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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 05.02.2021, RV/7100090/2020

Berufsausbildung (Abendgymnasium)

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die RichterinIBV in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich (bisher Finanzamt Wien 2/20/21/22) vom betreffend die Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen für den Zeitraum Februar 2016 bis Juni 2017 zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Mit Bescheid vom forderte das Finanzamt vom Beschwerdeführer (kurz: Bf) zu Unrecht bezogene Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge im Gesamtbetrag von 3.746,80 Euro zurück. Dieser Rückforderungsbescheid betraf den Zeitraum Februar 2016 bis Juni 2017. Begründend wurde dazu Folgendes ausgeführt:

Da der Bf mehrmals auf Schreiben des Finanzamtes nicht reagiert und das Maturazeugnis bisher nicht vorgelegt habe, habe davon ausgegangen werden müssen, dass der Bf die Schule nicht mehr besucht habe. Ohne Berufsausbildung stünde ihm keine Familienbeihilfe zu.

Am brachte der Bf dagegen - unter Hinweis auf seinen Schulbesuch - Beschwerde ein.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde ab, da der Bf keine der verlangten Unterlagen vorgelegt habe.

Mit Schriftsatz vom brachte der Bf den Vorlageantrag ein und verwies darauf, dass er die fehlenden Unterlagen abgegeben habe.

Im Vorlagebericht vom gab das Finanzamt nach Darstellung des Sachverhaltes unter Hinweise auf Literatur Judikatur des unabhängigen Finanzsenates folgende Stellungnahme ab:

Berufsausbildungen müssten, um einen Familienbeihilfenanspruch bei volljährigen Kindern zu begründen, die volle Zeit des Kindes in Anspruch nehmen. Sei das Ziel der Ausbildung die Ablegung der Matura, wie etwa auch bei der Berufsreifeprüfung, sei nach der Judikatur des UFS als Vergleichsmaßstab regelmäßig der für den Besuch einer AHS oder BHS erforderliche Zeitaufwand heranzuziehen, also mindestens 30 Wochenstunden, wobei im Übrigen dazu regelmäßig noch der Aufwand der Vorbereitung zu Hause kommen. Im vorliegenden Fall sei der Bf ab dem Sommersemester 2016 in keinem einzigen Semester für Gegenstände im Umfang von mehr als 19 Wochenstunden inskribiert gewesen. Zudem falle auf, dass der Großteil der beurteilten Gegenstände im Sommersemester 2016 negativ sei. Ab dem Wintersemester 2016/17 würden die Zeugnisse des Bf nur noch nicht beurteilte und einen negativen Gegenstand aufweisen. Dementsprechend sei davon auszugehen, dass der Bf ab diesem Zeitpunkt die Schule kaum bzw. überhaupt nicht mehr besucht habe. Somit stehe fest, dass eine ernsthafte und zielstrebig betriebene Berufsausbildung ab Februar 2016 keinesfalls mehr vorgelegen sei. Es werde daher beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Im elektronisch vorgelegten Akt befinden sich Ablichtungen von (Schulbesuchs-)Bestätigungen und Zeugnissen sowie die erste Seite eines Bescheides des Magistrats der Stadt Wien für den streitgegenständlichen Zeitraum.

Mit Vorhalt vom ersuchte das Bundesfinanzgericht den Bf, nachstehende Fragen zu beantworten und die angesprochenen Unterlagen vorzulegen:

