Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 18.01.2021, RV/2100645/2020

Haftung für die Abfuhr einbehaltener Lohnsteuer

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache des ***Bf1***, Rechtsanwalt, als Masseverwalter im Konkursverfahren der ***Gm1*** GmbH, ***Bf1-Adr*** über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Oststeiermark (nunmehr Finanzamt Österreich) vom betreffend Lohnsteuer für die Jahre 2015 und 2016 und betreffend Dienstgeberbeitrag zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag für das Jahr 2015 zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Mit den Haftungsbescheiden vom wurde die Gemeinschuldnerin für die Jahre 2015 und 2016 als Arbeitgeberin für die Einbehaltung und Abfuhr der vom Arbeitslohn einzubehaltenden Lohnsteuer in Anspruch genommen. Mit den Abgabenbescheiden vom selben Tag wurde der Gemeinschuldnerin für das Jahr 2015 der Dienstgeberbeitrag zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen (Dienstgeberbeitrag) und der Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag vorgeschrieben. In den jeweiligen Bescheidbegründungen wurde auf den Bericht über das Ergebnis einer Außenprüfung vom und allenfalls auf die Niederschrift über die Schlussbesprechung verwiesen. Im Bericht über das Ergebnis der Außenprüfung wurde unter "Sachverhaltsdarstellung" ausgeführt, die laut Betriebssummenblatt ordnungsgemäß berechneten und einbehaltenen Lohnabgaben, Dienstgeberbeitrag und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag seien in unrichtiger Höhe abgeführt worden (Nachtrag ***1***). In der Niederschrift über die Schlussbesprechung ist ergänzend ausgeführt:
"Herr ***1**** wurde am als nicht beteiligter Dienstnehmer der Firma (…) zur Pflichtversicherung nach dem ASVG angemeldet und am abgemeldet. Mit wurde er als Geschäftsführer der vorgenannten Firma im Firmenbuch eingetragen. Der Umstand das Hr. ***1**** bereits seit Gründung der GesmbH mit 50% der Anteil an der Firma (…) treuhändisch gehalten hat, wurde dem Steuerberater erst im Zuge der arbeitsrechtlichen Intervention durch die Arbeiterkammer bekannt. Von Seiten des seinerzeitigen Steuerberaters erfolgte im Juli 2016 eine Rückabwicklung der vormals den Zeitraum Oktober 2015 - Mai 2016 abgerechneten Bezüge. Die Herrn ***1**** abgezogenen Sozialversicherungsdienstnehmerbeiträge und die einbehaltene Lohnsteuer wurde an Hr. ***1**** jedoch nicht rücküberwiesen. Im Bereich der Sozialversicherung erfolgte diese Rückverrechnung ohne Stellung eines Antrages auf Rückforderung zu ungebühr entrichteter Beiträge gem. § 69 ASVG.
Die Begründung einer Treuhandschaft ist jedenfalls abgabenrechtlich als bedeutsamer Umstand iSd § 119 BAO zu werten. Diese bedürfen um Berücksichtigung von seiten der Abgabenbehörde zu finden, einer vollständigen und wahrheitsgemäßen Offenlegung. Sie müssen insbesondere in den Abgabenerklärungen, Anmeldungen, Anzeigen dargelegt sowie auch in der Buchführung und in den Bilanzen zum Ausdruck kommen. Gem. § 119 ff BAO sind diese Treuhandverhältnisse binnen Monatsfrist dem Finanzamt anzuzeigen.
In Hinblick darauf, dass im vorliegenden Fall die Treuhandschaft erst im Juli 2016 dargelegt wurde und die bei Hr.
***1**** einbehaltene Lohnsteuer nicht rücküberwiesen wurde, wurde diese Treuhandschaft abgabenrechtlich für die Zeit von 1. Oktober bis Mai 2016 nicht berücksichtigt. Daher wurde nunmehr im Zuge der GPLA Prüfung die bereits einbehaltene Lohnsteuer der Firma wieder angelastet.
Für den Bereich der Sozialversicherung gelten (…)
"

Mit Beschluss des Landesgerichtes Wiener Neustadt vom , Aktenzeichen ***2***, wurde über das Vermögen der ***Gm1*** GmbH das Konkursverfahren eröffnet und ***Bf1***, Rechtsanwalt, als Masseverwalter bestellt.

