Differenzzahlung (Familienbeihilfe): Kinder im Haushalt der Mutter in Großbritannien (vor Brexit)
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch SFB Alber&Tomitzi StB freie Ber OG, Weihburggasse 4/2/29, 1010 Wien, über die Beschwerde vom
gegen den Abweisungsbescheid des Finanzamtes Graz-Stadt vom betreffend Ausgleichszahlung (Familienbeihilfe) für ***1***, geb. ***2***.2000, und ***3***, geb. ***4***.2003, für den Zeitraum Jänner 2009 bis April 2011, SV-Nr. ***11***, zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Der Beschwerdeführer (Bf.) beantragte am die Gewährung einer Differenzzahlung (Familienbeihilfe) für seine Töchter ***1***, geb. ***2***.2000, und ***3***, geb. ***4***.2003, für den Zeitraum von Jänner 2009 bis April 2011. Im Antrag gab der Beschwerdeführer an, dass er österreichischer Staatsbürger, in Österreich wohnhaft und im Antragszeitraum unselbständig erwerbstätig gewesen sei. Die Ehegattin des Beschwerdeführers, auch österreichische Staatsbürgerin, habe in Schottland an der University of ***5*** studiert. Die gemeinsamen Töchter würden am gemeinsamen Wohnort wohnen und die Schule in ***6*** besuchen. Der Bf. finanziere die überwiegenden Kosten des Unterhalts der beiden Kinder. Als Beilage wurde das Schreiben des Child Benefit Office, ***7***, vom über die Zahlungsbestätigung von Familienleistungen im Zeitraum vom bis an die Ehegattin des Bf. übermittelt.
Mit Ergänzungsersuchen forderte das Finanzamt den Beschwerdeführer auf, eine Bestätigung über die Höhe der in Großbritannien ausbezahlten Familienleistungen, die Familienstandsbescheinigung für den beantragten Zeitraum bzw. wenn er nicht im gemeinsamen Haushalt mit den Kindern gelebt habe, Vereinbarungen und Zahlungsbestätigungen über geleistete Unterhaltszahlungen vorzulegen.
Dieses Ersuchen blieb unbeantwortet.
Lt. Abfrage im Zentralen Melderegister hatten der Beschwerdeführer, seine Ehegattin und die Kinder während des beantragten Zeitraumes ihren Hauptwohnsitz in ***8*** und der Beschwerdeführer auch einen Nebenwohnsitz in ***9*** bzw. in ***6***.
Mit Bescheid vom wurde obiger Antrag abgewiesen und damit begründet, dass angenommen werde, dass im beantragten Zeitraum kein Anspruch auf Ausgleichszahlung bestanden habe, da der Beschwerdeführer trotz Aufforderung die angeforderten Unterlagen nicht beigebracht habe und dadurch seiner Mitwirkungspflicht nach § 115 BAO nicht nachgekommen sei.
Dagegen erhob der steuerliche Vertreter des Beschwerdeführers die Berufung (nunmehr Beschwerde genannt) mit der Begründung, dass dem Beschwerdeführer von einem Beamten im Finanzamt zugesichert worden sei, dass das Finanzamt die notwendigen Unterlagen aus Großbritannien selbst anfordern werde, da die diesbezüglichen Bemühungen des Beschwerdeführers erfolglos geblieben seien. In der Beilage sei ein Dokument zu finden, aus dem ersichtlich sei, für welchen Zeitraum ein Anspruch auf eine gleichartige ausländische Beihilfe (Großbritannien) bestanden habe sowie "unter Pkt. 51 eine Familienbestandbescheinigung". Da die Gattin des Beschwerdeführers nicht mehr in Schottland lebe, sei die Erlangung von Unterlagen entsprechend schwierig. Es müsse aber den österreichischen Behörden möglich sein festzustellen, in welcher Höhe Anspruch auf Familienbeihilfe in Großbritannien gegeben sei und somit leicht der Differenzbetrag zur österreichischen Familienbeihilfe ermittelbar sein.
Von der zuständigen Sachbearbeiterin des Finanzamtes wurde am in einem Telefonat mit dem steuerlichen Vertreter eine schriftliche Stellungnahme zu den familiären Lebensumständen (Mittelpunkt der Lebensinteressen, gemeinsamer Haushalt mit Familie, usw.) und Schulbesuchsbestätigungen der Kinder im beantragten Zeitraum angefordert.
In der Berufungsvorentscheidung wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. In der Begründung wurde ausgeführt, dass das Finanzamt mit Bescheid vom die Ausgleichszahlung abgewiesen habe, da der Beschwerdeführer trotz Aufforderung die angeforderten Unterlagen zur Bestätigung des gemeinsamen Haushaltes in Großbritannien bzw. die überwiegende Unterhaltsleistung für die beiden Töchter vorzulegen, nicht nachgekommen sei. Zum Beschwerdevorbringen werde festgehalten, dass die zuständige Bearbeiterin im Finanzamt eine Bestätigung des Child Benefit Office vom an Mrs. ***10*** über bezahlte Familienleistungen für die Zeit bis in Großbritannien erhalten habe.
