Ermessensübung bei der Festsetzung eines Verspätungszuschlages
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Peter Bilger in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend die Festsetzung eines Verspätungszuschlages zur Umsatzsteuervorauszahlung für den Zeitraum 01/2018 zu Recht erkannt:
Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.
Der Verspätungszuschlag wird mit 5% von 19.247,32 Euro, somit in Höhe von 962,36 Euro festgesetzt.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang
Die Beschwerdeführerin (in der Folge: Bf.), eine mit Gesellschaftsvertrag vom gegründete Kommanditgesellschaft, erzielt Einkünfte und Umsätze aus Vermietung und Verpachtung.
Am reichte sie eine Umsatzsteuervoranmeldung (in der Folge: UVA) für den Zeitraum 01/2018 mit einer Zahllast in Höhe von 19.247,32 Euro ein.
Von dieser Umsatzsteuervorauszahlung setzte das Finanzamt mit Bescheid vom selben Tag () einen Verspätungszuschlag in Höhe von 8% bzw. 1.539,79 Euro fest. Laut der Begründung in diesem Bescheid erfolgte die Festsetzung des Verspätungszuschlages, weil die Bf. ihrer Verpflichtung zur Einreichung der Voranmeldung nicht bzw. verspätet nachgekommen sei.
Mit der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde begehrte Bf., die Stornierung des Verspätungszuschlages. Es sei fälschlicherweise die monatliche UVA übermittelt worden, obwohl die Bf. keine Verpflichtung zur Einreichung einer monatlichen oder quartalsweisen UVA gehabt habe. Die Umsatzsteuer-Jahreserklärung 2018 ergebe einen Überschuss an Vorsteuern.
Das Finanzamt wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom ab. Zur Begründung führte es zusammengefasst aus, die Festsetzung sei unter Bedachtnahme auf das Ausmaß der Firstüberschreitung und unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Bf. bereits des öfteren säumig gewesen sei, erfolgt.
Mit Vorlageantrag beantragte die Bf. erneut, den angefochtenen Bescheid ersatzlos aufzuheben. Begründend brachte sie vor, bei der Verhängung eines Verspätungszuschlages seien folgende Ermessenskriterien zu berücksichtigen:
a) das Ausmaß der Fristüberschreitung
b) die Höhe des durch die verspätete Einreichung erzielten finanziellen Erfolges
c) das bisherige steuerliche Verhalten des Abgabepflichtigen und
d) der Grad des Verschuldens
Die belangte Behörde habe aus nachfolgenden Gründen den Ermessenspielraum überschritten:
ad a) Ausmaß der Fristüberschreitung: Die Fristüberschreitung habe im Beschwerdefall 1,5 Jahre betragen. Dem Finanzamt sie dadurch aber kein Schaden entstanden, weil aus der Veranlagung 2018 ein Guthaben für die Bf. resultiere. In einer Entscheidung des Unabhängigen Finanzsenates vom , RV/0087-L/07, sei für eine Fristüberschreitung von 3,5 Jahren ein Verspätungszuschlag in Höhe von 8%, für eine Fristüberschreitung von 2,25 Jahren ein Verspätungszuschlag von 7% und für eine Fristüberschreitung von 1,25 Jahren ein Zuschlag von 6% als angemessen erachtet worden. Diese Entscheidung sei aber in einer Hochzinsphase getroffen worden.
ad b) Höhe des durch die verspätete Einreichung erzielten finanziellen Erfolges: Bei der Ermessensübung sei auch ein durch die Verspätung erzielter Zinsvorteil einzubeziehen. Eine Verzinsung in Höhe der Anspruchszinsen von 1,38% p.a. ergäbe eine Zinsbelastung seit in Höhe von ca. 265 Euro.
c) Das bisherige steuerliche Verhalten des Abgabepflichtigen: Dieses müsse anhand der Akten beurteilt werden.
d) Der Grad des Verschuldens: Die Aufzeichnungen würden seit Mitte 2019 fortlaufend geführt, die Buchhaltung werde jährlich erstellt. Der Geschäftsführer der Bf. sei der Meinung gewesen, dass aufgrund der hohen Vorsteuerbeträge ein Guthaben beim Finanzamt bestehe und mit der verspäteten Einreichung der Umsatzsteuervoranmeldung dem Finanzamt kein Schaden entstanden sei.
