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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 17.02.2021, RV/7104735/2019

Ausgaben für Heilpraktiker und Nahrungsergänzungsmittel als ag. Belastung und deren Nachweis

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. Hans Blasina in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 2/20/21/22 vom betreffend Einkommensteuer 2017 Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen. Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Mit Bescheid vom wurde die Beschwerdeführerin (Bf) antragsgemäß veranlagt.

In der Beschwerde vom reicht die Bf Ausgaben nach, die im Zusammenhang mit ihrer Behinderung stehen und beantragt, diese zusätzlich als außergewöhnliche Belastung ohne Selbstbehalt zu berücksichtigen und legt eine Aufstellung über die gesamten Ausgaben vor.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom kürzt die belangte Behörde die ursprünglich zugestandenen 2.000,60 Euro auf 377,61 Euro mit der Begründung, Nahrungsergänzungsmittel sowie Aufwendungen für Hand- und Fußpflege stellten Aufwendungen der privaten Lebensführung dar und seien nicht abzugsfähig. Kurkosten stellten nur außergewöhnliche Belastungen dar, wenn der Kuraufenthalt unmittelbar im Zusammenhang mit einer Krankheit steht und aus medizinischen Gründen erforderlich ist (ärztliche Verordnung notwendig).

Im Vorlageantrag vom bringt die Bf vor, Hand- und Fußpflege könne sie aufgrund ihrer Erkrankung nicht mehr selbst durchführen. Weiters sei sie seit Jahren bei einem deutschen anerkannten Heilpraktiker in Behandlung und wäre ohne seine Therapie schon ein Pflegefall oder eine Heimpatientin.

Mit Beschluss vom wurde die Bf vom Bundesfinanzgericht aufgefordert, die als außergewöhnliche Belastung geltend gemachten Ausgaben belegmäßig nachzuweisen und für die Heilbehandlungen, Medikamente und Nahrungsergänzungsmittel die medizinische Indikation nachzuweisen.

Im Antwortschreiben hat die Bf keine inhaltlichen Ausführungen gemacht und keine Belege vorgelegt.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Aufgrund einer Arthrose der kleinen Fingergelenke mit chronischer Arthritis liegt bei der Bf ein Grad der Behinderung von 50 vH vor. Im Zusammenhang mit dieser Erkrankung macht sie folgende Krankheitskosten geltend:


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Rezepte
319,03 €
Behandlungen Heilpraktiker
520,96 €
Nächtigungskosten dafür
589,00 €
Fahrtkosten dafür (Zug)
49,90 €
Hand- und Fußpflege
185,79 €
Nahrungsergänzungsmittel
203,08 €
Km-Geld Arztwege (0,42 €/km)
318,78 €

Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus den von der Bf vorgelegten Unterlagen (Bescheid über den Grad der Behinderung, Bescheinigung des Heilpraktikers, Aufstellung der Ausgaben).

Zwar ist die Bf jeglichen belegmäßigen Nachweis trotz Aufforderung schuldig geblieben, doch erscheint es aufgrund der vorgelegten Unterlagen und ihrer Erklärung über ihren Gesundheitszustand als hinreichend erwiesen, dass sie die beantragten Ausgaben getätigt hat. Auch die Nächtigungskosten in einer Ferienwohnung, die gegenüber der Kuranstalt günstiger war, erscheinen hinreichend plausibel, um sie im Zusammenhang mit der Heilbehandlung stehend zu würdigen. Inwieweit sie ohne weiteren Nachweis steuerlich anerkannt werden können, ergibt sich aus der rechtlichen Beurteilung.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. (Abänderung)

Zu den Kosten, die von der Bf gemäß § 35 Abs 5 iVm § 34 Abs 6 EStG ohne Selbstbehalt begehrt werden, ist zunächst festzuhalten, dass gemäß § 4 der Verordnung über außergewöhnliche Belastungen derartige Ausgaben im nachgewiesenen Ausmaß zu berücksichtigen sind. Damit trifft den Steuerpflichtigen die Beweislast für die entstandenen Kosten, und zwar dem Grunde wie der Höhe nach. Beweisen bedeutet die Herstellung der Überzeugung, dass sich ein in der Vergangenheit ereigneter Sachverhalt so und nicht anders zugetragen hat. Ohne äußere Eindrücke von Beweismitteln ist ein Beweisverfahren derart undenkbar, dass eine davon losgelöste Gedankenkette, mag sie noch so logisch erscheinen, Spekulation ist und bleiben muss (Althuber/Tanzer/Unger, BAO-HB, § 166, 469).

