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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 28.01.2021, RV/1100295/2017

1. Örtlich zuständiges Finanzamt für die Wiederaufnahme eines Einkommensteuerverfahrens 2. Vorliegen einer Beschwerdevorentscheidung 3. Aufhebung des ursprünglichen Sachbescheides im Falle einer Wiederaufnahme des Verfahrens 4. Vorliegen der Voraussetzungen für eine amtswegige Wiederaufnahme des Verfahrens

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. Peter Steurer in der Beschwerdesache ***Bf***, ***Bf-Adr***, gegen die Bescheide des Finanzamtes Bregenz (nunmehr: Finanzamt Österreich) vom betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2012 und 2013 zu Recht erkannt:

Die Beschwerden werden gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

1. Der Beschwerdeführer machte in den Erklärungen zur Arbeitnehmerveranlagung für die Jahre 2012 und 2013 ua. Kosten für Familienheimfahrten (jeweils 3.672,00 €) sowie für doppelte Haushaltsführung (6.598,22 € bzw. 8.050,62 €) als Werbungskosten geltend.

2. Die Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2012 wurde vom damals zuständigen Finanzamt S, jene für das Jahr 2013 von dem nach einem Wohnsitzwechsel zuständig gewordenen Finanzamt Bregenz erklärungsgemäß durchgeführt und die Einkommensteuer mit Bescheiden vom bzw. vom festgesetzt.

3. Mit Bescheiden vom nahm das Finanzamt Bregenz die Verfahren betreffend Einkommensteuer 2012 und 2013 unter Verweis auf die Begründung des jeweiligen Sachbescheides wieder auf und ließ in den gleichzeitig ergangen neuen Einkommensteuerbescheiden die Kosten für Familienheimfahrten und doppelte Haushaltsführung unter Hinweis auf das die Lebensgefährtin des Beschwerdeführers betreffende Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom , RV/6100092/2016, mit der Begründung, dass der Beschwerdeführer und seine Lebensgefährten seit Anfang 2012 in A wohnen und arbeiten würden und der Lebensmittelpunkt daher in A liege, außer Ansatz.

4. Gegen die Wiederaufnahmebescheide hinsichtlich Einkommensteuer 2012 und 2013 erhob der Beschwerdeführer mit Schriftsätzen vom jeweils Beschwerde und beantragte deren Aufhebung. Begründend wurde zusammengefasst ausgeführt, dass der Einkommensteuerbescheid 2012 vom Finanzamt S erlassen worden sei und dieses Finanzamt daher auch für die Wiederaufnahme zuständig gewesen wäre. Er habe auch den Einkommensteuerbescheid 2011 vom Finanzamt S erhalten, obwohl er in diesem Jahr in L gearbeitet habe und dort mit Hauptwohnsitz gemeldet gewesen sei. Zudem gehe aus den Wiederaufnahmebescheiden nicht hervor, dass der ursprüngliche Einkommensteuerbescheid aufgehoben worden sei. Schließlich sei auch die Begründung der Wiederaufnahmebescheide mangelhaft bzw. falsch. Tatsächlich sei seine Lebensgefährtin bis in D und erst ab in A beschäftigt gewesen. Dies sei dem seine Lebensgefährtin betreffenden Einkommensteuerbescheid 2012 des Finanzamtes S vom zu entnehmen, in welchem Familienheimfahrten für sechs Monate (Juli bis Dezember) anerkannt worden seien. Er habe alle Angaben stets wahrheitsgemäß gemacht. Der gemeinsame Dienstort A ab und die dort gemeinsam benutzte Wohnung sei dem Finanzamt S spätestens seit der Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung seiner Lebensgefährtin für das Jahr 2012 und den aufgrund eines Ergänzungsersuchens nachgereichten Unterlagen bekannt gewesen. Auch im angeführten Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes finde sich betreffend das Jahr 2012 keine gegenteilige Beurteilung, gehe daraus doch nicht hervor, dass er und seine Lebensgefährtin seit Anfang 2012 in A gewohnt und gearbeitet hätten. Die Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2013 habe er jedenfalls nach Ergehen des seine Lebensgefährtin betreffenden Einkommensteuerbescheides 2012 vom eingereicht. Dem Finanzamt sei damit bekannt gewesen, dass A seit ihr gemeinsamer Dienstort gewesen sei. Ebenfalls sei bekannt gewesen, dass seine Lebensgefährtin am Dienstort bei ihm gewohnt habe. Seit Ergehen des Bescheides vom seien somit keine Tatsachen hervorgekommen, die dem Finanzamt zum maßgeblichen Zeitpunkt noch nicht bekannt gewesen wären.

5. Mit Bescheid vom wies das Finanzamt Bregenz die Beschwerden als unbegründet ab. Die Wiederaufnahme des Verfahrens sei aufgrund der neu hervorgekommenen Tatsache erfolgt, dass sich der Familienwohnsitz seit 2012 in A befinde, da der Beschwerdeführer und seine langjährige Lebensgefährtin gemeinsam in A gewohnt hätten und sie dort seit Beginn des Jahres 2012 beim selben Arbeitgeber beschäftigt gewesen seien.