Die höchstpersönlichen familiären Verhältnisse, nämlich ob die Familie im gemeinsamen Haushalt lebe bzw. ob der Kindesvater während der Erwerbstätigkeit in Österreich Unterhalt geleistet habe bzw. ob der gemeinsame Haushalt zu keinem Zeitpunkt trotz Erwerbstätigkeit in Österreich aufgehoben worden sei, könne von Behörden nicht bestätigt werden.
Auch der telefonischen Vereinbarung mit dem Steuerberater des Beschwerdeführers, dass eine schriftliche Stellungnahme zu den familiären Lebensumständen bzw. Schulbesuchsbestätigungen der Kinder bis Mitte August 2013 vorgelegt werde, sei nicht nachgekommen worden.
Unter Verweis auf die einschlägigen Gesetzesstellen, insbesondere die erhöhte Mitwirkungspflicht einer Partei bei Auslandsbeziehungen, werde festgestellt, dass trotz wiederholter Aufforderung weder Unterlagen zur Feststellung des Mittelpunkts der Lebensinteressen noch erforderliche Unterlagen zur Klärung eines etwaigen Anspruches auf Ausgleichszahlung vorgelegt worden seien.
Daraufhin stellte der steuerliche Vertreter des Bf. den Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz (Vorlageantrag) und die Anberaumung einer mündlichen Berufungsverhandlung. In der Begründung wurde ergänzend ausgeführt, dass durch die Auskunft des mit dem Fall betrauten Beamten der Beschwerdeführer im guten Glauben gewesen sei, dass damit eine ausreichende Bestätigung vorliege. Es könne somit nicht von einem Fehlen der Mitwirkungspflicht gesprochen werden, ein schriftlicher Vorhalt betreffend weiterer erforderlicher Unterlagen sei nicht ergangen. Die angeblich telefonische Vereinbarung sei offensichtlich nicht mit dem Steuerberater persönlich, sondern mit einem Mitarbeiter geführt worden. Inwieweit dieser mit der Sachlage vertraut gewesen sei, lasse sich nicht mehr feststellen.
Aus den beiliegenden Bestätigungen des Zentralen Melderegisters sei eindeutig ersichtlich, dass sich im streitgegenständlichen Zeitraum der Hauptwohnsitz der Familie des Beschwerdeführers in ***8*** bzw. in ***6*** befunden habe. Der Aufenthalt der Ehegattin des Beschwerdeführers in Großbritannien sei ausschließlich aus beruflichen Gründen erfolgt und sei sie zumeist, wenn es die berufliche Tätigkeit zuließ, zu ihrer Familie in Österreich gefahren bzw. wie von den britischen Behörden bestätigt, seien die beiden Kinder in der Zeit vom August 2008 bis April 2011 bei der Mutter gewesen, da der Beschwerdeführer aus beruflichen Gründen eine Anstellung in ***6*** erhalten habe und es aus erzieherischen Gründen zweckmäßig erschien, wenn die Kinder bei der Mutter seien. Die Ehegemeinschaft sei aber zu keinem Zeitpunkt nicht mehr gegeben gewesen und es bestehe somit für den Beschwerdeführer das Recht auf den Erhalt von Ausgleichszahlung zwischen der Familienbeihilfe in Großbritannien und Österreich für den Zeitraum Jänner 2009 bis April 2011.
Aus den beigelegten Daten des Zentralen Melderegisters geht hervor, dass der Beschwerdeführer im streitgegenständlichen Zeitraum mit Hauptwohnsitz in ***8*** und mit Nebenwohnsitz in ***9*** bzw. in ***6*** gemeldet war. Die beiden Töchter waren in diesem Zeitraum mit Hauptwohnsitz an der Wiener Adresse des Beschwerdeführers gemeldet.
In einem weiteren Ergänzungsersuchen an den Beschwerdeführer übermittelte das Finanzamt das Formular E 401 (Familienstandsbescheinigung) zur Bestätigung durch die britische Behörde betreffend gemeinsamen Wohnsitz der Kindesmutter, des Kindesvaters und der beiden Kinder in Großbritannien für den beantragten Zeitraum und teilte mit, dass falls eine solche Bestätigung nicht vorgelegt werde, um einen Nachweis der Höhe der Unterhaltsleistungen des Kindesvaters oder eine Bestätigung der Kindesmutter über die Höhe der Unterhaltsleistungen im beantragten Zeitraum ersucht wird. Weiters wird das Formular E 411 zur Bestätigung durch die britische Behörde betreffend den Anspruch auf Familienleistungen in dem Mitgliedstaat, in dem die Familienangehörigen wohnen (monatliche Beträge) übermittelt.
