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Maßnahmenbeschwerde – Einzel – Beschluss, BFG vom 04.02.2021, RM/1300001/2020

Nach Aufhebung der Beschlagnahme ist die Ware dem bisherigen Inhaber zurückzugeben. Die Verweigerung der Herausgabe an den Eigentümer stellt keine Ausübung unmittelbarer finanzstrafbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt dar.

Entscheidungstext

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Dr. Ri über die Maßnahmenbeschwerde der ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch ***RA1*** Rechtsanwälte GmbH, ***RA1-Adr***, betreffend Ausübung unmittelbarer finanzstrafbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durch Verweigerung der Freigabe der Forstmaschine ***2*** trotz Aufhebung der nach § 89 FinStrG erfolgten Beschlagnahme, beschlossen:

Die Beschwerde wird als unzulässig zurückgewiesen.

Eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Begründung

Am kam der Fahrer des LKW Sattelzugs der Fa. ***4*** SRL, ***7***, italienisches Kennzeichen, zum Amtsplatz der Zollstelle Lustenau. Auf dem Auflieger befand sich die in der Schweiz für die ***3*** Sarl. zum Verkehr zugelassene Forstmaschine (allradgetriebenes Gelenkfahrzeug). Dem Abfertigungsorgan erklärte er, dass er die Forstmaschine über Auftrag der ***3*** SrL, Schweiz, nach ***7*** überstellen solle. Die Forstmaschine werde dort einem potenziellen Kunden für Zwecke des Abtransports von Schadholz aus unwegsamen Gelände vorgeführt werden.

Vom Zollorgan erhielt er die Auskunft, dass die Maschine einem formellen Zollverfahren (Versandverfahren T1) zugeführt und in Italien in ein anschließendes Zollverfahren übergeführt werden müsse.

Entgegen der Anweisung sich zur Gütereinfuhrstelle zu begeben, verließ der Fahrer, nach Rücksprache mit seinem Arbeitgeber sowie mit dem Auftraggeber, die Zollstelle ohne ein entsprechendes Zollverfahren zu beantragen. Auf der Autobahn in der Nähe von ***6*** wurde er angehalten, zurück zur Zollstelle gebracht, wo die Forstmaschine abgeladen und gem. § 89 Abs. 1 FinStrG zur Sicherung des Verfalls und als Beweismittel beschlagnahmt wurde.

Mit Bescheid vom , GZ ***5***, wurden gegenüber der ***4*** SrL sowie dem Fahrer als Gesamtschuldner die Zollschuld für die Forstmaschine iHv. € 115.967,35 geltend gemacht. Da die Maschine in Italien Gegenstand einer Vorführung im Sinne des Art. 231 Buchstabe a UZK-DA werden sollte, wären die Bestimmungen der vorübergehenden Verwendung für Vorführzwecke anzuwenden gewesen. Da die Antragstellung und Bewilligungserteilung durch die italienischen Zollbehörden erfolgen hätte müssen, hätte der Transport der Maschine nach Südtirol im Rahmen eines T1-Versandverfahrens erfolgen müssen.

Die gegen den Bescheid von der ***4*** SrL eingelegte Beschwerde wurde mit (rechtskräftiger) Beschwerdevorentscheidung des Zollamtes Feldkirch Wolfurt (nunmehr Zollamt Österreich) vom , 920000/208245/2020-1, als unbegründet abgewiesen.

Mit Eingabe vom brachte die ***Bf1***(Beschwerdeführerin/Bf.) einen Antrag auf Aufhebung der Beschlagnahme wegen Eigentumsverletzung ein. Sie sei Eigentümerin der beschlagnahmten Forstmaschine, die sie unter Zurückbehaltung aller Eigentumsrechte in die Gewahrsame ihrer Leasingnehmerin, der ***3*** Sarl, gegeben habe.
Die ***3*** habe in einer Stellungnahme dargelegt, dass es keine Gründe mehr für die Aufrechterhaltung der Beschlagnahme gebe, da ein Verfall gem. § 17 FinStrG nicht in Betracht komme; die Sicherstellung als Beweismittel sei auch nicht mehr geboten. Die Aufrechterhaltung einer nicht mehr gerechtfertigten Beschlagnahme komme einem gesetzlosen Verhalten gleich.

Das Zollamt Feldkirch Wolfurt als Finanzstrafbehörde (nunmehr Zollamt Österreich Finanzstrafbehörde) hat daraufhin mit Bescheid vom , Zahl***5***, die Beschlagnahme gem. § 91 Abs. 2 FinStrG aufgehoben. In einem Hinweis am Ende des Bescheides führte sie aus, die Forstmaschine sei derzeit gem. § 69 ZollR-DG beschlagnahmt, weshalb eine Freigabe nicht erfolgen könne.