6. Mit als Vorlageantrag zu wertender "Beschwerde gegen den Bescheid vom " beantragte der Beschwerdeführer, den Bescheid aufzuheben und den Beschwerden gegen die Wiederaufnahmebescheide hinsichtlich Einkommensteuer 2012 und 2013 Folge zu geben. Der Bescheid vom sei entgegen der Anordnung des § 262 Abs. 1 BAO nicht als "Beschwerdevorentscheidung" bezeichnet worden. Auch sei in der Rechtsmittelbelehrung nicht auf die Möglichkeit der Stellung eines Vorlageantrages, sondern darauf hingewiesen worden, dass gegen den Bescheid Beschwerde erhoben werden könne. Damit habe das Finanzamt gegen das verfassungsrechtlich geschützte Recht auf den gesetzlichen Richter verstoßen. Zudem weise der Bescheid inhaltliche Mängel auf. Er habe den Hauptwohnsitz entgegen den Angaben in der Begründung in B und nicht in A gehabt. Die Wiederaufnahme eines Verfahrens sei nur aufgrund neu hervorgekommener Tatsachen oder Beweismittel zulässig. Die Überprüfung der Rechtmäßigkeit eines Wiederaufnahmebescheides habe sich an den in der Begründung des Bescheides bezeichneten Wiederaufnahmegründen zu orientieren. Wie bereits in der Beschwerde ausgeführt, sei das im Jahr 2012 für ihn und seine Lebensgefährtin zuständige Finanzamt zur rechtlichen Beurteilung gekommen, dass sich der gemeinsame Familienwohnsitz in B befunden habe. Eine anderslautende rechtliche Auffassung des Finanzamtes Bregenz sei daher kein zulässiger Wiederaufnahmegrund. Aber auch betreffend das Jahr 2013 gebe es keine neu hervorgekommenen Tatsachen und Beweise, die eine Wiederaufnahme rechtfertigen könnten. Dem Finanzamt sei zum Zeitpunkt der Einreichung der Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2013 aufgrund des Ermittlungsverfahrens im Rahmen der seine Lebensgefährtin betreffenden Arbeitnehmerveranlagung 2012 bekannt gewesen, dass seine Lebensgefährtin in A arbeite und bei ihm wohne. Nach der Judikatur könne der Mittelpunkt der Lebensinteressen trotz gemeinsamem Arbeitsort unter besonderen Umständen außerhalb des Wohnortes liegen. Das Finanzamt Bregenz sei damals also zur Auffassung gelangt, dass der Familienwohnsitz weiterhin in B liege oder es habe die (damals) neu hervorgekommenen Tatsachen irrtümlich nicht berücksichtigt. Dies stelle jedoch keinen zulässigen Wiederaufnahmegrund dar. Im Erkenntnis vom , RV/6100092/2016, sei das Bundesfinanzgericht in freier Beweiswürdigung zur Auffassung gelangt, dass der Dienstort seiner Lebensgefährtin im Jahr 2013 als Familienwohnsitz anzusehen gewesen sei. Dabei handle es sich nicht um eine neu hervorgekommene Tatsache, sondern um eine abweichende rechtliche Beurteilung eines Gerichtes, die keine Wiederaufnahme rechtfertige. Das Verfahren dürfe daher aufgrund der vom Finanzamt herangezogenen Gründe (Familienwohnsitz seit Anfang 2012 in A; sowohl er als auch seine Lebensgefährtin seit Beginn des Jahres 2012 in A beschäftigt) nicht wiederaufgenommen werden, da sie nicht den Tatsachen entsprächen.

7. Auf Vorhalt des Finanzamtes vom übermittelte der Beschwerdeführer mit Schreiben vom ua. Unterlagen zum Nachweis der angefallenen Kosten für Familienheimfahrten und eine Ablichtung des Erkenntnisses des Bundesfinanzgerichtes vom , RV/6100092/2016.

8. Im Vorlagebericht vom beantragte das Finanzamt Bregenz die Abweisung der Beschwerden gegen die Wiederaufnahmebescheide. Das Finanzamt sei aufgrund der vorliegenden Beweismittel (ZMR-Meldungen, Mietvertrag, Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom , RV/6100092/2016) überzeugt, dass der Beschwerdeführer den Wohnsitz seit Jänner 2012 am Dienstort habe und sich dort ab Juli 2012 der Familienwohnsitz befunden habe. Es handle sich nicht um einen nur kurzfristigen Aufenthalt in A, weil sowohl der Beschwerdeführer als auch seine Lebensgefährtin in einem unbefristeten Dienstverhältnis gestanden sei und die Lebensgefährtin zudem zur stellvertretenden Geschäftsführerin bestellt worden sei. Ebenso spreche der Erwerb einer gemeinsamen Eigentumswohnung gegen einen nur vorübergehenden Aufenthalt in A. Zur Frage der Zuständigkeit führte das Finanzamt aus, für die Erhebung der Einkommensteuer sei bei unbeschränkter Steuerpflicht nach § 20 Abs. 2 Z 1 AVOG 2010 das Wohnsitzfinanzamt zuständig. Die Zuständigkeit einer Abgabenbehörde für die Erhebung der Einkommensteuer ende mit dem Zeitpunkt, in dem die andere Abgabenbehörde von den ihre Zuständigkeit begründenden Umständen Kenntnis erlange.

