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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 13.01.2021, RV/5101560/2019

Frühestmöglicher Beginn einer Berufsausbildung nach Beendigung des Präsenzdienstes: der Aufnahmetest zur Pilotenausbildung wurde erst bei der zweiten Bewerbung bestanden

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Gmunden Vöcklabruck (nunmehr Finanzamt Österreich) vom betreffend die Rückforderung zu Unrecht bezogener Beträge an Kinderbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen für die Zeiträume Juli bis September 2017 und März bis September 2018 in Höhe von insgesamt 2.225,70 Euro
zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

1. Der Sohn der BF bestand am die Matura an der HTL.
Am beantwortete die BF das Überprüfungsschreiben der belangten Behörde zur Familienbeihilfe mit der Bemerkung, dass nach dem Bundesheer ein Studium oder eine Pilotenausbildung angestrebt würden.
Von - leistete der Sohn der BF seinen Präsenzdienst beim Bundesheer.

2. Am beantwortete die BF das Überprüfungsschreiben der belangten Behörde mit folgenden Angaben zur derzeitigen Tätigkeit:

"bis Mai 2018: Vollzeitvorbereitung auf Pilotenprüfung
: 1. Prüfung
***FluglinieA*** (bestanden)
02.-: 2. Teil Prüfung
***FluglinieA*** (nicht bestanden)
--> nächster Versuch
***FluglinieB***

Arbeitsbeginn bei Firma ***Z***
: 1. Prüfung
***FluglinieB***
……….: 2. Prüfung
***FluglinieB***
bei positivem Abschluss --> Start Ausbildung Frühjahr 2019."

3. Mit Bescheid vom wurden die Familienbeihilfe und der Kinderabsetzbetrag für den Zeitraum 07-09/2017 und von 03-09/2018 iHv. 2.225,70 Euro zurückgefordert. Die Auszahlung der Familienbeihilfe war für den Zeitraum ab Oktober 2018 eingestellt worden.

4. Mit Eingabe vom wurde Beschwerde gegen den Rückforderungsbescheid erhoben und im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:

Der Sohn der BF habe den Berufswunsch Pilot beharrlich verfolgt und auf dem schnellsten Weg durchgezogen. Die Ausbildung begann am bei ***Y***, wobei die Teilnahme an den Auswahlverfahren eine außerordentliche finanzielle Belastung für die BF gewesen sei.
Telefonisch und schriftlich sei der Stand der Dinge auch dem Finanzamt mitgeteilt worden, worauf eine Mitarbeiterin telefonisch bestätigt habe, dass die Familienbeihilfe bis September 2018 zustehe.

5. Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde aus, dass die Berufsausbildung nicht wie in § 2 Abs. 1 lit. e Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) gefordert zum frühestmöglichen Zeitpunkt nach dem Ende des Präsenzdienstes begonnen worden sei.
Dies deshalb, weil eine früher mögliche Ausbildung an der European Aviation Academy Salzburg nicht in Erwägung gezogen worden sei. Zwischen dem Ende des Präsenzdienstes und dem Beginn der Ausbildung liege fast ein Jahr.

Außerdem müsse einkalkuliert werden, dass die Bewerbung beim ersten Versuch scheitert. Weder die Vorbereitung noch die Bewerbung um Zulassung zu der Pilotenausbildung bei verschiedenen Flugunternehmen stelle eine Berufsausbildung dar (mit Verweis auf BFG RV/5100431/2013). Schlussendlich reiche es nicht aus, sich auf die Wunschausbildung zu konzentrieren.

6. Mit Eingabe vom , eingelangt beim Finanzamt am , das von der belangten Behörde als Vorlageantrag gewertet wurde, erhob die BF Einspruch gegen die Beschwerdevorentscheidung und führte im Wesentlichen Folgendes aus:

Die Ausbildung sei zum frühestmöglichen Zeitpunkt begonnen worden.
Eine Ausbildung an privaten Flugschulen sei in Erwägung gezogen worden, die Kosten seien jedoch für die BF als Alleinverdienerin nicht aufzubringen gewesen.

