Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 09.02.2021, RV/5101809/2014

Keine Anerkennung von medizinisch nicht indizierten Behandlungen als außergewöhnliche Belastungen

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die RichterinRi.in in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes ***1*** vom betreffend Einkommensteuer 2013 zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.

Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem dem Ende der Entscheidungsgründe als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensablauf

In der Erklärung zur Arbeitnehmer*innenveranlagung für das Jahr 2013 wurden vom Beschwerdeführer außergewöhnliche Belastungen ohne Selbstbehalt aufgrund einer Behinderung von 70% in Höhe von 6.529,95 € beantragt.

Mit Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2013 vom wurden diese anerkannt.

Mit Beschwerde gegen obigen Bescheid vom wurden Änderungen betreffend Sonderausgaben sowie eine Erhöhung der außergewöhnlichen Belastungen ohne Selbstbehalt aufgrund einer Behinderung auf 6.969,16 € beantragt.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde den Einwendungen betreffend Sonderausgaben Folge gegeben sowie die außergewöhnlichen Belastungen aufgrund einer Behinderung auf 5.370,58 reduziert. Als außergewöhnliche Belastungen mit Selbstbehalt wurden 340,00 € anerkannt. Die Aufwendungen für außergewöhnliche Belastungen, von denen ein Selbstbehalt abzuziehen sein würde, hätten nicht berücksichtigt werden können, da sie den Selbstbehalt von 8.968,43 € nicht übersteigen würden.
Begründet wurde unter anderem wie folgt:
Gemäß § 34 Abs. 1 EStG 1988 seien bei der Ermittlung des Einkommens (§ 2 Abs. 2) eines unbeschränkt Steuerpflichtigen nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18) außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Die Belastung müsse folgende Voraussetzungen erfüllen:
1. Sie müsse außergewöhnlich sein (Abs. 2);
2. Sie müsse zwangsläufig erwachsen (Abs. 3);
3. Sie müsse die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen (Abs. 4).
Die Belastung dürfe werde Betriebsausgaben, Werbungskosten noch Sonderausgaben sein.
Gemäß Abs. 2 sei die Belastung außergewöhnlich, soweit sie höher sei als jene, die der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse, erwachse.
Gemäß Abs. 3 erwachse eine Belastung dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen könne.
Krankheitskosten würden dem Steuerpflichtigen regelmäßig zwangsläufig erwachsen, weil er sich ihnen aus tatsächlichen Gründen nicht entziehen könne (; Fuchs in Hofstätter/Reichel, Die Einkommensteuer (EStG 1988) - Kommentar, § 34, Stichwort "Krankheitskosten")
Hätte der Steuerpflichtige Aufwendungen durch eine körperliche oder geistige Behinderung, so seien gemäß § 1 Abs. 1 der Verordnung über außergewöhnliche Belastungen (BGBl. II Nr. 303/1196 idF BGBl II 2010/430) die in den §§ 2 bis 4 dieser Verordnungen genannten Mehraufwendungen als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen.
Gemäß § 1 Abs. 2 der Verordnung über außergewöhnliche Belastungen liege eine Behinderung vor, wenn das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) mindestens 25% betrage.
Nach § 2 Abs. 3 der Verordnung über außergewöhnliche Belastungen seien Mehraufwendungen gemäß §§ 2 bis 4 dieser Verordnung nicht um eine pflegebedingte Geldleistung (Pflegegeld, Pflegezulage oder Blindenzulage) oder um einen Freibetrag nach § 35 Abs. 3 EStG 1988 zu kürzen.