9. Mit Schreiben vom nahm der Beschwerdeführer ausführlich Stellung zu den Ausführungen des Finanzamtes im Vorlagebericht. Ergänzend wies er unter Verweis auf Lehre und Rechtsprechung im Wesentlichen neuerlich darauf hin, dass die fehlende Angabe von Wiederaufnahmegründen im bekämpften Bescheid im Rechtsmittelverfahren nicht nachgeholt werden könne. Den Ausführungen betreffend einen nicht nur vorübergehenden Aufenthalt in A hielt der Beschwerdeführer entgegen, dass sich seine Lebensgefährtin für die nächste Periode nicht mehr für die Funktion als stellvertretende Geschäftsführerin beworben habe. Auch strebe er selbst einen Wegzug aus A an. Der Erwerb einer Eigentumswohnung sei im Hinblick auf die Höhe der Miete sowie die Kreditzinsen die wirtschaftlichere Lösung gewesen. Die Argumente des Finanzamtes seien damit widerlegt. Zudem könnten die Kosten für eine beruflich veranlasste Begründung eines zweiten Haushaltes am Beschäftigungsort vorübergehend als Werbungskosten geltend gemacht werden, selbst wenn die Voraussetzungen für eine dauerhaft angelegte doppelte Haushaltsführung nicht vorlägen. Dabei sei von einer angemessenen Frist auszugehen. Diese Frist werde bei in eheähnlicher Gemeinschaft lebenden Personen im Allgemeinen mit zwei Jahren angegeben. Jedenfalls seien aber die Verhältnisse im Einzelfall zu berücksichtigen, sodass auch ein längerer Zeitraum gerechtfertigt sein könne. Eine vorübergehende doppelte Haushaltsführung sei ua. dann gegeben, wenn von vornherein mit Gewissheit anzunehmen sei, dass die Tätigkeit mit vier bis fünf Jahren befristet sei. A als gemeinsamer Wohn- und Arbeitsort sei mit Gewissheit in absehbarer Zeit Geschichte.

10. Mit Schreiben vom übermittelte der Beschwerdeführer sein Versetzungsgesuch nach D sowie einen Nachweis, dass seine Lebensgefährtin in D zur stellvertretenden Geschäftsführerin ab bestellt wurde. Damit sei erwiesen, dass der Aufenthalt in A nur vorübergehender Natur gewesen sei.

11. Dazu teilte das Finanzamt am mit ausführlicher Begründung mit, die Rückkehr nach D ändere nichts an der Tatsache, dass der Beschwerdeführer und seine Lebensgefährtin ihren (gemeinsamen) Mittelpunkt der Lebensinteressen im Jahr 2012 nach A verlegt hätten.

12. Am übermittelte das Finanzamt diverse Unterlagen betreffend den Beschwerdeführer und seine Lebensgattin (ua. Lohnzettel betreffend den Zeitraum 1. Juni bzw. bis sowie Auszüge aus dem Zentralen Melderegister) und wies darauf hin, dass der Beschwerdeführer nunmehr mit Hauptwohnsitz in D, seine Lebensgefährtin hingegen nach wie vor mit Hauptwohnsitz in B gemeldet sei.

13. Auf entsprechenden Vorhalt teilte das Finanzamt mit, dass im Abgabeninformationssystem am anstelle der bisherigen Adresse des Beschwerdeführers (B, R-Straße) die Adresse A, P-Straße, eingetragen und der Akt am vom Finanzamt Bregenz übernommen worden sei.

II. Sachverhalt

Aufgrund der aktenkundigen Unterlagen (Eingaben der Verfahrensparteien samt Beilagen, Grundbuchsauszüge, Auszüge aus dem Zentralen Melderegister, Abfragen aus dem Abgabeninformationssystem) ist folgender Sachverhalt als erwiesen anzusehen:

Der Beschwerdeführer ist beim ***AG*** beschäftigt, wobei er seinen Dienstort bis Ende 2011 in L und ab Mitte Jänner 2012 in A hatte. Per wurde er antragsgemäß nach D versetzt.

In A mietete der Beschwerdeführer zunächst eine Wohnung in der T-Gasse. Nach einem Wohnungswechsel im Oktober 2012 erwarb er mit Kaufvertrag vom gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin eine Eigentumswohnung in der V-Straße, die sie infolge der Verlegung des Dienstortes nach D im Jahr 2018 wieder veräußerten.

Mit Hauptwohnsitz gemeldet war der Beschwerdeführer bis in L, vom bis in A und vom bis an der Adresse seiner Lebensgefährtin in B, R-Straße, an welcher er vom bis bereits mit Nebenwohnsitz gemeldet war. In A war er nach der Ummeldung des Hauptwohnsitzes nach B bis mit Nebenwohnsitz gemeldet.

Die ebenfalls beim ***AG*** beschäftigte Lebensgefährtin des Beschwerdeführers hat den Dienstort mit Wirkung ab von D nach A verlegt, wo sie mit dem Beschwerdeführer zusammengewohnt hat. Gemeldet war sie in A vom bis mit Nebenwohnsitz. Mit Hauptwohnsitz blieb sie in B, R-Straße, gemeldet. Die dort in ihrem Alleineigentum stehende Liegenschaft wurde ihr im Jahr 1991 im Schenkungswege übertragen.

Mit Bescheid vom hat das Finanzamt S die Einkommensteuer 2012 unter Berücksichtigung der geltend gemachten Kosten für Familienheimfahrten und doppelte Haushaltsführung festgesetzt. Am wurde im Abgabeninformationssystem die bisher eingetragene Adresse (B, R-Straße) auf A, P-Straße, abgeändert und infolge der sich aufgrund des überwiegenden Aufenthaltes in A ergebenden Zuständigkeitsänderung der Akt des Beschwerdeführers am vom Finanzamt Bregenz übernommen. Mit Bescheid vom hat das Finanzamt Bregenz die Einkommensteuer 2013 unter Berücksichtigung der strittigen Werbungskosten festgesetzt. Mit Bescheiden vom hat das Finanzamt Bregenz die Verfahren hinsichtlich Einkommensteuer 2012 und 2013 wiederaufgenommen und die in Rede stehenden Kosten für Familienheimfahrten und doppelte Haushaltsführung in den gleichzeitig ergangenen neuen Einkommensteuerbescheiden außer Ansatz gelassen.

