Bescheidbeschwerde – Einzel – Beschluss, BFG vom 16.02.2021, RV/5100005/2021

Beschwerde gegen Wiederaufnahmebescheid und Sachbescheid; Beschwerdevorentscheidung nur hinsichtlich Beschwerde gegen Sachbescheid und Vorlageantrag nur betreffend Sachbescheid

Entscheidungstext

Beschluss

Das Bundesfinanzgericht beschließt durch den Richter Mag. Günter Narat in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr*** vertreten durch die mit Zustellvollmacht ausgewiesene Estermann & Partner OG, 5230 Mattighofen, Stadtplatz 6, betreffend den Bescheid des Finanzamtes Braunau Ried Schärding vom hinsichtlich Einkommensteuer 2017:

  • Die Beschwerdevorentscheidung vom betreffend Einkommensteuer 2017 wird aufgehoben.

  • Der Vorlageantrag vom betreffend Einkommensteuer 2017 wird als unzulässig (geworden) zurückgewiesen.

  • Es wird festgestellt, dass das Bundesfinanzgericht (derzeit) für die Erledigung der Beschwerde vom gegen den Einkommensteuerbescheid 2017 vom nicht zuständig ist. Das Verfahren vor dem Bundesfinanzgericht wird eingestellt.

  • Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist gem. Art. 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Begründung

Verfahrensgang / Sachverhalt

Das Finanzamt nahm mit Bescheid vom das Verfahren hinsichtlich der Einkommensteuer für das Jahr 2017 gemäß § 303 Abs 1 BAO wieder auf und setzte die Einkommensteuer für das Jahr 2017 neu fest. Am wurde vom Finanzamt ein Bescheid über die Festsetzung von Anspruchszinsen 2017 erlassen.

Mit Schreiben vom erhob der Beschwerdeführer (in der Folge kurz BF) gegen den Wiederaufnahmebescheid betreffend Einkommensteuer 2017, gegen den Einkommensteuerbescheid 2017 und den Bescheid über die Festsetzung von Anspruchszinsen 2017 das Rechtsmittel der Beschwerde.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2017 als unbegründet ab. Die Beschwerde gegen den Bescheid betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Einkommensteuer 2017 und gegen den Bescheid betreffend Festsetzung der Anspruchszinsen 2017 blieb unerledigt.

Mit Schreiben vom brachte der BF einen Vorlageantrag beim Finanzamt ein und beantragte, das Finanzamt möge die Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2017 dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorlegen.

Das Finanzamt legte die Beschwerde am dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor.

Beweiswürdigung

Die obigen unstrittigen Sachverhaltsfeststellungen sind allesamt aktenkundig und können somit gemäß § 167 Abs 2 BAO als erwiesen angenommen werden.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 243 BAO sind gegen Bescheide, die Abgabenbehörden erlassen, Beschwerden (Bescheidbeschwerden) an die Verwaltungsgerichte zulässig, soweit in Abgabenvorschriften nicht anderes bestimmt ist.

Gemäß § 262 Abs 1 BAO ist über Bescheidbeschwerden nach Durchführung der etwa noch erforderlichen Ermittlungen von der Abgabenbehörde, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat, mit als Beschwerdevorentscheidung zu bezeichnendem Bescheid abzusprechen. In den in den Absätzen 2 bis 4 genannten Fällen (welche im Beschwerdefall nicht vorliegen) hat die Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung zu unterbleiben.

Gegen eine Beschwerdevorentscheidung kann gemäß § 264 Abs 1 BAO innerhalb eines Monats ab Bekanntgabe der Antrag auf Entscheidung über die Bescheidbeschwerde durch das Verwaltungsgericht gestellt werden (Vorlageantrag). Der Vorlageantrag hat die Bezeichnung der Beschwerdevorentscheidung zu enthalten.

§§ 265 und 266 BAO (samt Überschrift) lauten:

"11. Vorlage der Beschwerde und der Akten

§ 265. (1) Die Abgabenbehörde hat die Bescheidbeschwerde, über die keine Beschwerdevorentscheidung zu erlassen ist oder über die infolge eines Vorlageantrages vom Verwaltungsgericht zu entscheiden ist, nach Durchführung der etwa noch erforderlichen Ermittlungen ohne unnötigen Aufschub dem Verwaltungsgericht vorzulegen.

(2) Die Vorlage der Bescheidbeschwerde hat jedenfalls auch die Vorlage von Ablichtungen (Ausdrucken) des angefochtenen Bescheides, der Beschwerdevorentscheidung, des Vorlageantrages und von Beitrittserklärungen zu umfassen.

(3) Der Vorlagebericht hat insbesondere die Darstellung des Sachverhaltes, die Nennung der Beweismittel und eine Stellungnahme der Abgabenbehörde zu enthalten.

(4) Die Abgabenbehörde hat die Parteien (§ 78) vom Zeitpunkt der Vorlage an das Verwaltungsgericht unter Anschluss einer Ausfertigung des Vorlageberichtes zu verständigen.

