Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 05.02.2021, RV/7104681/2020

Pfändung von Geldforderungen nicht zulässig bei noch nicht erledigtem Antrag auf Aussetzung der Einhebung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die RichterinR. in der Beschwerdesache Bf., A-1, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Wien 4/5/10 vom , Steuernummer N-1,

I. betreffend Pfändung und Überweisung von Geldforderungen des Beschwerdeführers gegenüber der B-1

beschlossen:

Die Beschwerde wird gemäß § 260 Abs. 1 lit. a BAO als unzulässig geworden zurückgewiesen.

II. betreffend Pfändung und Überweisung von Geldforderungen des Beschwerdeführers gegenüber der B-2, der B-3, der B-4 sowie der B-5

zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben und die angefochtenen Bescheide aufgehoben.

III. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Mit Bescheiden vom verfügte das Finanzamt die Pfändung und Überweisung von Geldforderungen des Beschwerdeführers (Bf.) gegenüber der B-1, der B-2, der B-3, der B-4 sowie der B-5 zur Hereinbringung der in Höhe von € 23.890,38 gegenüber dem Bf. aushaftenden Nachforderungen.

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In der am gegen alle Pfändungsbescheide rechtzeitig eingebrachten Beschwerde wandte der Bf. begründend ein:

Wie ihm bei einer Akteneinsicht am mitgeteilt worden sei, sei seine Berufung vom gegen den Haftungsbescheid vom (Steuernummer N-2) inhaltlich nicht behandelt worden, weil er angeblich eine Frist versäumt haben solle. Gegen einen dahingehend erlassenen Zurückweisungsbescheid habe er daher mit Schreiben vom ebenfalls Berufung erhoben. Seitdem habe er von dieser Angelegenheit nichts mehr gehört bis zum Erhalt der oben bezeichneten Pfändungsbescheide. Bei der Akteneinsicht sei ihm weiters mitgeteilt worden, dass es eine Berufungsvorentscheidung vom März 2012 gegen seine Berufung gegeben haben solle. Diese sei ihm nicht bekannt, da er sonst sicher einen Vorlageantrag gestellt hätte. Weiters wende er Verjährung ein.

Daher stelle er hiermit den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, die Zustellung der Berufungsvorentscheidung an seine obige Adresse und einen Vorlageantrag zur Entscheidung durch das Verwaltungsgericht.

Weiters bringe er vor, dass mehrere der Bescheide sich auf Konten bezögen, auf denen er zwar zeichnungsberechtigt sei, die aber nicht ihm gehörten (B-5, B-6 (Anmerkung: B-1, A-2), B-2).

Überdies sei nicht berücksichtigt, dass er derzeit kein laufendes Einkommen habe, da er zur Betreuung seiner kleinen Tochter in Karenz gegangen sei und ihren laufenden Unterhalt daher aus dem Vermögen bestreiten müsse.

Er beantrage daher, die oben bezeichneten Bescheide aufzuheben.

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Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab und führte aus:

Die Beschwerde des Bf. gegen den Haftungsbescheid sei per Zurückweisungsbescheid vom erledigt und ihm am zugestellt worden.

Unter Anwendung des § 229 BAO sei am als Grundlage für die Einbringung und Exekutionstitel für das finanzbehördliche Vollstreckungsverfahren ein Rückstandsausweis ausgefertigt worden. Grundlage für das finanzbehördliche und gerichtliche Vollstreckungsverfahren sei der über die vollstreckbaren Abgabenschulden von der Abgabenbehörde ausgestellte Rückstandsausweis (§ 229 BAO). Dieser sei gemäß § 4 Abgabenexekutionsordnung ein Exekutionstitel und berechtige die Finanzbehörde zur Vollstreckung auf bewegliche körperliche Sachen und auf grundbücherlich nicht sichergestellte Geldforderungen.

Die Pfändung vom sei aufgrund des Rückstandsausweises vom zu Recht ergangen und seine Beschwerde sei daher abzuweisen gewesen.

