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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 29.01.2021, RV/7103471/2020

Interne konkludente Geschäftsverteilung zwischen 2 Geschäftsführern, ab dem Zeitpunkt der alleinigen Geschäftsführung Haftung auch für zuvor fällig gewordene Abgaben

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch ***1*** über die Beschwerde des ***Bf1***, ***Bf1-Adr*** vom gegen den Bescheid des Finanzamtes 4/5/10 vom , Abgabenkontonummer 001, betreffend Haftung gemäß § 9 BAO nach der am in Anwesenheit des ***Bf1***, des Vertreters der Abgabenbehörde A sowie der Schriftführerin S durchgeführten mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

***Bf1*** wird gemäß § 9 BAO zur Haftung für folgende Abgabenschuldigkeiten der H.GmbH in der Höhe von 93.437,30 Euro herangezogen:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Abgabe
Zeitraum
Fälligkeitstag
Euro
Lohnsteuer
08/2009
718,31
Dienstgeberbeitrag
08/2009
501,09
Zuschlag zum DB
08/2009
44,54
Lohnsteuer
09/2009
736,76
Dienstgeberbeitrag
09/2009
507,27
Zuschlag zum DB
09/2009
45,09
Lohnsteuer
10/2009
58,67
Dienstgeberbeitrag
10/2009
479,96
Zuschlag zum DB
10/2009
42,66
Körperschaftsteuer
10-12/2009
371,53
Lohnsteuer
11/2009
1.026,98
Dienstgeberbeitrag
11/2009
814,13
Zuschlag zum DB
11/2009
72,37
Umsatzsteuer
01/2010
3.478,90
Umsatzsteuer
02/2010
3.423,76
Umsatzsteuer
03/2010
626,39
Säumniszuschlag B
2009
77,31
Umsatzsteuer
04/2010
78,43
Lohnsteuer
05/2010
744,49
Dienstgeberbeitrag
05/2010
434,13
Zuschlag zum DB
05/2010
38,59
Lohnsteuer
06/2010
1.155,44
Dienstgeberbeitrag
06/2010
727,89
Zuschlag zum DB
06/2010
64,70
Körperschaftsteuer
07-09/2010
369,83
Säumniszuschlag C
2009
77,31
Umsatzsteuer
07/2010
2.206,16
Lohnsteuer
08/2010
853,49
Dienstgeberbeitrag
08/2010
444,16
Zuschlag zum DB
08/2010
39,48
Umsatzsteuer
08/2010
8.478,76
Lohnsteuer
09/2010
649,28
Dienstgeberbeitrag
09/2010
435,49
Zuschlag zum DB
09/2010
38,71
Umsatzsteuer
09/2010
5.847,40
Lohnsteuer
10/2010
917,86
Dienstgeberbeitrag
10/2010
432,04
Zuschlag zum DB
10/2010
38,41
Verspätungszuschlag
2009
111,97
Umsatzsteuer
10/2010
2.313,40
Lohnsteuer
11/2010
890,95
Dienstgeberbeitrag
11/2010
738,65
Zuschlag zum DB
11/2010
65,66
Lohnsteuer
12/2010
904,81
Dienstgeberbeitrag
12/2010
384,33
Zuschlag zum DB
12/2010
34,17
Lohnsteuer
01/2011
817,30
Dienstgeberbeitrag
01/2011
366,23
Zuschlag zum DB
01/2011
32,56
Umsatzsteuer
01/2011
3.785,91
Lohnsteuer
02/2011
858,77
Dienstgeberbeitrag
02/2011
396,25
Zuschlag zum DB
02/2011
35,22
Umsatzsteuer
02/2011
1.721,13
Lohnsteuer
03/2011
541,15
Dienstgeberbeitrag
03/2011
307,54
Zuschlag zum DB
03/2011
27,34
Umsatzsteuer
03/2011
3.702,31
Lohnsteuer
04/2011
1.081,19
Dienstgeberbeitrag
04/2011
342,94
Zuschlag zum DB
04/2011
30,48
Lohnsteuer
05/2011
535,98
Dienstgeberbeitrag
05/2011
347,17
Zuschlag zum DB
05/2011
30,86
Verspätungszuschlag
02/2011
86,06
Lohnsteuer
06/2011
884,98
Dienstgeberbeitrag
06/2011
812,76
Zuschlag zum DB
06/2011
72,25
Verspätungszuschlag
03/2011
296,19
Umsatzsteuer
06/2011
4.953,53
Körperschaftsteuer
07-09/2011
73,65
Umsatzsteuer
07/2011
3.388,53
Umsatzsteuer
08/2011
8.844,63
Umsatzsteuer
09/2011
1.557,49
Umsatzsteuer
10/2011
2.289,78
Umsatzsteuer
11/2011
4.354,25
Umsatzsteuer
12/2011
7.951,33
Körperschaftsteuer
01-03/2012
369,83
93.437,30

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Der Beschwerdeführer (Bf.) vertrat die im Jahr 2005 errichtete H.GmbH vom bis gemeinsam mit G1 als Geschäftsführer. Am Datum1 wurde über die Gesellschaft das (erste) Konkursverfahren eröffnet, das am Datum2 mit der rechtskräftigen Bestätigung eines Zwangsausgleichs beendet wurde. Daraufhin wurde die Fortsetzung der Gesellschaft beschlossen (Generalversammlungsbeschluss vom ).
Gleichzeitig (ab Datum3) wurde der Bf. wiederum, zunächst gemeinsam mit G1, nach dessen Ausscheiden aus der Gesellschaft am Datum4, zu deren alleinigen handelsrechtlichen Geschäftsführer bestellt (Firmenbuchauszug FN).

Mit dem Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom Datum5, GZ, wurde über das Vermögen der Gesellschaft neuerlich ein Konkursverfahren eröffnet und die Gesellschaft aufgelöst.
Mit dem Beschluss vom Datum6 wurde der Konkurs nach Schlussverteilung (Verteilungsquote x%) aufgehoben. Die Firma wurde wegen Vermögenslosigkeit im April 2017 gemäß § 40 FBG im Firmenbuch gelöscht (Firmenbuchauszug FN).

Im Bericht gem. § 150 BAO über das Ergebnis der Außenprüfung vom stellte der Prüfer fest, dass die Gesellschaft laut Masseverwalter nach Angabe des Geschäftsführers noch bis inklusive Dezember 2011 Löhne ausbezahlt habe. Dienstgeberbeitrag (DB) und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag (DZ) seien in den Jahren 2010 und 2011 nicht in vollständiger Höhe entrichtet worden. Es liege auch eine Differenz zwischen der einbehaltenen und der abgeführten Lohnsteuer vor.
Mit den an den Masseverwalter der H.GmbH adressierten Haftungsbescheiden Lohnsteuer und Festsetzungsbescheiden Dienstgeberbeitrag und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag für die Jahre 2010 und 2011 vom wurde die Primärschuldnerin vom Finanzamt als Haftungspflichtige für Lohnsteuer (2010 532,54 €, 2011 2.684,01 €) in Anspruch genommen bzw. der DB (2010 272,52 €, 2011 3.743,58 €) und der DZ (2010 16,67 €, 2011 332,76 €) festgesetzt.

