Ausbildungszeit als Polizeischüler sieht der Verwaltungsgerichtshof als Berufsausbildung iSd § 2 Abs. 1 lit. b FLAG
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Gänserndorf Mistelbach vom betreffend Abweisung des Antrages auf Familienbeihilfe für ***2*** ***3***, geb. ***4***, ab Sept. 2019 zu Recht erkannt:
Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.
Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang
Das Finanzamt ersuchte die Beschwerdeführerin (Bf.) ***5*** ***3*** im Zuge der Überprüfung des Anspruches auf Familienbeihilfe für das Kind ***2*** ***3***, geb. ***4*** vom um Vorlage eines Abschlusszeugnisses, Studienblätter, Inskriptionsbestätigung, Einkommensnachweis und Tätigkeitsnachweis von ***2*** ***3***.
Die Bf. reichte ua. im Zuge der Nachreichung der Unterlagen für die Überprüfung des Anspruches auf Familienbeihilfe den Sondervertrag gemäß § 36 VBG 1948 für die exekutivdienstliche Ausbildung bei der Landespolizeidirektion Wien ab nach. Der Dienstvertrag ist auf 24. Monate befristet.
Das Finanzamt wies den Antrag auf Familienbeihilfe ab Sept. 2019 ab und führte begründend aus, dass diese Art von Ausbildung keine Berufsausbildung im Sinne des Familienlastenausgleichsgesetz 1967 darstelle.
Gegen den Abweisungsbescheid brachte die Bf. fristgerecht Beschwerde ein und führte begründend aus:
"Meine Tochter ***2*** ***3*** besucht seit die Polizeischule in Wien, wo sie die Grundausbildung für den Exekutivdienst absolviert. Diese Ausbildung dauert 24 Monate mit zwei Praxisphasen, von einer drei- und viermonatigen Dauer, welche Teil der Ausbildung ist.
Hier ist sie nicht selbständig tätig sondern unter Begleitung und Aufsicht eines eigens geschulten Betreuungsbeamten. Weiters erhält sie während der Grundausbildung einen Ausbildungsbeitrag im Sinne einer Lehrlingsentschädigung. Diese 24 monatige Grundausbildung ist somit definitiv als Berufsausbildung und nicht als Berufsausübung zu werten.
Aus den oben genannten Gründen bin ich der Meinung, Anspruch auf die Familienbeihilfe lt. dem Familienlastenausgleichsgesetz 1967 für die Gesamtdauer dieser Berufsausbildung zu haben. Ich beantrage dies zu berücksichtigen und einen neuen Bescheid zu erlassen."
Das Finanzamt folgte dieser Argumentation der Bf. nicht, wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung ab und führte begründend aus, dass laut Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Ra 2018/16/0203, die Ausbildungsphase/Grundausbildung eines (Grenz-)Polizisten keine Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs. 1 lit b FLAG 1967 darstelle.
Dieses Erkenntnis betreffe zwar den Zeitraum, in dem der Sohn des Revisionswerbers nach Absolvierung der ersten Ausbildungsphase seinen Dienst als Grenzpolizist ausgeübt hat, jedoch verneint der Verwaltungsgerichtshof in diesem Erkenntnis das Vorliegen einer Berufsausbildung für die gesamte Grundausbildung oder Ausbildungsphase von öffentlich Bediensteten und qualifiziert dies als Berufsausübung (vgl. Rz 16, 17). Es ist daher unerheblich, ob eine Grundausbildung, praktische Verwendung oder Ergänzungsausbildung absolviert wird (vgl. ).
Mit einer Berufsausübung seien die Tatbestandsvoraussetzungen in § 2 Abs. 1 lit b FLAG 1967 nicht erfüllt und es spiele daher auch keine Rolle, ob das Ausbildungsentgelt einer Entschädigung aus einem anerkannten Lehrverhältnis iSd § 5 Abs. 1 lit b FLAG 1967 gleichgehalten werden könnte.
Die Bf. stellte den Antrag auf Entscheidung über die Beschwerde (Vorlageantrag) durch das Bundesfinanzgericht.
Das Bundesfinanzgericht wies die Beschwerde mit dem Erkenntnis vom , RV/7100514/2020, ab und führte begründend aus, der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, , folgend dass durch die Absolvierung der exekutivdienstlichen Grundausbildung in der Zeit ab die Tochter der Bf. nicht in Berufsausbildung iSd FLAG 1967 gestanden sei, sondern bereits einen Beruf ausgeübt habe.