Mit Schreiben vom wurde (nach Verlängerung der Beschwerdefrist) durch die vom Masseverwalter bevollmächtigte ***V1*** GmbH Beschwerde gegen die Haftungsbescheide für die Jahre 2015 und 2016 und gegen die Bescheide über die Festsetzung des Dienstgeberbeitrages und des Zuschlages zum Dienstgeberbeitrag für die Jahre 2015 und 2016 erhoben. Darin wurde vorgebracht, Herr ***1*** sei ab der Gründung der Gesellschaft treuhändig mit 50% an der Gesellschaft beteiligt gewesen. Für Treuhandschaften sei § 24 BAO anzuwenden, die Wirtschaftsgüter seien dem Treugeber zuzurechnen. Für die Frage des Lohnsteuerabzuges sowie der Lohnnebenkosten müsse ein Dienstverhältnis vorliegen. Aufgrund der Regelungen des § 47 EStG 1988 sei von einem Dienstverhältnis nur dann auszugehen, wenn der Dienstnehmer nicht wesentlich beteiligt sei. Als wesentliche Beteiligung gälte eine Beteiligung von mehr als 25%. Es handle sich bei der Beschäftigung des Herrn ***1*** daher um kein Dienstverhältnis, weswegen auch keine Lohnsteuer abzuziehen und abzuführen sei, und auch kein Dienstgeberbeitrag und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag anzusetzen seien. Herr ***1*** sei auch nicht Geschäftsführer der Gesellschaft gewesen, die Abgaben Dienstgeberbeitrag und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag seinen daher auch nicht aufgrund seiner Geschäftsführerstellung festzusetzen gewesen.

Mit der Beschwerdevorentscheidung wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Begründend wurde ausgeführt:
"Die Behörde ist gemäß § 115 BAO grundsätzlich verpflichtet, von sich aus alle relevanten tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zu ermitteln. Diese "Feststellungslast" der Abgabenbehörde befreit jedoch die Partei nicht von ihrer Offenlegungs- und Mitwirkungspflicht (Ritz, BAO3, § 115 Tz 8).
Eine fiduziarische Treuhandschaft (echte Treuhand) liegt vor, wenn jemandem Rechte übertragen werden (Treuhänder), die er im eigenen Namen, aber aufgrund einer besonderen obligatorischen Bindung zu einer anderen Person (Treugeber) nur in bestimmter Weise ausüben soll (vgl. u.a. ).
Steuerlich ist das Treugut gemäß § 24 Abs 1 lit b und c BAO dem Treugeber als wirtschaftlichem Eigentümer zuzurechnen. Für die steuerliche Anerkennung bedarf es einer klar nachweisbaren Vereinbarung und deren tatsächlicher Durchführung (Winnefeld, Bilanzhandbuch 5, Rz D 165). Der VwGH verlangt in dieser Hinsicht eine eindeutige Festlegung betreffend Gegenstand, Dauer, Beendigung und beiderseitiger Rechte und Pflichten. Diese hat tunlichst in Schriftform zu erfolgen. Demnach darf kein Zweifel darüber bestehen, dass dem Treugeber die wesentlichen, mit dem Zivilrecht üblicherweise verbundenen und der realen Sachherrschaft entsprechenden Befugnisse zustehen.
Allgemein sind die "für die Abgabenfestsetzung maßgebenden Umstände" gem § 120 BAO anzuzeigen (Bertl/Hirschler, RWZ 2008, 219 (220). Die betreffende Treuhandvereinbarung ist der Abgabenbehörde demnach unter Schilderung der wesentlichen Punkte zeitnah offenzulegen (Bertl/Hirschler, RWZ 2008, 219).
Vollständig und wahrheitsgemäß offenlegen bedeutet, der Abgabenbehörde nicht nur ein richtiges und vollständiges, sondern auch ein klares Bild von den für die Abgabenerhebung maßgeblichen Umständen zu verschaffen (…).
Nachdem die Offenlegung weder vollständig noch zeitnah erfolgte und auch die ursprünglich einbehaltene Lohnsteuer nicht rücküberwiesen wurde, war die Treuhandschaft im Zuge der beschwerdegegenständlichen Prüfung nicht anzuerkennen. Die vermeintliche Beteiligung von Herrn
***1*** wurde folglich nicht anerkannt. Die Einstufung als Dienstnehmer gemäß § 47 Abs. 2 EStG erfolgte daher zu Recht. Die beiden Merkmale für ein Dienstverhältnis (Eingliederung und Weisungsgebundenheit) waren in dem der Beschwerde zugrundeliegenden Zeitraum unstrittig erfüllt.
Die Beschwerde war somit als unbegründet abzuweisen.
"