Am legte das Finanzamt die Beschwerde samt den bezughabenden Akten dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor und beantragte, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Rechtliche Beurteilung
1. Zu Spruchpunkt I. (Abänderung)
a) Gesetzliche Voraussetzungen für die Festsetzung eines Verspätungszuschlages
Gemäß § 135 BAO kann die Abgabenbehörde Abgabenpflichtigen, die die Frist zur Einreichung einer Abgabenerklärung nicht wahren, einen Zuschlag von 10% der festgesetzten Abgabe (Verspätungszuschlag) auferlegen, wenn die Verspätung nicht entschuldbar ist; solange die Voraussetzungen für die Selbstberechnung einer Abgabe ohne abgabenbehördliche Festsetzung gegeben sind, tritt an die Stelle des festgesetzten Betrages der selbst berechnete Betrag. Dies gilt sinngemäß, wenn nach den Abgabenvorschriften die Selbstberechnung einer Abgabe einem abgabenrechtlich Haftungspflichtigen obliegt. Verspätungszuschläge, die den Betrag von 50 Euro nicht erreichen, sind nicht festzusetzen.
Die Festsetzung eines Verspätungszuschlages knüpft somit zunächst an objektive Voraussetzungen: der Abgabepflichtige hat die Frist zur Einreichung einer Abgabenerklärung nicht eingehalten und diese Fristversäumnis war unentschuldbar. Ob der Abgabenpflichtige eine Frist zur Einreichung einer Abgabenerklärung versäumt hat oder nicht, richtet sich nach den einschlägigen Abgabenvorschriften.
Eine Verspätung ist unentschuldbar, wenn den Abgabenpflichtigen daran ein Verschulden trifft. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine Verspätung dann entschuldbar, wenn der Abgabepflichtige die Versäumung der Frist zur Einreichung einer Abgabenerklärung weder vorsätzlich noch fahrlässig herbeigeführt hat. Ein Rechtsirrtum bzw. das Handeln auf Grund einer vertretbaren Rechtsansicht kann die Annahme eines Verschuldens ausschließen. Allerdings sind Gesetzesunkenntnis oder irrtümlich, objektiv fehlerhafte Rechtsauffassungen nur dann entschuldbar und nicht als Fahrlässigkeit zuzurechnen, wenn die objektiv gebotene, der Sache nach pflichtgemäßem nach den subjektiven Verhältnissen zumutbare Sorgfalt nicht außer Acht zu gelassen wurde (vgl. ; , 96/14/0174 und , 98/17/0292).
Ein Verschulden liegt bereits bei leichter Fahrlässigkeit vor. Ein Verschulden des Vertreters trifft den Vertretenen (vgl. Ritz, BAO7, § 135 Rz 10 mit der an dieser Stelle zitierten hg. Rechtsprechung).
aa) Fristversäumnis
Gemäß § 21 Abs. 1 erster Satz UStG 1994 hat der Unternehmer spätestens am 15. Tag (Fälligkeitstag) des auf einen Kalendermonat (Voranmeldungszeitraum) zweitfolgenden Kalendermonates eine Voranmeldung bei dem für die Einhebung der Umsatzsteuer zuständigen Finanzamt einzureichen, in derer für den Voranmeldungszeitraum zu entrichtende Steuer (Vorauszahlung) oder den auf den Voranmeldungszeitraum entfallenden Überschuss unter entsprechender Anwendung des § 20 Abs. 1 und 2 und des § 16 selbst zu berechnen.
Gemäß § 21 Abs. 2 UStG 1994 ist für Unternehmer, deren Umsätze nach § 1 Abs. 1 Z 1 und Z 2 im vorangegangenen Kalenderjahr 100.000 Euro nicht überstiegen haben, das Kalendervierteljahr der Voranmeldungszeitraum; der Unternehmer kann jedoch durch fristgerechte Abgabe einer Voranmeldung für den ersten Kalendermonat eines Voranmeldungszeitraumes mit Wirkung für den ganzen Voranmeldungszeitraum den Kalendermonat als Voranmeldungszeitraum wählen.