Die Vollstreckung auf Geldforderungen des Abgabenschuldners erfolge mittels Pfändung derselben. Im Pfändungsbescheid seien die Höhe der Abgabenschuld sowie der Gebühren und Auslagenersätze (§ 26 AbgEO) anzugeben. Sofern nicht die Bestimmung des § 67 AbgEO zur Anwendung komme, geschehe die Pfändung dadurch, dass das Finanzamt dem Drittschuldner verbiete, an den Abgabenschuldner zu bezahlen. Zugleich sei dem Abgabenschuldner selbst jede Verfügung über seine Forderung sowie über das für dieselbe etwa bestellte Pfand und insbesondere die Einziehung der Forderung zu untersagen. Ihm sei aufzutragen, bei beschränkt pfändbaren Geldforderungen unverzüglich dem Drittschuldner allfällige Unterhaltspflichten und das Einkommen der Unterhaltsberechtigten bekanntzugeben.

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Mit Schreiben vom beantragte der Bf. die Vorlage der Beschwerde zur Entscheidung durch das Bundesfinanzgericht.

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Das Bundesfinanzgericht ersuchte das Finanzamt mit Schreiben vom um Beantwortung der folgenden Fragen und Übermittlung der angesprochenen Unterlagen:

- Es werde um Übermittlung des Zustellnachweises der an den Beschwerdeführer ergangenen Berufungsvorentscheidung vom betreffend Zurückweisung der Berufung gegen den Haftungsbescheid vom ersucht.

- Hinsichtlich des Verjährungseinwandes des Beschwerdeführers werde um Übermittlung der Unterbrechungshandlungen im Zeitraum 2013-2017 ersucht. Soferne diese die zweite Geschäftsführerin P-1 beträfen, werde um Bekanntgabe ersucht, ob diese (unter anderem) für dieselben Abgaben wie der Beschwerdeführer zur Haftung herangezogen worden sei. Zutreffendenfalls werde um Übermittlung beider Haftungsbescheide ersucht.

- Es werde um Vorlage der Beschwerde der B-1 vom gegen den Pfändungsbescheid vom ersucht.

- Sei auch von den anderen Banken Beschwerde gegen den jeweiligen Pfändungsbescheid erhoben worden? Zutreffendenfalls werde um Übermittlung der Beschwerden sowie der Beschwerdevorentscheidungen ersucht.

- Von wem seien die Zahlungen auf das Abgabenkonto N-1 vom von € 1.946,92 sowie vom von € 712,84 erfolgt?

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In Entsprechung dieses Ersuchens übermittelte das Finanzamt die Haftungsbescheide betreffend den Bf. und Frau P-1 sowie die Beschwerde der B-1 vom und teilte mit, dass der Zustellnachweis betreffend Zurückweisung der Beschwerde gegen den Haftungsbescheid nicht auffindbar sei.

Folgende Unterbrechungshandlungen seien bei Frau P-1 gesetzt worden:

- Abfrage Zentrales Melderegister
- Erhebung der wirtschaftlichen Verhältnisse

Folgende Unterbrechungshandlungen seien beim Bf. gesetzt worden:

- Vorerhebungsverfahren Geschäftsführerhaftung
- Haftungsbescheid
- Berufung
- Zurückweisung
- Berufung
- Berufungsvorentscheidung Abweisung

Frau P-1 sei für dieselben Abgaben wie der Bf. herangezogen worden.

Es sei von keiner anderen Bank Beschwerde erhoben worden.

Die Zahlung von € 712,84 stamme von der B-4, die Zahlung von € 1.946,92 von einer B-7, könne aber mangels ausführlichen Überweisungstextes nicht genau zugeordnet werden.