Im Vorhalt vom brachte das Finanzamt dem Bf. zur Kenntnis, auf dem Abgabenkonto der Gesellschaft hafteten 158.456,38 Euro aus, deren Einbringung bis dato vergeblich versucht worden sei. Der Bf. könne für die Verbindlichkeiten als ehemaliger Geschäftsführer zur Haftung gemäß § 9 BAO zur Haftung herangezogen werden, es sei denn, er weise nach, dass er ohne sein Verschulden daran gehindert gewesen sei, für die Entrichtung der Abgaben Sorge zu tragen. Dem Vorhalt beigelegt wurde der Rückstandsausweis vom über 158.456,38 € sowie ein vom Bf. auszufüllendes Formular betreffend seine wirtschaftlichen Verhältnisse.

In der Vorhaltsbeantwortung vom teilte der Bf. mit, laut Masseverwalter werde es im Insolvenzverfahren zu einer Quotenausschüttung kommen. Dieser habe namhafte Forderungen für die Gesellschaft einbringlich gemacht.
Den Bf. treffe kein Verschulden; die Gesellschaft habe die vorhandenen Gelder gleichmäßig auf die Gläubiger verteilt.
Die Höhe des Steuerrückstandes werde bestritten.
Es werde Vollstreckungsverjährung eingewendet.
Die Gesellschaft sei unverschuldet in Konkurs geraten, weil Auftraggeber zu Unrecht Zahlungen aus Werkverträgen nicht geleistet hätten. Der Bf. selbst habe Konkurs angemeldet, weshalb kein Verschulden vorliege.
Zu seinen wirtschaftlichen Verhältnissen führte der Bf. aus, er verdiene derzeit als Angestellter ca. 1.000 Euro netto und sei für zwei Kinder sorgepflichtig. Seine Frau erwarte das dritte Kind. Der Bf. besitze eine Eigentumswohnung, bei dieser sei allerdings für seine Eltern ein Belastungs- und Veräußerungsverbot eingetragen. Sonstiges nennenswertes Vermögen besitze er nicht.

Mit dem Bescheid des Finanzamtes Wien 4/5/10 vom , Abgabenkontonummer 001, wurde der Bf. als Haftungspflichtiger gemäß § 9 in Verbindung mit §§ 80 ff. BAO für aushaftende Abgabenschuldigkeiten der H.GmbH im Ausmaß von 122.082,41 Euro in Anspruch genommen und aufgefordert, diesen Betrag innerhalb eines Monats ab Zustellung des Bescheides zu entrichten.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei es Sache des Geschäftsführers, die Gründe darzulegen, die ihn ohne sein Verschulden daran gehindert haben, die ihm obliegende abgabenrechtliche Verpflichtung zu erfüllen, widrigenfalls von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung im Sinne des § 9 Abs. 1 BAO angenommen werden könne. Demnach hafte der Geschäftsführer für nicht entrichtete Abgaben der Gesellschaft auch dann, wenn die Mittel, die ihm für die Entrichtung aller Verbindlichkeiten der Gesellschaft zur Verfügung standen, nicht ausreichten, es sei denn, er weise nach, dass er diese Mittel anteilig für die Begleichung aller Verbindlichkeiten verwendet, die Abgabenschuldigkeiten daher im Verhältnis nicht schlechter behandelt habe als andere Verbindlichkeiten.
Der zur Haftung herangezogene Geschäftsführer habe das Fehlen ausreichender Mittel zur Abgabenentrichtung nachzuweisen. Außerdem habe er darzutun, dass er die Abgabenforderungen bei der Verwendung der vorhandenen Mittel nicht benachteiligt habe.
Der Bf. habe es unterlassen, die fälligen Lohnsteuerbeträge abzuführen. Reichten die ihm zur Verfügung stehenden Mittel zur Zahlung des vollen vereinbarten Arbeitslohnes nicht aus, sei er verpflichtet, die Lohnsteuer von dem tatsächlich zur Auszahlung gelangenden, niedrigeren Betrag zu berechnen, einzubehalten und abzuführen. In der Nichtbeachtung dieser Verpflichtung sei ein schuldhaftes Verhalten zu erblicken.
Die Uneinbringlichkeit der bei der Primärschuldnerin aushaftenden Abgaben liege im pflichtwidrigen Verhalten des Bf. Dieser sei auch seiner Verpflichtung, Beweisanbote darzutun, nicht nachgekommen. Es seien lediglich Behauptungen vorgebracht worden.

In der Beschwerde vom führte der Bf. aus:
1. Mit dem angefochtenen Bescheid werde ich für Steuerschulden der obigen Gesellschaft aus Geschäftsführer für einen Betrag von EUR 122.082,41 zur persönliche Haftung und Zahlung herangezogen.
2. Der Bescheid vom wird sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach angefochten.
3. Ich halte meine Einwendungen gemäß Stellungnahme vom aufrechte und erkläre die dortigen Vorbringen auch zum Inhalt für diese Beschwerde.
4. Ich wiederhole bzw. ergänze:
5. Es ist richtig, dass ich bis zur Konkurseröffnung Geschäftsführer der obigen Gesellschaft war oder bin. Am
Datum5 ist über die Gesellschaft vor dem HG Wien, Beschluss zu FN das Konkursverfahren eröffnet worden. Das Konkursverfahren wurde nun abgeschlossen und ist eine namhafte Quote vom Masseverwalter ausgeschüttet worden (15,37 %). Eine Kopie eines Ausdruckes aus der Insolvenzdatei wird vorgelegt. Damit ist vom FA unrichtig der Erhalt der Quotenzahlung durch den Masseverwalter nicht berücksichtigt worden.
6. Die Höhe der Forderung wird bestritten. Ich habe den strittigen Steuerrückstand als
Geschäftsführer im Insolvenzverfahren der Gesellschaft NICHT anerkannt. Es liegt in der Beweispflicht des FA, den Steuerrückstand zu belegen. Ich beantrage die Beischaffung des Steueraktes der erwähnten Gesellschaft.
7. Es trifft mich kein Verschulden. Die Gesellschaft hat die vorhandenen Gelder gleichmäßig auf die Gläubiger verteilt. Der MV hat keine Anfechtungsansprüche geltend gemacht. Damit liegt keine Gläubigerungleichbehandlung vor und ist ein Haftungsausschluss mir gegenüber gegeben.
8. Es wird Vollstreckungsverjährung gewendet. Ich habe erstmals ein Haftungsschreiben persönlich erhalten. Wenn es richtig ist, dass bereits Steuern aus dem Jahr 2009 offen sind und nicht bezahlt wurden, ist die Vollstreckungsverjährung nach Ablauf von 5 Jahren, als bereits im Jahr 2014 eingetreten.
9. Die Gesellschaft ist unverschuldet in Konkurs geraten, weil Auftraggeber zu Unrecht Zahlungen aus Werkverträgen nicht geleistet. Damit liegt kein Verschulden vor. Weiters ist das Handeln der Altgeschäftsführer für das Vorliegen von möglichen Steuerschulden maßgeblich vorliegend. Der Masseverwalter hat dazu die Altgeschäftsführer in die Haftung gezogen und diese Haftung auch durchgesetzt. Damit liegt für mich kein Verschulden vor. Im Rahmen der mir obliegenden Beweispflicht beantrage ich die Einvernahme des Masseverwalters und die Beischaffung des Konkursaktes.
- Einvernahme des Masseverwalters.
MV
- Beischaffung des Konkursaktes beim HG Wien (AZ:
GZ des HG Wien, Insolvenzsache Fa. H.GmbH)
- Einsichtnahme in die Ediktdatei (hiermit in Kopie ein Auszug vorgelegt vorgelegt)
10. Die Haftung ist auch unbillig. Ich bin derzeit angestellt und verdiene monatlich EUR 1.000,-- netto (ca.). Ich habe zwar eine Eigentumswohnung, doch ist bei dieser ein Belastungs- und Veräußerungsverbot für meine Eltern eingetragen. Diese haben für mich die Wohnung finanziert. Ich habe Sorgepflichten für 3 Kinder, Alter 1 Jahr, 10 Jahre und 12 Jahre. Ich bin auch verheiratet und muss auch für diese sorgen. Sonstiges nennenswertes Vermögen besitze ich nicht.
11. Ich stelle daher den Beschwerdeantrag es wolle meiner Beschwerde gegen den Haftungsbescheid des FA Wien, Bezirke 4/5/10 vom , zu umseitiger Steuernummer, Folge gegeben und der Bescheid ersatzlos behoben worden. Hilfsweise wolle er in Sinne der angesprochenen Haftungsminderung abgeändert werden und nur ein geringstmöglicher Betrag vorgeschrieben werden. Ich beantrage eine mündliche Beschwerdeverhandlung.