In der Beantwortung des Ergänzungsersuchens teilte der steuerliche Vertreter mit:
"Eine Familienbestandsbescheinigung Formular E 401 der britischen Behörde betreffend gemeinsamen Wohnsitz der Kindesmutter, Kindesvater und der beiden Kinder in Großbritannien für den Zeitraum Jänner 2009 bis April 2011 liegt dem Finanzamt insoweit vor, als der Wohnsitz der Kindesmutter und der beiden Kinder durch die dortigen Steuerbehörden den inländischen Steuerbehörden übermittelt wurde. Laut Aktenlage und Auskunft befindet sich eine entsprechende Bescheinigung der britischen Behörden im Akt.
Die Unterhaltsleistung des Kindsvaters erscheint uns nicht erforderlich, da die Ehe weder aufgehoben noch eine dauernde Trennung der Ehepartner vorliegt, sondern wie bereits mehrfach betont, sich die Gattin des Herrn Bf. aus Fortbildungsgründen (Studium) in Großbritannien aufgehalten hat. Herr Bf. als Vater und Ehemann war selbst aus beruflichen Gründen, um seine Anstellung nicht zu verlieren, gezwungen in Österreich zu verbleiben. Eine Auflösung der ehelichen Partnerschaft war weder geplant noch vorliegend, sodass das Familieneinkommen beiden ehelichen Partnern gleichermaßen zur Verfügung stand und somit Unterhaltsleistungen im Sinne einer aufgelösten Ehe oder Partnerschaft, nicht erforderlich waren.
Wir möchten nochmals darauf hinweisen, dass auch in der Aktenlage ersichtlich ist, welche Beihilfe die britischen Behörden einer der österreichischen Familienbeihilfe gleichzusetzenden Art im Zeitraum des Aufenthalts der Mutter mit den Kleinkinder in Großbritannien sich ebenfalls bereits im Akt befindet und der Antrag meines Mandanten sich nur auf eine Differenzauszahlung zwischen der österreichischen Familienbeihilfe und der in Großbritannien erhaltenen Familienbeihilfe bezieht.
Abschließend dürfen wir noch auf die Verordnung (EWG) Nr. 883/04, zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer, Selbständige und deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu und abwandern, verweisen."
Durch die Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. I 51/2012, trat ab das Bundesfinanzgericht (BFG) an die Stelle des unabhängigen Finanzsenates.
In einem Ergänzungsersuchen des Bundesfinanzgerichtes wurde der Beschwerdeführer u.a. nochmals um Vorlage der Bestätigungen Formular E 401 (Familienstandsbescheinigung) und E 411 (Höhe der Familienleistungen mit monatlichen Beträgen) der britischen Behörden ersucht.
Dieses Ergänzungsersuchen blieb wiederum unbeantwortet.
Mit Schriftsatz vom einer anderen steuerlichen Vertretung wurde dem BFG eine Änderung der Bevollmächtigung der steuerlichen Vertretung des Beschwerdeführers bekannt gegeben.
In einem Anruf am teilte der Beschwerdeführer. der zuständigen Richterin auszugsweise mit:
"Er ist Orchestermusiker und war damals in ***9*** bzw. in ***6*** beschäftigt, heute ist er an der Volksoper engagiert.
Seine damalige Ehegattin (er ist seit ca. 1 Jahr geschieden) hatte die Möglichkeit im Antragszeitraum in Schottland an der ***5*** Universität erst ein Masterstudium und anschließend ein PhD-Studium zu absolvieren, wofür sie von der Österreichischen Akademie für Wissenschaften (ÖAW) ein Stipendium erhielt, das war ihr einziges Einkommen. Sie wohnte mit den beiden Kindern in Schottland, er wohnte in Österreich und sie besuchten sich zwischendurch gegenseitig soweit es möglich war. Die beiden Kinder haben in Schottland die Schule besucht.
Die Ehegattin bezog im Vereinigten Königreich Familienleistungen, in welcher Höhe wird er Unterlagen übermitteln.
Die Ehegattin ist seit ihrer Rückkehr aus Schottland in Deutschland erwerbstätig. Die beiden Kinder lebten seitdem beim Beschwerdeführer in Österreich."
Mit Schreiben vom nahm der Beschwerdeführer seinen Antrag auf Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zurück und übermittelte Unterlagen über die Dauer und die Höhe des child benefit (Kindergeld) im Vereinigten Königreich.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Gemäß § 2 Abs. 1 lit. a des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 (FLAG) haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, Anspruch auf Familienbeihilfe für minderjährige Kinder.
Nach § 2 Abs. 2 FLAG 1967 hat Anspruch auf Familienbeihilfe für ein im Abs. 1 genanntes Kind die Person, zu deren Haushalt das Kind gehört. Eine Person, zu deren Haushalt das Kind nicht gehört, die jedoch die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trägt, hat dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn keine andere Person nach dem ersten Satz anspruchsberechtigt ist.