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Mit Schreiben vom ersuchte das Bundesfinanzgericht das Finanzamt um Übermittlung der Unterlagen betreffend Erhebung der wirtschaftlichen Verhältnisse bei Frau P-1 vom sowie der Bescheide im Zusammenhang mit den in den Berufungen vom und gestellten Anträgen auf Aussetzung der Einhebung.

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In Beantwortung dieses Ersuchens übermittelte das Finanzamt das Vermögensverzeichnis von Frau P-1 vom und erklärte, bei Durchsicht der Akten festgestellt zu haben, dass keine bescheidmäßige Erledigung der Anträge auf Aussetzung der Einhebung durchgeführt worden sei.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Gemäß § 65 Abs. 1 AbgEO erfolgt die Vollstreckung auf Geldforderungen des Abgabenschuldners mittels Pfändung derselben. Sowohl dem Drittschuldner wie dem Abgabenschuldner ist hiebei gemäß Abs. 2 mitzuteilen, dass die Republik Österreich an der betreffenden Forderung ein Pfandrecht erworben hat. Die Pfändung ist gemäß Abs. 3 mit Zustellung des Zahlungsverbotes an den Drittschuldner als bewirkt anzusehen. Gemäß Abs. 4 kann der Drittschuldner das Zahlungsverbot anfechten oder beim Finanzamt die Unzulässigkeit der Vollstreckung nach den darüber bestehenden Vorschriften geltend machen.

Gemäß § 77 Abs. 1 AbgEO ist ein Rechtsmittel unstatthaft gegen Bescheide, welche
1. dem Abgabenschuldner nach der Pfändung die Verfügung über das gepfändete Recht und das für die gepfändete Forderung bestellt Pfand untersagen (§ 65 Abs. 1 und 5);
2. dem Drittschuldner die Abgabe einer Erklärung nach § 70 auftragen;
3. die Überweisung der gepfändeten Forderung verfügen (§ 71 Abs. 3).

Da § 77 Abs 1 Z 1 AbgEO ein Rechtsmittel nur gegen Bescheide versagt, die dem Abgabenschuldner nach der Pfändung die Verfügung über das gepfändete Recht und das für die gepfändete Forderung bestellte Pfand untersagen, ist über eine Beschwerde des Abgabenschuldners, die sich gegen die Pfändung richtet, meritorisch zu entscheiden (vgl. ).

Der im zweiten Satz des § 65 Abs. 1 AbgEO genannte Pfändungsbescheid, dessen Spruch die dort enthaltenen Angaben zu enthalten hat, muss an den Abgabenschuldner ergehen. Dieser Pfändungsbescheid ist mit Beschwerde uneingeschränkt bekämpfbar (vgl. ).

Zu Spruchpunkt I. (Zurückweisung)

Aktenkundig ist, dass auch eine der drittschuldnerischen Banken, nämlich die B-1, ein Rechtsmittel gegen einen der angefochtenen Pfändungsbescheide vom erhob, da es sich um ein Gemeinschaftskonto des Bf. mit seiner Lebensgefährtin handle, der die gesamte Kontoforderung, die für den Kindesunterhalt zu verwenden sei, ausschließlich zustehe.

Die Bescheidbeschwerde ist gemäß § 260 Abs. 1 lit. a BAO mit Beschwerdevorentscheidung (§ 262) oder mit Beschluss (§ 278) zurückzuweisen, wenn sie nicht zulässig ist.

Obwohl die Pfändung einer nicht bestehenden Forderung ins Leere geht, sodass eine dennoch vom Drittschuldner gegen das Zahlungsverbot ergriffene Beschwerde als unzulässig zurückzuweisen ist (), kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass der betreffende Pfändungsbescheid mit Beschwerdevorentscheidung vom aufgehoben wurde, weshalb die auf diesen Bescheid gerichtete Beschwerde des Bf. gemäß § 260 Abs. 1 lit. a BAO als unzulässig geworden zurückzuweisen war.