Mit der Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab.
Die zur Haftung herangezogenen Abgaben seien gemeldet, festgesetzt bzw. rechtskräftig veranlagt worden. Der Bf. habe die fristgerechte Entrichtung dieser Abgaben versäumt.
Dass der Masseverwalter alle Gläubiger gleichmäßig befriedigt habe, entspreche den Tatsachen, der Bf. sei im Haftungsverfahren jedoch nur für Abgaben herangezogen worden, die im Zeitraum seiner handelsrechtlichen Geschäftsführungstätigkeit zu entrichten gewesen wären.
Die Inanspruchnahme eines Haftenden mittels Bescheid sei eine Einhebungsmaßnahme und daher zulässig, weil die Einhebungsverjährung gegenüber der Hauptschuldnerin noch nicht eingetreten sei. Die Einhebungsverjährungsfrist sei für die Dauer des Insolvenzverfahrens gehemmt und unterbrochen gewesen.

Im Vorlageantrag vom führte der Bf. wie folgt aus:
Ich halte alle meine Argumente für meiner Beschwerde aufrecht.
Wenn das FA davon spricht, dass eine Verjährung nicht vorliegen soll, so ist das unrichtig. Mit Konkurseröffnung ist erwiesen, dass die Primärschuldnerin die allenfalls rückständigen Steuern oder Abgaben nicht zur Gänze zahlen kann. Dies löst die Haftungsfrist von 5 Jahren aus. Es ist damit Verjährung eingetreten, weil nicht innerhalb dieser Frist Einhebungsschritte gegen mich eingeleitet wurden. Es ist auch sonst Verjährung eingetreten, weil die Abgabenschulden mehr als 10 Jahren zeitlich zurückreichen.
Das FA hat meine Beweisanträge ohne Begründung nicht aufgegriffen. Das spricht für sich, denn ohne diese Beweise war das FA nachweislich nicht in der Lage, über meine Anträge inhaltlich abzusprechen.
Die Quotenzahlung aus dem Konkurs von 15,37 % ist vom FA auch nicht berücksichtigt worden, was beim Haftungsbescheid als erhebliche Rechtswidrigkeit darstellt.
Die Beweisanträge bleiben aufrecht.
Ich beantrage eine mündliche Beschwerdeverhandlung.

Im Zuge eines am abgehaltenen Erörterungstermines legte der Bf. eine ergänzende Stellungnahme vor, in der er ausführte:
"1. Die Belastungen an USt für den Zeitraum 01/2010 bis 06/2011 sowie KöSt 10-12/2009 und 07-09/2010, 07-09/2011 und 01-03/2012 sind zu stornieren. Von diesen Umsätzen hatte ich keine Kenntnis. Diese Beträge sind der Gesellschaft nicht zugeflossen. Diese Beträge hat der damalige Geschäftspartner selbst vereinnahmt, ohne diese an die Gesellschaft abzuführen. Der MV hat dazu die Ansprüche als Konkursmasse geltend gemacht. Es sind daher seitens der Gesellschaft diese Erlöse tatsächlich nicht erzielt worden. So Rechnungen vorlagen, waren diese zu stornieren. Hieraus kann sich kein Haftungstatbestand abteilen. Firmengelder hat sohin der ehemalige Geschäftspartner rechtswidrig einkassiert und auch behalten. Einbringungsversuche durch den MV sind gescheitert, weil dieser Geschäftspartner zwischenzeitig verstorben ist. Damit liegt auch die Uneinbringlichkeit dieser Forderungen vor, was in der Buchhaltung zu berücksichtigen ist.
2. Es ist im Zuge des Konkurses eine Quotenausschüttung von ca. 15,4% hervorgekommen. Das FA hat diese Quotenzahlung erhalten, aber nicht berücksichtigt.
3. Vorhalt des FA wegen Nachweis der Gläubigergleichbehandlung. Hier hat der MV diese Anfechtungsmöglichkeiten geprüft. Das Ergebnis der Recherche oder Veranlassung durch den MV ist Erfüllung des Nachweises durch das FA. Hiezu wird die Einvernahme des MV und die Beischaffung des Konkursaktes verlangt (im Konkursakt erliegen die Berichte des MV, die dieses Thema behandeln, erklären und in meinem Sinne erläutern).
4. Zum Einwand der Verjährung: Erstmals mit Zugang des Briefes vom FA vom , erhalten (das war Anfang 2017) führe ich aus:
- Die 5 jährige Frist der Vollstreckungsverjährung gegen den strittig haftenden Geschäftsführer hat für Steuern 2009 mit Anfang 2010 begonnen. Die Frist von 5 Jahren ist mit verstrichen
- Die 5 jährige Frist der Vollstreckungsverjährung gegen den strittig haftenden Geschäftsführer hat für Steuern 2010 mit Anfang 2011 begonnen. Die Frist von 5 Jahren ist mit verstrichen
- Die 5 jährige Frist der Vollstreckungsverjährung gegen den strittig haftenden Geschäftsführer hat für Steuern 2011 mit Anfang 2012 begonnen. Die Frist von 5 Jahren ist mit verstrichen
- Mit Zugang des Haftungsbescheides Anfang August 2017 war die Frist von 5 Jahren für alle strittigen Steuern, Abgaben, etc. bereits längst verstrichen.
- Es liegt damit erwiesen Vollstreckungsverjährung für die strittigen Haftungsbeträge laut Haftungsbescheid vor.
5. Die Aufbewahrungsfrist von 7 Jahren für Geschäftsunterlagen waren im Zeitpunkt der Zustellung des Haftungsbescheides (August 2017) abgelaufen. Alle Geschäftsunterlagen hatte der Masseverwalter, der die Konkursunterlagen nach Beendigung des Konkursverfahrens dann entsorgt hat (das war im Jahr 2016). Ich habe keine Firmenunterlagen mehr. Es ist unbillig und unmöglich, dass ich Aufstellungen über Zahlungen erstelle, um die Gläubigergleichbehandlung allfällig dem FA nachzuweisen. Das FA hat sich seine eigene Untätigkeit zurechnen zu lassen. Hätte das FA den Haftungsbescheid mit Konkurseröffnung ausgefertigt, wäre ich über die Unterlagen des MV in der Lage gewesen, diese Nachweise urkundlich zu erstellen. Es ist im Organisationsverschulden des FA gelegen, dass ich diesen Beweis nun nicht führen kann. Mir kann dies nachteilig nicht vorgehalten werden.
6. Zu den Dienstverhältnissen:
Die hat es gegeben (2-3 Mitarbeiter, nach meiner Erinnerung). Diese Mitarbeiter wurden letztlich nicht bezahlt. Gezahlt hat der Insolvenzfonds. Dieser zahlt brutto, sodass auch die LSt und der DB vom Fonds bezahlt wurde. Diese Zahlung ist dem FA zugegangen, aber im Haftungsbescheid nicht berücksichtigt worden.
7. Die ÖGK (vormals WGKK) hat das strittige Haftungsverfahren wegen rückständiger Sozialversicherungsbeiträge mir gegenüber als Geschäftsführer eingestellt. Der Nachweis, dass kein schuldhaftes Verhalten meiner Person vorlag, wurde erbracht (Beweis: Beschwerdevorentscheidung WGKK vom in Kopie - hiermit vorgelegt)."