Dagegen richtete sich der Vorlageantrag vom . Der Masseverwalter, nunmehr vertreten durch ***V2*** GmbH, brachte Folgendes vor:
"Mit Bescheiden vom wurde eine Haftung betreffend der Lohnsteuer 2015 und 2016 sowie der Dienstgeberbeitrag und der Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 2015 und 2016 festgesetzt.
Gegen diese Bescheide ergingen fristgerecht Beschwerden, welche mit Beschwerdevorentscheidung vom abgewiesen wurden. Aufgrund der Änderungen im § 323 c BAO des 2. COVID-19-Gesetzes ist die Rechtsmittelfrist bis unterbrochen und somit noch offen.
Gegen die Beschwerdevorentscheidung stellen wir innerhalb offener Frist den
Vorlageantrag
und beantragen somit die Entscheidung durch das Bundesfinanzgericht mit folgender Begründung:
Gegenstand der Beschwerde ist die Frage, ob
***1*** Dienstnehmer im Sinne des § 47 EStG war bzw. in der Zeit von bis überhaupt sein konnte.
Hierfür ist die relevante Frage, ob die Dienstnehmereigenschaften vorlagen - insbesondere die Weisungsgebundenheit - oder ob er durch seine Beteiligung von 50% an der Gesellschaft (Dienstgeberin), welche treuhändig von der (…) GmbH ("
***3*** GmbH") für ihn gehalten wurde, eben kein Dienstnehmer sein konnte.
Zur Vorgeschichte:
Die Herren (…) und
***1*** lernten einander über den gemeinsamen Steuerberater, Herrn (…) - Kanzlei ***V1***, kennen. Herr ***1*** war mit einem Unternehmen, welches sich um Vertikalbegrünungen kümmerte in Insolvenz gegangen. Herr (…) fand die Idee der gemeinsamen Fortsetzung dieser Geschäftsidee "als Neustart" gut und so gründete man gemeinsam die ***Gm1*** GmbH.
Die gemeinsame Gründung erfolgte in der Gestalt, dass am die (…) GmbH ("
***3*** GmbH") die Erklärung über die Errichtung der Gesellschaft unterfertigte.
Am gleichen Tag wurde zuvor noch der Treuhandvertrag mit Herrn
***1*** unterzeichnet in welchem die ***3*** GmbH zusagt die Hälfte des Geschäftsanteils an der ***Gm1*** GmbH zu halten. (Anlage 1)
Diese treuhändige Lösung erfolgte über Vermittlung und Hinweis des gemeinsamen Steuerberaters (…), der dies empfahl, bis die Insolvenz (…) GmbH abgewickelt sei.
In weiterer Folge kaufte man dem Masseverwalter der (…) GmbH, Herrn Dr. (…), die erforderlichen Betriebsmittel ab und "startete neu durch".
Der Steuerberater der beiden Herren und der gemeinsamen Gesellschaft, die Kanzlei
***V1*** bzw. Herr (…), verfügte zu jedem Zeitpunkt über alle Dokumente, die dies begründen und beweisen.
Die Lohnverrechnung und die Buchhaltung wurden auch vom gemeinsamen Steuerberater erledigt.
Festzuhalten ist an dieser Stelle, dass Herr
***1*** in der Zeit von bis zu 50% an der ***Gm1*** GmbH beteiligt war. Vorgelegt wird auch der Notariatsakt über die Abtretung der Anteile des Herrn ***1*** an die ***3*** GmbH sowie die Auflösung des Treuhandvertrags als Notariatsakt vom . (Anlage 2)
Zu den Feststellungen:
