Beschränkte Steuerpflicht eines im Inland tätig gewordenen Zahnarztes.
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri***
in der Beschwerdesache des ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Team Jünger Steuerberater OG, Kaiserjägerstraße 24, 6020 Innsbruck,
betreffend den Bescheid des ***FA*** vom hinsichtlich Einkommensteuer 2016, Steuernummer, ***BF1StNr1***,
zu Recht erkannt:
Der Beschwerde wird im Umfang der Beschwerdevorentscheidung teilweise Folge gegeben.
Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind der Beschwerdevorentscheidung vom zu entnehmen. Darüber hinausgehend ist die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang
Der Beschwerdeführer brachte binnen erstreckter Frist durch seine steuerliche Vertretung eine Beschwerde gegen den im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht (§ 1 Abs. 3 EStG 1988) erlassenen Einkommensteuerbescheid ein und legte gleichzeitig einen Jahresabschluss und Steuererklärungen vor. Er ersuchte, diese der Steuervorschreibung zugrundezulegen. Er beantragte zudem, als unbeschränkt steuerpflichtig behandelt zu werden und führte erläuternd aus, dass er während seiner Tätigkeit in der Ordination in ***1*** einen Wohnsitz in Österreich gehabt habe und diesen auch an mehreren Tagen pro Woche benutzt habe. Er verwies auf einen Melderegisterauszug.
In Beantwortung eines Mängelbehebungsauftrages ergänzte er durch seine steuerliche Vertretung: Seine Beschwerde richte sich gegen den angesetzten Gewinn aus selbständiger Arbeit. Die beantragten Änderungen könnten aus der inzwischen beim Finanzamt eingereichten Einnahmen-Ausgaben-Rechnung und der berichtigten Einkommensteuererklärung 2016 ersehen werden. Bisher seien die Steuerbemessungsgrundlagen anhand der vom Beschwerdeführer vorgelegten Belege geschätzt worden. Es werde beantragt, die nunmehr eingereichte Einnahmen-Ausgaben-Rechnung der Steuerbemessung zugrundezulegen.
Im Zuge mehrerer Ergänzungsersuchen wurde der Beschwerdeführer in der Folge aufgefordert, Betriebsausgaben wie Krankenversicherung, Mitgliedsbeiträge, gewerbliche Sozialversicherung, Kilometergeld sowie Kongress- und Reisespesen durch Aufstellungen, Fahrtenbuch und Zahlungsbelege nachzuweisen.
In der Folge erging eine teilweise stattgebende Beschwerdevorentscheidung, mit welcher u. a. geltend gemachte Fortbildungskosten nicht zur Gänze sowie Krankenversicherungsbeiträge der Gattin des Beschwerdeführers nicht als Betriebsausgaben anerkannt wurden. Die Kilometergelder wurden, da kein Fahrtenbuch geführt worden war, im Schätzungswege ermittelt, wobei das Finanzamt seiner Berechnung 32 Kalenderwochen mit Fahrten von 2 x 35 km an 6 Tagen pro Woche (= 13.440 km) zugrunde legte. Für die Zeit vor Beginn der Tätigkeit in Österreich () wurden zusätzlich Fahrten von 6 x 70 km, d. h. 420 km, für vorbereitende Besprechungen berücksichtigt.
Die Abgabenbehörde ging in ihrer Beschwerdevorentscheidung weiterhin von einer beschränkten Steuerpflicht aus (siehe Hinzurechnung von € 9.000,00 gemäß § 102 Abs. 3 EStG 1988), ohne auf die diesbezüglich in der Beschwerde geäußerten Einwände einzugehen.
Innerhalb erstreckter Frist brachte der Beschwerdeführer durch seine steuerliche Vertretung einen Antrag auf Vorlage seiner Beschwerde an das Bundesfinanzgericht ein und führte aus: Ohne Wohnsitz in Österreich wäre er nicht zur Ausübung seines Berufes als Zahnarzt berechtigt gewesen, daher habe er auch tatsächlich einen solchen Wohnsitz angemeldet. Die Frage stelle sich, ob unter diesen Umständen die Zurechnung von € 9.000,00 gemäß § 102 Abs. 3 EStG 1988 überhaupt gerechtfertigt sei.
