung) sind die für diesen Monat erhaltenen pflegebedingten Geldleistungen bei der Geltendmachung als außergewöhnliche Belastung gegenüberzustellen. Im Streitfall haben die geltend gemachten Tagesbetreuungskosten in keinem Monat das erhaltene Pflegegeld von monatlich 664,30 € überstiegen. Diese - monatliche - Betrachtungsweise deckt sich auch mit der Rechtsansicht der Finanzverwaltung (vgl. Protokoll WIN ANV Region West vom , Frage 13).

3. Wie schon das Finanzamt AB festgestellt hat, kürzen Zuschüsse öffentlicher Stellen die außergewöhnliche Belastung immer dann, wenn der dem Zuschuss immanente Leistungszweck der Minderung der außergewöhnlichen Belastung dient (vgl. , zu einem Pflegezuschuss; , zu einem Blindenzuschuss; , zur Verrechnung mit Pflegegeld). Die Ersatzleistung muss durch den Aufwand ausgelöst werden.

Mit dem Pflegegeld wird ein Teil der pflegebedingten Mehraufwendungen durch eine Geldleistung abgegolten. Der Leistungszweck des Pflegegeldes liegt in der direkten Pflege eines pflegebedürftigen Menschen. Pflegekosten können daher nur in dem Ausmaß als außergewöhnliche Belastung geltend gemacht werden, als diese Kosten (bei einer - wie bereits dargestellt - monatsweisen Betrachtung) das gesamte für diesen Leistungszweck bezogene Pflegegeld überschreiten. Das gilt auch, wenn das Pflegegeld für andere Zwecke oder von anderen Personen verwendet wird. Eine Aliquotierung des Pflegegeldes kann demnach nicht erfolgen.

4. Vom Bf. wurde eingewendet, dass das Pflegegeld für die häusliche Pflege "für die restlichen Zeiträume" (demnach für die Tage außerhalb der Tagesbetreuung durch den Sozial- und Gesundheitssprengel) seiner Ehegattin als pflegender Person zustehe. Wenn der Bf. damit zu verstehen gab, dass "für die restlichen Zeiträume" keine pflegebedingten Mehraufwendungen angefallen seien, weil die Ehegattin die Pflege seiner Person unentgeltlich übernommen habe, weshalb auch keine Ersatzleistungen für diese Zeiträume abgezogen werden dürften, dann ist dem Folgendes zu entgegnen:

Zunächst ist festzuhalten, dass das Pflegegeld dem Bf. als anspruchsberechtigter Person, nicht jedoch seiner Ehegattin, zusteht. Es wird weiters darauf hingewiesen, dass die pflegebedingten Mehraufwendungen mit dem Pflegegeld in Form eines Beitrages pauschaliert abgegolten werden (§ 1 BPGG). Das Pflegegeld wird monatlich in pauschalierter Form ausbezahlt, unabhängig davon, in welcher Höhe pflegebedingte Mehraufwendungen (in dem betreffenden Monat) tatsächlich anfallen, wie oft sie anfallen und wann (an welchen Tagen) sie anfallen. Das Pflegegeld wird in pauschalierter Form auch unabhängig davon ausbezahlt, wer die Betreuung der pflegebedürftigen Person übernimmt. Es kann daher auf sich beruhen, ob die Betreuung der pflegebedürftigen Person - unentgeltlich - im Familienverband oder - entgeltlich - durch Fremde übernommen wird. Auch aus diesem Grund ist eine Aliquotierung des erhaltenen Pflegegeldes nach Tagen nicht zulässig.

5. Letztlich wird festgehalten, dass der vom Bf. zur Untermauerung seines Vorbringens erfolgte Verweis auf das Protokoll WIN ANV Region Mitte vom , Frage 23, ins Leere geht. Diese Anfragebeantwortung bezieht sich auf § 5 der Verordnung des Bundesministers für Finanzen über außergewöhnliche Belastungen, BGBl. 303/1996 in der ab dem Jahr 2002 geltenden Fassung BGBl. II Nr. 416/2001, und hat für den vorliegenden Beschwerdefall keine Relevanz. Die dort angesprochene Aliquotierung nach Tagen bezieht sich auf den Pauschbetrag nach § 5 Abs. 1 und 2 dieser Verordnung bei Bezug von erhöhter Familienbeihilfe und (tageweiser) Unterbringung in einem Vollinternat, nicht aber auf eine Aliquotierung von Pflegegeld.

6. Die im Antrag gemäß § 299 BAO auf Aufhebung des Einkommensteuerbescheides für das Jahr 2013 mit 2.301,26 € (ohne Abzug eines Selbstbehaltes) beantragte außergewöhnliche Belastung kann im Beschwerdefall nicht berücksichtigt werden. Damit erweist sich aber der Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2013 vom nicht als inhaltlich rechtswidrig. Der gegenständliche Antrag auf Bescheidaufhebung wurde daher vom Finanzamt AB mit Abweisungsbescheid vom zu Recht als unbegründet abgewiesen. Die gegen diesen Abweisungsbescheid eingebrachte Beschwerde vom ist vom Bundesfinanzgericht als unbegründet abzuweisen.

V. Zulässigkeit einer Revision

Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im vorliegenden Beschwerdefall wurden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Das Bundesfinanzgericht konnte sich bei der Kürzung der geltend gemachten Tagesbetreuungskosten um die erhaltenen Pflegegelder auf die zitierte ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stützen. Im Übrigen ergibt sich bereits aus dem Gesetz (§ 34 Abs. 6 sechster Teilstrich EStG 1988), dass Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung nur abgezogen werden können, soweit sie die Summe pflegebedingter Geldleistungen übersteigen. Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist daher nicht zulässig.

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 299 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 34 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 34 Abs. 6 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 35 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 1 BPGG, Bundespflegegeldgesetz, BGBl. Nr. 110/1993
§ 5 BPGG, Bundespflegegeldgesetz, BGBl. Nr. 110/1993
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.3100912.2016

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at