Gemäß § 4 der Verordnung über außergewöhnliche Belastungen seien nicht regelmäßig anfallende Aufwendungen für Hilfsmittel (z.B. Rollstuhl, Hörgerät, Blindenhilfsmittel) sowie Kosten der Heilbehandlung im nachgewiesenen Ausmaß zu berücksichtigen.
Nach § 34 Abs. 6 EStG 1988 könnten Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung ohne Berücksichtigung eines Selbstbehaltes abgezogen werden.
Als Kosten der Heilbehandlung würden unter anderem Arztkosten, Spitalskosten, Kurkosten für ärztlich verordnete Kuren, Therapiekosten sowie Kosten für Medikamente gehören, sofern sie im Zusammenhang mit der Behinderung stehen würden (Baldauf in Jakom, EStG7 (2014), § 35 Rz 27).
Der Beschwerdeführer hätte eine Behinderung im Ausmaß von 70%, welche aus den Akten ersichtlich sei und hätte im streitgegenständlichen Jahr 2013 kein Pflegegeld erhalten.
1. Medikamente
Die Ausgaben für Medikamente würden sich nach den vom Beschwerdeführer vorgelegten Apothekenbestätigungen wie folgt zusammensetzen:
- Rezeptgebühren/Kostenanteile für Krankenkassenrezepte: 47,70 €;
- Auf Krankenkassenrezepten verschriebene Präparate, deren Wert unter der Rezeptgebühr gelegen wäre: 37,10 €;
- Artikel, die nicht auf Krankenkassenrezepten verschrieben gewesen wären (Artikel auf Privatrezepten oder ohne Rezept): 952,80 €;
- Medikamentenkosten, die von einem Allgemeinmediziner verwendet und vom Beschwerdeführer an diesen nachweislich überwiesen wurden: 2.046,00 €;
- Medikamentenkosten, die von einem weiteren Allgemeinmediziner verwendet und vom Beschwerdeführer an diesen nachweislich überwiesen wurden: 1.048,60 €;
- Apothekenrechnungen aus ***2*** ( und ): 19,90 €
Aufwendungen bzgl. Medikamente, welche zur Heilung oder Linderung einer Krankheit ärztlich verschrieben würden, seien jedenfalls als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig, sofern sie mit der Behinderung im Zusammenhang stehen würden ().
Die Kostenanteile für Krankenkassenrezepte und die auf Krankenkassenrezepten verschriebenen Präparate, deren Wert unter der Rezeptgebühr gelegen wäre, seien jedenfalls in Höhe von 84,80 € als außergewöhnliche Belastungen abzugsfähig, da aufgrund ihrer Verschreibungspflicht ein Zusammenhang mit der Behinderung hergestellt werden könne.
Auch die Medikamentenkosten der beiden Allgemeinmediziner würden krankheitsbedingte Aufwendungen darstellen, da davon ausgegangen werden könne, dass diese Medikamente von den behandelnden Ärzten aufgrund der Krankheit bzw. Behinderung des Beschwerdeführers verschreiben worden wären. Es bestehe somit ein Zusammenhang mit der Behinderung und daher seien die Kosten in Höhe von 3.094,60 € als außergewöhnliche Belastung gemäß § 4 der Verordnung über außergewöhnliche Belastungen abzugsfähig.
Bezüglich der Artikel, die nicht auf Krankenkassenrezepten verschrieben gewesen wären, seien seitens des Beschwerdeführers keine Beweise vorgelegt worden, welche auf den Zusammenhang mit der Behinderung hinweisen könnten. Diese Kosten seien in Höhe von 952, 80 € somit nicht abzugsfähig.
In Bezug auf die beiden Apothekenrechnungen sei zu sagen, dass hier keine Beweise seitens des Beschwerdeführers vorgelegt worden wären, ob diese Kosten auf Rezept gelaufen wären oder privat angeschafft worden wären beziehungsweise ob überhaupt ein Zusammenhang mit der Krankheit bzw. Behinderung des Beschwerdeführers vorliege. Die Kosten in Höhe von 19,90 € seien daher nicht als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig.