Richtig ist, dass die Mitwirkungspflichten des Abgabenpflichtigen entsprechend wahrzunehmen sind.
Die gesamte Faktenlage inklusive der betreffenden Vereinbarungen (Treuhandvertrag, Abtretungsvertrag) wurden spätestens im Rechtsmitteiverfahren offengelegt. Im Abgabenverfahren besteht kein Neuerungsverbot - sollte die Abgabenbehörde bis zur Beschwerde über die entsprechenden Informationen noch nicht verfügt haben, so sind diese dennoch im Rechtsmittelerfahren zu berücksichtigen (§ 270 BAO).
Wie in der Beschwerdevorentscheidung richtig angeführt, ist das Treugut dem Treugeber zuzurechnen. In diesem Fall ist die 50% Beteiligung an der
***Gm1*** GmbH dem Herrn ***1*** zuzurechnen - und nicht der ***3*** GmbH.
Mit der gesamten steuerlichen Vertretung der
***Gm1*** GmbH - inklusive aller Offenlegungen, Eröffnungsfragebogen UND Lohnverrechnung - war der gemeinsame Steuerberater betraut.
Dem gemeinsamen Steuerberater waren alle Unterlagen und damit auch die tatsächlichen Beteiligungsverhältnisse bekannt.
Für die Aberkennung und abgabenrechtliche Nichtberücksichtigung einer Treuhandschaft ist dann ein entsprechender Raum gegeben, wenn die tatsächlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse anders gelebt werden, als in den Verträgen vereinbart - oder ein entsprechender steuerlicher Missbrauch vorliegt. Beides war nicht der Fall, zu beidem wurden und konnten auch keine entsprechenden Feststellungen gemacht werden.
Die angeführte mangelhafte Offenlegung ist ein Versäumnis - welches gegenständlich dem gemeinsamen Steuerberater zuzurechnen ist. Dies ist allerdings kein Grund einen Sachverhalt nicht entsprechend zu würdigen und zu berücksichtigen - insbesondere als dieser Sachverhalt spätestens im Laufe des Rechtsmittelverfahrens offengelegt wurde.
Eine Änderung der Zurechnung bei Treuhandverhältnisse wegen mangelnder Offenlegung gegenüber der Abgabenbehörde findet sich weder in der Literatur noch in der Judikatur.
Tatsächlich war Herr
***1*** im angeführten Zeitraum zu 50% an der Gesellschaft beteiligt. Die Anteile wurden treuhändig gehalten, was wie im bezeichneten Bescheid festgehalten, am Sachverhalt nichts ändert.
Ein Dienstverhältnis nach § 47 Abs. 2 EstG kann damit nicht vorliegen (vgl. Einkommensteuerrichtlinien Rz 430f sowie Rz 5267 ff). In Rz 5271 der Einkommensteuerrichtlinien wird explizit auf den zwischengeschalteten Treuhänder Bezug genommen.
Abschließend beantragen wir daher:
• Aufhebung der bezeichneten Bescheide
• Gegebenenfalls Erlass eines den Sachverhalt korrekt abbildenden und im Rahmen des Ermessens alle Umstände würdigenden Bescheides"

