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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 03.02.2021, RV/7100107/2021

Anwendung der Prioritätsregeln der VO (EG) Nr. 883/2004 bei gleichzeitigem Bezug einer inländischen Pension sowie einer Pension eines anderen EU-Staates

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den RichterRi in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 3/6/7/11/15 Schwechat Gerasdorf vom betreffend Abweisung des Antrages auf Gewährung der Familienbeihilfe für das Kind ***1*** - infolge mangelnder Festlegung eines Endzeitpunktes - im Zeitraum vom bis zum zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Mit Eingabe vom stellte der die ***2*** Staatsbürgerschaft besitzende, eine österreichische sowie eine ***2*** Rente beziehenden Bf. den Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe für seinen, zusammen mit der ehelichen Kindesmutter in ***3*** wohnhaften, ebendort Biochemie studierenden Sohn ab dem . Der Vollständigkeit halber ist anzumerken, dass die Ehegattin des Bf. Bezieherin einer ***4*** Rente ist.

Der Antrag wurde mit Bescheid vom mit nachstehender Begründung abgewiesen:

" Gemäß Art. 67 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 in der ab gültigen Fassung sind Familienleistungen für Kinder von Rentnerinnen oder Rentnern grundsätzlich von dem Staat zu gewähren, der zur Zahlung einer Rente verpflichtet ist.

Laut Artikel 68 Abs. 2 b (ii) ist bei Leistungen von mehreren Mitgliedstaaten aus denselben Gründen (Rentenbezüge), ausschließlich jener Mitgliedstaat zur Leistung verpflichtet, in dem sich der Wohnort der Kinder befindet.

Auf Grund des Wohnortes des Kindes in ***3***, ist daher ***3*** und nicht Österreich zur Leistung verpflichtet.

Auch wenn nach ***2*** Recht kein Anspruch auf Familienbeihilfe in ***3*** besteht, ist kein Anspruch auf die österreichische Familienbeihilfe gegeben.

Ihr Antrag war daher abzuweisen."

In seiner mit datierten Beschwerde erachtet der Bf. angesichts der Tatsache, dass mit dem Erreichen der Volljährigkeit seines Sohnes weder er, noch seine Ehegattin Ansprüche auf ***2*** Familienleistungen besäßen, den angefochtenen Bescheid als rechtswidrig und ersuchte - unter Vorlage der diesbezüglichen Bescheinigung - um Gewährung der Familienbeihilfe.

Das Rechtsmittel des Bf. mit Beschwerdevorentscheidung (BVE) vom abgewiesen und hierbei seitens der belangten Behörde nachstehendes ausgeführt:

"Gemäß § 5 Abs. 3 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) besteht kein Anspruch auf Familienbeihilfe für Kinder, die sich ständig im Ausland aufhalten.

Da in Ihrem Fall sowohl das Kind als auch die Kindesmutter überwiegend in ***3*** leben, besteht gemäß den Bestimmungen des FLAG 1967 kein Anspruch auf die österreichische Familienbeihilfe.

Auf Grund des Anwendungsvorranges von EU-Recht ist jedoch zu prüfen, ob nicht auf Grund von EU-Verordnungen Familienbeihilfenzahlungen für dieses Kind zu leisten wären.

Der Artikel 11 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 bestimmt, dass Personen, für die diese Verordnung gilt, nur den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats unterliegen.

Diese Verordnung regelt im Artikel 68, welcher Mitgliedstaat für ein und denselben Zeitraum für ein und denselben Familienangehörigen vorrangig zur Gewährung der im jeweiligen Hoheitsgebiet vorgesehenen Familienleistungen verpflichtet ist.

Der Artikel 68 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 lautet:

Prioritätsregeln bei Zusammentreffen von Ansprüchen

(1) Sind für denselben Zeitraum und für dieselben Familienangehörigen Leistungen nach den Rechtsvorschriften mehrerer Mitgliedstaaten zu gewähren, so gelten folgende Prioritätsregeln:

a) Sind Leistungen von mehreren Mitgliedstaaten aus unterschiedlichen Gründen zu gewähren, so gilt folgende Rangfolge:

an erster Stelle stehen die durch eine Beschäftigung oder eine selbstständige Erwerbstätigkeit

ausgelösten Ansprüche, darauf folgen die durch den Bezug einer Rente ausgelösten Ansprüche und schließlich die durch den Wohnort ausgelösten Ansprüche.

