Zurückweisung einer Säumnisbeschwerde
Revision beim VwGH anhängig zur Zahl Ra 2021/15/0035. Mit Erk. v. wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufgehoben. Fortgesetztes Verfahren mit Beschluss vom erledigt.
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Rechtssätze | |
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Stammrechtssätze | |
RS/5100003/2021-RS1 | Eine Verletzung der Entscheidungspflicht des Finanzamtes Österreich kann am noch nicht vorliegen, da für das Finanzamt Österreich die Frist für die Entscheidung erst am zu laufen begonnen hat (vgl. ). |
Entscheidungstext
BESCHLUSS
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Susanne Haim in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr*** vertreten durch RA wegen behaupteter Verletzung der Entscheidungspflicht des Finanzamtes ***1*** betreffend die Berufung/Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes ***1*** vom betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens 2007 bis 2009, Einkommensteuer 2007 bis 2009, Anspruchszinsen 2007 bis 2009 und Umsatzsteuer 2009 zu Steuernummer ***BF1StNr1*** beschlossen:
Die Säumnisbeschwerde wird gemäß § 260 Abs. 1 lit. a BAO als nicht zulässig zurückgewiesen.
Gegen diesen Beschluss ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Begründung
Sachverhalt:
In der Säumnisbeschwerde, die zunächst am an das Finanzamt ***1*** übermittelt wurde und am an der Außenstelle Linz des Bundesfinanzgerichts einlangte, wird die Verletzung der Entscheidungspflicht durch das Finanzamt ***1*** gerügt.
Begründend wurde ausgeführt, es sei am fristgerecht Berufung erhoben worden und die Berufung sei bis heute unerledigt. Es werde daher Säumnisbeschwerde erhoben.
Beweiswürdigung:
Der Sachverhalt ergibt sich unstrittig aus der vorgelegten Säumnisbeschwerde und dem Postlauf.
Erwägungen:
Gemäß § 284 Abs. 1 BAO kann die Partei wegen Verletzung der Entscheidungspflicht Beschwerde (Säumnisbeschwerde) beim Verwaltungsgericht erheben, wenn ihr Bescheide der Abgabenbehörden nicht innerhalb von sechs Monaten nach Einlangen der Anbringen oder nach dem Eintritt zur Verpflichtung zu ihrer amtswegigen Erlassung bekanntgegeben (§ 97) werden. Hiezu ist jede Parteibefugt, der gegenüber der Bescheid zu ergehen hat.
Gemäß § 284 Abs. 7 sind sinngemäß anzuwenden:
a) § 256 Abs. 1 und 3 (Zurücknahme der Beschwerde),
b) § 260 Abs. 1 lit. a (Unzulässigkeit),
....
Gemäß § 260 Abs. 1 lit. a BAO (Bundesabgabenordnung) ist die Bescheidbeschwerde mit Beschwerdevorentscheidung (§ 262) oder mit Beschluss (§ 278) zurückzuweisen, wenn sie nicht zulässig ist.
Zuständig für Säumnisbeschwerden ist demnach das Bundesfinanzgericht. Die Säumnisbeschwerde wurde beim Finanzamt ***1*** eingebracht.
Gemäß § 50 BAO haben die Abgabenbehörden haben ihre sachliche und örtliche Zuständigkeit von Amts wegen wahrzunehmen. Langen bei ihnen Anbringen ein, zu deren Behandlung sie nicht zuständig sind, so haben sie diese ohne unnötigen Aufschub auf Gefahr des Einschreiters an die zuständige Stelle weiterzuleiten oder den Einschreiter an diese zu weisen.
Die Säumnisbeschwerde, die am am Finanzamt ***1*** einlangte, wurde an das zuständige Bundesfinanzgericht weitergeleitet und langte hier am ein.
Mit wurde im Bereich der Finanzämter eine Organisationsreform durchgeführt, an Stelle des zum zuständigen Finanzamtes ***1*** trat das Finanzamt Österreich.
Die diesbezüglich maßgeblichen Bestimmungen der Bundesabgabenordnung lauten:
§ 323b Abs. 1 BAO Das Finanzamt Österreich und das Finanzamt für Großbetriebe treten für ihren jeweiligen Zuständigkeitsbereich am an die Stelle des jeweils am zuständig gewesenen Finanzamtes. Das Zollamt Österreich tritt am an die Stelle der am zuständig gewesenen Zollämter.
(2) Die am bei einem Finanzamt oder Zollamt anhängigen Verfahren werden von der jeweils am zuständigen Abgabenbehörde in dem zu diesem Zeitpunkt befindlichen Verfahrensstand fortgeführt.
(5) Bis können Anbringen, für deren Behandlung entweder das Finanzamt Österreich, das Finanzamt für Großbetriebe oder das Amt für Betrugsbekämpfung zuständig ist, innerhalb offener Frist auch unter Verwendung der falschen dieser drei Bezeichnungen wirksam eingebracht werden.