Der Bf. gab zu Protokoll, er sei im Jahr 2009 von G1 von einer anderen Firma abgeworben worden und im Jahr 2007 neben ihm als Geschäftsführer in die GmbH eingetreten. Geplant sei gewesen, dass er das Geschäft mit S, dem Sohn des G1, führe. Dieser sei nach einem Unfall gehbehindert, habe Schmerzen gehabt und eine Invaliditätspension bezogen. Deshalb sei er auch nicht als Geschäftsführer eingestiegen, sondern habe immer nur im Büro gearbeitet.
Der Bf. selbst habe mit der Bürokratie und den Geldangelegenheiten der Firma nichts zu tun gehabt. Die Büroarbeiten hätten Vater und Sohn H allein erledigt. Er habe nur im Außendienst gearbeitet und sei für sämtliche Außentätigkeiten (z.B. Materialbeschaffung, Notfälle, Baubetreuung, Aufnahme von Aufträgen für die Erstellung von Kostenvoranschlägen, etc) zuständig gewesen. Für Bürotätigkeiten sei er weder ausgebildet noch geeignet. Im Grunde sei er nur Angestellter der Firma gewesen, wofür ihm G1 monatlich zwischen 1.400 und 1.600 € auf sein Konto überwiesen habe.
Nach Streitereien zwischen dem Bf. und den H über einen Großauftrag, den die H unbedingt haben wollten, den der Bf. aber nicht alleine betreuen konnte und wollte, sei er kurz vor der ersten Konkurseröffnung über die Gesellschaft aus dieser ausgeschieden.
Nach dem Fortsetzungsbeschluss der Gesellschaft habe ihn G1 mit der Begründung, er sei alt und brauche jemanden, gedrängt, wieder in die Firma einzusteigen. Ausgemacht war, dass sich G1 nicht mehr in die Geschäfte der Firma einmische. Er sei trotzdem permanent im Büro anwesend gewesen, habe Rechnungen geschrieben und Geld kassiert. Dem Bf. habe H erzählt, dass die Kunden schon zahlen würden, in Wahrheit habe er das gesamte kassierte Geld sofort auf Privatkonten transferiert, weshalb er später auch vom Masseverwalter geklagt worden sei. Der Bf. sei kurze Zeit nur Angestellter gewesen und mit Datum3 wieder als Geschäftsführer eingestiegen, nachdem G1 ihm versichert habe, er höre komplett auf, er gehe in Pension. Am nächsten Tag sei er schon wieder im Büro gesessen.
Auf die Machenschaften der H sei er im Jahr 2011 darauf gekommen, worauf er eine Kontosperre bei der Bank veranlasst habe. Fast ein Jahr lang habe er mit Anwälten hin und her gestritten.
G1 habe oft von Kunden über die vereinbarten Kostenvoranschläge hinaus für angebliche Extraleistungen Geld verlangt, was zu langwierigen Streitereien mit den Kunden bzw. auch zur Nichtbezahlung der gesamten Leistung durch die Kunden geführt habe. Der Bf. könne sich an einen Fall erinnern, bei dem G1 bei einer Kundin, die für ihren Mann ein behindertengerechtes Bad einbauen lassen wollte, geweint habe und den ursprünglichen Kostenvoranschlag dadurch um mehrere Tausend Euro erhöht habe.
Durch die Vorgangsweise des G1 sei der Bf. ernstlich krank geworden und sehe sich nach einem Spitalsaufenthalt genötigt, ständig Medikamente zu nehmen (Zuckerkrankheit). Er sei auch psychisch angeschlagen gewesen und habe binnen drei Monaten 40 kg abgenommen.
Letztlich habe G1 gesagt, er sehe ein, dass er die Firma nicht mehr führen solle und sei als Geschäftsführer zurückgetreten (Mai 2011). Ab diesem Zeitpunkt sei auch S nicht mehr ins Büro gekommen. Dem Steuerberater der Firma, den der Bf. kontaktiert habe, habe zu ihm gesagt: "Wer sind Sie, ich kann die Unterlagen nur Herrn H geben." So sei er darauf gekommen, dass beim Steuerberater Honorare über 4.000 € offen waren.
G1 habe bei seinem Ausscheiden als Geschäftsführer sämtliche Aufträge mitgenommen und diese an andere Firmen verkauft. Der Bf. habe versucht, neue Aufträge zu lukrieren, um seine Leute zu beschäftigen, habe aber bald eingesehen, dass es so nicht weitergehen könne. Die Firma habe von überall her Klagen bekommen. Er habe nicht gewusst, was tun, es sei praktisch kein Bargeld vorhanden gewesen. Das am Konto eingegangene Geld habe er dem Masseverwalter überlassen. Das waren ca. 6.000 €, davon habe er 4.000 € für die Konkurseröffnung bezahlt. Der Masseverwalter habe offene Forderungen eingetrieben, sodass es zu einer Konkursquote von über 15 % gekommen sei.
S sei zwar nicht mehr ins Büro gekommen, habe aber weiter die Buchhaltung der Gesellschaft mit der steuerlichen Vertreterin betreut. Er habe der Sekretärin telefonisch Anweisungen gegeben was zu tun sei. Ob er gelegentlich auch im Büro gewesen sei, wisse der Bf. nicht.