b) Sind Leistungen von mehreren Mitgliedstaaten aus denselben Gründen zu gewähren, so richtet sich die Rangfolge nach den folgenden subsidiären Kriterien:

i) bei Ansprüchen, die durch eine Beschäftigung oder eine selbstständige Erwerbstätigkeit ausgelöst werden: der Wohnort der Kinder, unter der Voraussetzung, dass dort eine solche Tätigkeit ausgeübt wird, und subsidiär gegebenenfalls die nach den widerstreitenden Rechtsvorschriften zu gewährende höchste Leistung. Im letztgenannten Fall werden die Kosten für die Leistungen nach in der Durchführungsverordnung festgelegten Kriterien aufgeteilt;

ii) bei Ansprüchen, die durch den Bezug einer Rente ausgelöst werden: der Wohnort der Kinder unter der Voraussetzung, dass nach diesen Rechtsvorschriften eine Rente geschuldet wird, und subsidiär gegebenenfalls die längste Dauer der nach den widerstreitenden Rechtsvorschriften zurückgelegten Versicherungs- oder Wohnzeiten;

iii) bei Ansprüchen, die durch den Wohnort ausgelöst werden: der Wohnort der Kinder.

(2) Bei Zusammentreffen von Ansprüchen werden die Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften gewährt, die nach Absatz 1 Vorrang haben. Ansprüche auf Familienleistungen nach anderen widerstreitenden Rechtsvorschriften werden bis zur Höhe des nach den vorrangig geltenden Rechtsvorschriften vorgesehenen Betrags ausgesetzt; erforderlichenfalls ist ein Unterschiedsbetrag in Höhe des darüberhinausgehenden Betrags der Leistungen zu gewähren. Ein derartiger Unterschiedsbetrag muss jedoch nicht für Kinder gewährt werden, die in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, wenn der entsprechende Leistungsanspruch ausschließlich durch den Wohnort ausgelöst wird.

Lt. Zentralem Melderegister sind Sie seit ***5*** in Österreich gemeldet. Sie beziehen zumindest seit März 2017 sowohl aus Österreich als auch aus ***3*** eine Rente. Gemäß den vorliegenden Unterlagen leben die Kindesmutter und das Kind in ***3*** an der gleichen Adresse und bezieht die Kindesmutter eine ***2*** Rente.

Das volljährige Kind befand sich im Abweisungszeitraum in ***3*** in Berufsausbildung. ***3*** ist hinsichtlich der Kindesmutter und des Kindes Wohnortstaat und hinsichtlich der Kindesmutter Rentenstaat. In Ihrem Fall sind sowohl Österreich als auch ***3*** Rentenstaaten.

Da Sie lt. Artikel 11 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 nur den Rechtsvorschriften eines Staates unterliegen können, muss anhand der Prioritätsregeln des Artikels 68 eine Zuordnung hinsichtlich der Renteneinkünfte getroffen werden.

Lt. Artikel 68 Abs. 2 b (ii) ist bei Leistungen von mehreren Mitgliedstaaten aus denselben Gründen (Rentenbezüge), jener Mitgliedstaat zur Leistung verpflichtet, in dem sich der Wohnort der Kinder befindet (vgl. Dorothee Frings, Sozialleistungen für Unionsbürger/innen nach der VO 883/2004, Feber 2012, Internetpublikation).

Auf Grund des Wohnortes (des Kindes) in ***3***, ist daher ***3*** (und nicht Österreich) der für Sie ausschließlich zuständige Staat.

Da im Abweisungszeitraum (ab März 2017) ***3*** sowohl Wohnortstaat, als auch der Rentenstaat beider Elternteile war, besteht auch auf Grund der Bestimmungen der EU-Verordnungen kein Anspruch auf österreichische Familienleistungen. Ihre Beschwerde muss daher als unbegründet abgewiesen werden."