Zu Spruchpunkt II. (Stattgabe und Aufhebung)

Verjährung

Gegen den Anspruch können im Zuge des finanzbehördlichen Vollstreckungsverfahrens gemäß § 12 Abs. 1 AbgEO nur insofern Einwendungen erhoben werden, als diese auf den Anspruch aufhebenden oder hemmenden Tatsachen beruhen, die erst nach Entstehung des diesem Verfahren zugrundeliegenden Exekutionstitels eingetreten sind.

Zum Einwand des Bf., dass die Haftungsschuld verjährt sei, ist festzustellen, dass nach der Entstehung des dem Vollstreckungsverfahren zu Grunde liegenden Exekutionstitels (Rückstandsausweises) eingetretene, den Anspruch aufhebende bzw. hemmende Tatsachen - so auch die Einbringungsverjährung nach § 238 Abs. 1 BAO - gemäß § 12 Abs. 1 AbgEO eingewendet werden können ().

Gemäß § 238 Abs. 1 BAO verjährt das Recht, eine fällige Abgabe einzuheben und zwangsweise einzubringen, binnen fünf Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in welchem die Abgabe fällig geworden ist, keinesfalls jedoch früher als das Recht zur Festsetzung der Abgabe.

Gemäß § 238 Abs. 2 BAO wird die Verjährung fälliger Abgaben durch jede zur Durchsetzung des Anspruches unternommene, nach außen erkennbare Amtshandlung, wie durch Mahnung, durch Vollstreckungsmaßnahmen, durch Bewilligung einer Zahlungserleichterung oder durch Erlassung eines Haftungsbescheides unterbrochen. Mit Ablauf des Jahres, in welchem die Unterbrechung eingetreten ist, beginnt die Verjährungsfrist neu zu laufen.

Dem Einwand des Bf., dass die haftungsgegenständlichen Abgaben verjährt seien, ist die Aktenlage entgegenzuhalten, wonach ab (dem ältesten Fälligkeitstag) folgende Unterbrechungshandlungen gemäß § 238 Abs. 2 BAO, die die gemäß § 238 Abs. 1 BAO fünfjährige Einhebungsverjährungsfrist jeweils neu in Gang setzten, gesetzt wurden:


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Unterbrechungshandlung
Datum
Verjährungsfrist
verlängert bis
Haftungsbescheide Bf. und P-1
Erhebung der wirtschaftlichen Verhältnisse
bei P-1
Pfändungsbescheide


Dazu ist festzustellen, dass die zweite Geschäftsführerin P-1 ebenfalls für alle haftungsgegenständlichen Abgaben des Bf. mit Bescheid vom zur Haftung herangezogen wurde, weshalb die Unterbrechungshandlung vom auch für den Bf. Wirksamkeit hat.

Verwiesen wird auf die ständige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, wonach dieser den Standpunkt einer personenbezogenen Wirkung von Unterbrechungshandlungen für den Bereich der Einhebungsverjährung nicht mehr aufrecht hält und sich nunmehr zur Auffassung der anspruchsbezogenen Wirkung von Unterbrechungshandlungen derart bekennt, dass Amtshandlungen nach § 238 Abs. 2 BAO die Verjährung des in § 238 Abs. 1 BAO genannten Rechtes gegenüber jedem unterbrechen, der als Zahlungspflichtiger in Betracht kommt, ohne dass es rechtlich von Bedeutung wäre, gegen wen sich solche Amtshandlungen gerichtet hatten. Der Text dieser Vorschrift nimmt nicht Bezug auf eine Person, sondern handelt allein vom Anspruch. "Jede" zur Durchsetzung "des Anspruches" unternommene, nach außen "erkennbare" Amtshandlung wird als verjährungsunterbrechend normiert, ohne dass diesem Gesetzestext ein Anhaltspunkt für die Anordnung entnommen werden kann, eine bestimmte, von einer solchen Amtshandlung "betroffene" Person in das die Verjährungsunterbrechung bewirkende Geschehen einzubinden ().