Mit der bloßen Vorlage einer tabellarischen Zusammenstellung ihrer Ausgaben ohne Vorlage der zugrunde liegenden medizinisch indizierten Verschreibungen (Rezepte) und Rechnungen verlässt die Bf nicht die Ebene der bloßen Behauptung und kommt ihrer Nachweispflicht nicht nach. Wenn die Bf behauptet, krankheitsbedingt nicht in der Lage zu sein, Kopien vorzulegen, so ist doch nicht ersichtlich, was sie daran gehindert hätte, gemeinsam mit der erfolgten Vorhaltsbeantwortung die Originalbelege einzureichen.

Nachgewiesen ist lediglich die Tatsache ihrer Behinderung durch den aktenkundigen Bescheid darüber und die im Zusammenhang dazu stehende grundsätzliche Feststellung, dass sie sich bei einem Heilpraktiker in Behandlung findet durch die vorgelegte Bescheinigung. Betreffend Heilbehandlung ist die Ansicht der Behörde, eine alternative Behandlungsmethode sei nur nach ärztlicher Verordnung und nur bei Alternativlosigkeit eine außergewöhnliche Belastung, zu eng.

Nach der Lehre wird heute keine Priorität schulmedizinischer Methoden mehr vertreten. Auch Aufwendungen für Maßnahmen der Alternativmedizin sind daher nicht grundsätzlich von der Anerkennung der damit aufgewandten Kosten als außergewöhnliche Belastung ausgeschlossen. Voraussetzung ist aber, dass sie zwangsläufig erwachsen sind, wovon ausgegangen wird, wenn deren medizinische Notwendigkeit nachgewiesen werden kann (vgl. Doralt, EStG11, § 34 Tz 78; Renner, SWK 2011, 28 ff).

Sinn der Forderung nach einer Notwendigkeit von Krankheitskosten ist es, diese Kosten von Kosten für die Lebensführung abzugrenzen. Dabei ist eine typisierende Betrachtung anzustellen. Denn natürlich sind auch Krankheitskosten insofern freiwillig, als sie durch eine Entscheidung des Erkrankten erfolgen und aufgrund dessen Entscheidung auch unterbleiben könnten. Es geht daher vielmehr darum, ob eine Behandlung und die dadurch entstehenden Kosten aus Sicht der Allgemeinheit als notwendig erscheint.

Ein solcher Nachweis kann durch eine ärztliche Bestätigung erbracht werden. Eine Einschränkung dieses Nachweises auf eine "ärztliche Verordnung der Behandlung im Rahmen eines ärztlichen Behandlungsplanes" oder die (teilweise) Übernahme der Kosten durch die Sozialversicherung erscheint in dieser pauschalen Form aber als zu eng. Entscheidend kann vielmehr nur sein, ob eine Behandlung medizinisch indiziert ist und die damit verbundenen Kosten sich damit von Kosten der privaten Lebensführung abgrenzen. Ob eine solche medizinische Indikation vorliegt, ist im Einzelfall zu untersuchen. (Vgl ).

Auch die Finanzverwaltung erkennt die Behandlung durch einen (im Ausland) anerkannten Heilpraktiker ohne weiteres als außergewöhnliche Belastung an (vgl LStR 2002 Rz 902, ärztliches Attest nur nötig, wenn die behandelnde Person nach den jeweiligen nationalen Rechtsvorschriften nicht zur Heilbehandlung befugt ist).

Erforderlich ist aber der Nachweis, dass die Behandlung im Zusammenhang mit der Behinderung steht und aus Sicht der Behinderung medizinisch indiziert ist: Mit einer Gesundheitsmaßnahme in Zusammenhang stehende Aufwendungen stellen nur dann eine außergewöhnliche Belastung iSd § 34 EStG dar, wenn sie zwangsläufig erwachsen, womit es erforderlich ist, dass die Maßnahmen zur Heilung oder Linderung einer Krankheit (oder sonstigen körperlichen Beeinträchtigung) nachweislich notwendig sind (vgl. ).

Für den Nachweis der Zwangsläufigkeit ist im Fall alternativmedizinischer Produkte und Behandlungen oder Vitaminpräparaten und Nahrungsergänzungsmitteln die ärztliche Verordnung erforderlich (vgl zB mit Verweis auf Fuchs/Unger in Hofstätter/Reichel, EStG54, (2013), § 34 Anhang II - ABC, Krankheitskosten).

Unzweifelhaft ist der Heilpraktiker, den die Bf zu Behandlungszwecken aufsucht, in Deutschland als solcher im Rahmen des dortigen Berufsbildes anerkannt. Aufgrund des Bescheides über die Behinderung der Bf und aufgrund der Bescheinigung des Heilpraktikers erscheinen die Behandlungen durch ihn auch medizinisch indiziert. Damit sind die Behandlungskosten und die damit verbundene erforderliche Nächtigung als außergewöhnliche Belastung anzuerkennen.