III. Rechtsgrundlagen und rechtliche Würdigung

1. Zuständigkeit

Die örtliche Zuständigkeit der Finanzämter ist im (am außer Kraft getretenen) Bundesgesetz über den Aufbau und die Zuständigkeitsregelung der Abgabenverwaltung des Bundes - Abgabenverwaltungsorganisationsgesetz 2010 - AVOG 2010, BGBl. I Nr. 9/2010, geregelt.

Das nach § 20 Abs. 2 Z 1 AVOG 2010 für die Erhebung der Einkommensteuer bei unbeschränkter Steuerpflicht zuständige Wohnsitzfinanzamt ist gemäß § 20 Abs. 1 AVOG 2010 in der bis zum anzuwendenden Fassung das Finanzamt, in dessen Bereich der Abgabepflichtige (§ 77 BAO) einen Wohnsitz (§ 26 Abs. 1 BAO) oder in Ermangelung eines Wohnsitzes seinen gewöhnlichen Aufenthalt (§ 26 Abs. 2 BAO) hat. Bei mehrfachem Wohnsitz im Bereich verschiedener Finanzämter gilt als Wohnsitzfinanzamt jenes, in dessen Bereich sich der Abgabepflichtige überwiegend aufhält.

Nach § 6 AVOG 2010 endet die Zuständigkeit einer Abgabenbehörde für die Erhebung von Abgaben, außer bei Erlassung eines Delegierungsbescheides, mit dem Zeitpunkt, in dem eine andere Abgabenbehörde von den ihre Zuständigkeit begründenden Voraussetzungen Kenntnis erlangt. Vom Übergang der Zuständigkeit ist der Abgabepflichtige in Kenntnis zu setzen; gegenüber Arbeitnehmern (§ 47 EStG 1988) ist dies nur erforderlich, wenn eine Veranlagung nach § 41 EStG 1988 beim Übergang der Zuständigkeit noch nicht rechtskräftig abgeschlossen ist. Solange eine vorgesehene Verständigung nicht ergangen ist, können Anbringen auch noch an die bisher zuständig gewesene Abgabenbehörde gerichtet werden.

Mit BGBl. I Nr. 40/2017 wurde § 20 Abs. 1 AVOG 2010 geändert. Nach der mit in Kraft getretenen Bestimmung ist Wohnsitzfinanzamt das Finanzamt, in dessen Bereich der Abgabepflichtige mit Hauptwohnsitz (§ 1 Abs. 7 des Meldegesetzes 1991) angemeldet ist.

Nach § 20 AVOG 2010 in der im Beschwerdefall maßgeblichen Fassung war somit primär der Wohnsitz nach § 26 BAO maßgeblich. Entscheidend war sohin, ob der Abgabepflichtige eine Wohnung innehatte unter Umständen, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen wird. Ausschlaggebend ist dabei die tatsächliche Verfügungsgewalt und die jederzeitige Benutzbarkeit einer Wohnung. Bei mehreren, im Zuständigkeitsbereich verschiedener Finanzämter liegender Wohnsitze war für die Bestimmung des Wohnsitzfinanzamtes der überwiegende Aufenthalt maßgeblich. Dies ist jener Ort, an dem der Abgabepflichtige überwiegend körperlich anwesend ist.

Die zum Zeitpunkt der Erlassung des Einkommensteuerbescheides 2012 vom bestehende Zuständigkeit des Finanzamtes S steht im Beschwerdefall außer Streit. Vom Bestehen eines Wohnsitzes in A erlangte das Finanzamt Bregenz am Kenntnis und war dieses daher aufgrund des im Hinblick auf den ebenfalls in A liegenden Dienstort überwiegenden Aufenthaltes in A ab diesem Zeitpunkt für die Erhebung der Einkommensteuer des Beschwerdeführers zuständiges Wohnsitzfinanzamt. Mit am eingereichter Erklärung beantragte der Beschwerdeführer die Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung 2013. Die Erlassung des Einkommensteuerbescheides 2013 fiel somit ohne Zweifel in die Zuständigkeit des Finanzamtes Bregenz.

Die Entscheidung über die Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens steht nach § 305 BAO der Abgabenbehörde zu, die für die Erlassung des nach § 307 Abs. 1 BAO aufzuhebenden Bescheides zuständig war oder vor Übergang der Zuständigkeit als Folge einer Bescheidbeschwerde oder einer Säumnisbeschwerde zuständig gewesen wäre. Ist die diesbezügliche Zuständigkeit auf eine andere Abgabenbehörde übergegangen, so steht die Entscheidung der zuletzt zuständig gewordenen Abgabenbehörde zu.

Nachdem die Zuständigkeit im März 2014 auf das Finanzamt Bregenz übergegangen ist und die Zuständigkeit bis zur Erlassung der mit datierten Wiederaufnahmebescheide nicht auf ein anderes Finanzamt übergegangen ist, oblag die Entscheidung über die Wiederaufnahme der Verfahren hinsichtlich Einkommensteuer 2012 und 2013 sohin dem Finanzamt Bregenz als (zum damaligen Zeitpunkt) zuletzt zuständig gewordener Abgabenbehörde. Damit haftet den angefochtenen Bescheiden eine diesbezügliche Rechtswidrigkeit nicht an.

2. Beschwerdevorentscheidung

Gemäß § 262 Abs. 1 BAO ist über Bescheidbeschwerden nach Durchführung der etwa noch erforderlichen Ermittlungen von der Abgabenbehörde, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat, mit als Beschwerdevorentscheidung zu bezeichnendem Bescheid abzusprechen. Ausnah-men von der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung sieht das Gesetz nur in den in § 262 Abs. 2 bis 4 BAO angeführten Fällen vor.