Gemäß § 2 Abs. 5 FLAG 1967 gehört ein Kind dann zum Haushalt einer Person, wenn es bei einheitlicher Wirtschaftsführung eine Wohnung mit dieser Person teilt. Die Haushaltszugehörigkeit gilt nicht als aufgehoben, wenn
a) sich das Kind nur vorübergehend außerhalb der gemeinsamen Wohnung aufhält,
b) das Kind für Zwecke der Berufsausübung notwendigerweise am Ort oder in der Nähe des Ortes der Berufsausübung eine Zweitunterkunft bewohnt,
c) sich das Kind wegen eines Leidens oder Gebrechens nicht nur vorübergehend in Anstaltspflege befindet, wenn die Person zu den Kosten des Unterhalts mindestens in Höhe der Familienbeihilfe für ein Kind beiträgt; handelt es sich um ein erheblich behindertes Kind, erhöht sich dieser Betrag um den Erhöhungsbetrag für ein erheblich behindertes Kind (§ 8 Abs. 4).
Ein Kind gilt bei beiden Elternteilen als haushaltszugehörig, wenn diese einen gemeinsamen Haushalt führen, dem das Kind angehört.
§ 4 FLAG 1967 normiert die Ausgleichszahlungen, die in Höhe des Unterschiedsbetrages zwischen der gleichartigen ausländischen Beihilfe und der Familienbeihilfe, die nach diesem Bundesgesetz zu gewähren wäre, zu leisten sind.
Nach § 5 Abs. 3 FLAG 1967 besteht für Kinder, die sich ständig im Ausland aufhalten, kein Anspruch auf Familienbeihilfe, allerdings ist die Anwendbarkeit des § 5 Abs. 3 FLAG 1967 im Wesentlichen auf Aufenthalte in sogenannten "Drittstaaten" eingeschränkt.
Das Vereinigte Königreich war im Beschwerdezeitraum Mitglied der Europäischen Union, der gemäß Art. 50 EUV am erklärte Austritt des Vereinigten Königreichs ("Brexit") ist erst später wirksam.
Im hier vorliegenden Fall handelt es sich um einen Sachverhalt, der im strittigen Zeitraum zwei Mitgliedstaaten der Europäischen Union berührt. Somit sind auf Grund des strittigen Zeitraums sowohl die Verordnung (EWG) 1408/71 und die Durchführungsverordnung (EWG) Nr. 574/72 als auch die Verordnung (EG) 883/2004 und die Durchführungsverordnung (EG) Nr. 987/2009 anzuwenden.
Die Verordnung (EG) 883/2004 (VO 883/2004) gilt erst seit Inkrafttreten der Durchführungsverordnung (EG) 987/2009 (DVO 987/2009) seit (vgl. Gebhart in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG, 2. Aufl. § 53, Rz 7). Beide Verordnungen sind als verbundene Rechtsakte für die Mitgliedstaaten der EU untereinander gemeinsam am in Kraft getreten.
Davor galten die Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 (VO 1408/71) des Rates vom zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und deren Familien, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, ABl. Nr. L 149 vom , als Grundverordnung und die Verordnung (EWG) Nr 574/72 (DVO 574/72) des Rates vom über die Durchführung der Verordnung (EWG) Nr 1408/71 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und deren Familien, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, ABl L 74 vom , wurde als Durchführungsverordnung erlassen. Diese Verordnungen sind für Österreich bereits mit Beitritt zum EWR am verbindlich geworden (vgl. Gebhart in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG, 2. Aufl., § 53, Rz 53).
Nach Art. 73 der Verordnung Nr. 1408/71 hat ein Arbeitnehmer oder ein Selbständiger, der den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats unterliegt, vorbehaltlich hier nicht interessierender Bestimmungen in Anhang VI, für seine Familienangehörigen, die im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats wohnen, Anspruch auf Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften des ersten Staats, als ob diese Familienangehörigen im Gebiet dieses Staates wohnten.
Art. 76 der VO 1408/71 lautet:
Prioritätsregeln für den Fall der Kumulierung von Ansprüchen auf Familienleistungen gemäß den Rechtsvorschriften des zuständigen Staates und den Rechtsvorschriften des Staates, in dem die Familienangehörigen wohnen
(1) Sind für ein und denselben Zeitraum für ein und denselben Familienangehörigen in den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, in dessen Gebiet die Familienangehörigen wohnen, Familienleistungen aufgrund der Ausübung einer Erwerbstätigkeit vorgesehen, so ruht der Anspruch auf die nach den Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats gegebenenfalls gemäß Artikel 73 bzw. 74 geschuldeten Familienleistungen bis zu dem in den Rechtsvorschriften des ersten Mitgliedstaats vorgesehenen Betrag.