1) Vorzulegen sei nicht nur das Deckblatt, sondern der gesamte Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom betreffend "Mindestsicherung, Zuerkennung".
2) Hätten die Eltern des Bf in den Monaten Februar 2016 bis Juni 2017 regelmäßig (zB monatlich) einen finanziellen Beitrag zu seinen laufenden Unterhaltskosten geleistet? Wenn ja, in welcher Höhe (diese Angaben wären entsprechend zu belegen)?
3) Habe der Bf selbst über finanzielle Mittel verfügt, mit deren Hilfe er selbst in den Monaten Februar 2016 bis Juni 2017 einen regelmäßigen (zB monatlichen) Kostenbeitrag zur Deckung seiner eigenen laufenden Unterhaltskosten leisten habe können? Welche Einnahmenquelle bzw. welches Vermögen habe ihm hierfür zur Verfügung gestanden (die Angaben wären zu belegen)? In welcher Höhe erfolgte dieser Kostenbeitrag?
4) Es sei erforderlich, dass der Bf seine monatlichen Lebenshaltungskosten (Mietaufwand, Nahrung, Kleidung, Energie, Reinigung, medizinische Versorgung, Freizeitaktivitäten etc.) für die Monate Februar 2016 bis Juni 2017 aufgeschlüsselt darstelle und seine Angaben so weit wie möglich belege (zB Mietvertrag).
5) Im Zusammenhang mit dem Besuch des Abendgymnasiums Wien während des Sommersemester 2016, des Wintersemesters 2016/17 und des Sommersemesters 2017 fällt auf, dass der Bf in zahlreichen Modulen "nicht beurteilt" wurde. Er möge die Gründe dafür hinsichtlich jeden Moduls bekanntgeben und seine Angaben belegen.
6) der Bf möge ausführen, weshalb er jedes Semester noch weniger Module (Sommersemester 2016: 7 Module/19 Wochenstunden, Wintersemester 2016/17: 5 Module/16 Wochenstunden, Sommersemester 2017: 4 Module/10 Wochenstunden) inskribiert habe.
7) der Bf möge seinen durchschnittlichen wöchentlichen Lern- und Vorbereitungsaufwand (unter Bekanntgabe der einzelnen Prüfungstermine) für die von ihm jeweils inskribierten Module für das Sommersemester 2016, das Wintersemester 2016/17 und das Sommersemester 2017 im Einzelnen nachvollziehbar darstellen.

Dieser Vorhalt blieb unbeantwortet.

Dazu wird erwogen:

1 Sachverhalt

Der Bf kam am 93 zur Welt und vollendete am 11 das 18. Lebensjahr und am 17 das 24. Lebensjahr. Er ist laut Antrag auf Zuerkennung der Familienbeihilfe österreichischer Staatsangehöriger.

Laut einer Bestätigung des Abendgymnasiums Wien vom ist der Bf aufgrund seiner Anmeldung vom seit dem Wintersemester 2013/14 Studierender dieser Anstalt.

Das Abendgymnasium Wien ist die Oberstufen- und Abendform einer "Allgemeinbildenden Höheren Schule" (AHS) und schließt mit einer Matura ab. Der Weg zur Matura ist berufsbegleitend. Es gibt eine gesetzlich geregelte Schulbesuchspflicht. Das volle Unterrichtsprogramm dauert acht Semester (4 Jahre). Von Montag bis Freitag findet in der Zeit von 17:55 bis 21:20 Uhr Unterricht an der Schule statt.
Das Abendgymnasium Wien hat keine Klassen. Der Unterricht ist in Modulen organisiert. Jedes Fach ist in jeder Semesterstufe ein Modul. Die Studierenden stellen sich jeweils ihren Stundenplan modulweise selbst zusammen.
Man erhält eine Abschlussnote. Eins bis vier bedeutet: positiv, fünf bedeutet: negativ. Nicht beurteilt bedeutet: weder positiv noch negativ. Im Falle einer Negativ- oder Nichtbeurteilung haben die Studierenden eine Wahl: entweder sie wiederholen den Unterricht in diesem Modul im folgenden Semester oder sie lernen noch einmal alleine den gesamten Stoff und machen eine Prüfung darüber ("Kolloquium", "Aufstiegskolloquium").
Zur Matura müssen 7 Prüfungen abgelegt werden, entweder drei schriftlich und vier mündlich oder vier schriftlich und drei mündlich. Deutsch und Mathematik müssen schriftlich maturiert werden. Ebenso muss eine lebende Fremdsprache schriftlich oder mündlich maturiert werden. Die Studierenden können in jedem abschließenden Modul bereits maturieren, auch wenn sie noch nicht im 8. Semester sind. Voraussetzung ist, dass die Studierenden in dem Semester vorgezogen maturieren, in dem sie das abschließende Modul besuchen und alle Module des jeweiligen Fachs positiv abgeschlossen haben. Auch schriftliche Maturaprüfungen sind vorgezogen möglich.
(Vgl. http://wien.abendgymnasium.at)