2. Ärztliche Behandlungen
Vom Beschwerdeführer sei unter anderem ein Selbstkostenbeitrag betreffend eine Schulteroperation im Landeskrankenhaus in Höhe von 22,92 € geltend gemacht worden. Diese Aufwendungen hätten nicht in Zusammenhang mit der Behinderung des Beschwerdeführers gebracht werden können, weshalb sie nicht als abzugsfähig erscheinen würden.
Es würden sich in Summe abzugsfähige Kosten aufgrund ärztlicher Behandlungen in Höhe von 1.102,14 € ergeben.
…..
5. Heilmassagen
Vom Beschwerdeführer seien Kosten für Heilmassagen in Höhe von 340,00 € geltend gemacht worden.
Vorgelegt worden sei eine ärztliche Bestätigung vom von einer Allgemeinmedizinerin, welche ein Prostata-CA beim Beschwerdeführer bestätigen und ausführen würde, dass der Beschwerdeführer seit über Vorjahresbeginn wiederholt Heilmassagen durchführen lassen hätte müssen.
Die vorgelegte ärztliche Bestätigung weise zwar vor, dass der Beschwerdeführer an einem Prostata-CA leiden würde, es werde jedoch kein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Prostata-CA und den Heilmassagen hergestellt. Auch aus der Rechnung des Massagefachinstitutes (ohne Datum) gehe ein solcher Zusammenhang nicht hervor, da lediglich bestätigt worden wäre, wie oft und zu welchem Preis der Beschwerdeführer diese Massagen in Anspruch genommen habe.
Die geltend gemachten Aufwendungen könnten daher nur als als außergewöhnliche Belastung iSd § 34 EStG 1988 mit Selbstbehalt (§ 34 Abs. 4 EStG 1988) berücksichtigt werden. Da der Selbstbehalt den Betrag von 340,00 € übersteigen würde, würden die Aufwendungen allerdings ohne steuerliche Auswirkung bleiben.
6. Fahrtkosten
Grundsätzlich würden die im Zusammenhang mit den Kosten der Heilbehandlung einer Krankheit anfallenden Fahrtkosten bzw. Kosten des Krankentransportes im Ausmaß der tatsächlichen Kosten oder des amtlichen Kilometergeldes bei Verwendung des (familien-)eigenen Kraftfahrzeuges Kosten der Heilbehandlung darstellen. Abzugsfähig seien daher Aufwendungen für Fahrten zum Arzt (USF , RV/3281-W/07), ins Krankenhaus () oder zur Therapie (Baldauf in Jakom, EStG7 2014, § 34 Rz 90).
Vom Beschwerdeführer seien krankheitsbedingte Fahrten im Ausmaß von 2.895 km u.a. zu Therapiebehandlungen, ärztlichen Untersuchungen und Massagen beantragt worden. Er hätte dafür das amtliche Kilometergeld in Höhe von 1.215,90 € beansprucht.
…..
Die Heilmassagen hätten nicht als außergewöhnliche Belastung gewertet werden können, da ein Zusammenhang mit der Krankheit (Prostata-CA) nicht ersichtlich gewesen wäre. Es seien daher auch Fahrten zu den Massagen im Ausmaß von 180 km nicht als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig.
Aufwendungen für Gesundheitsvorsorge seien nicht als Krankheitskosten abzugsfähig ().
So würden etwa die Aufwendungen für eine Gebärmutterhalskrebsimpfung als Maßnahme zur Vorbeugung einer Erkrankung keine Krankheitskosten darstellen. Daher seien auch Aufwendungen für Fahrten zu Vorsorgeuntersuchungen im Ausmaß von 47 km nicht als außergewöhnliche Belastungen abzugsfähig.
Bezüglich der Osteopathiebehandlungen bzw. der Bandscheibenbehandlungen sei kein Zusammenhang mit der Krankheit bzw. Behinderung festgestellt worden und daher seien auch die Fahrten nicht als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig. Diese Fahrten seien im Ausmaß von 94 km beantragt worden.