In der mündlichen Verhandlung am führte der Bf. ergänzend aus, die Formulierung im Schriftsatz vom , "die Belastungen an Umsatzsteuer für den Zeitraum 01/2010 bis 06/2011 sind zu stornieren" sei so zu verstehen, dass die Umsätze von der GmbH erzielt und die diesbezüglichen Selbstbemessungsabgaben in richtiger Höhe gemeldet wurden. Allerdings seien die Abgaben durch den Geschäftsführer G1 nicht entrichtet worden, weil dieser sämtliche Einnahmen (die er zum Teil auf Baustellen vor Ort in bar kassierte bzw. eingehende Gelder am Firmenkonto auf sein Privatkonto überweisen ließ) für sich bzw. seine zwei Söhne verwendet habe.
Der Bf. verfüge über keine Unterlagen, diese seien im Konkursverfahren vom Masseverwalter abgeholt und nach Beendigung der zivilrechtlichen Verfahren des Masseverwalters gegen G1 entsorgt worden.
Es sei richtig, dass die Löhne der Gesellschaft bis inklusive Dezember 2011 ausbezahlt wurden. Sein Geschäftsführergehalt sei nicht weiterbezahlt worden. Er habe sich, was er zum Leben gebraucht habe sowie die für den Weiterbetrieb des Unternehmens notwendigen Zahlungen (z.B. für Materialeinkauf) aus der Kasse herausgenommen.
Vom ersten Konkursverfahren der GmbH im Jahr 2008 habe der Bf. Kenntnis gehabt, weil er zwar als Geschäftsführer ausgeschieden sei, aber als Techniker bei der Firma weitergearbeitet habe. Zum ersten Konkursverfahren sei es gekommen, weil die GmbH im Zuge von Arbeiten auf einer Großbaustelle keine Zahlungen erhalten habe. Der Steuerberater habe dem Bf. bei seiner Bestellung zum Geschäftsführer im September 2009 bestätigt, von der Gesellschaft seien alle für den Zwangsausgleich erforderlichen Quoten bezahlt worden.
Dass die Gebarung der Gesellschaft nicht in Ordnung war, habe er erstmals bemerkt, als er vom Konto der GmbH Geld für einen Materialeinkauf abheben wollte. Obwohl die GmbH einige Tage zuvor eine große Einnahme hatte, habe am Konto kein Guthaben bestanden. Auf Anraten des Bankbeamten habe er das Konto sperren lassen. Daraufhin sei es mit G1 zum Streit gekommen, in dessen Folge dieser im Mai 2011 seinen Rücktritt als Geschäftsführer erklärt habe.
Nach dessen Ausscheiden habe der Bf. dann auch festgestellt, dass G1 bei einer Baustelle, für die die Gesellschaft schon den Auftrag hatte, selbst mit einer anderen Firma gearbeitet habe. Die Folge sei gewesen, dass die GmbH keine Aufträge und keine liquiden Mittel mehr gehabt habe, weshalb in der Folge das (zweite) Konkursverfahren eröffnet werden musste.
Der Bf. selbst sei glaublich ich im Dezember 2011 oder Jänner 2012 das erste Mal zum Finanzamt gegangen, um Informationen über die abgabenrechtliche Gebarung der Gesellschaft einzuholen, weil er selbst keinerlei Informationen oder Unterlagen gehabt habe. Ihm sei vorher nie bekannt gewesen, dass die GmbH irgendetwas nicht bezahlt hätte oder Schulden bestanden hätten.
Zu seiner Bestellung als Geschäftsführer führte der Bf. aus, er sei ein Handwerker und kein Buchhalter. Es sei daher von vornherein klar gewesen, dass er nicht die Büroarbeit machen könne. Darüberhinaus wollte G1 im Büro sein, um seinen Sohn S, der aufgrund seiner Behinderung immer nur Büroarbeiten machen konnte, zu unterstützen. Dieser sei aber fast immer maximal eine Stunde täglich anwesend gewesen.
Der Vertreter des Finanzamtes beantragte die Abweisung der gegenständlichen Beschwerde.
Der Abgabepflichtige beantragte die Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Voraussetzungen für die Geltendmachung einer Haftung gemäß § 9 BAO sind eine Abgabenforderung gegen den Vertretenen, die objektive Uneinbringlichkeit der entsprechenden Abgaben im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Haftenden (), die Stellung des Haftungspflichtigen als Vertreter, dessen schuldhafte Pflichtverletzung sowie die Kausalität zwischen Pflichtverletzung und Uneinbringlichkeit ().

Uneinbringlichkeit der Abgaben

Die Haftung nach § 9 Abs. 1 BAO ist eine Ausfallshaftung (). Voraussetzung ist die objektive Uneinbringlichkeit der betreffenden Abgaben im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Haftenden (). Uneinbringlichkeit liegt vor, wenn Vollstreckungsmaßnahmen erfolglos waren oder voraussichtlich erfolglos wären ().
Im gegenständlichen Fall steht die Uneinbringlichkeit der im Haftungsbescheid angeführten Abgaben fest, da über das Vermögen der H.GmbH mit dem Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom Datum5 das Konkursverfahren eröffnet wurde. Das Verfahren wurde nach Schlussverteilung (Quote x%) am Datum6 aufgehoben.
Da die Gesellschaft mittlerweile infolge Vermögenslosigkeit im Firmenbuch gelöscht wurde, ist eine Einbringlichmachung der am Abgabenkonto der H.GmbH unberichtigt aushaftenden Abgabenverbindlichkeiten nicht möglich. Die Uneinbringlichkeit der verfahrensgegenständlichen Abgabenbeträge steht somit zweifelsfrei fest.

Vorbringen der Verjährung

Die Erlassung eines Haftungsbescheides ist eine Einhebungsmaßnahme und als solche daher nur innerhalb der Einhebungsverjährungsfrist des § 238 BAO zulässig (vgl. ).
Der Bf. wendet in sämtlichen Schriftsätzen ein, die Haftungsbeträge im angefochtenen Bescheid seien einhebungsverjährt.

Gemäß § 238 Abs. 1 BAO verjährt das Recht eine fällige Abgabe einzuheben und zwangsweise einzubringen, binnen fünf Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in welchem die Abgabe fällig geworden ist, keinesfalls jedoch früher als das Recht zur Festsetzung der Abgabe. § 209a gilt sinngemäß.
Gemäß § 238 Abs. 2 BAO wird die Verjährung fälliger Abgaben durch jede zur Durchsetzung des Anspruches unternommene, nach außenerkennbare Amtshandlung, wie durch Mahnung, durch Vollstreckungsmaßnahmen, durch Bewilligung einer Zahlungserleichterung oder durch Erlassung eines Haftungsbescheides unterbrochen. Mit Ablauf des Jahres, in welchem die Unterbrechung eingetreten ist, beginnt die Verjährungsfrist neu zu laufen.

Gemäß § 9 Abs. 1 IO wird durch die Anmeldung im Insolvenzverfahren die Verjährung der angemeldeten Forderung unterbrochen. Die Verjährung der Forderung gegen den Schuldner beginnt von neuem mit dem Ablauf des Tages, an dem der Beschluss über die Aufhebung des Insolvenzverfahrens rechtskräftig geworden ist.

Die Einhebungsverjährungsfrist sämtlicher Haftungsbeträge war im Zeitpunkt der Eröffnung des Konkursverfahrens am Datum5 noch nicht abgelaufen (älteste Abgaben aus dem Jahr 2009).
Mit dem Ablauf des Datum6 (Beschluss des Handelsgerichtes Wien über die Aufhebung des Konkursverfahrens nach Schlussverteilung) begann im vorliegenden Fall die Verjährungsfrist neu zu laufen.
Eine absolute Einhebungsverjährungsfrist ist im Gesetz nicht vorgesehen.
Im Zeitpunkt der Erlassung des hierangefochtenen Haftungsbescheides am war daher entgegen der Rechtsansicht des Bf. Einhebungsverjährung noch nicht eingetreten.

Vertretung der Gesellschaft

Gemäß § 18 Abs. 1 GmbHG wird die Gesellschaft durch die Geschäftsführer gerichtlich und außergerichtlich vertreten.
Die Geschäftsführer sind der Gesellschaft gegenüber verpflichtet, bei ihrer Geschäftsführung die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes anzuwenden (§ 25 Abs. 1 GmbHG).

Für Abgabenschulden einer GmbH sind zur Haftung nach § 9 Abs. 1 BAO die in § 80 BAO angesprochenen Vertreter einer GmbH heranzuziehen ().

Der Bf. vertrat die Gesellschaft seit dem Jahr 2007 bis Datum4 gemeinsam mit G1, anschließend bis zur Eröffnung des Konkursverfahrens am Datum5 als alleiniger handelsrechtlicher Geschäftsführer.

Verschulden

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt es für die Beurteilung der Verschuldensfrage darauf an, welcher Geschäftsführer mit der Besorgung der steuerlichen Angelegenheiten befasst war ().
Im Fall einer Aufteilung der Agenden zwischen mehreren Geschäftsführern einer GmbH können die im Regelfall mit den Abgabenangelegenheiten nicht befassten Personen nicht zur Haftung herangezogen werden (VwGH vS , 91/13/0037).