Das Finanzamt hat die Erledigung vom nicht als "Beschwerdevorentscheidung", sondern als "Bescheid" tituliert. Aus dem Spruch ergibt sich aber in unzweifelhafter Weise, dass mit dem "Bescheid" über die Beschwerden vom gegen die Wiederaufnahmebescheide vom abgesprochen wurde und steht der normative Inhalt der Erledigung damit außer Zweifel. Insoweit liegt daher ein bloßes Vergreifen hinsichtlich der Bezeichnung vor, durch welches der Beschwerdeführer in seinen Rechten nicht beschränkt wurde.

Gleiches gilt im Ergebnis hinsichtlich der auf die Möglichkeit der Einbringung einer Beschwerde gegen den Bescheid beim angeführten Amt innerhalb eines Monats nach Zustellung hinweisenden und damit der Bestimmung des § 263 Abs. 2 BAO nicht entsprechenden Rechtsmittelbelehrung. Nachdem hinsichtlich einzubringendem Ort und einzuhaltender Frist kein Unterschied gegenüber der Einbringung eines Vorlageantrages besteht, die weiteren Erfordernisse des § 93 Abs. 3 lit. b BAO hinsichtlich des Inhaltes einer Rechtsmittelbelehrung vorliegen und das Finanzamt die vom Beschwerdeführer fristgerecht erhobene Beschwerde gegen den Bescheid vom als Vorlageantrag gewertet und diese folglich dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt hat, ist eine Verletzung des verfassungsrechtlich geschützten Rechtes auf den gesetzlichen Richter nicht erkennbar. Die unzutreffende Rechtsmittelbelehrung ist im Beschwerdefall daher ohne Belang. Im Übrigen werden Abgabepflichtige durch die Bestimmungen des § 93 Abs. 4 bis 6 BAO ohnedies vor allen Nachteilen, die aus fehlenden, unrichtigen oder unvollständigen Rechtsmittelbelehrungen resultieren könnten, weitestgehend geschützt [vgl. Ellinger/Iro/Kramer/Sutter/Urtz, BAO3, § 93 Rz 25 (Stand , rdb.at)].

3. Aufhebung der ursprünglichen Einkommensteuerbescheide

Der Einwand, aus den Wiederaufnahmebescheiden gehe nicht hervor, dass der ursprüngliche Einkommensteuerbescheid aufgehoben worden sei, geht ins Leere. Nach § 307 Abs. 1 BAO ist mit dem die Wiederaufnahme des Verfahrens bewilligenden oder verfügenden Bescheid unter gleichzeitiger Aufhebung des früheren Bescheides die das wiederaufgenommene Verfahren abschließende Sachentscheidung zu verbinden. Die Wiederaufnahme eines Verfahrens führt als ausschließlich kassatorische Entscheidung damit bereits zur gänzlichen Beseitigung des Bescheides, mit dem das wiederaufgenommene Verfahren seinerzeit abgeschlossen wurde. Eines gesonderten Bescheidspruches über die Aufhebung des das wiederaufgenommene Verfahren zunächst abschließenden Bescheides bedarf es im Wiederaufnahmebescheid daher nicht (vgl. , mwN). Ebenso wenig hat ein weiterer selbständiger, die Aufhebung des alten Sachbescheides verfügender Bescheid zu ergehen (vgl. , mwN).

4. Wiederaufnahme

§ 303 Abs. 1 BAO idF des FVwGG 2012, BGBl. I Nr. 14/2013, lautet:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
"Ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren kann auf Antrag einer Partei oder von Amts wegen wiederaufgenommen werden, wenn
a)
der Bescheid durch eine gerichtlich strafbare Tat herbeigeführt oder sonstwie erschlichen worden ist, oder
b)
Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind, oder
c)
der Bescheid von Vorfragen (§ 116) abhängig war und nachträglich über die Vorfrage von der Verwaltungsbehörde bzw. dem Gericht in wesentlichen Punkten anders entschieden worden ist
und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte."

Im Spruch der angefochtenen Wiederaufnahmebescheide wird auf § 303 Abs. 1 BAO Bezug genommen. Die Begründung der Bescheide lautet jeweils wie folgt:

"Die Wiederaufnahme des Verfahrens erfolgte gemäß § 303 BAO. Die Wiederaufnahme wurde unter Abwägung von Billigkeits- und Zweckmäßigkeitsgründen (§ 20 BAO) verfügt. Im vorliegenden Fall überwiegt das Interesse der Behörde an der Rechtsrichtigkeit der Entscheidung das Interesse auf Rechtsbeständigkeit und die Auswirkungen können nicht als geringfügig angesehen werden. Es wird auf die Begründung im Sachbescheid verwiesen."

In der Begründung der im wiederaufgenommenen Verfahren ergangenen Einkommensteuerbescheide 2012 und 2013 wird, soweit hier von Interesse, jeweils Folgendes ausgeführt:

"Da Sie und Ihre Lebensgefährtin seit Anfang 2012 beide in A wohnen und arbeiten, ist ihr Lebensmittelpunkt A. Kosten für doppelte Haushaltsführung und Familienheimfahrten stehen somit nicht zu.
Es wird auf das Erkenntnis des BFG RV/6100092/2016 verwiesen."