Mit Schreiben des Beschwerdeführers vom , das von der Amtspartei als Vorlageantrag gewertet worden ist, wurde unter anderem wie folgt ausgeführt:
Anhand der Beschwerdevorentscheidung würde er seine Beschwerde begründen wollen, er denke, es sei vielmehr ein Einwand.
1. Medikamente
Bezüglich einem Teil der Artikel in der Höhe von 952,80 €, die nicht auf Krankenkassenrezepten verschrieben gewesen wären, würde er folgende Nachweise nachbringen.
Entsprechend der Beschaffung dieser Medikamente urgiere er die Fahrtkosten zur Besorgung der Medikamente in voller Höhe (nicht nur 50%) für 103 km (43,26 €) laut Fahrtenaufzeichnung.
…..
5. Heilmassagen
Zur Nachbehandlung der Operation und nach weiteren zwei Jahren durchgeführter Bestrahlungstherapie sei ihm von seinem früheren Hausarzt und der jetzigen Hausärztin die Inanspruchnahme von Physiotherapien und Massagen verschrieben worden.
Eine Bestätigung der Hausärztin liege bei. Er ersuche, die Kosten von 340,00 € für Massagen sowie die Fahrtkosten von 75,60 € (180 km) anzurechnen.
Kopien von Bescheiden des Bundessozialamtes schließe er bei.
Beigelegt wurde ein Bescheid des Bundessozialamtes vom , wonach der Beschwerdeführer einen Grad der Behinderung von 70% aufweisen würde. Wie sich die 70% zusammensetzen, geht daraus nicht hervor.
Vorgelegt wurde auch ein fachärztliches Sachverständigengutachten des Bundessozialamtes vom , wonach sich ein Grad der Behinderung von 40% ergeben würde aus einer Prostataoperation im Jahr 2008 und einer einseitigen Sehschwäche bzw. Schielen.
Beigelegt wurde auch eine ärztliche Bestätigung vom einer Hausärztin, wonach der Beschwerdeführer an einem Prostata-CA leiden würde und seit über Vorjahresbeginn wiederholt Heilmassagen durchführen hätte lassen.
Zudem liegt vor eine "Bestätigung 2013" vom betreffend 10 Massagen in Höhe von 350,00 € durch ein Massageinstitut.
Weiters liegt vor ein Bescheid Sozialministeriumsservices vom , wonach der Beschwerdeführer einen Grad der Behinderung von 100% aufweisen würde, auf welche Beeinträchtigungen dieser zurückgeht, geht daraus nicht hervor.
Vorgelegt wurden auch diverse Honorarnoten und Rechnungen.
Weiters liegt vor eine ärztliche Bestätigung einer Hausärztin vom , wonach der Beschwerdeführer an den Folgen der Bestrahlung eines Prostatakarzinoms leiden würde, weshalb Physiotherapie und Massagen notwendig geworden wären.

