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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 29.01.2021, RV/7500818/2020

Einspruch gegen ohne Zustellnachweis zugestellte Strafverfügung ist nicht wegen Verspätung zurückzuweisen, wenn der Adressat behauptet, diese erst zu einem späteren Zeitpunkt bekommen zu haben

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Dr. Birgitt Koran in der Verwaltungsstrafsache gegen ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde des Beschuldigten vom gegen den Zurückweisungsbescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 67 vom , Zahl: MA67/2067006553172020, mit dem der Einspruch gegen die Strafverfügung vom mit derselben Geschäftszahl gemäß § 49 Abs. 1 VStG als verspätet zurückgewiesen wurde, zu Recht erkannt:

I. Gemäß § 50 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) wird der Beschwerde stattgegeben und der angefochtene Zurückweisungsbescheid aufgehoben.

II. Eine Revision durch die beschwerdeführende Partei wegen Verletzung in Rechten nach Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG ist gemäß § 25a Abs. 4 VwGG kraft Gesetzes nicht zulässig.

Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine ordentliche Revision durch die belangte Behörde nach Art. 133 Abs. 6 Z 2 B-VG nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Mit Strafverfügung des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 67, vom , Zahl: MA67/206700655317/2020, wurde Herr ***Bf1*** (in weiterer Folge: Beschwerdeführer) der Begehung einer Verwaltungsübertretung nach § 5 Abs. 2 Wiener Parkometerabgabeverordnung für schuldig erkannt und über ihn nach § 4 Abs. 1 Wiener Parkometergesetz 2006 eine Geldstrafe in der Höhe von € 60,00 verhängt und für den Fall ihrer Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 14 Stunden festgesetzt.

Der mit Einschreiben vom eingebrachte Einspruch gegen diese Strafverfügung wurde vom Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 67, gemäß § 49 Abs. 1 VStG als verspätet zurückgewiesen.

Der Zurückweisungsbescheid der belangten Behörde vom Zahl: MA67/2067006553172020, wurde folgendermaßen begründet:

"Gemäß § 49 Abs. 1 VStG kann der Beschuldigte gegen die Strafverfügung binnen zwei Wochen nach deren Zustellung Einspruch erheben und dabei die seiner Verteidigung dienlichen Beweismittel vorbringen. Der Einspruch kann auch mündlich erhoben werden. Er ist bei der Behörde einzubringen, die die Strafverfügung erlassen hat.

Die gegenständliche Strafverfügung wurde am dem Zustellprozess übergeben und es begann daher die dreitägige Zustellfrist analog zu § 26 Abs. 2 Zustellgesetz (ZustellG).

Der Einspruch wurde trotz richtiger und vollständiger Rechtsmittelbelehrung jedoch erst am , somit nach Ablauf der Einspruchsfrist, eingebracht.

Dass ein Zustellmangel unterlaufen ist und Sie nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnten, war nicht anzunehmen, haben Sie doch zum Vorhalt der Verspätung vom keine Stellung genommen.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Rechtsmittelfrist eine zwingende, auch durch die Behörde nicht erstreckbare gesetzliche Frist. Der Behörde ist es deshalb durch die verspätete Einbringung des Einspruchs rechtlich verwehrt eine Sachentscheidung zu treffen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden."

In einer Klarstellung vom (Datum des Poststempels) wurde ausgeführt:

"zu den obigen Aktenzahlen und ihrer Einspruchsabweisung, möchte ich folgendes Klarstellen. Die Strafverfügungen kamen nicht eingeschrieben und wurden uns nicht wie sie annehmen 3 Tage später zugestellt, sondern erst in der Woche vom , worauf umgehend mit der Einspruch an sie geschrieben wurde.
Da ich nicht für die Zustellung der Post verantwortlich bin, kann mir diese auch nicht ausgelastet werden.
***1*** ist ein Transportunternehmen und an beiden Tagen ist einer der Fahrer mit dem Wagen gefahren. Ich Bitte sie daher nochmalig um Zusendung der jeweiligen Lenkerauskünfte."

Die Beschwerde wurde am erhoben, eine mündliche Verhandlung beantragt und dabei auf die Klarstellung vom verwiesen, dass bei einem nicht eingeschriebenen Brief nicht von einer Zustellung binnen drei Tagen ausgegangen werden könne bzw. dass der Vorwurf, keine Stellungnahme zum Verspätungsvorhalt abgegeben zu haben, durch diese Klarstellung nicht haltbar sei. Der Antrag auf mündliche Verhandlung wurde am zurückgezogen.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

§ 49 VStG normiert:

"(1) Der Beschuldigte kann gegen die Strafverfügung binnen zwei Wochen nach deren Zustellung Einspruch erheben und dabei die seiner Verteidigung dienlichen Beweismittel vorbringen. Der Einspruch kann auch mündlich erhoben werden. Er ist bei der Behörde einzubringen, die die Strafverfügung erlassen hat.

(2) Wenn der Einspruch rechtzeitig eingebracht und nicht binnen zwei Wochen zurückgezogen wird, ist das ordentliche Verfahren einzuleiten. Der Einspruch gilt als Rechtfertigung im Sinne des § 40. Wenn im Einspruch ausdrücklich nur das Ausmaß der verhängten Strafe oder die Entscheidung über die Kosten angefochten wird, dann hat die Behörde, die die Strafverfügung erlassen hat, darüber zu entscheiden. In allen anderen Fällen tritt durch den Einspruch, soweit er nicht binnen zwei Wochen zurückgezogen wird, die gesamte Strafverfügung außer Kraft. In dem auf Grund des Einspruches ergehenden Straferkenntnis darf keine höhere Strafe verhängt werden als in der Strafverfügung.