Auch wenn das Finanzamt damit weder in den Wiederaufnahmebescheiden noch in den geänderten Einkommensteuerbescheiden konkret angeführt hat, auf welchen der gesetzlich genannten Wiederaufnahmetatbestände die Durchbrechung der Rechtskraft der ursprünglichen Einkommensteuerbescheide gestützt wird, kann im Ergebnis kein Zweifel bestehen, dass in der auch auf das die Lebensgefährtin des Beschwerdeführers betreffende Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom , RV/6100092/2016, verweisenden Begründung der Einkommensteuerbescheide mit dem Sachverhalt der abgeschlossenen Verfahren zusammenhängende tatsächliche Umstände (Wohn- und Arbeitsort seit Anfang 2012 in A) angesprochen werden und die Wiederaufnahme vom Finanzamt damit auf den Neuerungstatbestand gemäß § 303 Abs. 1 lit. b BAO gestützt wurde (vgl. auch , wonach der in einem Betriebsprüfungsbericht gegebene Hinweis auf einzelne Textziffern im Zusammenhang mit der Wiederaufnahme eines Verfahrens im Regelfall den Schluss zulässt, dass das Finanzamt die Wiederaufnahme auf den Neuerungstatbestand gestützt hat). Im Übrigen ist auch der Beschwerdeführer selbst von einer auf dem Neuerungstatbestand beruhenden Wiederaufnahme ausgegangen.

Zweck der Wiederaufnahme wegen neu hervorgekommener Tatsachen oder Beweismitteln ist die Berücksichtigung von bisher unbekannten, aber entscheidungswesentlichen Sachverhaltselementen. Gemeint sind also Tatsachen, die zwar im Zeitpunkt der Bescheiderlassung "im abgeschlossenen Verfahren" bereits existierten, aber erst danach hervorgekommen sind (vgl. ua. , mwN).

Tatsachen im Sinne des § 303 Abs. 1 lit. b BAO sind ausschließlich mit dem Sachverhalt des abgeschlossenen Verfahrens zusammenhängende tatsächliche Umstände, also Sachverhaltselemente, die bei einer entsprechenden Berücksichtigung allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens zu einem anderen Ergebnis, als vom rechtskräftigen Bescheid zum Ausdruck gebracht geführt hätten, wie etwa Zustände, Vorgänge, Beziehungen und Eigenschaften (vgl. , und , mwN). Neue Erkenntnisse in Bezug auf die rechtliche Beurteilung solcher Sachverhaltselemente - auch wenn diese späteren rechtlichen Erkenntnisse (neuen Beurteilungskriterien) durch die Änderung der Verwaltungspraxis oder der Rechtsprechung gewonnen werden - sind keine derartigen Tatsachen (vgl. , mwN).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist im Zusammenhang mit der Wiederaufnahme eines Verfahrens maßgebend, ob der Abgabenbehörde in dem wieder-aufzunehmenden Verfahren der Sachverhalt so vollständig bekannt gewesen ist, dass sie schon in diesem Verfahren bei richtiger rechtlicher Subsumtion zu der nunmehr im wiederaufgenom-menen Verfahren erlassenen Entscheidung hätte gelangen können (vgl. , und , mwN). Das Neuhervorkommen von Tatsachen und Beweismitteln im Sinne des § 303 BAO ist dabei aus der Sicht des jeweiligen Verfahrens und nicht aus anderen Verfahren, bei denen diese Tatsachen möglicherweise erkennbar waren, zu beurteilen und bezieht sich damit auf den Wissensstand (aufgrund der Abgabenerklärungen und ihrer Beilagen) des jeweiligen Veranlagungsjahres (vgl. , und , mwN). Die Frage des Neuhervorkommens ist somit allein aus der Sicht des von der zuständigen Behörde (der abgabenfestsetzenden Stelle) geführten konkreten Verfahrens zu beurteilen (vgl. , mwN). Ein behördliches Verschulden an der Nichtfeststellung der maßgeblichen Tatsachen oder Beweismittel im Erstverfahren schließt die Wiederaufnahme von Amts wegen dabei nicht aus (vgl. ua. , mwN).

Welche gesetzlichen Wiederaufnahmegründe durch einen konkreten Sachverhalt als verwirklicht angesehen und daher als solche herangezogen werden sollen, bestimmt bei der Wiederaufnahme von Amts wegen die für die Entscheidung über die Wiederaufnahme zuständige Behörde (vgl. , mwN).

Bei einer Beschwerde gegen eine Wiederaufnahme von Amts wegen ist die Sache, über welche das Bundesfinanzgericht gemäß § 279 Abs. 2 BAO zu entscheiden hat, nur die Wiederaufnahme aus den vom Finanzamt herangezogenen Gründen, also jener wesentlichen Sachverhaltsmomente, die das Finanzamt als Wiederaufnahmegrund beurteilt hatte. Unter Sache ist in diesem Zusammenhang die Angelegenheit zu verstehen, die den Inhalt des Spruches des Bescheides der Abgabenbehörde gebildet hatte. Die Identität der Sache, über die abgesprochen wurde, wird dabei durch den Tatsachenkomplex begrenzt, der als neu hervorgekommen von der für die Wiederaufnahme zuständigen Behörde zur Unterstellung unter den von ihr gebrauchten Wiederaufnahmetatbestand herangezogen wurde (vgl. , und , mwN).

Das Bundesfinanzgericht hat, sofern die Bescheidausführungen des wiederaufnehmenden Finanzamtes mangelhaft sind, ausgehend von einem vom Finanzamt herangezogenen Wiederaufnahmegrund, diesen zu prüfen und zu würdigen und gegebenenfalls erforderliche Ergänzungen vorzunehmen (vgl. ). Die Ergänzung einer mangelhaften Begründung der Wiederaufnahmebescheide in Richtung der tatsächlich vom Finanzamt herangezogenen Wiederaufnahmegrundlagen stellt kein unzulässiges Auswechseln von Wiederaufnahmegründen dar (vgl. , mwN).