Nach den Ausführungen des Bf. im Zuge des Erörterungstermines und der mündlichen Verhandlung war dieser bis zum Ausscheiden des G1 nicht mit der Besorgung der Abgabenangelegenheiten betraut. Dazu war der Bf. weder ausgebildet noch in der Lage. Der Bf. war auf den Baustellen tätig und übte die für eine handwerkliche Tätigkeit typischen Agenden wie Baustellenkontrolle, Materialbeschaffung, Auftragsrekrutierung aus.
Es ist im vorliegenden Fall daher davon auszugehen, dass zwischen beiden Geschäftsführern intern eine konkludente Geschäftsverteilung bestand, bei der der Bf. "als Handwerker" für die anfallenden Arbeiten auf den Baustellen, und G1 für die Büroarbeiten und damit die abgabenrechtlichen Belange der Gesellschaft zuständig war.
Damit traf die haftungsrechtliche Verantwortung primär G1, während der mit den Abgabenangelegenheiten nicht befasste Bf. zur Haftung nur herangezogen werden kann, wenn ein Anlass vorlag, an der Ordnungsmäßigkeit der Geschäftsführung des für die Abgabenentrichtung zuständigen Geschäftsführers G1 zu zweifeln ().
Ein solcher Fall lag zweifellos vor, als der Bf. im Zuge einer Behebung vom Konto der Gesellschaft feststellte, dass eine zuvor eingegangene größere Summe nicht auf das Konto einbezahlt worden war. Der Bf. wäre in diesem Zeitpunkt verpflichtet gewesen, die abgabenrechtliche Gebarung der Gesellschaft zu überprüfen. Dass die private Verwendung der einlangenden Gelder durch G1 zur Nichtentrichtung von Forderungen der Gläubiger der Gesellschaft bzw. der gesetzlichen Abgaben und Beiträge geführt haben musste, lag auf der Hand.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes () beginnt die Verantwortung als Geschäftsführer einer Gesellschaft für die Abfuhr von Abgaben nicht erst mit der Begründung der Vertretungsfunktion, weil der Geschäftsführer auch verpflichtet ist, bis dahin angesammelte Abgabenrückstände zu begleichen.
Nach dem Rücktritt des G1 als Geschäftsführer im Mai 2011, der unmittelbare Folge der Aufdeckung seines unredlichen Verhaltens sowie des damit in Zusammenhang stehenden Streites mit dem Bf. war, wäre der Bf. verpflichtet gewesen, sich als nunmehr alleiniger Geschäftsführer einen Überblick über die bisherige Geschäftsgebarung der Gesellschaft zu verschaffen.
Der Bf. war als alleiniger Geschäftsführer ab diesem Zeitpunkt nicht nur verpflichtet, aus den vorhandenen Mitteln die laufenden Abgabenverbindlichkeiten der GmbH, sondern auch die bis dahin aufgelaufenen Abgabenrückstände (laut Aktenlage ca. 95.000 €) zu entrichten. Die Pflicht der Gesellschaft zur Abgabenentrichtung endet nämlich erst mit deren Abstattung (siehe ).

Die vom Bf. vorgebrachte Unkenntnis steuerrechtlicher und buchhalterischer Belange vermag ihn ab diesem Zeitpunkt nicht zu exkulpieren. Wer trotz Rechtsunkenntnis Erkundigungen unterlässt, handelt zumindest fahrlässig (). Als schuldhaft im Sinne des § 9 BAO gilt jede Form des Verschuldens, somit auch leichte Fahrlässigkeit (VwGH vS , 91/13/0037). Dem Bf. wäre es in dieser Situation frei gestanden, seine Geschäftsführertätigkeit ebenfalls zurückzulegen; mit der Übernahme der alleinigen handelsrechtlichen Geschäftsführertätigkeit übernahm der Bf. auch sämtliche von der Gesellschaft zu erfüllenden abgabenrechtlichen Pflichten, wie die Pflicht zur Führung von Büchern und Aufzeichnungen, zur Aufbewahrung von Geschäftsunterlagen, zur Abgabenerklärung sowie die Pflicht, dafür Sorge zu tragen, dass die (bereits fälligen und laufenden) Abgaben aus den verwalteten Mitteln entrichtet werden.

Auch die Beauftragung der Steuerberaterin kann ein Verschulden des Bf. nicht ausschließen, weil er gegenüber dieser eine Überwachungspflicht hatte, zumal er nach eigenen Angaben an der Erfüllung der ihr übertragenden Agenden Zweifel hegte.

Aus welchen Gründen der Bf. seinen Verpflichtungen als Geschäftsführer nicht nachkam, ist im gegenständlichen Haftungsverfahren ohne rechtliche Bedeutung. Als bestellter Geschäftsführer hätte er die abgabenrechtlichen Pflichten der Gesellschaft erfüllen oder seine Funktion unverzüglich niederlegen müssen. Da der Bf. diesen Pflichten nicht nachkam, muss er die Konsequenzen tragen ().

Der Bf. hat daher ein schuldhaftes Verhalten im Sinne des § 9 BAO zu verantworten.

Auf die Einstellung des gegen den Bf. wegen rückständiger Sozialversicherungsbeiträge von der Wiener Gebietskrankenkasse geführten Haftungsverfahrens, kann mangels näherer Ausführungen zum Sachverhalt bzw. der fehlenden Begründung nicht eingegangen werden. Eine Bindungswirkung für dieses Verfahren entfaltet die Beschwerdevorentscheidung vom nicht.

Umkehr der Beweislast

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Vertreter darzutun, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten unmöglich gewesen sei, widrigenfalls die Abgabenbehörde eine schuldhafte Verletzung im Sinn des § 9 Abs. 1 BAO annehmen darf. Unterbleibt der Nachweis, kann die Behörde die uneinbringlichen Abgaben dem Vertreter zur Gänze vorschreiben ().
Vom Vertreter ist der Nachweis zu erbringen, welcher Betrag bei Gleichbehandlung sämtlicher Gläubiger - bezogen auf die jeweiligen Fälligkeitszeitpunkte einerseits und das Vorhandensein liquider Mittel andererseits - an die Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre (siehe dazu die Ausführungen im angefochtenen Bescheid).
Vermag er nachzuweisen, welcher Betrag bei anteilsmäßiger Befriedigung der Forderungen an die Abgabenbehörde abzuführen gewesen wäre, so haftet er nur für die Differenz zwischen diesem und der tatsächlich erfolgten Zahlung ().
Wird dieser Nachweis nicht angetreten, kann dem Vertreter die uneinbringliche Abgabe zur Gänze vorgeschrieben werden.