Mit Schreiben vom übermittelte die Vertretung des Masseverwalters dem Bundesfinanzgericht eine Beschwerdevorentscheidung der Österreichischen Gesundheitskasse und führte aus, mit der Beschwerdevorentscheidung sei nunmehr zum selben Sachverhalt der Beschwerde stattgegeben worden. Es werde nochmals betont, dass an der fehlenden oder zu späten Offenlegung einer Treuhandschaft nicht die Zurechnung des Eigentums hängen könne.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Gemäß § 323b Abs. 1 BAO treten das Finanzamt Österreich und das Finanzamt für Großbetriebe für ihren jeweiligen Zuständigkeitsbereich am an die Stelle des jeweils am zuständig gewesenen Finanzamtes.

Aufgrund der dem Bundesfinanzgericht vorgelegten Unterlagen und aufgrund der vom Bundesfinanzgericht durchgeführten Abfragen im Firmenbuch stand fest, dass die Gemeinschuldnerin, die ***Gm1*** GmbH, mit Notariatsakt vom errichtet worden ist. Gesellschafterin ist die ***3*** GmbH. Nach dem Gesellschafterbeschluss vom (was in dem an das zuständige Landesgericht gerichteten Antrag auf Vornahme von Eintragungen in das Firmenbuch den Niederschlag findet) haben Herr ***1*** und Herr (…), der Geschäftsführer der ***3*** GmbH, die Gemeinschuldnerin ab ihrer Errichtung als Geschäftsführer je selbständig vertreten. Mit Gesellschafterbeschluss vom wurde Herr ***1*** als Geschäftsführer der Gesellschaft abberufen. Mit dem Gesellschafterbeschluss vom wurde Herr ***1*** mit sofortiger Wirkung wiederum zum Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin bestellt, er vertrat die Gesellschaft nun wieder selbständig. Mit Gesellschafterbeschluss vom wurde Herr ***1*** als Geschäftsführer abberufen.

Mit der ebenfalls am abgeschlossenen Treuhandvereinbarung haben Herr ***1*** als Treugeber und die ***3*** GmbH als Treuhänderin vereinbart, dass die Treuhänderin Gesellschafterin der nunmehrigen Gemeinschuldnerin ist und dass die Treuhänderin fünfzig Prozent dieses Geschäftsanteils nicht für eigene Rechnung erworben hat, sondern als Treuhänderin für den Treugeber, Herrn ***1***. Mit dem Notariatsakt vom hat Herr ***1*** aufgrund des Anbots vom seinen Anteil an der Stammeinlage der nunmehrigen Gemeinschuldnerin, der bis dorthin treuhändig von der ***3*** GmbH gehalten worden ist, an die bisherige Treuhänderin abgetreten. Mit Beschluss des Landesgerichtes Wiener Neustadt vom wurde - wie bereits ausgeführt - über das Vermögen der ***Gm1*** GmbH das Konkursverfahren eröffnet.

Die Gemeinschuldnerin hat Herrn ***1*** mit als Dienstnehmer zur Pflichtversicherung nach dem Allgemeinen Versicherungsgesetz abgemeldet und für diesen für die Zeiträume bis und bis Lohnzettel dem Finanzamt übermittelt.

Nach den Bestimmungen der Treuhandvereinbarung kann dem Vorbringen des Beschwerdeführers, Herr ***1*** sei von der Errichtung der nunmehrigen Gemeinschuldnerin an bis zum mit fünfzig Prozent am Stammkapital der Gesellschaft beteiligt gewesen, nicht entgegen getreten werden. Denn die Treuhänderin war zum Beispiel verpflichtet, über den Geschäftsanteil nicht ohne ausdrückliche Zustimmung des Herrn ***1*** zu verfügen oder diesem die ihm aufgrund des Geschäftsanteils zukommenden Anteile am Reingewinn unverzüglich auszuzahlen oder nach dessen Weisung zu verwenden. Die Treuhänderin war auch während der ganzen Dauer der Treuhandschaft daran gebunden, den Geschäftsanteil dem Treugeber oder einer von diesem namhaft zu machenden Person unentgeltlich anzubieten. Das bedeutete, dass es im jederzeitigen Belieben des Herrn ***1*** stand, über seine Anteile an der Gesellschaft zu verfügen.