(2) Wird in dem Mitgliedstaat, in dessen Gebiet die Familienangehörigen wohnen, kein Antrag auf Leistungsgewährung gestellt, so kann der zuständige Träger des anderen Mitgliedstaates Absatz 1 anwenden, als ob Leistungen in dem ersten Mitgliedstaat gewährt würden
Art. 10 DVO 574/72 lautet:
Vorschriften für das Zusammentreffen von Ansprüchen auf Familienleistungen oder -beihilfen für Arbeitnehmer und Selbständige
(1) a) Der Anspruch auf Familienleistungen oder -beihilfen, die nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats geschuldet werden, nach denen der Erwerb des Anspruchs auf diese Leistungen oder Beihilfen nicht von einer Versicherung, Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit abhängig ist, ruht, wenn während desselben Zeitraums für dasselbe Familienmitglied Leistungen allein aufgrund der innerstaatlichen Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats oder nach Artikel 73, 74, 77 oder 78 der Verordnung geschuldet werden, bis zur Höhe dieser geschuldeten Leistungen
b) Wird jedoch
i) in dem Fall, in dem Leistungen allein aufgrund der innerstaatlichen Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats oder nach Artikel 73 oder 74 der Verordnung geschuldet werden, von der Person, die Anspruch auf die Familienleistungen hat, oder von der Person, an die sie zu zahlen sind, in dem unter Buchstabe a) erstgenannten Mitgliedstaat eine Berufstätigkeit ausgeübt, so ruht der Anspruch auf die allein aufgrund der innerstaatlichen Rechtsvorschriften des anderen Mitgliedstaats oder nach den genannten Artikeln geschuldeten Familienleistungen, und zwar bis zur Höhe der Familienleistungen, die in den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats vorgesehen sind, in dessen Gebiet das Familienmitglied wohnhaft ist. Leistungen, die der Mitgliedstaat zahlt, in dessen Gebiet das Familienmitglied wohnhaft ist, gehen zu Lasten dieses Staates.
Nach Art. 67 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (VO 883/2004) hat eine Person auch für Familienangehörige, die in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, Anspruch auf Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften des zuständigen Mitgliedstaats, als ob die Familienangehörigen in diesem Mitgliedstaat wohnen würden.
Artikel 68 der VO 883/2004 lautet:
(1) Sind für denselben Zeitraum und für dieselben Familienangehörigen Leistungen nach den Rechtsvorschriften mehrerer Mitgliedstaaten zu gewähren, so gelten folgende Prioritätsregeln:
a) Sind Leistungen von mehreren Mitgliedstaaten aus unterschiedlichen Gründen zu gewähren, so gilt folgende Rangfolge: an erster Stelle stehen die durch eine Beschäftigung oder eine selbstständige Erwerbstätigkeit ausgelösten Ansprüche, darauf folgen die durch den Bezug einer Rente ausgelösten Ansprüche und schließlich die durch den Wohnort ausgelösten Ansprüche.
b) Sind Leistungen von mehreren Mitgliedstaaten aus denselben Gründen zu gewähren, so richtet sich die Rangfolge nach den folgenden subsidiären Kriterien:
i) bei Ansprüchen, die durch eine Beschäftigung oder eine selbstständige Erwerbstätigkeit ausgelöst werden: der Wohnort der Kinder, unter der Voraussetzung, dass dort eine solche Tätigkeit ausgeübt wird, und subsidiär gegebenenfalls die nach den widerstreitenden Rechtsvorschriften zu gewährende höchste Leistung. Im letztgenannten Fall werden die Kosten für die Leistungen nach in der Durchführungsverordnung festgelegten Kriterien aufgeteilt;
ii) bei Ansprüchen, die durch den Bezug einer Rente ausgelöst werden: der Wohnort der Kinder, unter der Voraussetzung, dass nach diesen Rechtsvorschriften eine Rente geschuldet wird, und subsidiär gegebenenfalls die längste Dauer der nach den widerstreitenden Rechtsvorschriften zurückgelegten Versicherungs- oder Wohnzeiten;
iii) bei Ansprüchen, die durch den Wohnort ausgelöst werden: der Wohnort der Kinder.
(2) Bei Zusammentreffen von Ansprüchen werden die Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften gewährt, die nach Absatz 1 Vorrang haben. Ansprüche auf Familienleistungen nach anderen widerstreitenden Rechtsvorschriften werden bis zur Höhe des nach den vorrangig geltenden Rechtsvorschriften vorgesehenen Betrags ausgesetzt; erforderlichenfalls ist ein Unterschiedsbetrag in Höhe des darüber hinausgehenden Betrags der Leistungen zu gewähren. Ein derartiger Unterschiedsbetrag muss jedoch nicht für Kinder gewährt werden, die in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, wenn der entsprechende Leistungsanspruch ausschließlich durch den Wohnort ausgelöst wird.