Gemäß § 21 Abs. 1 2. Unterabsatz UStG 1994 kann der Bundesminister für Finanzen durch Verordnung vorsehen, dass in bestimmten Fällen die Verpflichtung zur Einreichung einer Voranmeldung entfällt, sofern der Unternehmer seinen abgabenrechtlichen Verpflichtungen nachkommt. Unternehmer, die danach für einen Voranmeldungszeitraum keine Voranmeldung einzureichen haben, sind verpflichtet, für diesen Voranmeldungszeitraum unter Verwendung des amtlichen Vordrucks für Voranmeldungen eine Aufstellung der Besteuerungsgrundlagen anzufertigen, es sei denn, er ergibt sich für diesen Voranmeldungszeitraum weder eine Vorauszahlung noch ein Überschuss.
Der Bundesminister für Finanzen hat mit der Verordnung betreffend die Abstandnahme von der Verpflichtung zur Abgabe von Voranmeldungen, BGBl. II 2010/171, von dieser Verordnungsermächtigung Gebrauch gemacht.
Nach § 1 dieser VO entfällt für Unternehmer, deren Umsätze gemäß § 1 Abs. 1 Z 1 und 2 UStG 1994 im vorangegangenen Kalenderjahr 30.000 Euro nicht überstiegen haben, die Verpflichtung zur Einreichung der Voranmeldung, sofern die nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen errechnete Vorauszahlung zur Gänze spätestens am Fälligkeitstag entrichtet wird oder sich für einen Voranmeldungszeitraum keine Vorauszahlung ergibt.
Die Bf. hatte im Kalenderjahr 2017 Umsätze nach § 1 Abs. 1 Z und Z 2 UStG 1994 in Höhe von 30.120,51 Euro und die Vorauszahlung für das erste Quartal 2018 nicht rechtzeitig entrichtet. Damit war sie gemäß § 21 Abs. 2 UStG 1994 zur Einreichung einer Umsatzsteuervoranmeldung für das Kalendervierteljahr verpflichtet.
Die Umsatzsteuervoranmeldung für das Kalendervierteljahr 2018 hätte sie daher bis zum 15. des auf dieses Kalendervierteljahr zweitfolgenden Monates, somit bis zum , abgeben müssen. Tatsächlich wurde erst am eine Voranmeldung für den Monat Jänner 2018 eingereicht. Diese Einreichung ist daher um ein Jahr und fünf Monate verspätet erfolgt.
ab) Verschulden
An dieser verspäteten Einreichung traf die Bf. auch ein Verschulden. Als Unternehmerin hat sie von ihrer Pflicht zur Abgabe von Umsatzsteuervoranmeldungen wissen müssen. Der in der Beschwerde dazu vorgebrachte Einwand, der Komplementär und Vertreter der Bf. sei der Meinung gewesen, aufgrund der hohen Vorsteuerbeträge sei ein Guthaben beim Finanzamt zu erwarten gewesen und würde durch die verspätete Einreichung dem Finanzamt daher kein Schaden entstehen, ist als Entschuldigungsgrund jedenfalls untauglich. Denn die Pflicht zur Abgabe einer Umsatzsteuervoranmeldung hängt nicht davon ab, ob bei der Veranlagung für ein Kalenderjahr ein Umsatzsteuerüberhang zu erwarten ist oder nicht und hat auch keinen finanziellen "Schaden" des Finanzamtes zur Voraussetzung. Damit hat die Bf. die Umsatzsteuervoranmeldung 01/2018 ohne ersichtlichen Entschuldigungsgrund um nahezu eineinhalb Jahre verspätet eingereicht.
Damit liegen die gesetzlichen Voraussetzungen für die Festsetzung eines Verspätungszuschlages vor.
b) Ermessensübung bei der Festsetzung des Verspätungszuschlages
Liegen die gesetzlichen Voraussetzungen für die Festsetzung eines Verspätungszuschlages vor, liegt es im Ermessen der Abgabenbehörde, ob bzw. in welcher Höhe sie einen Verspätungszuschlag festsetzt. Dabei darf sie die Grenze von 10% der festgesetzten Abgabe nicht überschreiten.