In dem mit datierten Vorlageantrag wiederholt der Bf. sein bisheriges Beschwerdevorbringen.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

1. Festgestellter Sachverhalt

In der Folge legt das BFG dem Erkenntnis nachstehenden, aus der Aktenlage resultierenden Sachverhalt zu Grunde:

Ausgehend von der Übersetzung einer aktenkundigen - die dem Bf. ab dem aus dem Titel einer ***4*** Rente zustehenden Ansprüche - Bescheinigung geht hervor, dass dieser im Rahmen einer 429 Monate umfassenden Gesamtarbeitszeit, davon 264 Monate in ***3*** gearbeitet, respektive ebenda Rentenansprüche erworben hat. Einem ebenfalls aktenkundigen, zum Stichtag erstellten Versicherungsdatenauszug ist zu entnehmen, dass der Bf. in Österreich seit dem ***8*** bis laufend einen laufenden Pensionsbezug wegen verminderter Arbeitsfähigkeit erhält, respektive dieser seit dem ***7*** bis laufend ob Bezuges einer ausländischen Pension, bei gleichzeitigem Bezug einer inländischen Pension einen Krankenversicherungsbeitrag an die Österreichische Gesundheitskasse zu leisten hat.

Während der Bf. mindestens seit dem ***6*** seinen Wohnsitz in Österreich hat, lebten die eheliche Kindesmutter sowie der eheliche volljährige Sohn - bezogen auf den Streitzeitraum - im gemeinsamen, in ***3*** domizilierten Haushalt. Laut nachgereichten Bestätigungen betreibt der Sohn des Bf. an einer ***4*** Universität das Studium der Biochemie.

Ein Datenaustausch zeitigte jenes Ergebnis, dass die Ehegattin des Bf. seit dem eine ***2*** Pension bezieht, bzw. diese für ihren Sohn - als Ergebnis eines mit datierten Antrages - im Zeitraum vom bis zum ob Einkommensüberschreitung keine ***2*** Familienleistung erhalten hat.

2. Rechtliche Beurteilung

Der unter Punkt 1 festgestellte Sachverhalt war vom Verwaltungsgericht wie folgt zu beurteilen:

2.1. Prüfung der Anspruchsberechtigung des Bf. im Zeitraum vom bis zum

Einleitend ist anzumerken, dass der gesetzlich festgelegte Anspruchszeitraum für die Familienbeihilfe (FB) - wie den Regelungen des § 10 Abs. 2 und 4 FLAG zu entnehmen -, der Monat ist. Das Bestehen des FB-Anspruches für ein Kind kann somit je nach dem Eintritt von Änderungen der Sach- und/oder Rechtslage von Monat zu Monat anders zu beurteilen sein ().

Die Entscheidung über die Gewährung von monatlich wiederkehrenden Leistungen - wie die FB und der Kinderabsetzbetrag (KAB) - ist ein zeitraumbezogener Abspruch. Die Frage, ob für einen bestimmten Zeitraum FB und damit auch der KAB zusteht, ist anhand der rechtlichen und tatsächlichen Gegebenheiten im Anspruchszeitraum - das ist der Monat (§ 10) - zu beantworten (; ; ; ).

Ein derartiger Ausspruch gilt mangels eines im Bescheid festgelegten Endzeitpunktes für den Zeitraum, in dem die rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse keine Änderung erfahren, jedenfalls aber bis zum Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides (; ; ).

In Ansehung vorstehender Ausführungen und der Tatsache, dass der den Anspruch des Bf. auf Familienbeihilfe abweisende Bescheid der belangten Behörde lediglich den Beginn des Zeitraumes mit , jedoch keinen Endzeitpunkt ausweist, ist nämlicher Endzeitpunkt mit Bescheiderlassung festzulegen, so dass der abweisende Ausspruch somit den Zeitraum vom bis zum umfasst, bzw. den Verhandlungsgegenstand vor dem BFG in nämlichem Umfang begrenzt.

2.2. Rechtsgrundlagen

2.2.1. Innerstaatliches Recht

Nach § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist.

Nach Abs. 2 leg cit. hat jene Person Anspruch auf Familienbeihilfe für ein im Abs. 1 genanntes Kind, zu deren Haushalt das Kind gehört. Eine Person, zu deren Haushalt das Kind nicht gehört, die jedoch die Unterhaltskosten überwiegend für das Kind trägt, hat dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn keine andere Person nach dem ersten Satz anspruchsberechtigt ist.

Gemäß der Norm des § 5 Abs. 3 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) besteht kein Anspruch auf Familienbeihilfe für Kinder, die sich ständig im Ausland aufhalten.

Im gegenständlichen Fall leben die Kindesmutter und der (anspruchsberechtigte) Sohn in ***3*** im gemeinsamen Haushalt, es besteht gemäß den Bestimmungen des FLAG 1967 kein Anspruch auf österreichische Familienbeihilfe.