Zum Einwand des Finanzamtes, dass ein Scheitern bei der ersten Bewerbung einkalkuliert werden müsse, gab die BF an, dass auch bei einer erfolgreichen Bewerbung die Ausbildung erst frühestens im Herbst 2018 begonnen hätte.
Die Wunschausbildung wäre bei der ***FluglinieA*** gewesen. Danach war die Bewerbung bei ***FluglinieB*** erfolgreich. Zwischen dem Ende des Präsenzdienstes und dem Aufnahmedatum liegen sieben Monate.
Am habe der Sohn der BF eine vorübergehende Arbeit aufgenommen. Da der Ausbildungsstart für feststand, wäre ein zwischenzeitliches Studium sinnlos gewesen.
Dem Vorlageantrag beigelegt wurde eine Stellungnahme des Sohnes der BF mit im Wesentlichen folgendem Inhalt:

Eine Ausbildung an einer privaten Flugschule wäre mit hohen Kosten, Wartzeiten und weiteren Nachteilen verbunden gewesen. Es gäbe viele Fälle von Flugschülern, die nach einer solchen privaten Ausbildung viele Jahre keine Anstellung fänden und auf den Kosten von ca. 100.000 Euro sitzen bleiben würden.
Der Bewerbungsverlauf habe sich wie folgt dargestellt und belege den Ausbildungsstart zum frühestmöglichen Zeitpunkt:

: Bewerbung zur ***FluglinieC*** Berufsgrunduntersuchung (nicht absolviert aufgrund zu langer Wartezeiten von Seiten ***FluglinieC***)

: Bewerbung zur ***FluglinieA*** Berufsgrunduntersuchung

: Positive Berufsgrunduntersuchung ***FluglinieA***

02.-: Negative Gruppenqualifizierung ***FluglinieA***

: Bewerbung zur ***FluglinieB*** Berufsqualifikation

: Positive Berufsqualifikation ***FluglinieB***

: Positive Gruppenqualifikation ***FluglinieB***

: Ausbildungsstart SWISS per Angebot von ***FluglinieB***.

7. Am legte die belangte Behörde die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor, beantragte die Abweisung derselben und brachte ergänzend vor:

"Die frühestmögliche Berufsausbildung ist nach objektiven Kriterien zu beurteilen. Neben einer "Wunschausbildung" zu einem unbestimmten Beginnzeitpunkt muss es zumindest einen "Plan B" geben, der zum frühestmöglichen Zeitpunkt begonnen wird. Zwischen dem Ende des Präsenzdienstes und dem tatsächlichen Beginn der Pilotenausbildung liegt fast 1 Jahr. Die Zeit der Vorbereitung auf ein Auswahlverfahren und dieses Auswahlverfahren selbst fällt nicht unter Berufsausbildung."

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Der Sohn der BF vollendete im Dezember 2015 das 18. Lebensjahr. Er legte im Juni 2017 die Reifeprüfung ab, absolvierte von bis den Präsenzdienst und strebte danach die Berufsausbildung zum Linienpiloten an.

Der Bewerbungsverlauf zur Pilotenausbildung stellt sich wie folgt dar:

: Bewerbung zur ***FluglinieC*** Berufsgrunduntersuchung (nicht absolviert aufgrund zu langer Wartezeiten bei ***FluglinieC***)
: Bewerbung zur ***FluglinieA*** Berufsgrunduntersuchung
: Positive Berufsgrunduntersuchung bei der ***FluglinieA***
02.-: Gruppenqualifizierung bei der ***FluglinieA*** nicht bestanden
: Bewerbung zur ***FluglinieB*** Berufsqualifikation
: Positive Berufsqualifikation ***FluglinieB***
: Positive Gruppenqualifikation ***FluglinieB***
Von bis war der Sohn der BF bei ***Z*** angestellt, um die Zeit bis zum Beginn der Pilotenausbildung zu nützen.

Es wurde nicht nachgewiesen, dass die Vorbereitung auf das Aufnahmeverfahren die volle Zeit des Sohnes der BF in Anspruch genommen hätte.