Da er einen Nebenwohnsitz in Österreich gehabt habe, glaube er, in Österreich nicht beschränkt steuerpflichtig gewesen zu sein. Vielmehr habe grundsätzlich eine unbeschränkte Steuerpflicht bestanden, wobei allerdings im Hinblick auf den Mittelpunkt der Lebensinteressen im Ausland nach dem Doppelbesteuerungsabkommen nur die inländischen Einkünfte in Österreich steuerpflichtig seien - dies aber ohne Hinzurechnung der € 9.000,00. Gleichzeitig wurde ein Auszug aus dem Zentralmelderegister eingereicht, aus dem zu ersehen ist, dass der Beschwerdeführer von bis in Österreich, ***1***, einen Nebenwohnsitz angemeldet hatte. Darüber hinausgehend brachte der Beschwerdeführer keine Einwände gegen die Feststellungen in der Beschwerdevorentscheidung vor.
Im Anschluss richtete das Finanzamt ein weiteres Ergänzungsersuchen an den Beschwerdeführer. Er habe geltend gemacht, in Österreich unbeschränkt steuerpflichtig gewesen zu sein. Zur Abklärung des österreichischen Wohnsitzes werde er daher ersucht, einen Mietvertrag, Zahlungsnachweise der Miete, Zahlungsbelege von Möbeln bzw. Einrichtungsgegenständen (z.B. Geschirr, Bettwäsche), Telefonrechnungen von einem österreichischen Mobiltelefonanbieter oder Festnetz sowie Stromrechnungen vorzulegen.
Es wurde außerdem die Frage an ihn gerichtet, wo im Kalenderjahr 2016 seine Familie gelebt habe. In seiner streitgegenständlichen Beschwerde sei er bei der Berechnung des Kilometergeldes von einer 6- Tage -Woche ausgegangen und habe 420 km pro Woche veranschlagt. Dies stehe im Widerspruch zu seinem Vorbringen, wonach er den Wohnsitz in ***1*** an mehreren Tagen pro Woche genutzt habe. Er wurde um Stellungnahme gebeten.
In seiner Stellungnahme gab der Beschwerdeführer durch seine steuerliche Vertretung bekannt, es habe sich bei dem gemeldeten Zweitwohnsitz lediglich um ein Zimmer in der Nähe der Ordination bei einer Bekannten der Familie gehandelt. Der Beschwerdeführer habe es in wenigen Einzelfällen dann genutzt, wenn er infolge Notdienstes vor Ort anwesend sein musste. Die Unterkunft sei eine unentgeltliche, reine Schlafmöglichkeit ohne Kochgelegenheit oder andere zur Verfügung stehende Wohnräume gewesen. Es habe ihr daher auch die Eignung als Familienwohnsitz gefehlt. Der Familienwohnsitz habe sich weiterhin in ***2*** in der Schweiz befunden. Der Beschwerdeführer könne daher auch keine Kostennachweise, wie sie das Finanzamt angefordert habe, erbringen und mache solche Kosten auch nicht geltend.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Sachverhalt
Der Beschwerdeführer nahm am eine Tätigkeit als Zahnarzt in ***1***, Österreich, auf.
Sein Hauptwohnsitz, an dem auch seine Familie lebte, befand sich im ***2***, Schweiz.
Die Entfernung zwischen ***2*** und ***1*** beträgt 35 km.
Laut Kilometergeldaufstellung legte der Beschwerdeführer die Strecke von 35 km an 6 Tagen pro Woche 2 x täglich zurück.
In ***1*** war der Beschwerdeführer von bis mit einem Nebenwohnsitz gemeldet.
Bei dem Nebenwohnsitz handelte es sich um ein Zimmer bei einer Bekannten, dass der Beschwerdeführer in wenigen Einzelfällen, etwa bei Notdienst, als reine Schlafmöglichkeit nutzte. Das Zimmer wurde ihm unentgeltlich zur Verfügung gestellt.