Im Sommersemester 2016 inskribierte der Bf laut Schulbesuchsbestätigung vom nachstehende Module:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Religion 5
1 Wochenstunde
Englisch 5
3 Wochenstunden
Mathematik 8
4 Wochenstunden
Biologie und Umweltkunde 2
4 Wochenstunden
Chemie 2
3 Wochenstunden
Psychologie und Philosophie 1
2 Wochenstunden
Individuelles Wahlpflichtfach Kunst 1
2 Wochenstunden

Das Sommersemester 2016 begann am und endete am .

Er erbrachte im Sommersemester 2016 laut Zeugniskopie folgende Leistungen:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Religion 5 (1 Wst)
3
Englisch 5 (3 Wst)
4
Mathematik 8 (4 Wst)
5
Biologie und Umweltkunde 2 (4 WSt)
5
Chemie 2 (3 Wst)
5
Psychologie und Philosophie 1 (2 Wst)
1
Individuelles Wahlpflichtfach Kunst 1 (2 WSt)
nb

Im Wintersemester 2016/17 inskribierte der Bf nachstehende Module:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Religion 4
1 Wochenstunde
Englisch 7
3 Wochenstunden
Mathematik 8
4 Wochenstunden
Biologie und Umweltkunde 2
4 Wochenstunden
Individuelles Wahlpflichtfach Kunst 2
4 Wochenstunden

Das Wintersemester2016/17 begann am und endete am .

Im Wintersemester 2016/17 erbrachte der Bf laut Zeugniskopie folgende Leistungen:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Religion 4 (1 Wst)
nb
Englisch 7 (3 Wst)
nb
Mathematik 8 (4 Wst)
5
Biologie und Umweltkunde 2 (4 Wst)
nb
Individuelles Wahlpflichtfach Kunst 2 (4 Wst)
nb

Im Sommersemester 2017 inskribierte er nachstehende Module:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Religion 6
1 Wochenstunde
Englisch 7
3 Wochenstunden
Mathematik 8
4 Wochenstunden
Individuelles Wahlpflichtfach Kunst 1
2 Wochenstunden

Das Sommersemester 2017 begann am und endete am .

Im Sommersemester 2017 erbrachte der Bf laut Zeugniskopie folgende Leistungen:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Religion 6 (1 Wst)
nb
Englisch 7 (3 Wst)
nb
Mathematik 8 (4 Wst)
5
Individuelles Wahlpflichtfach Kunst 1 (2 Wst)
nb

Laut schriftlicher Auskunft des Abendgymnasiums Wien vom ist nach andragogischer Erfahrung davon auszugehen, dass der Bf bei zielstrebigem Schulbesuch die Reifprüfung im Juni 2017 abschließen werde.

Dem Bf wurde laut Bescheid des Magistrats der Stadt Wien vom , Betreff: "Mindestsicherung, Zuerkennung" eine Leistung zur Deckung des Lebensunterhalts und der Grundbetrag zur Deckung des Wohnbedarfs ab November 2015 bis jedenfalls August 2016 zuerkannt. Ab Februar 2016 betrug diese Leistung 827,82 Euro monatlich.

Während des Streitzeitraumes Februar 2016 bis Juni 2017 ging der Bf laut Abgabeninformationssystem des Bundes keiner Berufstätigkeit nach.

Von November 2002 bis Juli 2013 bezog M die Familienbeihilfe für den Bf. Von September 2013 bis Jänner 2016 bezog der Bf Familienbeihilfe für sich selbst.