Anders verhält es sich mit den Nahrungsergänzungsmitteln: Eine Bestätigung des Heilpraktikers bloß darüber, dass sich die Bf bei ihm in Behandlung befindet und dass die Wirksamkeit bestimmter Nahrungsergänzungsstoffe durch klinische Studien belegt werden kann, ist unzureichend. Vielmehr muss aus den vorgelegten Unterlagen für das erkennende Gericht zweifelsfrei hervorgehen, dass und in welchem Umfang eine medizinische Indikation für die im Beschwerdejahr eingenommenen Substanzen im Hinblick auf die anerkannte Behinderung vorliegt. Medikamente und Nahrungsergänzungsstoffe kommen nur dann als außergewöhnliche Belastung in Betracht, wenn ihrer Einnahme eine Verschreibung durch einen Arzt - bzw im vorliegenden Fall wohl gleichwertig durch den zugelassenen Heilpraktiker - zugrunde liegt. Bloße Empfehlungen reichen dazu nicht aus.

Weder für Hand- und Fußpflege noch für die Vitamine und Nahrungsergänzungsmittel liegen Bestätigungen eines Arztes (bzw des Heilpraktikers) vor, dass die konkret von der Bf erworbenen Mittel verordnet oder medizinisch indiziert wären. Die allgemein gehaltene Bescheinigung des Heilpraktikers über die Wirksamkeit gewisser Präparate, ohne dass daraus eine erforderliche Dosis oder ähnliche grundlegende Merkmale einer Verschreibung ersichtlich sind, reicht nicht aus. Sie können daher schon dem Grunde nach nicht anerkannt werden.

Soweit die Bf ihrer Nachweispflicht der Höhe nach nicht nachkommt, hat die Abgabenbehörde die Ausgaben zu schätzen und dabei alle bedeutenden Umstände zu berücksichtigen (§ 184 BAO). Von den im vorigen Absatz aufgezählten Kosten abgesehen, erscheint es nach der Beweiswürdigung gewiss, dass sie diese auch getätigt hat und steuerlich geltend machen kann.

Zu den Fahrtkosten ist allgemein festzuhalten, dass nur die tatsächlichen Kosten herangezogen werden dürfen und das amtliche Kilometergeld nur dann eine taugliche Schätzungsgrundlage bietet, wenn es den tatsächlichen Kosten nahekommt. Die Bf hat weder ein Fahrtenbuch geführt, um ihre Fahrten nachzuweisen, noch hat sie auch nur irgend welche Angaben zu den tatsächlichen Kfz-Kosten gemacht. Vor diesem Hintergrund ist eine Schätzung in Höhe der halben beantragten Ausgaben jedenfalls nicht zu ihrem Nachteil (vgl zu üblichen Kfz-Kosten pro Kilometer Blasina, UFSJ 2013, 5).

Daher stehen der Bf im Rahmen des § 35 Abs 5 iVm § 34 Abs 6 EStG ohne Selbstbehalt als außergewöhnliche Belastung zu:


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Rezepte
319,03 €
Behandlungen Heilpraktiker
520,96 €
Nächtigungskosten dafür
589,00 €
Fahrtkosten dafür (Zug)
49,90 €
Km-Geld Arztwege (0,21 €/km)
159,39 €
Summe
1.638,28 €

Abschließend gilt es, zu den Krankheitskosten darauf hinzuweisen, dass die belangte Behörde Krankheitskosten ohne Selbstbehalt im Ausmaß von 2.000,60 Euro anerkannt hat. Das Bundesfinanzgericht hat im Beschwerdeverfahren volle Kognitionsbefugnis, kann also den angefochtenen Bescheid in jede Richtung abändern, weil es auch amtswegig selbst den Sachverhalt festzustellen hat (§ 279 Abs 1 BAO). Augenscheinlich führten die Feststellungen des Gerichtes zu einer Verböserung gegenüber dem angefochtenen Bescheid. Eine solche Schlechterstellung wird zwar vom Gesetzgeber ermöglicht, doch ist sie aus Rechtsschutzerwägungen problematisch und angesichts des Alters und Gesundheitszustandes der Bf wohl als unbillig anzusehen. Aufgrund der Geringfügigkeit der Abweichungen und der mit einer Schätzung verbundenen Unschärfen erscheint es auch rechtsrichtig vertretbar, die für die Bf günstigeren Werte des angefochtenen Bescheides bestehen zu lassen und daher den Bescheid nicht abzuändern, sondern bloß die Beschwerde abzuweisen.

Die gegenüber dem angefochtenen Bescheid deutlich enger gefasste Beschwerdevorentscheidung tritt mit dem abschließenden Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes außer Kraft. Durch die Abweisung wird daher der Zustand des angefochtenen Erstbescheides vom wieder hergestellt.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Zu den rechtlichen Rahmenbedingungen einer außergewöhnlichen Belastung besteht umfangreiche Judikatur, in deren Rahmen sich dieses Erkenntnis bewegt.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.7104735.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at