(6) Bis können Anbringen, für deren Behandlung entweder das Finanzamt Österreich, das Finanzamt für Großbetriebe oder das Amt für Betrugsbekämpfung zuständig ist, auch unter Verwendung der Bezeichnung der Finanzämter gemäß § 4 der Verordnung des Bundesministers für Finanzen zur Durchführung des Abgabenverwaltungsorganisationsgesetzes 2010 (AVOG 2010 - DV), BGBl. II Nr. 165/2010, in der Fassung der Verordnung BGBl. II Nr. 375/2016, sowie unter Verwendung der zum kundgemachten Anschriften der Finanzämter wirksam eingebracht werden.
Festgestellt wird, dass sich die Norm des § 323b Abs. 6 BAO (wonach Anbringen, für deren Behandlung entweder das Finanzamt Österreich, das Finanzamt für Großbetriebe oder das Amt für Betrugsbekämpfung zuständig ist, auch unter Verwendung der Bezeichnung der Finanzämter gemäß § 4 der Verordnung des Bundesministers für Finanzen zur Durchführung des Abgabenverwaltungsorganisationsgesetzes 2010 (AVOG 2010 - DV), BGBl. II Nr. 165/2010, in der Fassung der Verordnung BGBl. II Nr. 375/2016, sowie unter Verwendung der zum kundgemachten Anschriften der Finanzämter wirksam eingebracht werden können) im gegenständlichen Fall nicht anwendbar ist, da für eine Säumnisbeschwerde keines der genannten Finanzämter, sondern das Bundesfinanzgericht zuständig ist.
1) Mögliche Säumnis des Finanzamtes ***1***
Fraglich ist, ob im Jänner 2021 noch eine Säumnis des Finanzamtes ***1*** gegeben sein kann.
Diesbezüglich führt der VwGH in seiner Entscheidung vom , Fr 2014/16/0001 aus:
"Nach der ständigen hg. Rechtsprechung führt die Bezeichnung einer Behörde, welche die Entscheidungspflicht nicht trifft, deren Verletzung mit der Säumnisbeschwerde geltend gemacht wird, zur Zurückweisung der Säumnisbeschwerde (vgl. die Beschlüsse vom , 2010/16/0208, vom , 2009/16/0174, und vom , 2008/16/0116, sowie betreffend die Bezeichnung "Finanzlandesdirektion" als belangte Behörde, nachdem durch das AbgRmRefG die Zuständigkeit zur Erledigung von Berufungen auf den unabhängigen Finanzsenat übergegangen war, den Beschluss vom , 2007/13/0074). Eine Säumnisbeschwerde, welche als belangte Behörde den aufgelösten unabhängigen Finanzsenat anführt, wäre daher bereits deshalb als unzulässig zurückzuweisen."
Nach Ansicht der Richterin war die Säumnisbeschwerde demnach schon deshalb zurückzuweisen, da am keine Säumnis des Finanzamtes ***1*** vorliegen konnte, da dieses Finanzamt seit nicht mehr existiert. (Das Finanzamt Österreich und das Finanzamt für Großbetriebe treten für ihren jeweiligen Zuständigkeitsbereich am an die Stelle des jeweils am zuständig gewesenen Finanzamtes.) Eine Entscheidungspflicht des Finanzamtes ***1*** kann ab nicht mehr bestehen und daher auch nicht geltend gemacht werden.
2) Mögliche Säumnis des Finanzamtes Österreich
Eine allfällige Säumigkeit des Finanzamtes Österreich kann zum Zeitpunkt der Einbringung beim Bundesfinanzgericht am ebenfalls noch nicht gegeben sein, da die Entscheidungspflicht des Finanzamtes Österreich nicht vor dem entstanden sein kann.
Diesbezüglich darf ebenso auf die oben zitierte Entscheidung des VwGH verwiesen werden, in der im Zuge der Errichtung des Bundesfinanzgerichtes am angeführt wurde, dass die Entscheidungspflicht des Bundesfinanzgerichtes erst zu diesem Zeitpunkt beginne und daher eine Verletzung der Entscheidungspflicht vor Ablauf von sechs Monaten nicht vorliegen könne. ()
Die Säumnisbeschwerde war auch aus diesem Grund als unzulässig (verfrüht) zurückzuweisen.
Zulässigkeit einer Revision
Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Eine solche Rechtsfrage liegt im gegenständlichen Fall nicht vor. Es wird auf die zitierte Rechtsprechung des VwGH verwiesen.
Linz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 323b Abs. 6 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 260 Abs. 1 lit. a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 284 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise | |
Zitiert/besprochen in | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2021:RS.5100003.2021 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at