2 gesetzliche Grundlagen

Volljährige Vollwaise haben gemäß § 6 Abs. 2 lit. a S 1 FLAG 1967 Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn auf sie die Voraussetzungen des Abs. 1 lit. a bis c zutreffen und wenn sie das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und für einen Beruf ausgebildet werden oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist.

Kinder, deren Eltern ihnen nicht überwiegend Unterhalt leisten und deren Unterhalt nicht zur Gänze aus Mitteln der Kinder- und Jugendhilfe oder nicht zur Gänze aus öffentlichen Mitteln zur Sicherung des Lebensunterhaltes und des Wohnbedarfes getragen wird, haben gemäß § 6 Abs. 5 FLAG 1967 idF BGBl I 77/2018 unter denselben Voraussetzungen Anspruch auf Familienbeihilfe, unter denen eine Vollwaise Anspruch auf Familienbeihilfe hat (Abs. 1 bis 3).

Gemäß § 55 Abs. 39 FLAG 1967 tritt § 6 Abs. 5 in der Fassung des BGBl. I Nr. 77/2018 mit in Kraft.

Gemäß § 26 Abs. 1 FLAG 1967 hat, wer Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen

Gemäß § 33 Abs. 3 EStG 1988 steht Steuerpflichtigen, denen auf Grund des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 Familienbeihilfe gewährt wird, im Wege der gemeinsamen Auszahlung mit der Familienbeihilfe ein Kinderabsetzbetrag von monatlich 58,40 Euro für jedes Kind zu. …. . Wurden Kinderabsetzbeträge zu Unrecht bezogen, ist § 26 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 anzuwenden.

Die Abgabenbehörden haben gemäß § 115 Abs. 1 BAO die abgabepflichtigen Fälle zu erforschen und von Amts wegen die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zu ermitteln, die für die Abgabepflicht und die Erhebung der Abgaben wesentlich sind.

Die für den Bestand und Umfang einer Abgabepflicht oder für die Erlangung abgabenrechtlicher Begünstigungen bedeutsamen Umstände sind gemäß § 119 Abs. 1 BAO vom Abgabepflichtigen offenzulegen. Die Offenlegung muss vollständig und wahrheitsgemä0ß erfolgen.

Nach § 167 Abs. 2 BAO hat die Abgabenbehörde unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht.

3 rechtliche Beurteilung samt Beweiswürdigung

Für volljährige Kinder - wie den Bf - wird Familienbeihilfe grundsätzlich nur für die Monate gewährt, in denen sich das Kind in Berufsausbildung befindet.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fallen unter den im Gesetz nicht definierten Begriff der Berufsausbildung im Sinn des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 jedenfalls alle Arten schulischer oder kursmäßiger Ausbildungen, in deren Rahmen noch nicht berufstätigen Personen ohne Bezugnahme auf die spezifischen Tätigkeiten an einem konkreten Arbeitsplatz das für das künftige Berufsleben erforderliche Wissen vermittelt wird. (Vgl. , )

Es ist das ernstliche, zielstrebige und nach außen erkennbare Bemühen um einen Ausbildungserfolg erforderlich. Ziel einer Berufsausbildung in diesem Sinn ist es, die fachliche Qualifikation für die Ausübung des angestrebten Berufs zu erlangen. Das Ablegen von Prüfungen, die in einer Ausbildungsvorschrift vorgesehen sind, ist essentieller Bestandteil der Berufsausbildung. Der laufende Besuch einer der Berufsausbildung dienenden schulischen Einrichtung reicht für sich allein nicht aus, um das Vorliegen einer Berufsausbildung im Sinn des FLAG 1967 annehmen zu können. Berufsausbildung liegt daher nur dann vor, wenn die Absicht zur erfolgreichen Ablegung der vorgeschriebenen Prüfung gegeben ist. Dagegen kommt es nicht darauf an, ob die erfolgreiche Absicht tatsächlich gelingt. (Vgl. , , , ).