Gemäß § 41 Abs. 1 Familienlastenausgleichsgesetz (FLAG) haben alle Dienstgeber, die im Bundesgebiet Dienstnehmer beschäftigen, den Dienstgeberbeitrag zu leisten. Dienstnehmer sind gemäß § 41 Abs. 2 FLAG Personen, die in einem Dienstverhältnis im Sinne des § 47 Abs. 2 EStG 1988 stehen, freie Dienstnehmer im Sinne des § 4 Abs. 4 ASVG, sowie an Kapitalgesellschaften beteiligte Personen im Sinne des § 22 Z 2 EStG 1988.

Die Pflicht zur Entrichtung eines Zuschlags zum Dienstgeberbeitrag gründet sich auf § 122 Abs. 7 und 8 Wirtschaftskammergesetz 1988; als Bemessungsgrundlage gilt die Beitragsgrundlage nach § 41 FLAG.

Unter § 22 Z 2 zweiter TS EStG 1988 fallen die Gehälter und sonstigen Vergütungen jeder Art, die von einer Kapitalgesellschaft an wesentlich Beteiligte für ihre sonst alle Merkmale eines Dienstverhältnisses (§ 47 Abs. 2) aufweisende Beschäftigung gewährt werden. Eine Person ist dann wesentlich beteiligt, wenn ihr Anteil am Grund- oder Stammkapital der Gesellschaft mehr als 25% beträgt. Die Beteiligung durch Vermittlung eines Treuhänders oder einer Gesellschaft steht einer unmittelbaren Beteiligung gleich. Herr ***1*** war an der Gemeinschuldnerin wesentlich beteiligt.

Das in § 47 Abs. 2 EStG 1988 normierte Tatbestandsmerkmal der Weisungsgebundenheit wird durch den Ausdruck "sonst" in § 22 Z 2 Teilstrich 2 EStG 1988 beseitigt. Der Ausdruck "alle" in derselben - auf die gesetzliche Definition des steuerlichen Dienstverhältnisses in § 47 Abs. 2 EStG 1988 verweisenden - Vorschrift bezieht sich damit (primär) nur auf das verbleibende gesetzliche Kriterium der Eingliederung in den geschäftlichen Organismus des Betriebes des Arbeitgebers. Die Eingliederung in den geschäftlichen Organismus der Gesellschaft wird durch jede nach außen hin auf Dauer angelegt erkennbare Tätigkeit hergestellt, mit der der Unternehmenszweck der Gesellschaft, sei es durch ihre Führung, sei es durch operatives Wirken auf ihrem Bestätigungsfeld, verwirklicht wird. Es war unstrittig, dass Herr ***1*** ab der Errichtung der Gemeinschuldnerin, und vom bis zum Ausscheiden aus dem Unternehmen als Geschäftsführer für die Gemeinschuldnerin und von der Errichtung der Gemeinschuldnerin an bis zu seinem Ausscheiden für diese tätig war. Durch die kontinuierliche und über einen längeren Zeitraum andauernde Erfüllung der Aufgaben der Geschäftsführung ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs das Merkmal der Eingliederung eines Gesellschaftergeschäftsführers in den betrieblichen Organismus zweifelsfrei hergestellt (; , 2008/15/0260).