Artikel 60 der Verordnung (EG) Nr. 987/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (DVO 987/2009) regelt:
(1) Die Familienleistungen werden bei dem zuständigen Träger beantragt. Bei der Anwendung von Artikel 67 und 68 der Grundverordnung ist, insbesondere was das Recht einer Person zur Erhebung eines Leistungsanspruchs anbelangt, die Situation der gesamten Familie in einer Weise zu berücksichtigen, als würden alle beteiligten Personen unter die Rechtsvorschriften des betreffenden Mitgliedstaats fallen und dort wohnen. Nimmt eine Person, die berechtigt ist, Anspruch auf die Leistungen zu erheben, dieses Recht nicht wahr, berücksichtigt der zuständige Träger des Mitgliedstaats, dessen Rechtsvorschriften anzuwenden sind, einen Antrag auf Familienleistungen, der von dem anderen Elternteil, einer als Elternteil behandelten Person oder von der Person oder Institution, die als Vormund des Kindes oder der Kinder handelt, gestellt wird.
(2) Der nach Absatz 1 in Anspruch genommene Träger prüft den Antrag anhand der detaillierten Angaben des Antragstellers und berücksichtigt dabei die gesamten tatsächlichen und rechtlichen Umstände, die die familiäre Situation ausmachen.
Da Art 48 AEUV eine Koordinierung und keine Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten vorsieht, werden […] die materiellen und formellen Unterschiede zwischen den Systemen der sozialen Sicherheit der einzelnen Mitgliedstaaten und folglich zwischen den Ansprüchen der dort Versicherten durch diese Bestimmung nicht berührt, so dass jeder Mitgliedstaat dafür zuständig bleibt, im Einklang mit dem Unionsrecht in seinen Rechtsvorschriften festzulegen, unter welchen Voraussetzungen die Leistungen eines Systems der sozialen Sicherheit gewährt werden (vgl. zB , Slg 2011, I-5737, da Silva Martins, Rn 71 mwN) (vgl. Gebhart in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG, 2. Aufl., § 53, Rz 84).
Im , Tomislaw Trapkowski, wurde ausgesprochen:
1) Art. 60 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung (EG) Nr. 987/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit ist dahin auszulegen, dass die in dieser Bestimmung vorgesehene Fiktion dazu führen kann, dass der Anspruch auf Familienleistungen einer Person zusteht, die nicht in dem Mitgliedstaat wohnt, der für die Gewährung dieser Leistungen zuständig ist, sofern alle anderen durch das nationale Recht vorgeschriebenen Voraussetzungen für die Gewährung erfüllt sind, was von dem vorlegenden Gericht zu prüfen ist.
2) Art. 60 Abs. 1 Satz 3 der Verordnung Nr. 987/2009 ist dahin auszulegen, dass danach nicht verlangt wird, dass der Anspruch auf Familienleistungen, die für ein Kind gewährt werden, dem Elternteil des Kindes, der in dem für die Gewährung dieser Leistungen zuständigen Mitgliedstaat wohnt, deshalb zuerkannt werden muss, weil der andere Elternteil, der in einem anderen Mitgliedstaat wohnt, keinen Antrag auf Familienleistungen gestellt hat.
Mit diesem , Tomislaw Trapkowski, hat der Gerichtshof der Europäischen Union entschieden, dass der Familienbeihilfenanspruch auch einer Person, die nicht im Mitgliedstaat der Antragstellung wohnt, zustehen kann.
Auch der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis , ausgesprochen, dass im Anwendungsbereich des Unionsrechts die Wohnortklauseln des FLAG 1967 nicht anzuwenden sind.
Der Ausdruck "Wohnort" iSd Art 1 Buchstabe h der VO 883/2004 stellt einen autonomen, dem Unionsrecht eigenen Begriff dar und bedeutet den gewöhnlichen Aufenthalt, dh den Ort, an dem die Betroffenen gewöhnlich wohnen und wo sich auch der gewöhnliche Mittelpunkt ihrer Interessen befindet (vgl. , B. vs Ministerstvo práce a sociálních věcí, Rn 26). "Art 11 der DVO 987/2009 kodifiziert auch die in der Rechtsprechung des EuGH ausgearbeiteten Gesichtspunkte, die für die Bestimmung dieses Mittelpunkts der Interessen berücksichtigt werden können, wie die Dauer und Kontinuität des Aufenthalts im Hoheitsgebiet der betreffenden Mitgliedstaaten oder die familiären Verhältnisse und die familiären Bindungen" (Rn 34 mwN). Die bloße Registrierung eines Wohnsitzes in einem Mitgliedstaat, ohne dass die Person dort lebt, erfüllt diese Voraussetzungen hingegen nicht (Rn 29); (vgl. Gebhart in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG, 2. Aufl., § 53, Rz 132).