In diesem Zusammenhang bestimmt jedoch § 53 Abs. 1 FLAG 1967, dass § 5 Abs. 3 FLAG 1967 in Bezug auf EU -, respektive EWR-Staatsbürger nicht gilt; diese sind in diesem Bundesgesetz österreichischen Staatsbürgern gleichgestellt. Dabei ist der ständige Aufenthalt eines Kindes in einem Staat der EU, bzw. des EWR nach Maßgabe der gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen dem ständigen Aufenthalt eines Kindes in Österreich gleichzuhalten.

2.2.2. Unionsrecht

Im Beschwerdefall sind nicht nur die innerstaatlichen Bestimmungen des FLAG 1967 zu beachten. Vielmehr ist die Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (idF VO), die ab gilt, anzuwenden. Diese hat allgemeine Geltung, ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat ("Durchgriffswirkung"). Die VO geht dem nationalen Recht in ihrer Anwendung vor ("Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts").

Hierbei lauten die für den vorliegenden Fall maßgeblichen Bestimmungen der VO wie folgt:

"Artikel 11 Allgemeine Regelung

(1) Personen, für die diese Verordnung gilt, unterliegen den Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedstaats. Welche Rechtsvorschriften dies sind, bestimmt sich nach diesem Titel.

...

Artikel 67 Familienangehörige, die in einem anderen Mitgliedstaat wohnen

Eine Person hat auch für Familienangehörige, die in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, Anspruch auf Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften des zuständigen Mitgliedstaats, als ob die Familienangehörigen in diesem Mitgliedstaat wohnen würden. Ein Rentner hat jedoch Anspruch auf Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften des für die Rentengewährung zuständigen Mitgliedstaats.

Artikel 68 Prioritätsregeln bei Zusammentreffen von Ansprüchen

(1) Sind für denselben Zeitraum und für dieselben Familienangehörigen Leistungen nach den Rechtsvorschriften mehrerer Mitgliedstaaten zu gewähren, so gelten folgende Prioritätsregeln:

a) Sind Leistungen von mehreren Mitgliedstaaten aus unterschiedlichen Gründen zu gewähren, so gilt folgende Rangfolge:

- an erster Stelle stehen die durch eine Beschäftigung oder eine selbstständige Erwerbstätigkeitausgelösten Ansprüche,

- darauf folgen die durch den Bezug einer Rente ausgelösten Ansprüche und

- schließlich die durch den Wohnort ausgelösten Ansprüche.

b) Sind Leistungen von mehreren Mitgliedstaaten aus denselben Gründen zu gewähren, so richtet sich die Rangfolge nach den folgenden subsidiären Kriterien:

i) bei Ansprüchen, die durch eine Beschäftigung oder eine selbstständige Erwerbstätigkeitausgelöst werden: der Wohnort der Kinder, unter der Voraussetzung, dass dort eine solche Tätigkeit ausgeübt wird, und subsidiär gegebenenfalls die nach den widerstreitenden Rechtsvorschriften zu gewährende höchste Leistung.

ii) bei Ansprüchen, die durch den Bezug einer Rente ausgelöst werden: der Wohnort der Kinder, unter der Voraussetzung, dass nach diesen Rechtsvorschriften eine Rente geschuldet wird, und subsidiär gegebenenfalls die längste Dauer der nach den widerstreitenden Rechtsvorschriften zurückgelegten Versicherungs- oder Wohnzeiten;

iii) bei Ansprüchen, die durch den Wohnort ausgelöst werden: der Wohnort der Kinder.

(2) Bei Zusammentreffen von Ansprüchen werden die Familienleistungen nach den Rechtsvorschriftengewährt, die nach Absatz 1 Vorrang haben. Ansprüche auf Familienleistungen nach anderen widerstreitenden Rechtsvorschriften werden bis zur Höhe des nach den vorrangigen Rechtsvorschriften vorgesehenen Betrags ausgesetzt; erforderlichenfalls ist ein Unterschiedsbetrag in Höhe des darüberhinausgehenden Betrags der Leistungen zu gewähren. Ein derartiger Unterschiedsbetrag muss jedoch nicht für Kinder gewährt werden, die in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, wenn der entsprechende Leistungsanspruch ausschließlich durch den Wohnort ausgelöst wird.