Seit dem Erkenntnis des verstärkten Senates vom , 2003/13/0018, kommt es primär nur auf das verbleibende gesetzliche Kriterium der Eingliederung in den geschäftlichen Organismus des Betriebes an. Durch die Ausübung der Geschäftsführertätigkeit durch Herrn ***1*** und durch sein Tätigsein für die Gemeinschuldnerin bis zu seinem Ausscheiden aus dem Unternehmen war die Eingliederung in den betrieblichen Organismus der Gemeinschuldnerin zweifelsfrei gegeben. Von einer solchen ist auch die Gemeinschuldnerin ausgegangen, denn mit ihrer Behandlung von Herrn ***1*** als Dienstnehmer (sowohl steuerrechtlich als auch versicherungsrechtlich) hat diese klar und deutlich die Eingliederung von Herrn ***1*** zum Ausdruck gebracht. Das wurde auch im Rechtsmittelverfahren nicht bestritten; im Gegenteil, selbst der Beschwerdeführer ist offenbar von einer solchen ausgegangen, wenn dieser die fehlende Dienstnehmereigenschaft nur mit der wesentlichen Beteiligung des Herrn ***1*** an der Gemeinschuldnerin und mit dem Fehlen der Weisungsgebundenheit bestreitet. Dass Herr ***1*** nicht in den geschäftlichen Organismus der Gemeinschuldnerin eingegliedert gewesen sei, wurde nie behauptet, noch ergaben sich aus den Unterlagen diesbezügliche Hinweise.

Die an Herrn ***1*** ausbezahlten Entgelte waren daher als Einkünfte nach § 22 Z 2 zweiter Teilstrich EStG 1988 zu beurteilen. Für diese waren daher der Dienstgeberbeitrag und der Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag zu leisten; auf das Vorliegen eines Dienstverhältnisses gemäß § 47 Abs. 2 EStG 1988 kam es daher nicht an.

Aufgrund der vorliegenden Unterlagen und aufgrund einer (über Ersuchen des Bundesfinanzgerichtes erfolgten) Mitteilung des Finanzamtes stand fest, dass für das Jahr 2016 weder der Dienstgeberbeitrag noch der Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag festgesetzt worden sind, für diese sind keine Abgabenbescheide erlassen worden. Mangels Bescheide war die Beschwerde betreffend Dienstgeberbeitrag und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag für das Jahr 2016 mit Beschluss vom , RV/2100648/2020, als unzulässig zurückzuweisen.

Gemäß § 76 EStG 1988 hat der Arbeitgeber für jeden Arbeitnehmer ein Lohnkonto zu führen, in dem unter anderem der gezahlte Arbeitslohn unter Angabe des Zahltages und des Zahlungszeitraumes und die einbehaltene Lohnsteuer einzutragen sind. Der Arbeitgeber hat in der Folge gemäß § 84 Abs. 1 EStG 1988 dem Finanzamt ohne besondere Aufforderung die Lohnzettel aller im Kalenderjahr beschäftigten Arbeitnehmer zu übermitteln. Der Lohnzettel ist aufgrund der Eintragungen im Lohnkonto (§ 76) auszuschreiben (§ 84 Abs. 3 EStG 1988).

Aufgrund der Ausführungen in der Niederschrift über die Schlussbesprechung, die von der steuerlichen Vertretung der nunmehrigen Gemeinschuldnerin unterfertigt worden ist, und aufgrund der Feststellungen im Bericht über das Ergebnis einer Außenprüfung vom stand fest, dass sich die Beträge an Lohnsteuer, für die die Gemeinschuldnerin zur Haftung herangezogen worden ist, aus der Differenz zwischen der einbehaltenen und der abgeführten Lohnsteuer ergeben. Aufgrund der vom Bundesfinanzgericht durchgeführten Abfragen stand auch fest, dass die Gemeinschuldnerin für die von ihr beschäftigten Dienstnehmer und auch für Herrn ***1*** Lohnzettel an das Finanzamt übermittelt hat und in diesen jeweils die einbehaltene Lohnsteuer ausgewiesen wurden ist. Die Summen der in den Lohnzetteln als einbehalten ausgewiesenen Lohnsteuer decken sich mit den in der Spalte "Betriebssummenblatt/Lohnkonto" der Niederschrift angegebenen Beträge, die die Basis für die Berechnung der Beträge, für die die Gemeinschuldnerin zur Haftung herangezogen worden ist, gebildet haben.