Mit der Wortfolge "als ob die Familienangehörigen in diesem Mitgliedstaat wohnen würden" werden im Wege einer Fiktion die Kinder auf das Staatsgebiet des zuständigen Mitgliedstaates geholt. Dadurch werden mittelbare Diskriminierungen aus Gründen der Staatsangehörigkeit, die zumeist an Wohnsitzerfordernisse anknüpfen, vermieden. Diese Fiktion ist für alle Personen anzuwenden, die nicht Rentner sind, für die Art. 67 S 2 leg cit als Ausnahme den Rentenstaat als für die Familienleistungen zuständigen Mitgliedstaat bestimmt. Diese Unionsrechtsnorm verdrängt im Anwendungsfall sämtliche Normen des FLAG, die auf den Wohnsitz oder das Wohnen oder den Mittelpunkt der Lebensinteressen der Kinder im Inland abstellen (zB § 5 Abs. 3). Die Fiktion widerstreitet jedoch mit dem Vorrang der Haushaltszugehörigkeit nach § 2 Abs. 2 S 1 und dem vorrangigen Recht auf Leistung der österreichischen Familienbeihilfe an den haushaltsführenden Elternteil nach § 2a S 1, sofern dieser nicht gemäß § 2a Abs. 2 leg cit verzichtet. Nur das anspruchsvermittelnde Kind per Fiktion gedanklich ins Inland zu importieren ist daher nicht ausreichend. Die notwendige Ergänzung ordnet Art 60 Abs. 1 der DVO 987/2009 an (vgl. Gebhart in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG, 2. Aufl., § 53, Rz 282).
Die Formulare der Serie E 400 wurden von der Verwaltungskommission mit Beschluss Nr. 201 vom , ABlEU L 129/1 vom , eingerichtet. Sie werden in allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union, des EWR und der Schweiz einheitlich verwendet. Unionsbürger, die in diesen Ländern Urlaub machen, kurzzeitig oder langfristig arbeiten, studieren oder wohnen, benötigen ein oder mehrere dieser Formulare (vgl. Gebhart in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG, 2. Aufl., § 53, Rz 359).
Der Antragsteller auf Familienleistungen muss dem zuständigen Träger den Vordruck E 401, "Familienstandsbescheinigung für die Gewährung von Familienleistungen", vorlegen und damit nachweisen, welche Familienangehörigen in einem anderen Mitgliedstaat wohnen. Dazu füllt der Antragsteller Teil A des Vordruckes aus. Die im Wohnmitgliedstaat der Familienangehörigen für Personenstandsangelegenheiten zuständige Stelle bestätigt sodann im Teil B des Vordrucks die "Zusammensetzung der Familie" (vgl. Gebhart in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG, 2. Aufl., § 53, Rz 360).
Um eine mögliche Leistungskumulierung zu vermeiden, richtet der Träger der Familienleistungen ein Bescheinigungsersuchen (Teil A des Vordrucks) an den zuständigen Träger im Wohnmitgliedstaat, der in Teil B die entscheidenden Fragen zu einem möglichen Anspruch auf Familienleistungen beantwortet. Damit ist gezielt Art 68 Abs. 1und 2 der VO 883/2004 angesprochen. Dieser Vordruck ist mE auch für Fragen hinsichtlich der rechtlichen Anknüpfungsmerkmale der im anderen Mitgliedstaat geltenden Rechtsvorschriften geeignet, um den anderen Mitgliedstaat als originären "Beschäftigungsstaat" oder "Rentenstaat" einordnen zu können (vgl. Gebhart in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG, 2. Aufl., § 53, Rz 366).
§ 2 Abs. 2 FLAG 1967 stellt den Familienbeihilfenanspruch grundsätzlich auf die Haushaltszugehörigkeit mit einem Kind ab und nur subsidiär darauf, welche Person die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trägt. Auf die Unterhaltspflicht der diese Unterhaltskosten überwiegend tragenden Person kommt es nicht an (vgl. ). Einem Anspruch auf Familienbeihilfe im Sinne des zweiten Satzes des § 2 Abs. 2 FLAG 1967 steht der ausschließliche Anspruch einer Person, bei der das Kind im strittigen Zeitraum haushaltszugehörig war, zwingend entgegen ().
Die Bedingungen einer Haushaltszugehörigkeit sind in § 2 Abs. 5 FLAG 1967 näher definiert; so kommt es ausschließlich auf die einheitliche Wirtschaftsführung mit dem Kind im Rahmen einer Wohngemeinschaft (Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft) an (vgl. ; ; ). Wie sich aus § 2 Abs. 2 ergibt, knüpft der Anspruch auf Familienbeihilfe primär an die Haushaltszugehörigkeit des Kindes an. Dabei geht das Gesetz erkennbar auch davon aus, dass ein Kind nur einem Haushalt angehören kann. Einerseits wird gemäß § 7 für ein Kind Familienbeihilfe nur einer Person gewährt, andererseits gibt es unter dem Gesichtspunkt "Haushaltszugehörigkeit" keine Regelung über eine Reihung von potenziell anspruchsberechtigten Personen, etwa nach der Dauer oder dem Grad der Intensität einer solchen Zugehörigkeit (; , 2006/13/0120).