(5) Partei im Beschwerdeverfahren vor dem Verwaltungsgericht ist auch die Abgabenbehörde, deren Bescheid mit Bescheidbeschwerde angefochten ist.

(6) Die Abgabenbehörde ist ab der Vorlage der Bescheidbeschwerde verpflichtet, das Verwaltungsgericht über Änderungen aller für die Entscheidung über die Beschwerde bedeutsamen tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse unverzüglich zu verständigen. Diese Pflicht besteht ab Verständigung (Abs. 4) auch für den Beschwerdeführer.

§ 266. (1) Die Abgabenbehörde hat, soweit nicht anderes angeordnet ist, gleichzeitig mit der Vorlage der Bescheidbeschwerde die Akten (samt Aktenverzeichnis) vorzulegen. Die Abgabenbehörde hat den Parteien (§ 78) eine Ausfertigung des Aktenverzeichnisses zu übermitteln.

(2) Mit Zustimmung des Verwaltungsgerichtes darf die Übermittlung der Beschwerde (§ 265) und die Aktenvorlage (Abs. 1) in Form von Ablichtungen erfolgen.

(3) Soweit Akten oder Beweismittel nur auf Datenträgern vorliegen, sind auf Verlangen des Verwaltungsgerichtes ohne Hilfsmittel lesbare, dauerhafte Wiedergaben von der Abgabenbehörde bzw. von der Partei (§ 78) beizubringen.

(4) Soweit die Abgabenbehörde die Vorlage von Akten (Abs. 1 bzw. bezüglich Maßnahmenbeschwerden oder Säumnisbeschwerden auf Verlangen des Verwaltungsgerichtes) unterlässt, kann das Verwaltungsgericht nach erfolgloser Aufforderung unter Setzung einer angemessenen Nachfrist auf Grund der Behauptungen des Beschwerdeführers erkennen."

In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage zum FVwGG 2012 (2007 BlgNR 24. GP 18) wird u.a. ausgeführt, § 265 Abs 2 und 3 BAO "soll den Verwaltungsgerichten den Überblick über die strittigen Sach- und Rechtsfragen erleichtern".

Der Entscheidungspflicht des Bundesfinanzgerichtes unterliegt nach diesen Bestimmungen die von der Abgabenbehörde dem Bundesfinanzgericht vorgelegte Bescheidbeschwerde.

Zuständig zu einer Entscheidung (in der Sache) ist das Bundesfinanzgericht freilich im Regelfall nur dann, wenn zuvor bereits die Abgabenbehörde mit Beschwerdevorentscheidung entschieden hat und dagegen ein Vorlageantrag erhoben wurde. Der Vorlagebericht dient hingegen - wie aus den Gesetzesmaterialien hervorgeht - bloß dazu, um den Verwaltungsgerichten den Überblick zu erleichtern. Der Vorlagebericht (für sich) ist nicht als Antrag der Abgabenbehörde als Partei im Beschwerdeverfahren (§ 265 Abs 5 BAO) zu beurteilen, der gemäß § 291 Abs 1 BAO der Entscheidungspflicht unterliegen würde.

Auch ist es nicht der Vorlagebericht, der den Lauf der Entscheidungsfrist auslöst; die Entscheidungsfrist beginnt vielmehr mit der Vorlage der Beschwerde. Dass eine Mangelhaftigkeit des Vorlageberichts Auswirkungen auf die Zuständigkeit des Bundesfinanzgerichtes zur Entscheidung in der Sache oder auf den Beginn des Laufes der Entscheidungsfrist hätte, ist dem Gesetz nicht zu entnehmen.

Wenn der Vorlagebericht andere (oder zusätzliche oder auch weniger) anzufechtende Bescheide bzw. erhobene Rechtsmittel nennt als jene, die vorgelegt werden, so wird das Bundesfinanzgericht diesen Widerspruch aber aufzuklären haben (§ 115 BAO).

Gemäß § 262 Abs 1 BAO hat die Abgabenbehörde grundsätzlich zwingend über Bescheidbeschwerden mit Beschwerdevorentscheidung abzusprechen; nach Abs 2 leg. cit. hat die Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung zu unterbleiben, wenn ein diesbezüglicher Antrag in der Bescheidbeschwerde gestellt wurde und die Abgabenbehörde die Beschwerde innerhalb von drei Monaten dem Verwaltungsgericht vorlegt; Abs 3 leg. cit. ordnet weiters die unverzügliche Vorlage der Beschwerde an das Verwaltungsgericht an, wenn darin lediglich die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen, die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen oder die Rechtswidrigkeit von Staatsverträgen behauptet wird.

Nach den getroffenen Sachverhaltsfeststellungen hat die belangte Behörde lediglich hinsichtlich der Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2017 eine Beschwerdevorentscheidung erlassen. Die Beschwerde gegen den Bescheid betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Einkommensteuer 2017 und gegen den Bescheid betreffend Festsetzung der Anspruchszinsen 2017 blieb unerledigt. Der Vorlageantrag des BF umfasst nur die Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2017.