Daran ändere es auch nichts, dass das letztgenannte Erkenntnis zu einer "fremden- und grenzpolizeilichen Ausbildung" ergangen ist. Nicht zutreffend ist jedenfalls, dass sich der Verwaltungsgerichtshof "lediglich" auf eine Unterbrechung dieser Ausbildung bezogen hätte. Vielmehr ergibt sich aus den Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofes klar, dass diese sich auf die Zeit der Grundausbildung und sonstige Ausbildungsphasen beziehen. Es kann auch keine Rede davon sein, dass der Verwaltungsgerichtshof für die Zeit der Grund- und der Ergänzungsausbildung Familienbeihilfe gewährt hätte. Vielmehr waren diese Zeiten überhaupt nicht Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens.
Das Bundesfinanzgericht ließ die Revision im Einklang mit der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht zu
Die Bf. brachte gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgericht vom , RV/7100514/2020 betreffend Abweisung des Antrages auf Familienbeihilfe ab Sept. 2019 eine außerordentliche Revision ein und führte begründend aus, dass das zitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes zu Zl. Ra 2018/16/0203 auf welchem die Entscheidung des Bundesfinanzgerichtes basiert, einen anderen Sachverhalt habe, als es der gegenständliche Fall zum Inhalt habe. In dieser Entscheidung ging es darum, dass der Sohn des Revisionswerbers eine grenzpolizeiliche Grundausbildung gemacht habe, sowie nach einer praktischen Ausbildungsphase zusätzlich eine Ergänzungsausbildung zum "ordentlichen" Exekutivbeamten absolviert habe. Gegenständlich gehe es jedoch ausschließlich um den Anspruch auf Familienbeihilfe während der "ordentlichen" Ausbildung zur Exekutivbeamtin ihrer Tochter, ohne vorausgehende Ausbildung zur Grenzpolizistin und praktischer Ausbildungsphase.
In der zitierten Entscheidung hat der Revisionswerber tatsächlich für die Zeiträume der Grundausbildung und ergänzenden Grundausbildung die Familienbeihilfe bezogen. Lediglich für den Zeitraum der praktischen Ausbildung - welche als Berufstätigkeit gewertet wurde - wurde die Familienbeihilfe zurückgefordert.
Das Bundesfinanzgericht hat nunmehr im fortgesetzten Verfahren erwogen:
Der Verwaltungsgerichtshof hat das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom , RV/7100514/2020 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes mit Erkenntnis vom , VwGH Ra 2020/16/0120, aufgehoben und wie folgt erwogen:
"Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerde der Revisionswerberin gegen den Bescheid des Finanzamts vom , mit dem ihr Antrag auf Gewährung von Familienbeihilfe für ihre am ***4*** geborene Tochter ab September 2019 abgewiesen worden war, ab und sprach aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig sei.
Der vorliegende Revisionsfall gleicht in sachverhaltsmäßiger und rechtlicher Hinsicht jenem Fall, der dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Ra 2020/16/0039, zugrunde lag.
In diesem Erkenntnis ist der Verwaltungsgerichtshof zum Ergebnis gelangt, dass eine am Beginn des Exekutivdienstes vor einer Verwendung als Polizist stehende "Basisausbildung" mit einem Lehrplan und einer Stundentafel, die - abgesehen allenfalls von einer Ausbildung im Waffengebrauch, in Selbstverteidigung oder im Sport - in theoretischen Unterweisungen, Aufgabenstellungen, Übungen und Arbeiten besteht, noch eine Berufsausbildung isd § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 darstellt.
Das angefochtene Erkenntnis war daher aus den im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom angeführten Gründen, auf welche gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird, in einem nach § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Zu Spruchpunkt
Der Verwaltungsgerichtshof hat demzufolge entschieden, dass im gegenständlichen Fall die Tochter der Bf. mit Beginn ihres Dienstverhältnis zum Bund, in dem sie eine arbeitsplatzspezifische Ausbildungsphasen zu durchlaufen hatte, sich in Berufsausbildung iSd § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 befand.
Vor dem Hintergrund dieser Entscheidung hat das Bundesfinanzgericht der Beschwerde stattgegeben.
Hingewiesen wird auf die Zuverdienstgrenze gemäß § 5 Abs. 1 FLAG 1967.
Zu Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in der vorstehenden Entscheidung festgehalten, dass sich die Tochter der Bf. mit Dienstbeginn bei der Polizei sich die ersten 24 Monate in Ausbildung befand und dies eine Berufsausbildung iS § 2 Abs. 1 lit.b FLAG darstellt.
Eine Revision ist der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes folgend nicht zulässig.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer FLAG |
betroffene Normen | § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 5 Abs. 1 lit. b FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 |
Verweise | VwGH, Ra 2020/16/0120 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2021:RV.7100005.2021 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at