Durch die Anmeldung im Insolvenzverfahren wird gemäß § 9 Abs. 1 IO die Verjährung der angemeldeten Forderung unterbrochen. Die Verjährung der Forderung gegen den Schuldner beginnt von neuem mit dem Ablauf des Tages, an dem der Beschluss über die Aufhebung des Insolvenzverfahrens rechtskräftig geworden ist.

Darüber hinaus war auch auf Grund des vom bis anhängigen Insolvenzverfahrens, bei dem die haftungsgegenständlichen Forderungen angemeldet waren, die Verjährung gemäß § 9 Abs. 1 IO unterbrochen.

Daraus erhellt, dass eine Verjährung der Einhebung nach § 238 Abs. 1 BAO zufolge der regelmäßigen Unterbrechungshandlungen gemäß § 238 Abs. 2 BAO nicht eingetreten ist.

Zeichnungsberechtigung

Aus dem Einwand des Bf., dass mehrere der Bescheide sich auf Konten bezögen, auf denen er zwar zeichnungsberechtigt sei, die aber nicht ihm gehörten, lässt sich nichts gewinnen, weil die Frage, ob die gepfändete Forderung besteht oder nicht, nicht Gegenstand der Prüfung im Pfändungsverfahren ist. Hierüber kann nur im Streit zwischen Überweisungsgläubiger und Drittschuldner entschieden werden. Sollte die gepfändete Forderung nicht (oder noch nicht) bestehen, so ging die Exekution ins Leere (; ).

Vollstreckbarkeit und Exekutionstitel

Abgabenschuldigkeiten, die nicht spätestens am Fälligkeitstag entrichtet werden, sind gemäß § 226 BAO in dem von der Behörde festgesetzten bzw. vom Abgabepflichtigen bekannt gegebenen Ausmaß vollstreckbar.

Als Grundlage für die Einbringung ist gemäß § 229 BAO über die vollstreckbar gewordenen Abgabenschuldigkeiten ein Rückstandsausweis elektronisch oder in Papierform auszustellen. Dieser hat Namen und Anschrift des Abgabepflichtigen, den Betrag der Abgabenschuld, zergliedert nach Abgabenschuldigkeiten, und den Vermerk zu enthalten, dass die Abgabenschuld vollstreckbar geworden ist (Vollstreckbarkeitsklausel). Der Rückstandsausweis ist Exekutionstitel für das finanzbehördliche und gerichtliche Vollstreckungsverfahren.

Als Exekutionstitel für die Vollstreckung von Abgabenansprüchen kommen gemäß § 4 AbgEO die über Abgaben ausgestellten Rückstandsausweise in Betracht.

Den verfahrensgegenständlichen Pfändungsbescheiden liegt ein Rückstandsausweis vom iSd § 229 BAO iVm § 4 AbgEO zugrunde, der vollstreckbare Abgabenschuldigkeiten iSd § 226 BAO in der Höhe von € 23.890,38 ausweist.

Zustellung der Berufungsvorentscheidung

Wenn der Abgabenschuldner bestreitet, dass die Vollstreckbarkeit eingetreten ist oder dass die Abgabenbehörde auf die Einleitung der Vollstreckung überhaupt oder für eine einstweilen noch nicht abgelaufene Frist verzichtet hat, so hat er seine bezüglichen Einwendungen gemäß § 13 Abs. 1 AbgEO bei der Abgabenbehörde (§ 12 Abs. 2) geltend zu machen.

Im gegenständlichen Fall wurde iSd § 13 AbgEO vorgebracht, dass dem Bf. die Berufungsvorentscheidung vom nicht zugestellt worden sei.

Dazu wird folgender Sachverhalt festgestellt:

Mit Bescheid vom wurde der Bf. zur Haftung für Abgabenschuldigkeiten der G-1 in der Höhe von € 23.890,38 in Anspruch genommen. Die dagegen am eingebrachte Berufung wies das Finanzamt mit Bescheid vom als verspätet zurück. Die dagegen am erhobene Berufung wurde mit Berufungsvorentscheidung vom abgewiesen. Die vom Finanzamt behauptete Zustellung durch Hinterlegung am konnte jedoch nicht erwiesen werden.