Es wäre daher am Bf., dem als Geschäftsführer der Primärschuldnerin ausreichend Einblick in die Gebarung zustand, gelegen gewesen, das Ausmaß der quantitativen Unzulänglichkeit der in den Fälligkeitszeitpunkten der Abgaben zur Verfügung stehenden Mittel nachzuweisen (), da nicht die Abgabenbehörde das Ausreichen der Mittel zur Abgabenentrichtung nachzuweisen hat, sondern der zur Haftung herangezogene Geschäftsführer das Fehlen ausreichender Mittel ().
Der Bf. wurde im Vorhalt vom aufgefordert nachzuweisen, dass er ohne sein Verschulden daran gehindert war, für die Entrichtung der Abgaben zu sorgen. Diesbezügliche Nachweise (Liquiditätsnachweise der Gesellschaft zu den jeweiligen Fäligkeitszeitpunkten der Abgaben) wurden im gesamten Verfahren nicht vorgelegt.
Dass auch während der Geschäftsführertätigkeit des Bf. liquide Mittel (wenn auch in geringem Ausmaß) vorhanden waren, hat der Bf. selbst bestätigt ("Ich habe mir das was ich zum Leben sowie zur Fortführung des Betriebes gebraucht habe aus der Kasse genommen"). Der Bf. hat in der mündlichen Verhandlung auch bestätigt, dass die Löhne der Angestellten bis einschließlich Dezember 2011 ausbezahlt wurden. Außerdem befand sich am Konto der Gesellschaft bei Konkurseröffnung ein Guthaben.
Aufgrund der Aussagen des Bf. ist davon auszugehen, dass die Gesellschaft zur Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebes Zahlungen an andere Gläubiger in voller Höhe geleistet und somit die Abgabenverbindlichkeiten benachteiligt hat.
Dass Auftraggeber Zahlungen aus Werkverträgen nicht geleistet haben und die Gesellschaft daher unverschuldet in Konkurs geriet, spielt für die Frage, ob die vorhandenen liquiden Mittel gleichmäßig auf alle Gläubiger aufgeteilt wurden, keine Rolle.
Da dieses Vorbringen sowie die Einbringlichmachung vieler Forderungen durch den Masseverwalter außer Streit steht, war von der zu diesem Thema beantragten Einvernahme des Masseverwalters bzw. der Beischaffung des Konkursaktes der GmbH abzusehen.

Der Bf. bringt vor, dass es im Organisationsverschulden des Finanzamtes liege, dass er die geforderten Beweise nicht führen könne. Das Finanzamt habe sich die Nichtausfertigung des Haftungsbescheides zu Konkursbeginn und damit seine eigene Untätigkeit zurechnen zu lassen.
Dazu ist auszuführen, dass die Haftung nach § 9 BAO eine Ausfallhaftung ist, was die objektive Uneinbringlichkeit der betreffenden Abgaben im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Haftenden voraussetzt (). Es entspricht dem Gesetz, wenn die Behörde die Haftung erst dann geltend macht, wenn sie Kenntnis über das Ausmaß der Uneinbringlichkeit hat (). Eine "Untätigkeit" ist der Abgabenbehörde daher nicht vorzuhalten.
Im Übrigen wurde der Vorhalt vom dem Bf. noch vor Beendigung des Konkursverfahrens am Datum6 zugestellt, sodass er leicht die Möglichkeit gehabt hätte, die Unterlagen beim Masseverwalter einzusehen bzw. deren Rückstellung an ihn zu veranlassen.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes obliegt dem Vertreter im Hinblick auf seine mögliche Inanspruchnahme als Haftungspflichtiger auch eine entsprechende Beweisvorsorge - etwa durch das Erstellen und Aufbewahren von Ausdrucken (siehe /0124). Spätestens dann, wenn im Zeitpunkt der Vertretungstätigkeit (im vorliegenden Fall 2012) fällige Abgabenschulden unberichtigt aushaften, hat der potentiell Haftungspflichtige jene Informationen zu sichern, die ihm im Fall der Inanspruchnahme als Haftungspflichtiger die Erfüllung der Darlegungspflicht ermöglichen. Der Bf. kann daher nicht mit Erfolg einwenden, die Unterlagen seien vom Masseverwalter zwischenzeitig vernichtet worden.
Hinsichtlich des Verschuldens bei der Nichtabfuhr der Lohnsteuer wird auf die Ausführungen der Abgabenbehörde im angefochtenen Bescheid verwiesen.

Höhe der Abgaben

Der Bf. erhob im Schriftsatz vom Einwendungen gegen die Körperschaftsteuervorauszahlungen und die Umsatzsteuervorauszahlungen.

Geht einem Haftungsbescheid (an den Geschäftsführer) ein Abgabenbescheid (an die GmbH) voran, so ist die Behörde daran gebunden und hat sich in der Entscheidung über die Heranziehung zur Haftung (hinsichtlich des Grundes und der Höhe der Abgabe) grundsätzlich an diesen Abgabenbescheid zu halten ().

Die Verpflichtung zur Leistung von Körperschaftsteuervorauszahlungen hat die bescheidmäßige Festsetzung der Körperschaftsteuer durch das Finanzamt zur Voraussetzung (siehe § 24 Abs. 3 KStG 1988), wobei der Vorauszahlungsbescheid in der Regel mit dem Körperschaftsteuerbescheid für das veranlagte Jahr verbunden wird. Da der Festsetzung der Vorauszahlungen somit ein Bescheid vorausgeht, ist die Behörde im Haftungsverfahren an die Höhe der Vorauszahlungen gebunden und können Einwendungen gegen die Höhe der Körperschaftsteuervorauszahlungen nicht im Haftungsverfahren vorgebracht werden.

Dem Vorbringen des Bf., die Umsatzsteuervorauszahlungen seien "zu stornieren", weil die Umsätze nicht der Gesellschaft zugekommen seien, ist entgegen zu halten, dass der Geschäftsführer G1 die vereinnahmten Mittel für sich behalten bzw. auf sein Privatkonto überweisen hat lassen; die Leistungen jedoch unzweifelhaft von der Gesellschaft erbracht und die Bezahlung von den Auftraggebern an die Gesellschaft (bzw. deren Geschäftsführer) geleistet wurden. Unternehmerin und Schuldnerin der Umsatzsteuer war die Gesellschaft, was auch vom Bf. in der mündlichen Verhandlung bestätigt wurde. Die Meldung der Umsätze der Gesellschaft erfolgte stets fristgerecht, jedoch ohne die Umsatzsteuer zu entrichten. Es ist daher davon auszugehen, dass die Umsatzsteuer von G1 bzw. dem steuerlichen Vertreter der GmbH in richtiger Höhe gemeldet wurde; andere Hinweise liegen auch dem Bf. nicht vor. Der Verdacht, dass Einnahmen durch G1 veruntreut wurden, lässt den bei der Gesellschaft entstanden Abgabenanspruch betreffend die Umsatzsteuer unberührt.

Kausalität

Im Fall des Vorliegens einer schuldhaften Pflichtverletzung spricht nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine Vermutung für die Verursachung der Uneinbringlichkeit der Abgaben durch die Pflichtverletzung und den Rechtswidrigkeitszusammenhang. Die Pflichtverletzung ist demnach kausal für die Uneinbringlichkeit (siehe dazu , ).

Fest steht, dass die pflichtwidrige Nichtentrichtung der im Haftungsbescheid angeführten Abgaben kausal für deren Uneinbringlichkeit ist und dieses pflichtwidrige Verhalten dem Bf. als verantwortlichen Geschäftsführer der Gesellschaft zuzurechnen ist. Von einem Rechtswidrigkeitszusammenhang ist demnach auszugehen.

Ausmaß der Haftung

Nach der Konkurseröffnung ist der Masseverwalter betreffend die Konkursmasse gesetzlicher Vertreter des Gemeinschuldners im Sinn des § 80 BAO (). Dieser tritt an die Stelle des Gemeinschuldners, weshalb dem Bf. ein Verschulden an der Nichtentrichtung von Abgaben nach der Konkurseröffnung nicht angelastet werden kann.
Die nach der Konkurseröffnung (Datum5) fälligen Abgaben (Umsatzsteuer 01/2012 0,03 €, fällig am , Verspätungszuschläge 10 und 11/2011 216,45 € und 257,25 €, beide fällig am , Lohnsteuer 03/2012 346,95 €, Dienstgeberbeitrag 03/2012 104,08 €, Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 03/2012 9,25 €, sämtliche fällig am , erste Säumniszuschläge 2012 393,71 €, fällig am 16.03., 16.04. und und dritter Säumniszuschlag 2011 58,53 €, fällig am ) waren daher aus der Haftung auszuscheiden.