Die Entscheidung über die Wiederaufnahme des Verfahrens und die Sachentscheidung haben jeweils für sich Bescheidqualität und jeder dieser Bescheide ist für sich einer Beschwerde zugänglich und für sich rechtskraftfähig (). Werden sowohl der Wiederaufnahmebescheid als auch der im wiederaufgenommenen Verfahren ergangene Sachbescheid mit Beschwerde bekämpft, so ist zunächst über die Beschwerde gegen den Wiederaufnahmebescheid zu entscheiden.

Wird das Rechtsmittel gegen den Wiederaufnahmebescheid - wie im gegenständlichen Fall - unerledigt gelassen und vorerst über die Beschwerde gegen den neuen Sachbescheid abgesprochen, ist die Entscheidung der Rechtsmittelbehörde inhaltlich rechtswidrig ().

Aus diesem Grund kommt auch eine Entscheidung des Gerichts über die Beschwerde gegen den im wiederaufgenommenen Verfahren ergangenen Sachbescheid nicht in Betracht (; ), da die Beschwerde gegen die Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Einkommensteuer 2017 bisher nicht mit Beschwerdevorentscheidung erledigt wurde und keiner der Fälle des § 262 Abs 2, 3 oder 4 BAO vorliegt (; ).

Im Falle einer rechtswidrig unterlassenen Beschwerdevorentscheidung ist das Verfahren vom Gericht mit Beschluss einzustellen (; ). Das Bundesfinanzgericht steht nun vor der Situation, dass über die Einkommensteuer 2017 gar nicht rechtmäßig entschieden werden könnte, da die Beschwerde gegen die Wiederaufnahme der Verfahren noch unerledigt ist.

Über die Beschwerde betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens kann das Bundesfinanzgericht nicht entscheiden, da diese einerseits vom gegenständlichen Vorlageantrag nicht umfasst ist und andererseits dazu (noch) keine Zuständigkeit besteht. Somit ist das Bundesfinanzgericht (noch) nicht zuständig für die Erledigung der Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2017.

Es ist aber geboten, den rechtswidrigen Zustand zu beseitigen, der durch die Erlassung der Beschwerdevorentscheidung vom betreffend Einkommensteuer 2017 entstanden ist, ohne dass vorher über das Rechtsmittel gegen den diesbezüglichen Wiederaufnahmebescheid entschieden wurde. Dies ist nur durch Aufhebung der Beschwerdevorentscheidung vom betreffend Einkommensteuer 2017 möglich. Dies ist ein verfahrensleitender Beschluss, der gemäß § 25a Abs 3 VwGG und § 88a Abs 3 VfGG nicht gesondert bekämpfbar ist, da dadurch das Rechtsmittelverfahren nicht abschließend erledigt wird, sondern lediglich der belangten Behörde ermöglicht wird, rechtmäßig das Rechtsmittelverfahren weiter zu führen.

Daraus ergibt sich aber auch die Unzulässigkeit des Vorlageantrages vom . Die Befugnis zur Stellung eines Vorlageantrags setzt eine Beschwerdevorentscheidung voraus. Wird bei einer wirksam eingebrachten Bescheidbeschwerde die Beschwerdevorentscheidung aufgehoben, fällt diese Befugnis weg. Der Vorlageantrag ist dann gleichfalls mit verfahrensleitendem Beschluss zurückzuweisen, der gemäß § 25a Abs 3 VwGG und § 88a Abs 3 VfGG nicht gesondert bekämpfbar ist, da dadurch das Rechtsmittelverfahren nicht abschließend erledigt wird, zumal die Beschwerde weiterhin im vollem Umfang anhängig bleibt ().

Gemäß § 274 Abs 3 Z 1 lit a iVm Abs 5 BAO kann im Falle der Zurückweisung des Vorlageantrages von einer beantragten mündlichen Verhandlung abgesehen werden. Angesichts der Aktenlage und der zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht zweckmäßig (vgl. dazu auch .

Revision

Das Verwaltungsgericht hat im Spruch seines Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen (§ 25a Abs 1 VwGG).

Gegen einen Beschluss des Verwaltungsgerichtes ist eine Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere, weil der Beschluss von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird (Art. 133 Abs 4 B-VG).

Dies trifft nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht zu, wenn die in Betracht kommenden Normen klar und eindeutig sind (vgl. mit vielen weiteren Nachweisen).

Die Revision ist aufgrund der im Zuge der rechtlichen Beurteilung dargestellten Rechts- und Judikaturlage (vgl. insbesondere ) nicht zulässig.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 243 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 262 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 264 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 265 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 266 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 265 Abs. 2 und 3 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 265 Abs. 5 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 291 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 115 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 262 Abs. 2, 3 oder 4 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 25a Abs. 3 VwGG, Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, BGBl. Nr. 10/1985
§ 88a Abs. 3 VfGG, Verfassungsgerichtshofgesetz 1953, BGBl. Nr. 85/1953
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.5100005.2021

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at