Im Feber 2019 begann der Sohn der BF die Berufsausbildung zum Linienpiloten.

Die Familienbeihilfe wurde sowohl im Zeitraum ab dem Ende der Schulausbildung im Juli 2017 bis zum Beginn des Präsenzdienstes im September 2017 als auch vom Ende des Präsenzdienstes im März 2018 bis September 2018 ausbezahlt.

Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt geht aus den im Verfahrensgang genannten Unterlagen der BF hervor, die mit dem Vorlagebericht übermittelt wurden und vom Finanzamt nicht bestritten wurden.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Gemäß § 2 Abs 1 lit d FLAG 1967 haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, unter anderem Anspruch auf Familienbeihilfe "für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, für die Zeit zwischen dem Abschluss der Schulausbildung und dem Beginn einer weiteren Berufsausbildung, wenn die weitere Berufsausbildung zum frühestmöglichen Zeitpunkt nach Abschluss der Schulausbildung begonnen wird".

Eine mit § 2 Abs 1 lit d FLAG 1967 vergleichbare Regelung enthält § 2 Abs 1 lit e FLAG 1967. Demnach haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, unter anderem auch Anspruch auf Familienbeihilfe "für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, für die Zeit zwischen der Beendigung des Präsenz- oder Ausbildungs- oder Zivildienstes oder eines Freiwilligen Dienstes nach § 2 Abs. 1 lit. l sublit. aa bis dd und dem Beginn oder der Fortsetzung der Berufsausbildung, wenn die Berufsausbildung zum frühestmöglichen Zeitpunkt nach dem Ende des Präsenz- oder Ausbildungs- oder Zivildienstes oder Freiwilligen Dienstes nach § 2 Abs. 1 lit. l sublit. aa bis dd begonnen oder fortgesetzt wird"

Die zu § 2 Abs 1 lit e FLAG 1967 ergangene Judikatur zur Frage des frühest möglichen Zeitpunktes des Beginns der Berufsausbildung ist mutatis mutandis auch auf § 2 Abs 1 lit d FLAG 1967 anwendbar und umgekehrt.

Strittig ist im gegenständlichen Fall, ob der Sohn der BF die Berufsausbildung zum Piloten frühest möglich im Sinne der zitierten Gesetzesstellen begonnen hat.

Die Auslegung des gesetzlichen Tatbestandsmerkmals "zum frühestmöglichen Zeitpunkt nach dem Ende des Präsenz- oder Ausbildungs- oder Zivildienstes begonnen" hat sich am Bestimmtheitsgebot des rechtsstaatlichen Grundsatzes (Art 18 B-VG) zu orientieren, wonach eine gesetzliche Vorschrift einen soweit bestimmbaren Inhalt haben muss, dass der Rechtsunterworfene sein Verhalten danach einrichten kann (, unter Verweis auf ua; Lenneis/Wanke, FLAG 2. Auflage, § 2 Rz 132).

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes wird die weitere Berufsausbildung nicht zum frühest möglichen Zeitpunkt begonnen, wenn der tatsächliche Beginn der Berufsausbildung etwa wegen des durch die Zahl der zu vergebenden Ausbildungsplätze beschränkten Zugangs dazu erst später erfolgt, oder wenn ein zur Erfüllung der Zulassungsvoraussetzungen erforderlicher Aufnahmetest oder eine Aufnahmeprüfung nicht bestanden wird. Damit ist der Tatbestand des § 2 Abs. 1 lit. d und lit. e FLAG 1967 nicht erfüllt. Dabei ist es unerheblich, ob mangels hinreichender Qualifikation etwa auf Grund eines negativen Testergebnisses bei der Bewerbung oder lediglich infolge Platzmangels diese Berufsausbildung eben nicht iSd § 2 Abs. 1 lit. d und lit. e FLAG 1967 begonnen wird (; und ).