Bei der Ermessungsübung sind v.a. das Ausmaß der Fristüberschreitung, die Höhe des durch die verspätete Einreichung der Abgabenerklärung erzielten finanziellen Vorteils, das bisherige steuerliche Verhalten des Abgabepflichtigen und der Grad des Verschuldens des Abgabepflichtigen zu berücksichtigen (vgl. Ritz, BAO7, § 135 Rz 13; ).
Die Umsatzsteuervoranmeldung für den Kalendermonat Jänner 2018 am wurde um etwa eineinhalb Jahre verspätet eingereicht. Damit lag eine massive Fristüberschreitung vor. Der damit verbundene Zinsvorteil für die Bf. war allerdings gering, weil die Fristüberschreitung in eine Niedrigzinsphase fiel. Laut Erhebung der Österreichischen Nationalbank lag der Kreditzins für nichtfinanzielle Unternehmen im Jahr 2018 bei durchschnittlich 1,82% und im Jahr 2019 bei durchschnittlich 1,80% (vgl. https://www.oenb.at/Statistik/Standardisierte-Tabellen/Zinssätze-und Wechselkurse/Zinssätze-der-Kreidtinstitute.html, abgerufen am ).
Was das Kriterium des bisherigen Verhaltens der Bf. betrifft ist festzustellen, dass die Einkommen- und Umsatzsteuerbescheide 2015 und 2016 zunächst im Schätzungswege ergingen, weil die Bf. keine Umsatzsteuerjahreserklärungen abgegeben hatten (vgl. dazu die Einkommen- und Umsatzsteuerbescheide 2015 und 2016 vom und vom ). Die Fristüberschreitung betreffend die Umsatzsteuervoranmeldung für das erste Kalendervierteljahr 2018 war daher nicht die erste Abgabenpflichtverletzung der Bf.
Zum Kriterium des Grades des Verschuldens ist zu sagen, dass die Bf. bereits seit 2014 als Unternehmerin tätig ist und von der Pflicht zur Abgabe von Umsatzsteuervoranmeldung gewusst haben muss und auch gewusst hat. Das Argument, der Komplementär und Vertreter des Bf. habe geglaubt, eine verspätete Einreichung der Erklärung habe aufgrund der hohen Vorsteuerbeträge keine Konsequenzen, entlastet die Bf. wie bereits ausgeführt, nicht.
Eine Umsatzsteuervoranmeldung ist gemäß § 21 Abs. 1 UStG nicht nur im Falle von Steuerlasten, sondern auch von Überschüssen an Vorsteuern einzureichen. Überschüsse führen grundsätzlich zu Gutschriften. Sollte die Abgabenbehörde aber Bedenken an der Rechtmäßigkeit der Gutschrift haben, hat sie die nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens gegebenenfalls zu verweigern. Es obliegt daher letztlich nicht dem Abgabepflichtigen zu beurteilen, ob eine Gutschrift zusteht oder wie hoch diese ist. Dementsprechend kann auch eine Vorauszahlung nicht unterbleiben, nur weil nach Ansicht des Abgabepflichtigen im Veranlagungszeitraum mit einem Vorsteuerüberschuss zu rechnen ist.
Eine aus diesem Grund unterbliebene Abgabenerklärung muss daher als grobe Sorgfaltsverletzung eingestuft und bei der Ermessensübung entsprechend belastend berücksichtigt werden
Zusammengefasst sind bei der Ermessensübung die massive Fristüberschreitung und die Schwere des Verschuldens bei der verspäteten Einreichung der Umsatzsteuervoranmeldung sowie die bereits in Vorjahren mehrfach erfolgte verspätete Abgabe von Steuererklärungen zu Ungunsten der Bf. zu berücksichtigen, wohingegen der mit der verspäteten Einreichung erzielte finanzielle Vorteil aufgrund der niedrigen Zinsen in dieser Zeit nicht ins Gewicht fällt.
Nach Abwägung dieser Kriterien erachtet das Bundesfinanzgericht die Festsetzung eines Verspätungszuschlages von 5% der festgesetzten Abgabe (19.247,32 Euro), das sind 962,36 Euro, für angemessen.
2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Mit dem Beschwerdefall ist keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung verbunden. Eine (ordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist daher nicht zulässig.
Feldkirch, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 135 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 21 Abs. 1 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994 § 21 Abs. 2 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2021:RV.1100455.2019 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at
Fundstelle(n):
XAAAC-26642