Die Beantwortung der Frage, mit welcher Person ein Kind die Wohnung teilt, hängt ganz wesentlich davon ab, in wessen Wohnung das Kind regelmäßig nächtigt, und zwar jedenfalls dann, wenn die betreffende Person die üblicherweise mit diesen Nächtigungen im Zusammenhang stehenden altersadäquaten Betreuungsmaßnahmen (zB Sorgetragung für morgendliche und abendliche Körperpflege oder Begleitung zur Schule) erbringt. Anderes ist auch nicht dem Erkenntnis vom , 96/14/0006, zu entnehmen ().
Meldebestätigungen stellen lediglich ein - widerlegbares - Indiz für das Bestehen einer Wohngemeinschaft dar, sind jedoch nicht geeignet, einen vollen Beweis über die tatsächlichen Verhältnisse (Vorliegen einer Haushaltsgemeinschaft bzw. -zugehörigkeit) zu liefern ().
Auch wenn vom Beschwerdeführer das Formular E 401 (Familienstandsbescheinigung) der britischen Behörde nicht beigebracht wurde, geht das Bundesfinanzgericht auf Grund der Aktenlage und dem Vorbringen des Beschwerdeführers in freier Beweiswürdigung davon aus, dass die Ehegattin des Beschwerdeführers im streitgegenständlichen Zeitraum mit den beiden Kindern im Vereinigten Königreich im gemeinsamen Haushalt lebte. Die Kinder besuchten dort die Schule und die Kindesmutter bezog dort Familienleistungen für die beiden Kinder.
Der Beschwerdeführer war in diesem Zeitraum in Österreich erwerbstätig, Daher ist Österreich als Beschäftigungsstaat zur Leistung einer Differenzzahlung verpflichtet.
Nach der o.a. Rechtsprechung des EuGH und des VwGH besteht ein von der Erwerbstätigkeit des Vaters (Bf.) in Österreich, auf den die österreichischen Rechtsvorschriften anzuwenden sind, abgeleiteter und zufolge Haushaltsführung primärer Anspruch der Mutter auf Differenzzahlung (Familienbeihilfe) in Österreich.
Der Familienleistungsanspruch des in Österreich erwerbstätigen Familienteils (hier: des Vaters) wird nach § 2 Abs. 2 Satz 1 FLAG 1967 iVm. Art. 67 VO 883/2004 und Art. 60 Abs. 1 Satz 2 VO 987/2009 durch den vorrangigen Familienleistungsanspruch des in einem anderen Mitgliedstaat der Union mit den Kindern im gemeinsamen Haushalt lebenden Familienteils (hier: der Mutter) verdrängt. Nach österreichischem Recht kommt es bei Haushaltszugehörigkeit zu einem Elternteil auf die Unterhaltskostentragung nicht an (vgl. ).
Eine Abtretung oder ein Verzicht des vorrangigen Anspruches auf Familienbeihilfe der Mutter zugunsten des anderen Elternteils, dem Bf., wäre nur möglich, wenn die Eltern im gemeinsamen Haushalt leben. Das war hier nicht der Fall.
Dass die Kinder im streitggst. Zeitraum in ***8*** mit Hauptwohnsitz gemeldet waren, erachtet das Bundesfinanzgericht im vorliegenden Fall einerseits auf Grund der Berufstätigkeit des Beschwerdeführers in ***9*** bzw. in ***6*** und andererseits der Berufstätigkeit der Kindesmutter im Vereinigten Königreich, in deren Haushalt die Kinder lebten, als nicht entscheidungsrelevant.
Es war wie im Spruch zu entscheiden.
Zulässigkeit einer Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Da im vorliegenden Fall eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nicht vorliegt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes und Verwaltungsgerichtshofes nicht abweicht (siehe zitierte EuGH- und VwGH-Judikatur) bzw. der vorliegende Sachverhalt in freier Beweiswürdigung beurteilt wurde. ist eine (ordentliche) Revision nicht zulässig.
Graz, am
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Materie | Steuer FLAG |
betroffene Normen | § 2 Abs. 1 lit. a FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 2 Abs. 2 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 2 Abs. 5 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 4 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 Art. 73 VO 1408/71, ABl. Nr. L 149 vom S. 2 Art. 76 VO 1408/71, ABl. Nr. L 149 vom S. 2 Art. 67 VO 883/2004, ABl. Nr. L 166 vom S. 1 Art. 68 VO 883/2004, ABl. Nr. L 166 vom S. 1 Art. 60 VO 987/2009, ABl. Nr. L 284 vom S. 1 Art. 1 Buchstabe h VO 883/2004, ABl. Nr. L 166 vom S. 1 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2021:RV.2100206.2015 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at