Die Feststellungen zum Sachverhalt gründen sich auf unstrittigen Akteninhalt sowie auf eine Routenplaner-Abfrage (www.oeamtc.at/routenplaner).
Gesetzliche Grundlagen und rechtliche Beurteilung
Zu Spruchpunkt I. (teilweise Stattgabe)
Gemäß § 1 Abs. 2 EStG 1988 sind jene natürlichen Personen unbeschränkt steuerpflichtig, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. Die unbeschränkte Steuerpflicht erstreckt sich auf alle in-und ausländischen Einkünfte.
Gemäß Abs. 3 leg cit. sind jene natürlichen Personen beschränkt steuerpflichtig, die im Inland weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. Die beschränkte Steuerpflicht erstreckt sich nur auf die in § 98 EStG 1988 aufgezählten Einkünfte.
Gemäß § 98 Abs. 1 Z 2 EStG 1988 unterliegen der beschränkten Einkommensteuerpflicht u. a. Einkünfte aus selbständiger Arbeit (§ 22), die im Inland ausgeübt oder verwertet wird. Die Arbeit wird im Inland ausgeübt, wenn der Steuerpflichtige im Inland persönlich tätig geworden ist.
Gemäß § 26 Abs. 1 BAO hat eine Person einen Wohnsitz im Sinne der Abgabenvorschriften dort, wo sie eine Wohnung innehat unter Umständen, die darauf schließen lassen, dass sie die Wohnung beibehalten und benutzen wird.
Strittig ist: War der Beschwerdeführer aufgrund seines polizeilich gemeldeten Nebenwohnsitzes im Streitzeitraum unbeschränkt steuerpflichtig im Inland?
Ein Wohnsitz im Sinne des § 26 Abs. 1 BAO erfordert, dass der Steuerpflichtige die Wohnung "innehat", sie also jederzeit für die eigenen Wohnbedürfnisse nutzen kann. Dieses "Innehaben" muss unter Umständen erfolgen, die darauf schließen lassen, dass der Steuerpflichtige die Wohnung beibehalten und benutzen wird. Maßgebend sind dabei jeweils die tatsächlichen Verhältnisse, entscheidend ist die tatsächliche Verfügungsmacht. Um einen Wohnsitz zu begründen, bedarf es der tatsächlichen Verfügungsgewalt über bestimmte Räumlichkeiten, die nach der Verkehrsauffassung zum Wohnen geeignet sind, also ohne wesentliche Änderungen jederzeit zum Wohnen benutzt werden können (vgl. VwGH
, 2011/15/0133).
Als Rechtsgründe für ein solches Innehaben kommen vor allem Eigentum, Miete, Untermiete, Wohnungsrecht oder familienrechtliche Ansprüche (z.B. des Ehegatten) in Betracht; eine bestimmte rechtsgeschäftliche Form ist jedoch nicht Voraussetzung, ebensowenig wie eine ununterbrochene tatsächliche Benützung (vgl. mit Hinweisen auf Lehre und höchstgerichtliche Rechtsprechung).
Allein dadurch, dass, wenn auch mehrmalig und für längere Zeiträume, Wohnraum zur Verfügung gestellt wird, wird jedoch keine Verfügungsgewalt über eine Wohnung begründet, da sie in diesen Fällen nur aufgrund jeweiliger Willensentscheidungen des Wohnungsbesitzers überlassen wird (vgl. mit weiteren Hinweisen auf die höchstgerichtliche Rechtsprechung).
Die Frage, ob eine Person in Österreich unbeschränkt steuerpflichtig ist, richtet sich nicht nach einem Doppelbesteuerungsabkommen, sondern ausschließlich nach den inländischen steuerrechtlichen Vorschriften ().
Die polizeiliche An-und Abmeldung ist für die Frage des Wohnsitzes im Sinne des § 26 BAO nicht entscheidend. Sie kann lediglich im Zweifelsfall einen Anhaltspunkt bieten (vgl. Ellinger/Iro/Kramer/Sutter/Urtz, BAO, § 26, E11).