Im Falle des Besuchs einer Maturaschule manifestiert sich das ernstliche und zielstrebige nach außen erkennbare Bemühen um den Ausbildungserfolg im Antreten zu den erforderlichen Modulprüfungen. Zwar ist nicht der Prüfungserfolg ausschlaggebend, der Maturaschüler muss aber durch Prüfungsantritte innerhalb angemessener Zeit versuchen, die Voraussetzungen für die Zulassung zur Reifeprüfung zu erlangen. (Vgl. , , ).

Zur Qualifikation als Berufsausbildung im Sinn des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 kommt es überdies nicht nur auf das (ernstliche und zielstrebige) Bemühen um den Studienfortgang an, sondern die Berufsausbildung muss auch in quantitativer Hinsicht die volle Zeit des Kindes in Anspruch nehmen. So muss auch die Vorbereitung auf die Ablegung der Reifeprüfung die volle Zeit des Kindes in Anspruch nehmen. (Vgl. , , , ).

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes weist jede anzuerkennende Berufsausbildung ein qualitatives und ein quantitatives Element auf: Entscheidend ist sowohl die Art der Ausbildung als auch deren zeitlicher Umfang; die Ausbildung muss als Vorbereitung für die spätere konkrete Berufsausübung anzusehen sein (Ausnahme allgemeinbildende Schulausbildung) und überdies die volle Zeit des Kindes in Anspruch nehmen. (Vgl. Lenneis in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG2, § 2 Rz 36, , ).

Den notwendigen zeitlichen Umfang regelt dabei weder das Gesetz noch trifft die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes diesbezüglich eine klare Aussage. Generell liegt ein dem Begriff der Berufsausbildung im Sinn des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 genügender Zeitaufwand mit der in der Literatur vertretenen Ansicht nur dann vor, wenn ein wöchentlicher Gesamtzeitaufwand, welcher neben dem Besuch von Lehrveranstaltungen bzw. Kursen auch Vorbereitungszeiten und die Absolvierung von Prüfungen und die Zeiten für Hausaufgaben bzw. Haus- oder Seminararbeiten umfassen kann, von (mindestens) 30 Stunden anfällt. (Vgl. Lenneis in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG2, § 2 Rz 40 ff, , , , , )

Gerade bei der Möglichkeit der individuellen Gestaltung des Ablaufes der Bildungsmaßnahme kann nicht alleine die Anmeldung zur Bildungsmaßnahme und der Besuch einzelner Unterrichtseinheiten in einem insgesamt untergeordneten zeitlichen Ausmaß zum Vorliegen einer Berufsausbildung im Sinne des FLAG 1967 führen. Vielmehr muss, um von einer Berufsausbildung im Sinne des FLAG 1967 ausgehen zu können, auch die individuelle Planung darauf ausgerichtet sein, das Bildungsziel innerhalb möglichst kurzer Zeit zu erreichen und vom Kind die "volle Zeit" für die Ausbildung verwendet werden. Andernfalls würde die Absolvierung jeder Bildungsmaßnahme, auch wenn von vielen möglichen nur einzelne wenige Unterrichtseinheiten besucht werden und so der Abschluss der Ausbildung wesentlich (allenfalls auch um Jahre) hinausgezögert würde, zum Vorliegen einer Berufsausbildung im Sinne des FLAG 1967 führen. Für eine derartige individuelle Gestaltung bietet der Zweck der Bestimmung des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 aber keinen Raum, wenn aus den Umständen des Einzelfalles nicht davon ausgegangen werden kann, dass der Auszubildende das dafür notwendige ernsthafte Bestreben um die Erreichung des Ausbildungszieles deutlich gemacht hat. (Vgl. , ).

Ob von einem Kind eine Berufsausbildung im Sinn des §§ 2 Abs. 1 lit b bzw. 6 Abs. 2 lit. a FLAG 1967 absolviert wird, ist eine Tatfrage, welche die Behörde in freier Beweiswürdigung im Einklang mit den Denkgesetzen und der allgemeinen Lebenserfahrung zu beantworten hat. (Vgl. , ).