2.3. Rechtliche Würdigung

Wie bereits unter Punkt 1 ausgeführt, ist der Bf. zumindest seit ***6*** in Österreich gemeldet, wobei er seit dem ***7*** sowohl aus Österreich als auch aus ***3*** eine Rente bezieht.

Gemäß den vorliegenden Unterlagen leben die eine ***2*** Rente beziehende Kindesmutter und das Kind in ***3*** im gemeinsamen Haushalt, und bildet ergo dessen vorgenannter Staat sowohl den Renten/Wohnortstaat (Kindesmutter), als auch den Wohnortstaat (Sohn).

Im gegenständlichen Fall sind betreffend die Person des Bf. sowohl Österreich als auch die ***3*** Rentenstaaten.

Da der Bf. lt. Artikel 11 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 nur den Rechtsvorschriften eines Staates unterliegen kann, muss anhand der Prioritätsregeln des Artikels 68 zunächst eine Zuordnung hinsichtlich der Renteneinkünfte getroffen werden.

Lt. Artikel 68 Abs. 1 lit. b sublit. ii der Verordnung (EG) ist bei Leistungen von mehreren Mitgliedstaaten aus denselben Gründen (Rentenbezüge), jener Mitgliedstaat zur Leistung verpflichtet, in dem sich der Wohnort der Kinder befindet (vgl. Dorothee Frings, Sozialleistungen für Unionsbürger/innen nach der VO 883/2004, Feber 2012, Internetpublikation).

Auf Grund des Wohnortes des Kindes in ***3***, ist daher ***3*** (und nicht Österreich) der für den Bf. durch Rentenleistungen ausschließlich zuständige Staat.

Der Art. 68 Abs. 2 der Verordnung (EG) ist in dem Fall nicht anwendbar, da Personen nur den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaates unterliegen können und kommt ergo dessen auch eine Zahlung des Unterschiedsbetrages (wie im Fall von unterschiedlich zuständigen Staaten von Kindesmutter und Kindesvater) nicht zum Tragen.

Den in der BVE angeführten Ausführungen Dorothee Frings ist betreffend nämlicher Thematik nachstehendes zu entnehmen:

"Bei Rentenempfängern folgen die Familienleistungen stets der Rentenzahlung. Bezieht ein Elternteil eine Rente eines deutschen Versicherungsträgers, so besteht ein Anspruch auf deutsches Kindergeld/Kinderzuschlag unabhängig vom Wohnsitz des Kindes oder der Eltern.

Umgekehrt besteht kein Anspruch auf Familienleistungen in Deutschland, wenn ein Elternteil eine Rente eines anderen Mitgliedstaates bezieht.

Werden Renten von verschiedenen Versicherungsträgern ausgezahlt, so besteht der Anspruch auf Familienleistungen am Wohnsitz des Kindes, wenn von dem Rententräger dieses Staateseine Rente gezahlt wird."

Nach Ansicht des BFG kommen daher die Prioritätsregeln des Art. 68 der Verordnung (EG) zum Zug, mit dem Ergebnis, dass ***3***, als Wohnsitzstaates des Kindes die Familienleistungen zu zahlen hat.

Der Umstand, dass im gegenständlichen Fall nach ***4*** Rechtsvorschriften ein Anspruch für den Sohn des Bf. auf Familienleistungen nicht besteht, respektive vice versa die Auszahlung derselben nicht erfolgt ist, ist - entgegen der Ansicht des Bf. - ob der klaren und unmissverständlich in Art. 68 Abs. 1 lit. b sublit. ii der VO (EG) Nr. 883/2004 determinierten Prioritätsregel - ohne Belang.

Es war daher wie im Spruch zu befinden.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Da sich nach Ansicht des BFG die Rechtsfolgen der Nichtgewährung der Familienbeihilfe sich unmittelbar aus dem - an oberer Stelle zitierten Art. 68 Abs. 1 lit. b sublit. ii der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 ergibt, liegt im gegenständlichen Fall keine Rechtsfrage vor, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Art. 68 Abs. 1 lit. b sublit. ii VO 883/2004, ABl. Nr. L 166 vom S. 1
Art. 11 Abs. 1 VO 883/2004, ABl. Nr. L 166 vom S. 1
Zitiert/besprochen in
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.7100107.2021

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at