(3) Wenn ein Einspruch nicht oder nicht rechtzeitig erhoben oder zurückgezogen wird, ist die Strafverfügung zu vollstrecken."

§ 26 Zustellgesetz normiert:

"(1) Wurde die Zustellung ohne Zustellnachweis angeordnet, wird das Dokument zugestellt, indem es in die für die Abgabestelle bestimmte Abgabeeinrichtung (§ 17 Abs. 2) eingelegt oder an der Abgabestelle zurückgelassen wird.

(2) Die Zustellung gilt als am dritten Werktag nach der Übergabe an das Zustellorgan bewirkt. Im Zweifel hat die Behörde die Tatsache und den Zeitpunkt der Zustellung von Amts wegen festzustellen. Die Zustellung wird nicht bewirkt, wenn sich ergibt, dass der Empfänger wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung mit dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag wirksam."

Aktenkundig ist, dass die Strafverfügung vom , Zahl: MA67/206700655317/2020, am selben Tag genehmigt und ohne Zustellnachweis versendet wurde.
Somit besteht die widerlegbare gesetzliche Vermutung, dass das behördliche Dokument am rechtmäßig zugestellt wurde.

Der Beschwerdeführer hat geltend gemacht, die verfahrensgegenständliche Strafverfügung erst in der Woche ab dem erhalten zu haben.

Nach geltendem Recht ist wesentlich, dass Zweifel am Zustellvorgang oder seinem Zeitpunkt bestehen. Weiterhin hat aber nicht etwa der Empfänger eines - ohne Zustellnachweis versendeten - Dokuments nachzuweisen (oder auch nur glaubhaft zu machen), dass es zu (allgemeinen) Zustellproblemen gekommen sei; auch hat er nicht nachzuweisen (oder glaubhaft zu machen), dass er die Sendung nicht erhalten habe. Es hat vielmehr die Behörde die wirksame Zustellung nachzuweisen. Die Behauptung reicht also weiterhin solange aus, als ihr nicht wirksam entgegengetreten werden kann. Dies gilt auch für den Zeitpunkt einer unstrittig erfolgten Zustellung ohne Zustellnachweis. Zutreffend betont der VwGH, dass etwa die "Prinzipien der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit", die die Behörde zur Zustellung ohne Zustellnachweis veranlasst haben mögen, sodass bisweilen "grundsätzlich mit Normalpost" zugestellt wird, nichts an der Beweislast der Behörde ändern (vgl. Stumvoll in Fasching/Konecny3 II/2 § 26 ZustG, Rz 12 und 12/1).

Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 26 Abs. 2 Zustellgesetz hat die Behörde bei Zustellungen ohne Zustellnachweis die Folge zu tragen, dass der Behauptung der Partei, sie habe ein Schriftstück nicht empfangen, nicht wirksam entgegengetreten werden kann. Bei bestrittenen Zustellungen ohne Zustellnachweis hat die Behörde die Tatsache der Zustellung nachzuweisen. In diesem Fall muss - mangels Zustellnachweises - der Beweis der erfolgten Zustellung auf andere Weise von der Behörde erbracht werden. Gelingt dies nicht, muss die Behauptung der Partei über die nicht erfolgte Zustellung als richtig angenommen werden. Diese Grundsätze gelten auch für den Nachweis des Zeitpunktes einer - unstrittig erfolgten - Zustellung ohne Zustellnachweis (vgl. , mwN).

Aus dem vorliegenden Akt geht hervor, dass die belangte Behörde dem Beschwerdeführer mit Schreiben vom die Verspätung seines Einspruchs vorgehalten und ihn aufgefordert hat eine allfällige Abwesenheit von der Abgabestelle geltend zu machen, aber von sich aus keine weiteren Schritte zur Feststellung des tatsächlichen Zustellzeitpunktes gesetzt hat.

Auch wenn der Beschwerdeführer den Verspätungsvorhalt vom nicht beantwortet hat und in seiner Beschwerde hinsichtlich des behaupteten Zustelltages ziemlich vage geblieben ist, so kann der tatsächliche Zustellzeitpunkt auf Basis der Aktenlage nicht exakt ermittelt werden.

In Übereinstimmung mit der herrschenden Lehre und Rechtsprechung hat aber die belangte Behörde und nicht der Beschwerdeführer den Zeitpunkt der Zustellung nachzuweisen, sodass dem behaupteten Zustelltag (ab dem ) mangels gegenteiliger Anhaltspunkte nicht wirksam entgegengetreten werden kann.

Der am eingebrachte Einspruch gegen die verfahrensgegenständliche Strafverfügung ist somit als fristgerecht anzusehen und durfte von der belangten Behörde nicht als verspätet zurückgewiesen werden.

Der Beschwerde war daher stattzugeben und der beschwerdegegenständliche Zurückweisungsbescheid vom , Zahl: MA67/2067006553172020, aufzuheben.

Zur Unzulässigkeit der Revision

Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine Revision nicht zulässig, da das Erkenntnis nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Eine solche Rechtsfrage lag verfahrensgegenständlich nicht vor.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Verwaltungsstrafsachen Wien
betroffene Normen
§ 49 VStG, Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr. 52/1991
§ 49 Abs. 1 VStG, Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr. 52/1991
§ 26 ZustG, Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.7500818.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at