Mit dem an das Bundesfinanzgericht gerichteten Schriftsatz vom hat die ***Bf1*** eine Maßnahmenbeschwerde gemäß §§ 150 ff. FinStrG wegen der behaupteten Ausübung unmittelbarer finanzstrafbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durch Verweigerung der Freigabe eines Gegenstandes trotz bescheidmäßiger Aufhebung der nach § 89 FinStrG erfolgten Beschlagnahme gemäß § 91 Abs. 1 FinStrG vom zu GZ Zahl***5*** unter Berufung auf die nicht mit Bescheid geltend gemachte Sachhaftung des § 69 ZollR-DG eingebracht. Die nicht bescheidmäßig gedeckte Verweigerung der Freigabe des Traktors trotz bescheidmäßiger Aufhebung der nach § 89 FinStrG durchgeführten Beschlagnahme gem. § 91 Abs. 1 FinStrG verletzte sie als Eigentümerin des Traktors insbesondere in ihrem Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums gem. Art. 5 StGG.

Weder sie noch die Leasingnehmerin habe Kenntnis von einer bescheidmäßigen Geltendmachung der Sachhaftung. Ein von ihr gestellter Antrag auf Akteneinsicht sei unter Hinweis auf mangelnde Parteistellung abgewiesen worden.

Die Verweigerung der Freigabe des Traktors nach Aufhebung der Beschlagnahme stelle daher, ohne dass ein Sachhaftungsbescheid ergangen sei, einen Akt unmittelbarer finanzstrafbehördlicher Zwangsgewalt durch das die Freigabe verweigernde Organ der belangten Behörde dar. Sie könne durch die Verweigerung der Freigabe des Traktors ihrer Verpflichtung aufgrund des Leasingvertrages nicht nachkommen.

Nach § 91 Abs. 2 FinStrG sind beschlagnahmte Gegenstände unverzüglich zurückzugeben, wenn die Aufrechterhaltung der Beschlagnahme nicht gerechtfertigt ist. Die Verweigerung der Rückgabe ohne vorliegenden Sachhaftungsbescheid verletze sie in ihrem Recht auf Unversehrtheit des Eigentums.

Des Weiteren erfolgten noch Ausführungen zum Sachhaftungsbescheid im Allgemeinen sowie zum Nichtvorliegen der vom Zollamt behaupteten Zollschuld.

Die Bf. beantragte den angefochtenen Akt unmittelbarer finanzstrafbehördlicher Zwangsgewalt für rechtwidrig zu erklären und eine mündliche Verhandlung anzuberaumen.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Bei dem Rechtsinstitut der Beschlagnahme durch die Finanzstrafbehörde nach § 89 Abs 1 FinStrG handelt es sich um eine Art vorläufiges Verfahren, das der zwangsweisen Entziehung der Gewahrsame an einer Sache (Wegnahme) zum Zwecke ihrer Verwahrung dient und in dem Entscheidungen im Verdachtsbereich und keine abschließenden Lösungen zu treffen sind.

Als vorläufige Maßnahme endet sie entweder durch die Freigabe bzw Rückgabe des beschlagnahmten Gegenstandes (vgl. § 91 Abs. 2 FinStrG) oder durch den rechtskräftigen Ausspruch des Verfalls (, , (Fellner, Finanzstrafgesetz, Kommentar, §§ 89-92, RN 1a).

Gem. § 91 Abs. 2 FinStrG sind beschlagnahmte Gegenstände unverzüglich zurückzugeben, wenn die Aufrechterhaltung der Beschlagnahme nicht gerechtfertigt ist (, , ).

Die Pflicht zur Rückgabe tritt unmittelbar kraft Gesetzes ein wenn die Voraussetzungen hiezu vorliegen. Es bedarf daher auch keines Bescheides ().

Die in § 91 Abs.2 FinStrG normierte Rückgabepflicht stellt nicht auf die Eigentumsverhältnisse ab. Vielmehr geht aus dem Wortlaut dieser Gesetzesbestimmung nach der dazu vorliegenden Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes klar hervor, dass beschlagnahmte Gegenstände, wenn die Aufrechterhaltung der Beschlagnahme nicht gerechtfertigt ist, unverzüglich demjenigen, dem sie abgenommen wurden, zurückzugeben sind ().

Hiebei obliegt es nicht der Behörde, allfällige Eigentumsrechte zu prüfen oder festzustellen. Es ist daher unmaßgeblich, ob die Person, der die Sachen auszufolgen sind, diese rechtmäßig oder unrechtmäßig innegehabt hat ( Zl. A 4/97, VfSlg.Nr.14.971). Gleiches gilt auch für die Beschlagnahme nach § 26 Abs.1 ZollR-DG ().

In Anbetracht dessen, dass ein beschlagnahmter Gegenstand nur demjenigen, dem er seinerzeit abgenommen worden ist, also demjenigen, welcher zum Zeitpunkt der Beschlagnahme die betreffende Sache -sei es rechtmäßig, sei es unrechtmäßig- innegehabt (§ 309f ABGB) hat, zurückzugeben ist, steht somit fest, dass eine Person, der gegenüber weder die Beschlagnahme ausgesprochen noch eine Beschlagnahmequittung ausgestellt worden ist, kein Recht auf "Rückgabe" bzw. auf "Ausfolgung" des beschlagnahmten Gegenstandes an sie hat; mangels einer solchen Berechtigung wäre ein von dieser gestellter Antrag auf Rückgabe bzw. Ausfolgung an sie zurückzuweisen ().