Bei Begünstigungsbestimmungen trifft die Partei eine erhöhte Mitwirkungs- bzw Offenlegungspflicht. So tritt ua bei Begünstigungstatbeständen die Amtswegigkeit der Sachverhaltsermittlung gegenüber der Offenlegungspflicht des Begünstigungswerbers in den Hintergrund. Derjenige, der eine abgabenrechtliche Begünstigung in Anspruch nimmt, hat selbst einwandfrei und unter Ausschluss jeden Zweifels das Vorliegen all jener Umstände darzulegen, auf welche die abgabenrechtliche Begünstigung gestützt werden kann. (Vgl. , , ).

Zusammengefasst ergibt sich aus der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für den gegenständlichen Fall, dass der Besuch des Abendgymnasiums Wien dem Grunde nach eine Berufsausbildung im Sinne des FLAG 1967 darstellen kann. Dies allerdings nur unter der Voraussetzung, dass der Besuch des Abendgymnasiums nach außen erkennbar ernsthaft und zielstrebig erfolgte und die volle Zeit in Anspruch nahm, was unter Inanspruchnahme der Mitwirkungspflicht des Bf und in freier Beweiswürdigung zu ermitteln und zu beurteilen ist.

Dazu ist konkret Folgendes auszuführen:

Wird ein Studierender bzw. Schüler in einem oder mehreren Fächern "nicht beurteilt" bedeutet dies regelmäßig, dass mangels ausreichender Anwesenheit im Unterricht und abgelegter Prüfungen das Erreichen der Bildungsziele und somit die erworbene Qualifikation nicht festzustellen ist. (Vgl. , , , ).

Auch im gegenständlichen Fall ist davon auszugehen, dass die Beurteilungen mit "nicht beurteilt" auf die zu geringe Anwesenheit des Bf im Unterricht und eine Abwesenheit des Bf bei den abzulegenden Prüfungen zurückzuführen sind; besondere Gründe, weshalb er in zahlreichen Modulen "nicht beurteilt" wurde, brachte der Bf nicht vor.

Die Beurteilung "nicht genügend" wird dann vergeben, wenn sich ein Schüler einer Überprüfung unterzieht, die Leistung aber für eine positive Beurteilung nicht ausreicht. (Vgl. ).

Sommersemester 2016:

Der Bf meldete sich zu insgesamt sieben Modulen an und inskribierte damit insgesamt 19 Wochenstunden. Er wurde letztlich in Religion 5 (1 WSt), Englisch 5 (3 WSt) und Psychologie und Philosophie 1 (2 WSt) positiv beurteilt. In den Fächern Mathematik 8 (4 WSt.), Biologie und Umweltkunde 2 (4 WSt) und Chemie 2 (3 Wst) erfolgte eine negative Beurteilung. Im individuellen Wahlpflichtfach Kunst 1 (2 Wst) wurde er "nicht beurteilt".
Im Sommersemester 2016 besuchte der Bf somit - ohne Berücksichtigung des nicht beurteilten Moduls- sechs Module im Ausmaß von 17 Wochenstunden. Drei Module im Ausmaß von insgesamt sechs Wochenstunden schloss er letztlich positiv ab. Drei Module im Ausmaß von elf Wochenstunden schloss er negativ ab.

Auch wenn der Bf im Sommersemester von den sieben inskribierten Modulen mit insgesamt 19 Wochenstunden tatsächlich sechs Module mit insgesamt 17 Wochenstunden besuchte, ist dadurch allein das quantitative Element einer Berufsausbildung noch nicht erfüllt. Angaben über den wöchentlichen Lern- und Vorbereitungsaufwand blieb der Bf - trotz Aufforderung zur Bekanntgabe im Vorhalt vom - schuldig. Da der Bf von den besuchten Modulen lediglich drei mit nur sechs Wochenstunden positiv abschloss, liegt es nahe, dass der Bf den für einen positiven Abschluss sämtlicher besuchter Module erforderlichen zeitlichen Lern- und Vorbereitungsaufwand nicht investierte, was gegen die Erfüllung des quantitativen Elements spricht.