Umgelegt auf den Streitfall ist aus dem Vorstehenden abzuleiten:
Der Umstand, dass dem Beschwerdeführer gefälligkeitshalber von einer Bekannten für gelegentliche Übernachtungen im Rahmen von Notdiensten ein Zimmer unentgeltlich zur Verfügung gestellt wurde, räumte ihm keine Verfügungsgewalt über diesen Wohnraum ein. Vielmehr beruhte die fallweise situationsbedingte Benutzungsmöglichkeit auf der jeweiligen freien Willensentscheidung der Wohnungseigentümerin.
Es bestand nach dem festgestellten Sachverhalt keinerlei Rechtstitel, der dem Beschwerdeführer erlaubt hätte, nach eigenem Gutdünken über die Unterkunft zu verfügen und sie jederzeit für seine Wohnzwecke zu nützen. Er hat vielmehr in Beantwortung eines Ergänzungsersuchens selbst angegeben, es habe sich lediglich um ein Zimmer in der Nähe der Ordination gehandelt, welches er in wenigen Einzelfällen als Schlafgelegenheit nutzte und welches auch nicht als Familienwohnsitz geeignet gewesen wäre.
Zudem spricht die Kilometergeldaufstellung, nach welcher er an 6 Tagen (sic!) pro Woche den Weg von der Wohnung in ***2***, Schweiz, zur Ordination in ***1***, Österreich, und zurück absolvierte, dafür, dass er die Gelegenheitsunterkunft in ***1*** nicht im Sinne der gesetzlichen Definition "als Wohnsitz dauerhaft beibehalten und benutzen" wollte. Nach gegebenem Sachverhalt, war dies - abgesehen von der hierfür ohnedies fehlenden Eignung der Unterkunft - auch nicht erforderlich, zumal die verhältnismäßig geringe Entfernung zwischen Familienwohnsitz und Ordination ohne weiteres täglich zurückgelegt werden konnte.
Es liegt also das entscheidende Moment der objektiven "Innehabung" einer Wohnung, wie § 26 Abs. 1 BAO dies fordert, nicht vor. Die polizeiliche Anmeldung als Nebenwohnsitz vermag daran nichts zu ändern (siehe oben, Hinweis auf Lehre und Rechtsprechung). Zudem erfüllt ein Zimmer wie das beschriebene, das lediglich als gelegentlicher Schlafplatz diente und weder über eine Kochgelegenheit noch sonstigen Komfort verfügte, schon a priori nicht die Anforderungen an eine Wohnsitzqualifikation gemäß § 26 Abs. 1 BAO.
Der Beschwerdeführer hatte daher nach dem Regelungsinhalt des § 1 Abs. 2 EStG 1988 im Streitzeitraum keinen Wohnsitz in Österreich.
Auch ein - im Übrigen nicht eingewendeter - gewöhnlicher Aufenthalt im Inland ist zu verneinen. So hat der VwGH in seinem Erkenntnis vom , 0457/71, ausgesprochen, dass Grenzgänger, die täglich nach Hause (ins Ausland) zurückkehren, keinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben; sie sind beschränkt steuerpflichtig.
Mangels Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthaltes im Inland lag daher im Streitzeitraum keine unbeschränkte Steuerpflicht gemäß § 1 Abs. 2 EStG 1988 vor. Der Beschwerdeführer unterlag mit seinen Einkünften aus selbständiger Arbeit gemäß § 1 Abs. 3 EStG 1988 iVm § 98 Abs. 1 Z 2 EStG 1988 der beschränkten Steuerpflicht, weshalb auch die Hinzurechnung von € 9.000,00 gemäß § 102 Abs. 3 EStG 1988 zu Recht erfolgte.
Insgesamt war wie im Spruch zu entscheiden.
2.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die Anknüpfungspunkte für eine unbeschränkte Steuerpflicht waren bereits Gegenstand der höchstgerichtlichen Rechtsprechung. Darüber hinaus waren gegenständlich Sachverhaltsfragen in freier Beweiswürdigung zu beurteilen, wie sie einer Revision nicht zugänglich sind.
Feldkirch, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 1 Abs. 3 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 102 Abs. 3 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 1 Abs. 2 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 98 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 26 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2020:RV.1100100.2019 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at