Laut einem Aktenvermerk der Amtspartei vom wurde vom Beschwerdeführer bekannt gegeben, dass er möchte, dass seine Ergänzungen im Schreiben vom gewertet würden und dass der Bescheid entsprechend geändert würde.

Laut einem Aktenvermerk der Amtspartei vom wurde der Beschwerdeführer über das Vorliegen von ärztlichen Verordnungen für die Massagen befragt. Er hätte diesbezüglich geantwortet, dass keine Verordnung vorliegen würde, sondern Massagen auf Anraten des Arztes durchgeführt worden wären. Die Ärzte würden dadurch, dass nach der Bestrahlung psychische Auswirkungen der Fall gewesen wären, Massagen dieser Art empfohlen.

Die Bescheidbeschwerde wurde mit Beschwerdevorlage vom dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt und einer Gerichtsabteilung zugeteilt, welche seit unbesetzt ist. Aufgrund der Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom wurde die Rechtssache mit Wirksamkeit vom der Geschäftsabteilung ***3*** neu zugeteilt.

Dem Erkenntnis zugrunde liegender Sachverhalt

Der Beschwerdeführer war im Jahr 2013 unselbständig erwerbstätig.
Laut Bescheid des Bundessozialamtes vom lag im Beschwerdejahr ein Grad der Behinderung von 70% vor. Im Hinblick auf das fachärztliche Sachverständigengutachten des Bundessozialamtes vom , wonach ein Grad der Behinderung von 40% auf eine Prostataoperation im Jahr 2008 und eine einseitige Sehschwäche bzw. Schielen zurück zu führen ist, ist davon auszugehen, dass die genannten Beeinträchtigungen auch im Jahr 2013 vorhanden waren.

Strittig ist die Berücksichtigung als außergewöhnliche Belastungen ohne Selbstbehalt von folgenden Aufwendungen:

In Summe wurde im Beschwerdejahr die Berücksichtigung von Medikamentenkosten in Höhe von 4.152,10 € beantragt, laut Beschwerdevorentscheidung wurden 3.179,40 € berücksichtigt. Nach den Ausführungen der Amtspartei laut Vorlagebericht wären nach Einreichung von weiteren Nachweisen solche in Höhe von 3.971,70 € anzuerkennen.
Betreffend die weiterhin strittigen Medikamentenaufwendungen in Höhe von 180,40 € konnten keine Nachweise vorgelegt werden bzw. erfolgte keine Glaubhaftmachung eines Kausalzusammenhanges mit den vorliegenden Behinderungen.

Kosten für Heilmassagen in Höhe von 340,00 € sowie damit zusammenhängende Fahrtkosten in Höhe von 75,60 €:
Eine vor Behandlungsbeginn ausgestellte ärztliche Bestätigung oder Verordnung, dass die Massagen im Hinblick auf eine bestimmte Krankheit oder Beeinträchtigung medizinisch indiziert sind, konnte nicht eingereicht werden.

Geltend gemacht wurden diverse Fahrtkosten in Form von Kilometergeld für Fahrten in die Apotheke, zum Arzt und zu diversen Behandlungen.
Strittig sind nach Vorlagebericht vom lediglich Fahrten zu Vorsorgeuntersuchungen sowie Osteopathiebehandlungen.
Ein Zusammenhang dieser Behandlungen mit einer Krankheit oder einer Beeinträchtigung konnte vom Beschwerdeführer nicht aufgezeigt werden.

Aufgrund des Einfließens der Sehbeeinträchtigung in den Grad der Behinderung ist davon auszugehen, dass die Reparatur der Brille (100,00 €) medizinisch indiziert war und ein Kausalzusammenhang mit den Behinderungen vorliegt.

Rechtliche Begründung

§ 34 EStG 1988 lautet in der für die Streitjahre geltenden Fassung auszugsweise:
"Abs. 1
Bei der Ermittlung des Einkommens (§ 2 Abs. 2) eines unbeschränkt Steuerpflichtigen sind nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18) außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Die Belastung muss folgende Voraussetzungen erfüllen:
1.
Sie muss außergewöhnlich sein (Abs. 2).
2.
Sie muss zwangsläufig erwachsen (Abs. 3).
3.
Sie muss die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen (Abs. 4).
Die Belastung darf weder Betriebsausgabe, Werbungskosten noch Sonderausgabe sein.
(...)
Abs. 2
Die Belastung ist außergewöhnlich, soweit sie höher ist als jene, die der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse erwächst.
(...)
Abs. 6
Folgende Aufwendungen können ohne Berücksichtigung des Selbstbehaltes abgezogen werden:
- Aufwendungen im Sinne des § 35, die an Stelle der Pauschbeträge geltend gemacht werden (§ 35 Abs. 5)
(...)
Der Bundesminister für Finanzen kann mit Verordnung festlegen, in welchen Fällen und in welcher Höhe Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung ohne Anrechnung auf einen Freibetrag nach § 35 Abs. 3 und ohne Anrechnung auf eine pflegebedingte Geldleistung zu berücksichtigen sind."