Bei den ersten Säumniszuschlägen 2009 694,16 €, ersten Säumniszuschlägen 2011 488,92 € und zweiten Säumniszuschlägen 2011 163,04 € erfolgte keine Aufgliederung der einzelnen Säumniszuschläge. Bestandteil des Spruches eines Haftungsbescheides ist aber die genaue Aufgliederung der Haftungssumme nach Abgabenart und Zeitraum. Eine Zusammenfassung mehrerer Säumniszuschläge mit verschiedenen Fälligkeitstagen zu einem zusammengefassten Betrag ist daher nicht möglich, weil dem Haftungspflichtigen mit der Gesamtsumme nicht über die einzelnen haftungsgegenständlichen Abgabenansprüche Kenntnis verschafft wurde. Die globale Anführung der Säumniszuschläge in einem Rückstandsbetrag ist daher rechtswidrig, weshalb auch diese Beträge aus der Haftung auszuscheiden waren.

Das dem Haftungspflichtigen in § 248 BAO eingeräumte Beschwerderecht gegen die Bescheide über den Abgabenanspruch bedingt, dass ihm anlässlich der Erlassung des Haftungsbescheides von der Behörde über den haftungsgegenständlichen Abgabenanspruch Kenntnis zu verschaffen ist (). Das Unterbleiben einer solchen Bekanntmachung macht den Haftungsbescheid rechtswidrig ().
Die im Zuge der Lohnsteuerprüfung ergangenen Haftungsbescheide Lohnsteuer für die Jahre 2010 und 2011 sowie die Festsetzungsbescheide Dienstgeberbeitrag und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag für die Jahre 2010 und 2011 ergingen an den Masseverwalter der Gesellschaft. Nach der Aktenlage wurden die Bescheide weder dem Vorhalt vom noch dem Haftungsbescheid vom beigelegt, weshalb dem Bf. die Möglichkeit, gemäß § 248 BAO auch gegen die Bescheide über den Abgabenanspruch eine Bescheidbeschwerde einzubringen, verwehrt war.
Ein derartiger Mangel des Verfahrens ist im Verfahren über das Rechtsmittel gegen den Haftungsbescheid nicht sanierbar (, , 2013/16/0165).
Der Bf. kann daher zur Haftung der aus der Lohnsteuerprüfung resultierenden Nachforderungen an Lohnsteuer, Dienstgeberbeitrag und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 2010 und 2011 (Lohnsteuer 2010 629,26 €, Dienstgeberbeitrag 2010 322,01 €, Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 2010 16,67 €, Lohnsteuer 2011 3.171,56 €, Dienstgeberbeitrag 2011 3.743,58 € und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 2011 332,76 €) nicht herangezogen werden.

Das Insolvenzverfahren wurde nach der Schlussverteilung mit einer Quote x% am Datum6 aufgehoben.
Die Haftungsbeträge wurden im angefochtenen Bescheid in voller Höhe in Ansatz gebracht. Das Vorbringen des Bf., die ausgezahlte Quote wäre bei den Haftungsbeträgen zu berücksichtigen, ist berechtigt, da die einzelnen Forderungen durch die Zahlungen im Sanierungsverfahren zu einer anteiligen Befriedigung aus der Masse geführt haben. Daran vermag die offensichtlich vom Finanzamt vorgenommene Verrechnung der Quotenzahlung auf die am Abgabenkonto der Gesellschaft aushaftenden ältesten Abgabenschuldigkeiten nichts zu ändern. Bei den im Spruch angeführten Haftungsbeträgen wurde die ausgeschüttete Quote daher berücksichtigt.

Insoweit der Bf. vorbringt, es seien Zahlungen des Insolvenzentgeltfonds nicht auf die Haftungsbeträge angerechnet worden, ist festzustellen, dass Einzahlungen des Fonds auf das Abgabenkonto der Gesellschaft nicht erfolgt sind.

Die Haftungssumme verringert sich damit auf 93.437,30 €.

Ermessen

Die Inanspruchnahme zur Haftung liegt im Ermessen (§ 20 BAO) der Abgabenbehörde. Dem Gesetzesbegriff "Billigkeit" ist dabei die Bedeutung "berechtigte Interessender Partei", dem Gesetzesbegriff "Zweckmäßigkeit" die Bedeutung "öffentliches Anliegen an der Einbringung der Abgaben mit allen gesetzlich vorgesehenen Mitteln und Möglichkeiten" beizumessen. Wesentliches Ermessenskriterium ist die Vermeidung eines endgültigen Abgabenausfalles.

Die Geltendmachung der Haftung stellt die letzte Möglichkeit zur Durchsetzung des Abgabenanspruches dar, wobei die Vermeidung eines endgültigen Abgabenausfalles ein wesentliches Ermessenskriterium ist. Aus dem auf die Hereinbringung der Abgabenschuld beim Haftenden gerichteten Besicherungszweck der Haftungsnorm folgt, dass die Geltendmachung der Haftung in der Regel ermessenskonform ist, wenn die betreffende Abgabe bei der Primärschuldnerin uneinbringlich ist.

Die Uneinbringlichkeit bei der Primärschuldnerin steht als Folge des Insolvenzverfahrens fest. Der Bf. war seit Mai 2011 alleiniger handelsrechtlicher Geschäftsführer der Primärschuldnerin und somit auch für die Entrichtung der Abgaben verantwortlich.
Nach der Rechtsprechung stehen die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Haftenden wie etwa dessen schlechte finanzielle Lage oder dessen Vermögenslosigkeit in keinem erkennbaren Zusammenhangmit der Geltendmachung der Haftung und können somit die Ermessensübung nicht beeinflussen ().
Eine allfällige derzeitige Uneinbringlichkeit der geltend gemachten Verbindlichkeiten beim Haftungspflichtigen schließt nämlich nicht aus, dass künftig neu hervor gekommenes Vermögen oder künftig erzielte Einkünfte zur Einbringlichkeit führen könnten (VwGH08.07.2009, 2009/15/0013). Die Inanspruchnahme der Haftung in Ausübung des Ermessens ist mit dem derzeitigen, im Zeitpunkt der Erlassung des Haftungsbescheides vorhandenen Vermögen nicht begrenzt (). Die vom Bf. aufgrund seiner derzeitigen schlechten finanziellen Lage (Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit laut Einkommensteuerbescheid vom 13.183,30 €, Sorgepflichten für Gattin und drei Kinder) geltend gemachte Unbilligkeit der Einhebung der haftungsgegenständlichen Abgaben ist im Rahmen der Ermessensübung zur Geltendmachung der Haftung nicht zu berücksichtigen ().
Es war daher zweckmäßig, den Bf. zur Haftung für jene Abgaben, die aufgrund seines pflichtwidrigen Verhaltens (Nichtabfuhr) bei der Gesellschaft uneinbringlich geworden sind, heranzuziehen.

Zur Unzulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf die zitierte Judikatur wird verwiesen.

Das Erkenntnis gründet sich auf die oben wieder gegebene ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, weshalb eine Revision nicht zulässig ist.

Beilage für beide Parteien: Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 9 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 80 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.7103471.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at