Schon die Formulierung ("zurückgeben") und der plausible Grund, dass nur der bisherige Inhaber beschlagnahmter Gegenstände über eine Bestätigung zu diesen Gegenständen verfügt, die es ihm ermöglicht, die vollständige Rückgabe der beschlagnahmten Gegenstände zu überprüfen sowie die Judikatur zu dieser Bestimmung machen deutlich, dass eine Rückgabe beschlagnahmter Waren bei Fortfall der Voraussetzungen nur an jene Person erfolgen kann, die Adressat der Beschlagnahmeanordnung war ().

Es ist auch nicht Aufgabe der beschlagnehmenden Behörde, allfällige Eigentumsrechte zu überprüfen oder festzustellen (anders im Stadium einer allfälligen Bestrafung, wenn etwa nach § 19 Abs.1 lit. b FinStrG statt auf Verfall auf Wertersatz erkannt werden soll) bzw. ob der Beschlagnahmeadressat die Ware rechtmäßig oder unrechtmäßig innegehabt hat. Sollte eine Konstellation eintreten, dass jemand anderer als der Beschlagnahmeadressat ein wie immer geartetes "stärkeres Recht" an der Sache geltend macht oder die Ausfolgung an den bisherigen Inhaber verhindern will, stehen ihm hierfür die rechtlichen Möglichkeiten offen, die ihm ohne Beschlagnahme offenstehen würden (Fellner, Finanzstrafgesetz, Kommentar, §§ 89 - 92, Rz. 38 bis 38c mit Judikaturverweisen).

Eine derartige Sachlage liegt auch hier vor: das Forstfahrzeug sowie die Fahrzeugschlüssel wurden laut Tatbeschreibung vom dem Fahrer des Sattelzuges abgenommen und beschlagnahmt. Eine Ausfolgung kann - im Gegensatz zur Annahme der Bf. - auch nur an ihn erfolgen. Das Zollamt hätte daher den Antrag der Bf. auf Aufhebung der Beschlagnahme zurückweisen müssen.

Unabhängig davon wurde vom Zollamt am ein Sachhaftungsbescheid auf der Grundlage des § 69 ZollR-DG iVm. § 225 BAO erlassen. Ergangen ist dieser Bescheid an den Fahrer des Sattelzuges. Auch dieser Bescheid ist rechtskräftig.

Nach § 152 Abs. 1 FinStrG ist gegen alle sonstigen, im Finanzstrafverfahren ergehenden Bescheide sowie gegen die Ausübung unmittelbarer finanzstrafbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt das Rechtsmittel der Beschwerde zulässig, soweit nicht ein Rechtsmittel für unzulässig erklärt ist.

Die Maßnahmenbeschwerde ist das Rechtsmittel gegen Akte unmittelbarer finanzbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt. In der Unterlassung der Rückgabe beschlagnahmter Gegenstände ist keine bekämpfbare Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt zu erblicken ( A 4/97).

Das Forstfahrzeug wurde beim Fahrer des Sattelzuges nach § 89 FinStrG beschlagnahmt. Liegen die Voraussetzungen für die Aufrechterhaltung der Beschlagnahme nicht mehr vor, ist das Fahrzeug dem seinerzeitigen Inhaber zurückzugeben.

Eine Ausfolgung an die Bf. als Eigentümerin des Fahrzeugs ist mangels gesetzlicher Voraussetzungen - unabhängig von dem zwischenzeitig ergangenen Sachhaftungsbescheid - nicht zulässig.

Die Nichtausfolgung des Fahrzeugs an die Bf. stellt keinen Akt unmittelbarer finanzbehördlicher Befehls- oder Zwangsgewalt dar und war daher als unzulässig zurückzuweisen.

Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 160 Abs. 1 FinStrG abgesehen werden.

Zur Unzulässigkeit der Revision

Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine Revision nicht zulässig, da das Erkenntnis nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die mit dem vorliegenden Beschluss zu lösenden Rechtsfragen, sind durch die zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geklärt bzw. ergeben sich aus dem Wortlaut der anzuwendenden einschlägigen Bestimmungen.

Salzburg, am

Zusatzinformationen


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Materie
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
§ 91 Abs. 2 FinStrG, Finanzstrafgesetz, BGBl. Nr. 129/1958
Art. 5 StGG, Staatsgrundgesetz, RGBl. Nr. 142/1867
§ 160 Abs. 1 FinStrG, Finanzstrafgesetz, BGBl. Nr. 129/1958
§ 69 ZollR-DG, Zollrechts-Durchführungsgesetz, BGBl. Nr. 659/1994
§ 91 Abs. 1 FinStrG, Finanzstrafgesetz, BGBl. Nr. 129/1958
§ 17 FinStrG, Finanzstrafgesetz, BGBl. Nr. 129/1958
Art. 133 Abs. 4 B-VG, Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930
Verweise








A 4/97
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RM.1300001.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at