Aufgrund der §§ 34 und 35 EStG 1988 erließ der Bundesminister für Finanzen die VO BGBl. Nr. 303/1996, die idF BGBl. II Nr. 430/2010 auszugsweise wie folgt lautet:
"§ 1
Abs. 1
Hat der Steuerpflichtige Aufwendungen durch eine eigene körperliche oder geistige Behinderung,
(...)
so sind die in den §§ 2 bis 4 dieser Verordnung genannten Mehraufwendungen als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen.
(...)
Abs. 3
Die Mehraufwendungen gemäß §§ 2 bis 4 dieser Verordnung sind nicht um eine pflegebedingte Geldleistung (Pflegegeld, Pflegezulage oder Blindenzulage) oder um einen Freibetrag nach
§ 35 Abs. 3 EStG 1988 zu kürzen.
(...)
§ 4
Nicht regelmäßig anfallende Aufwendungen für Hilfsmittel (z.B. Rollstuhl, Hörgerät, Blindenhilfsmittel) sowie Kosten der Heilbehandlung sind im nachgewiesenen Ausmaß zu berücksichtigen.
(...)"

Kosten der Heilbehandlung sind Kosten für den Arzt, das Spital, ärztlich verordnete Kuren, Therapien oder Medikamente, sofern sie mit der Behinderung im Zusammenhang stehen (Jakom EStG12, § 35 Rz 27; -G/06; , RV/0405-G/08; ).

Im eingereichten Bescheid des Bundessozialamtes vom wird ein Grad der Behinderung von 70% festgestellt. Laut einem fachärztliches Sachverständigengutachten des Bundessozialamtes vom , wonach sich ein Grad der Behinderung von 40% ergeben würde, wurde Bezug genommen auf eine Prostataoperation im Jahr 2008 und eine einseitige Sehschwäche bzw. Schielen.

Sämtliche geltend gemachten Aufwendungen sind daher schon dem Grunde nach nur im Zusammenhang mit diesen Einschränkungen als außergewöhnliche Belastungen ohne Selbstbehalt abzugsfähig.

Nach Lehre und Rechtsprechung sind Kosten einer Heilbehandlung Arztkosten, Spitalskosten sowie Kosten für Kuren, Therapien und Medikamente, sofern sie nachweislich der Heilung oder zumindest Linderung oder Stabilisierung einer Krankheit bzw. Behinderung dienen, als außergewöhnliche Belastung unter bestimmten Voraussetzungen steuerlich absetzbar. Aus dieser demonstrativen Aufzählung ergibt sich aber, dass nicht jede Behandlung einer Krankheit oder einer Behinderung eine als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigende Heilbehandlung darstellt. Nicht davon erfasst sind damit Aufwendungen, die lediglich auf eine Verbesserung des Allgemeinzustandes abzielen, selbst wenn sich die betreffende Maßnahme auf den Verlauf einer konkreten Krankheit positiv auswirken kann ().

Da § 34 EStG 1988 eine Begünstigungsbestimmung ist, obliegt die Behauptung und der Beweis des Vorbringens vornehmlich dem Abgabepflichtigen (; , 2001/15/0116). Überdies gelten dort, wo die Abgrenzung zu Aufwendungen der allgemeinen Lebensführung schwierig ist, für die Nachweisführung besonders strenge Anforderungen (siehe etwa ; , 93/13/0057).