Mit dem Hinweis auf den im Jahr 2012 in A gelegenen gemeinsamen Wohn- und Arbeitsort des Beschwerdeführers und seiner Lebensgefährtin und die aufgrund des damit in A liegenden Lebensmittelpunktes erfolgte Nichtanerkennung der Kosten für Familienheimfahrten und doppelte Haushaltsführung hat das Finanzamt ohne Zweifel jenen Tatsachenkomplex dargelegt, der als neu hervorgekommen angesehen und der geänderten Festsetzung der Einkommensteuer für die Jahre 2012 und 2013 zugrunde gelegt wurde.

Dafür, dass die ins Treffen geführten Umstände, wie vom Beschwerdeführer eingewendet, nicht neu hervorgekommen und dem zuständigen Finanzamt bei der Erlassung des jeweiligen Erstbescheides (hinsichtlich Einkommensteuer 2012 sohin dem Finanzamt S und hinsichtlich Einkommensteuer 2013 dem Finanzamt Bregenz) bereits bekannt gewesen wären, ergeben sich aus der Aktenlage keine Anhaltspunkte. Auch der Beschwerdeführer behauptet nicht, dass er dem Finanzamt in den ihn betreffenden ursprünglichen, in der Folge wiederaufgenommenen Einkommensteuerverfahren 2012 und 2013 bekannt gegeben hätte, dass sein Dienstort seit Anfang 2012 A ist, er dort über eine Wohnung verfügt und mit auch seine Lebensgefährtin den Dienstort nach A verlegt hat und bei ihm eingezogen ist. Vielmehr wendet er ein, dass diese Umstände dem Finanzamt S aufgrund des seine Lebensgefährtin betreffenden Verfahrens bekannt gewesen seien. Dass ein Finanzamt in einem ein anderes Jahr betreffenden Veranlagungsverfahren oder im Abgabenverfahren eines anderen Steuerpflichtigen von den maßgeblichen Tatsachen Kenntnis hatte, steht der Wiederaufnahme aber, wie oben ausgeführt, nicht entgegen (vgl. , mwN).

Nichts zu gewinnen ist in diesem Zusammenhang mit dem Einwand, dass die Lebensgefährtin den Dienstort entgegen den der Wiederaufnahme zugrunde gelegten Ausführungen des Finanzamtes erst mit von D nach A verlegt und erst ab diesem Zeitpunkt beim ihm gewohnt habe, ändert dies doch nichts daran, dass der neu hervorgekommene und der Wiederaufnahme zugrunde gelegte maßgebliche Umstand (gemeinsamer Familienwohnsitz aufgrund des gemeinsamen Wohn- und Arbeitsortes A) im Jahr 2012 verwirklicht wurde und bei Kenntnis der neu hervorgekommenen Umstände im Zusammenhang mit der Verlagerung des Familienwohnsitzes im Spruch anders lautende Bescheide ergangen wären. Ein allenfalls bis Ende Juni 2012 noch in B liegender Familienwohnsitz wäre gegebenenfalls in dem im wiederaufgenommenen Verfahren ergangenen Einkommensteuerbescheid 2012 zu berücksichtigen gewesen, der aber nicht angefochten wurde.

Ebenso vermag der Einwand, die geänderte rechtliche Beurteilung in dem die Lebensgefährtin betreffenden Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom , RV/6100092/2016, berechtigte nicht zur Wiederaufnahme der gegenständlichen Verfahren, der Beschwerde nicht zum Erfolg zu verhelfen. Richtig ist, dass die Wiederaufnahme nicht dazu dient, die Folgen einer unzutreffenden rechtlichen Würdigung eines offen gelegten Sachverhaltes zu beseitigen (vgl. , mwN). Das Finanzamt Bregenz hat sich im Beschwerdeverfahren entgegen der Sichtweise des Beschwerdeführers aber nicht auf eine im angeführten Erkenntnis erfolgte geänderte rechtliche Beurteilung eines im Beschwerdefall vollständig offen gelegten Sachverhaltes gestützt, sondern eben auf die auch dort angeführten, im Beschwerdeverfahren neu hervorgekommenen Sachverhaltselemente.

Zu Recht ist das Finanzamt schließlich auch davon ausgegangen, dass das Hervorkommen der einen Familienwohnsitz am Wohn- und Arbeitsort A begründenden Umstände der Berücksichtigung von Mehraufwendungen im Zusammenhang mit einer doppelten Haushaltsführung entgegenstand und die Kenntnis dieser Umstände im nunmehr wiederaufgenommenen Verfahren damit im Spruch anders lautende Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2012 und 2013 herbeigeführt hätte.

Haushaltsaufwendungen oder Aufwendungen für die Lebensführung sind nach § 20 Abs. 1 Z 1 und Z 2 lit. a EStG 1988 grundsätzlich nicht als Werbungskosten oder Betriebsausgaben abziehbar. Aufwendungen für eine Wohnung sind daher, selbst wenn sie der Wohnsitznahme am Beschäftigungsort dient, grundsätzlich nicht abzugsfähig (vgl. ). Eine berufliche und damit zu Werbungskosten der Aufwendungen führende Veranlassung einer doppelten Haushaltsführung liegt nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes lediglich dann vor, wenn ein Arbeitnehmer am Beschäftigungsort wohnen muss und ihm die Verlegung des Familienwohnsitzes an den Beschäftigungsort ebenso wenig zugemutet werden kann wie die tägliche Rückkehr zum Familienwohnsitz (vgl. ua. , und , mwN). Die aus der Sicht des jeweiligen Streitjahres zu beurteilende Unzumutbarkeit einer Aufgabe des Familienwohnsitzes kann die unterschiedlichsten Ursachen haben, muss sich aber aus Umständen von erheblichem objektivem Gewicht ergeben (vgl. , mwN). Momente bloß persönlicher Vorliebe für die Beibehaltung des Familienwohnsitzes reichen nicht aus (vgl. , mwN).