Der Arbeitgeber hat gemäß § 78 Abs. 1 EStG 1988 die Lohnsteuer des Arbeitnehmers bei jeder Lohnzahlung einzubehalten. Die genannte Bestimmung ordnet also an, dass der Steuerabzug dann vorzunehmen ist, wenn der Arbeitslohn dem Arbeitgeber zufließt (Fellner in Hofstätter/Reichel, Die Einkommensteuer, § 78 Tz 6). Die Gemeinschuldnerin hat (neben dem Abzug für die anderen Dienstnehmer) bei den Zahlungen an Herrn ***1*** den Lohnsteuerabzug vorgenommen (dass monatliche Zahlungen an Herrn ***1*** erfolgt sind, war unbestritten), die einbehaltene Lohnsteuer im Lohnkonto eingetragen und in den an das Finanzamt übermittelten Lohnzetteln als einbehaltene Lohnsteuer ausgewiesen. Die in den Lohnzetteln als einbehalten ausgewiesenen Beträge wurden bei den (rechtskräftigen) Veranlagungen des Herrn ***1*** zur Einkommensteuer als anrechenbare Lohnsteuer berücksichtigt.

Gemäß § 79 Abs 1 EStG 1988 hat der Arbeitgeber die gesamte Lohnsteuer, die in einem Kalendermonat einzubehalten war, spätestens am 15. Tag nach Ablauf des Kalendermonats in einem Betrag an das Finanzamt abzuführen. Unterbleibt die Abfuhr, so hat das Finanzamt den Arbeitgeber in der Höhe des Rückstandes haftbar zu machen (§ 79 Abs. 3 EStG 1988). Der Arbeitgeber haftet gemäß § 82 EStG 1988 dem Bund für die Einbehaltung und Abfuhr der vom Arbeitslohn einzubehaltenden Lohnsteuer. Aus den genannten Bestimmungen ergibt sich klar, dass der Arbeitgeber die nach seiner Berechnung bei der Auszahlung des Arbeitslohnes an den Arbeitnehmer einbehaltene Lohnsteuer an das Finanzamt abzuführen hat. Die bei den Zahlungen an Herrn ***1*** einbehaltene Lohnsteuer, die auch in den an das Finanzamt übermittelten Lohnzetteln als solche ausgewiesen war (und in weiterer Folge bei der Festsetzung der Einkommensteuer für ***1*** Berücksichtigung gefunden hat), war daher abzuführen. Mangels einer Abführung war die Gemeinschuldnerin für die von ihr tatsächlich einbehaltene Lohnsteuer haftbar zu machen und es bedurfte keiner Erwägungen, ob die Einbehaltung der Lohnsteuer für Herrn ***1*** zu Recht erfolgt ist oder nicht.

Abschließend ist festzuhalten, dass der angefochtene Bescheid von der (damals) zuständigen Abgabenbehörde (Finanzamt Oststeiermark) erlassen worden ist. Über die Beschwerde hat das Finanzamt Graz-Stadt mit Beschwerdevorentscheidung entschieden. Da durch die Erledigung der Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht die Beschwerdevorentscheidung aus dem Rechtsbestand tritt, fällt dem Bundesfinanzgericht nicht zur Last, dass das unzuständige Finanzamt Graz-Stadt mit Beschwerdevorentscheidung entschieden hat (vgl. Stoll, BAO-Kommentar, 588).

Gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Das Bundesfinanzgericht ist von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht abgewichen, sondern hat sich auf diese und auf die einschlägigen Bestimmungen gestützt. Im gegenständlichen Beschwerdeverfahren sind keine Rechtsfragen aufgeworfen worden, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt. Eine Revision ist nicht zulässig.

Aus den dargestellten Erwägungen war spruchgemäß zu entscheiden.

Graz, am

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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.2100645.2020

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