Massagekosten samt Fahrtkosten
Nicht jede auf ärztliches Anraten und aus medizinischen Gründen durchgeführte Gesundheitsmaßnahme führt zu einer außergewöhnlichen Belastung. Die Aufwendungen müssen vielmehr zwangsläufig erwachsen, womit es erforderlich ist, dass die Maßnahmen zur Heilung oder Linderung einer Krankheit nachweislich notwendig sind ()
Für Krankheitskosten fordert der VwGH, dass diese Maßnahmen tatsächlich Erfolg versprechend zur Behandlung oder zumindest Linderung einer konkret existenten Krankheit beitragen ().
Es fehlt bei Maßnahmen, deren Beitrag zur Heilung bzw. Linderung einer Krankheit oder zur günstigen Entwicklung einer Behinderung nicht hinreichend erwiesen ist und die daher bei der medizinischen Behandlung auch nicht typischerweise anfallen, am Merkmal der Zwangsläufigkeit.
Die Massagekosten wurden im Zusammenhang mit der Behinderung als außergewöhnliche Belastung ohne Selbstbehalt geltend gemacht.
Nach den Ausführungen des Beschwerdeführers (siehe Aktenvermerk vom ) erfolgten die Massagen auf Empfehlung der Ärzte. Eine im Vorhinein ausgestellte ärztliche Verordnung konnte nicht eingereicht, ein direkter Zusammenhang mit der Behinderung konnte nicht glaubhaft gemacht werden. Gesundheitsmaßnahmen, die auf das allgemeine Wohlbefinden abzielen, sind nicht als außergewöhnliche Belastungen abzugsfähig.

Aufgrund des fehlenden Zusammenhangs mit der Behinderung ist eine Anerkennung der Behandlungskosten als außergewöhnliche Belastung ohne Selbstbehalt nicht möglich.

Im Zusammenhang mit einer Heilbehandlung stehende Fahrtkosten stellen allenfalls eine außergewöhnliche Belastung iSd § 4 der VO über außergewöhnliche Belastungen dar.
Da die Heilbehandlung nicht im Zusammenhang mit der Behinderung zu sehen ist, sind auch die Fahrtkosten nicht anzuerkennen.

Aufwendungen Medikamente
Ein Zusammenhang der verbleibenden Apothekenaufwendungen in Höhe von 180,40 € mit der gegenständlichen Behinderung konnte nicht hergestellt werden, weshalb keine Anerkennung der Kosten als außergewöhnliche Belastung ohne Selbstbehalt erfolgen kann.

Fahrtkosten Vorsorge und Osteopathie
Da kein Zusammenhang der Fahrten mit einer konkreten Erkrankung bzw. Beeinträchtigung glaubhaft gemacht werden konnte, sind die Fahrten als nicht medizinisch indiziert anzusehen, weshalb die angefallenen Kosten nicht anzuerkennen sind.

Außergewöhnliche Belastungen mit Selbstbehalt waren daher nicht anzuerkennen.

Die anzuerkennenden außergewöhnlichen Belastungen ohne Selbstbehalt ergeben sich wie folgt:


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laut BVE
5.370,58
zusätzliche Medikamentenkosten laut Vorlagebericht
692,65
Brillenreparatur
100,00
zusätzliche Fahrtkosten zu Apotheken laut Vorlagebericht
43,26
6.206,49

Die im Zuge der Beschwerdevorentscheidung anerkannten Sonderausgaben wurden beibehalten.

Der Beschwerde war in Summe daher teilweise Folge zu geben.

Der Vollständigkeit halber wird darauf hingewiesen, dass auch bei Anerkennung der nicht als außergewöhnliche Belastung ohne Selbstbehalt anerkannten Kosten als solche mit Selbstbehalt diese in Summe den Selbstbehalt nicht übersteigen würden und es daher zu keiner Änderung der Abgabenhöhe führen würde.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Ob die geltend gemachten Aufwendungen im Zusammenhang mit den der Behinderung von 70% zugrunde liegenden Krankheiten stehen sind auf Ebene der Sachverhaltsermittlung zu lösende Tatfragen, die zu keiner Lösung einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung führen.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise











-G/06
-G/08
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.5101809.2014

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at