Familienwohnsitz in diesem Sinne ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes jener Ort, an dem ein verheirateter Steuerpflichtiger mit seinem Ehepartner oder ein unverheirateter Steuerpflichtiger mit seinem in eheähnlicher Gemeinschaft lebenden Partner einen Hausstand unterhält, der den Mittelpunkt der Lebensinteressen dieser Personen bildet (vgl. , mwN, und , mwN).

Wie oben festgestellt, hat der Beschwerdeführer den Dienstort Anfang 2012 nach A verlegt und dort zunächst in einer Mietwohnung gewohnt. Mit hat auch die langjährige Lebensgefährtin des Beschwerdeführers den Arbeitsort von D nach A verlegt und mit dem Beschwerdeführer in einer Wohnung gelebt. Sowohl der Beschwerdeführer als auch seine Lebensgefährtin hatten unbefristete Dienstverträge mit demselben Arbeitgeber, wobei die Lebensgefährtin als stellvertretende Geschäftsführerin in A eine Führungsposition übernahm. Soweit das Finanzamt daher davon ausgegangen ist, dass der Beschwerdeführer den Lebensmittelpunkt bereits 2012 in A hatte, kann dies im Ergebnis nicht als rechtswidrig erkannt werden, zumal der Beschwerdeführer nicht ansatzweise begründet hat, weshalb der Familienwohnsitz trotz des dortigen gemeinsamen Dienst- und Wohnortes nach wie vor in B gelegen sein sollte. Dass das Finanzamt S im Einkommensteuerbescheid seiner Lebensgefährtin Familienheimfahrten für den Zeitraum Juli bis Dezember 2012 anerkannt hat, vermag daran nichts zu ändern. Abgesehen davon, dass keine Bindungswirkung an eine in einem eine andere Steuerpflichtige betreffenden Verfahren getroffene Beurteilung besteht, hat der Beschwerdeführer auch damit nicht aufgezeigt, aus welchen Gründen der gemeinsame Familienwohnsitz nicht in A gelegen sein sollte. Auch von einer bloß vorübergehenden Verlegung des Arbeitsortes unter Beibehaltung des Familienwohnsitzes konnte aufgrund der im Jahr 2012 bzw. 2013 gegebenen Verhältnisse keine Rede sein, ergeben sich doch, wie auch vom Finanzamt im Vorlagebericht ausgeführt, keinerlei Anhaltspunkte, dass der Beschwerdeführer und/oder seine Lebensgefährtin zum damaligen Zeitpunkt eine (baldige) Rückkehr nach D konkret geplant gehabt hätten. Dass sich sowohl der Beschwerdeführer als auch seine Lebensgefährtin im Jahr 2018 wieder nach D versetzen ließen und sie dort eine Eigentumswohnung erworben haben, ist dabei im Hinblick auf die Maßgeblichkeit der Verhältnisse des jeweiligen Streitjahres nicht von Bedeutung.

Hatte der Beschwerdeführer somit seinen Familienwohnsitz bereits in A, stellt sich die Frage einer (Un)Zumutbarkeit der Verlegung des Familienwohnsitzes nicht (vgl. auch ). Damit kommt aber auch eine Berücksichtigung eines allfälligen Übergangszeitraumes, in dem die Mehraufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung steuerlich zu berücksichtigen wären, nicht in Betracht, fehlt es im Hinblick auf den in A gelegenen (gemeinsamen) Familienwohnsitz doch an einer beruflichen Veranlassung für den weiteren Wohnsitz in B.

Eine im Übrigen auch vom Beschwerdeführer nicht eingewendete fehlerhafte Ermessensübung im Zusammenhang mit der Wiederaufnahme ist nicht erkennbar. Dass bei der Ermessensübung grundsätzlich dem Prinzip der Rechtsrichtigkeit der Vorrang vor jenem der Rechtsbeständigkeit zu geben ist, entspricht der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. , sowie Ritz, BAO6, § 303 Tz 67, mwN). Auch bedarf es keiner näheren Erörterung, dass im Hinblick auf die Höhe der in Rede stehenden Werbungskosten von einer Geringfügigkeit der sich daraus ergebenden steuerlichen Auswirkungen nicht die Rede sein kann.

Die Wiederaufnahme der in Rede stehenden Verfahren erweist sich somit insgesamt als recht-mäßig und waren die gegen die Wiederaufnahmebescheide vom erhobenen Beschwerden daher als unbegründet abzuweisen.

IV. Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die im Beschwerdefall strittigen Punkte wurden, soweit sich die Rechtsfolgen nicht unmittelbar aus dem Gesetz ergaben, auf Grundlage der im Erkenntnis angeführten höchstgerichtlichen Rechtsprechung sowie von nicht über den Einzelfall hinaus bedeutsamen Sachverhaltsfeststellungen beurteilt. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Artikel 133 Abs. 4 B-VG wird durch das vorliegende Erkenntnis somit nicht berührt. Eine (ordentliche) Revision ist daher nicht zulässig.

Feldkirch, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 263 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 262 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 303 Abs. 1 lit. b BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 305 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 307 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 20 Abs. 2 Z 1 AVOG 2010, Abgabenverwaltungsorganisationsgesetz 2010, BGBl. I Nr. 9/2010
Verweise







ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.1100295.2017

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at