Der Sohn der BF hat die Berufsqualifikation bei der ***FluglinieA*** im Juli 2018 nicht bestanden und dadurch die Zulassungsvoraussetzungen zu dieser Berufsausbildung nicht erfüllt

Erst danach bewarb er sich bei ***FluglinieB*** und erfüllte die Zulassungsvoraussetzungen bei dieser Fluggesellschaft am .

Somit wurde die beabsichtigte Berufsausbildung nicht zum frühest möglichen Zeitpunkt begonnen.

Die Bewerbung um Zulassung zur Pilotenausbildung stellt noch keine Berufsausbildung im Sinne des FLAG 1967 dar. Die Absolvierung des Aufnahmeverfahrens in Form von Assessment Centern ist zwar Voraussetzung für die Zulassung zur Berufsausbildung als Pilot, doch fehlt der Nachweis und geht auch das Bundesfinanzgericht nicht davon aus, dass die Vorbereitung darauf über mehrere Wochen oder Monate die volle Zeit des Sohnes der BF im Selbststudium in Anspruch genommen hätte und somit in dieser Zeit eine Berufsausbildung im Sinne des FLAG 1967 vorliegen würde.

Da die Voraussetzungen des iSd § 2 Abs. 1 lit. d und lit. e FLAG 1967 nicht erfüllt sind, besteht nach Ende der Schulausbildung bis zum tatsächlichen Beginn der Berufsausbildung kein Anspruch auf Familienbeihilfe. Die Rückforderung durch das Finanzamt erfolgte zu Recht und daher war die Beschwerde spruchgemäß abzuweisen.

Das Risiko, für einen begehrten Ausbildungsplatz nach einer zeitlich vorgestaffelten Bewerbung nicht aufgenommen zu werden, ist Berufsausbildungen, welche keinen unbeschränkten Zugang haben, immanent. Die von der belangten Behörde angesprochene Möglichkeit, eine andere als die bevorzugte Ausbildung zu beginnen ("Plan B") für welche keine solche Beschränkung besteht, wäre nur eine von mehreren Möglichkeiten gewesen, einem solchen Risiko zu begegnen.

Damit gemeint ist die Aufnahme einer Berufsausbildung, die bei späterer tatsächlicher Erfüllung der Zulassungsvoraussetzungen für die (primär) angestrebte Berufsausbildung wieder aufgegeben wird und aus der Sicht der Familienbeihilfe bei Beginn der (primär) angestrebten Berufsausbildung zum frühest möglichen Zeitpunkt als Berufsausbildung außer Betracht zu bleiben hat (vgl. ) und im Falle eines Studiums nicht zu einem Studienwechsel im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG führt (vgl. ).

Wenn die primär angestrebte Berufsausbildung nicht zum frühest möglichen Zeitpunkt begonnen wird und somit ex post betrachtet den Anspruch auf Familienbeihilfe nach § 2 Abs. 1 lit. d FLAG nicht verleiht, kann diese vorher ausgeübte Tätigkeit gegebenenfalls als Berufsausbildung gesehen werden, welche einen Anspruch auf Familienbeihilfe nach § 2 Abs. 1 lit. b FLAG und, wenn sie selbst zum frühest möglichen Zeitpunkt begonnen wurde, für die Zeit bis zu ihrem Beginn gegebenenfalls nach § 2 Abs. 1 lit. d FLAG verleiht.

Aus § 26 Abs 1 FLAG 1967 ergibt sich eine objektive Erstattungspflicht zu Unrecht bezogener Familienbeihilfe. Subjektive Momente, wie Verschulden, Gutgläubigkeit oder die Verwendung der Familienbeihilfe, sind nach ständiger Rechtsprechung des VwGH für die Verpflichtung zur Rückerstattung unrechtmäßiger Beihilfenbezüge unerheblich. Entscheidend ist lediglich, ob der Empfänger die Beträge zu Unrecht erhalten hat (siehe zB. ).

Nach § 33 Abs 3 EStG 1988 ist § 26 FLAG 1967 auf zu Unrecht bezogene Kinderabsetzbeträge sinngemäß anzuwenden.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die Entscheidung stützt sich auf die darin zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, daher liegt keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor.

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
Verweise






ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.5101560.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at