Erledigungen werden gemäß § 97 Abs. 1 lit. a BAO dadurch wirksam, dass sie demjenigen bekanntgegeben werden, für den sie ihrem Inhalt nach bestimmt sind. Die Bekanntgabe erfolgt bei schriftlichen Erledigungen durch Zustellung.

Kann das Dokument an der Abgabestelle nicht zugestellt werden und hat der Zusteller Grund zur Annahme, dass sich der Empfänger oder ein Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 regelmäßig an der Abgabestelle aufhält, so ist das Dokument gemäß § 17 Abs. 1 ZustG im Falle der Zustellung durch den Zustelldienst bei seiner zuständigen Geschäftsstelle, in allen anderen Fällen aber beim zuständigen Gemeindeamt oder bei der Behörde, wenn sie sich in derselben Gemeinde befindet, zu hinterlegen.

Das hinterlegte Dokument ist gemäß § 17 Abs. 3 ZustG mindestens zwei Wochen zur Abholung bereitzuhalten. Der Lauf dieser Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Dokument erstmals zur Abholung bereitgehalten wird. Hinterlegte Dokumente gelten mit dem ersten Tag dieser Frist als zugestellt. Sie gelten nicht als zugestellt, wenn sich ergibt, dass der Empfänger oder dessen Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung an dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag innerhalb der Abholfrist wirksam, an dem das hinterlegte Dokument behoben werden könnte.

Laut Zentralmelderegister befand sich der Hauptwohnsitz des Bf. im Zeitraum vom bis an der Adresse A-3.

An die Anschrift A-4, wie auf den Schriftstücken des Bf. - so auch auf der Berufung vom - bezeichnet, war die seitens des Finanzamtes übermittelte Berufungsvorentscheidung des Finanzamtes vom gerichtet, die laut Vermerk im elektronischen Akt am zur Abholung durch den Bf. bei der Post gemäß § 17 ZustG hinterlegt worden sei.

Gegenstand des Verfahrens ist die Frage, ob eine ordnungsgemäße Zustellung durch Hinterlegung gemäß § 17 ZustG bewirkt wurde.

Dem Einwand des Bf., die Berufungsvorentscheidung vom nicht erhalten zu haben, kommt Berechtigung zu, da das Finanzamt der Aufforderung des Bundesfinanzgerichtes zur Vorlage des Zustellnachweises nicht nachkommen konnte, da der Rückschein nicht auffindbar sei.

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kann ohne aktenmäßigen Nachweis über die Zustellung eines Schriftstückes die Behörde den Lauf der Berufungsfrist nicht mit irgendeinem bestimmten Tag als "feststehend" betrachten. So wie es Sache der Behörde ist, darüber zu wachen, dass die gesetzliche Berufungsfrist seitens der Partei eingehalten wird, so obliegt es der Behörde auch, die aktenmäßigen Grundlagen dafür zu schaffen, dass der Beginn des Fristenlaufes kalendermäßig festgestellt werden kann. Hat die Behörde den Zustellnachweis für entbehrlich gefunden, so muss sie die Folgen auf sich nehmen, wenn sie späterhin der Behauptung der Partei, sie hätte den Bescheid nicht empfangen, nicht wirksam entgegenzutreten vermag (vgl. ).

Durch Einbringung einer Bescheidbeschwerde wird die Wirksamkeit des angefochtenen Bescheides gemäß § 254 BAO nicht gehemmt, insbesondere die Einhebung und zwangsweise Einbringung einer Abgabe nicht aufgehalten.