Selbst dann, wenn der Bf in diesem Semester das quantitative Element einer Berufsausbildung erfüllt haben sollte, so tritt ein ernsthaftes und zielstrebiges Bemühen nach außen jedenfalls nicht in Erscheinung, wenn von sieben inskribierten Modulen im Ausmaß von insgesamt 19 Wochenstunden lediglich drei Module im Ausmaß von nur sechs Wochenstunden positiv abgeschlossen werden können und ein Modul nicht einmal in einem für eine Beurteilung erforderlichem Ausmaß besucht bzw. mangels Ablegung von Prüfungen nicht beurteilt wurde. Auch bei einer allfälligen Erfüllung der zeitlichen Mindestkomponente sprechen die negativen Beurteilungen in jenen Modulen, mit der weitaus überwiegenden Wochenstundenanzahl, und die Bewertung eines Moduls mit "nicht beurteilt" jedenfalls dagegen, dass der Bf seine Abendschulausbildung ernst und zielstrebig betrieb. Da der Bf lediglich in drei Modulen im Ausmaß von nur sechs Wochenstunden eine positive Beurteilung erreichte und in den restlichen sieben Modulen mit insgesamt 13 Wochenstunden negativ oder "nicht" beurteilt wurde, kann nicht von einer nach außen hin in Erscheinung tretenden ernsthaften und zielstrebigen Berufsausbildung gesprochen werden.

Die vom Bf in den Monaten Februar 2016 bis einschließlich Juli 2016 (Sommersemester 2016) betriebene Ausbildung kann somit in freier Beweiswürdigung nicht als Berufsausbildung im Sinne der §§ 2 Abs. 1 lit. b bzw. 6 Abs. 2 lit. a FLAG 1967 beurteilt werden.

Wintersemester 2016/17:

Der Bf meldete sich zu fünf Modulen an und inskribierte insgesamt 16 Wochenstunden. In Mathematik 8 mit vier Wochenstunden erfolgte - wie im vorangegangenen Semester - eine negative Beurteilung, in den übrigen vier Modulen wurde er "nicht beurteilt". Der Bf schloss somit kein einziges Modul positiv ab.

Im Wintersemester 2016/17 besuchte der Bf damit - ohne Berücksichtigung der nicht beurteilten und somit nicht im erforderlichen Ausmaß besuchten Module -ein einziges Modul im Ausmaß von vier Wochenstunden. Um den für eine Berufsausbildung sprechenden Mindestzeitaufwand von 30 Stunden wöchentlich zu erreichen, hätte der Bf wöchentlich zumindest einen Lern- und Vorbereitungsaufwand von 26 Stunden außerhalb des Schulbesuchs aufbringen müssen. Dafür gibt es keinerlei Hinweise. So machte der Bf -trotz Nachfrage im Vorhalt vom - keine Angaben über seine wöchentlichen Lern- und Vorbereitungszeiten und der Umstand, dass der Bf das einzig wirklich besuchte Modul negativ abschloss, spricht ebenfalls nicht dafür, dass der Bf neben dem wöchentlichen Besuch des vierstündigen Moduls einen zeitlich intensiven Lern- und Vorbereitungsaufwand betrieben hätte. Die Ausbildung nahm daher aus der Sicht des Bundesfinanzgerichts nach allgemeiner Lebenserfahrung im Wintersemester 2016/17 nicht die volle Zeit des Bf in Anspruch.

Des Weiteren kann auch nicht davon gesprochen werden, dass der Bf die Ausbildung im ausreichenden Maß und nach außen sichtbar ernst und zielstrebig betrieb. Ein ernsthaftes und zielstrebiges Betreiben einer Ausbildung zeichnet sich ua dadurch aus, dass zu vorgeschriebenen Prüfungen in angemessener Zeit angetreten wird. Da von fünf inskribierten Modulen vier mit "nicht beurteilt" bewertet wurden, kann keine Rede davon sein, dass der Bf auf ein zeitnahes Antreten zu den vorgeschriebenen Prüfungen hinarbeitete und somit seine Abendschulausbildung ernst und zielstrebig betrieb.

Das Bundesfinanzgericht kommt daher zu dem Ergebnis, dass die Ausbildung im Wintersemester 2016/17 weder die volle Zeit des Bf in Anspruch nahm noch dass sie ernsthaft und zielstrebig betrieben wurde.

Der Bf befand sich somit in den Monaten September 2016 bis einschließlich Februar 2017 (Wintersemester 2016/17) nicht in einer Berufsausbildung im Sinne der §§ 2 Abs. 1 lit. b bzw. 6 Abs. 2 lit. a FLAG 1967.

Sommersemester 2017:

Der Bf inskribierte vier Module mit insgesamt zehn Wochenstunden. In Mathematik 8 erfolgte wiederum (zum dritten Mal) eine negative Beurteilung. Die übrigen drei Module wurden "nicht beurteilt". Der Bf schloss somit - wie im Vorsemester - kein einziges Modul positiv ab.

In diesem Semester erfolgte somit nicht nur eine (nochmals) geringere Anmeldung zu Modulen als in den vorangegangenen Semestern (wofür der Bf keine Erklärung liefern konnte), sondern war die tatsächliche Anwesenheit in der Bildungseinrichtung - wie im Vorsemester - auf ein einziges Modul im Ausmaß von vier Wochenstunden reduziert, was ohne Darlegung besonderer Umstände dagegen spricht, dass die Ausbildung die volle Zeit des Bf in Anspruch nahm. Trotzdem sich der Bf offensichtlich auf das Modul Mathematik beschränkte, kam es abermals zu einer negativen Beurteilung. Da kein einziges Modul positiv abgeschlossen wurde, ist ein nach außen erkennbares Bemühen um den Ausbildungserfolg zu verneinen. Dies gilt umsomehr, als er bereits zum dritten Mal dieses Modul Mathematik 8 negativ abschloss.

Das Bundesfinanzgericht muss daher wiederum zu dem Ergebnis kommen, dass die Ausbildung im Sommersemester 2017 weder ernsthaft und zielstrebig betrieben wurde noch die Voraussetzungen in quantitativer Hinsicht erfüllte. In den Monaten bis einschließlich Juni 2017 (Ende des Sommersemester 2017) erfolgte somit ebenfalls keine Berufsausbildung im Sinne der §§ 2 Abs. 1 lit. b bzw. 6 Abs. 2 lit a FLAG 1967.

Angemerkt wird auch, dass bei volljährigen Kindern in den Schulferien Familienbeihilfe nur dann zusteht, wenn vor und nach den Schulferien durchgehend eine Berufsausbildung vorliegt (vgl. ).

Auch in dem zwischen dem Sommersemester 2016 und dem Wintersemester 2016/17 liegenden Monat August 2016 steht demnach Familienbeihilfe nicht zu.

Da im Sommersemester 2016, im Wintersemester 2016/17 und im Sommersemester 2017 keine Berufsausbildung im Sinne des FLAG 1967 vorlag, forderte das Finanzamt die für die Monate Februar 2016 bis einschließlich Juni 2017 bezogene Familienbeihilfe und die Kinderabsetzbeträge zu Recht zurück.

Im Hinblick darauf, dass der Bf die Voraussetzungen zum Bezug der Familienbeihilfe nicht erfüllte, erübrigt sich ein Eingehen auf die Frage, ob der Unterhalt des Bf zur Gänze aus öffentlichen Mitteln (vgl. Pkt 1 Sachverhalt) bestritten wurde oder nicht (vgl. § 6 Abs. 5 FLAG 1967 idF BGBl I 77/2018).

Es war spruchgemäß zu entscheiden.

4 Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. (Art. 133 Abs. 4 B-VG

Im gegenständlichen Fall ist die Revision nicht zulässig. Soweit Rechtsfragen zu beurteilen sind, folgt das Bundesfinanzgericht in seiner Entscheidung einer existierenden einheitlichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Tatfragen sind einer Revision nicht zugänglich.

Salzburg, am

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Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.7100090.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at