Daraus lässt sich aber für den Bf. zunächst nichts gewinnen, weil durch die Einbringung der Berufung vom gegen den Bescheid vom über die Zurückweisung der Berufung vom gegen den Haftungsbescheid vom gemäß § 254 BAO die Wirksamkeit des Haftungsbescheides nicht gehemmt sowie die Einhebung und zwangsweise Einbringung der haftungsgegenständlichen Abgaben nicht aufgehalten wurden.

Hemmung der Einbringung

Die Einhebung einer Abgabe, deren Höhe unmittelbar oder mittelbar von der Erledigung einer Bescheidbeschwerde abhängt, ist gemäß § 212a Abs. 1 BAO auf Antrag des Abgabepflichtigen von der Abgabenbehörde insoweit auszusetzen, als eine Nachforderung unmittelbar oder mittelbar auf einen Bescheid, der von einem Anbringen abweicht, oder auf einen Bescheid, dem kein Anbringen zugrunde liegt, zurückzuführen ist, höchstens jedoch im Ausmaß der sich bei einer dem Begehren des Abgabepflichtigen Rechnung tragenden Beschwerdeerledigung ergebenden Herabsetzung der Abgabenschuld. Dies gilt sinngemäß, wenn mit einer Bescheidbeschwerde die Inanspruchnahme für eine Abgabe angefochten wird.

Wurde ein Antrag auf Aussetzung der Einhebung gestellt, so dürfen gemäß § 230 Abs. 6 BAO Einbringungsmaßnahmen hinsichtlich der davon nach Maßgabe des § 212 a Abs. 1, 2 lit. b, 2a und 3 letzter Satz betroffenen Abgaben bis zu seiner Erledigung weder eingeleitet noch fortgesetzt werden.

Allerdings wurde eine Hemmung der Einbringung gemäß § 230 Abs. 6 BAO bewirkt, da in den Berufungen vom (gegen den Haftungsbescheid vom ) und vom (gegen den Zurückweisungsbescheid vom , mittelbare Abhängigkeit) Anträge gemäß § 212a Abs. 1 BAO auf Aussetzung der Einhebung der haftungsgegenständlichen Abgaben gestellt wurden. Diese Hemmung besteht unabhängig davon, ob der Aussetzungsantrag zeitgerecht eingebracht wurde (Ritz, BAO6, § 230 Rz 11) oder wie er zu erledigen ist (Ritz, BAO6, § 212a Rz 20).

Der Antrag bewirkt gemäß § 230 Abs. 6 BAO, dass Einbringungsmaßnahmen bis zu seiner Erledigung nicht eingeleitet oder fortgesetzt werden dürfen ().

Da diese Hemmung mangels Erledigung der beantragten Aussetzung der Einhebung bis dato nicht aufgehoben wurde, wurde die Abgabenbehörde trotz fehlender Zahlungen des Bf. und Eintritts der Vollstreckbarkeit gemäß § 226 BAO zur Vornahme von Exekutionsmaßnahmen, wie der Pfändung von Geldforderungen, nicht ermächtigt.

Den Beschwerden gegen die Pfändungsbescheide vom betreffend Geldforderungen des Bf. gegenüber der B-2, der B-3, der B-4 sowie der B-5 war daher Folge zu geben und die Bescheide aufzuheben.

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Zu Spruchpunkt III. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt hier nicht vor. Die Entscheidung folgt vielmehr dem klaren Gesetzeswortlaut sowie der dargestellten Judikatur des VwGH.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 65 Abs. 1 AbgEO, Abgabenexekutionsordnung, BGBl. Nr. 104/1949
§ 260 Abs. 1 lit. a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 12 Abs. 1 AbgEO, Abgabenexekutionsordnung, BGBl. Nr. 104/1949
§ 238 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 238 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 226 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 229 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 4 AbgEO, Abgabenexekutionsordnung, BGBl. Nr. 104/1949
§ 13 Abs. 1 AbgEO, Abgabenexekutionsordnung, BGBl. Nr. 104/1949
§ 212a Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 230 Abs. 6 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.7104681.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at