Bescheidbeschwerde – Senat – Erkenntnis, BFG vom 15.12.2020, RV/7102669/2019

Nachsicht: Das dem Nachsichtsansuchen zugrundeliegende Leistungsgebot ist nicht an den Antragsteller ergangen

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/7102669/2019-RS1
Spricht ein Einkommensteuerbescheid sowohl über konkursfreies Vermögen als auch über Forderungen ab, die als Masseforderungen anzusehen sind, ist dieser Bescheid dem Abgabepflichtigen und dem Masseverwalter zuzustellen. Ergeht mangels Zustellung des Einkommensteuerbescheides an ihn kein Leistungsgebot an den Abgabepflichtigen, entsteht keine Verpflichtung zur Entrichtung der festgesetzten Abgabenschuldigkeiten, daher sind sie in einem vom Beschwerdeführer angestrebten Nachsichtsverfahren nicht nachsehbar.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch ***R1***, den Richter ***R2*** sowie die fachkundigen Laienrichter ***R3*** und ***R4*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Treuhand - Union Villach Wirtschaftstreuhand- und Steuerberatungs GmbH, Haydnstraße 5, 9500 Villach, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 1/23 vom betreffend Abgabennachsicht gemäß § 236 BAO, Steuernummer 09 in der Sitzung am zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Mit Eingabe vom brachte der steuerliche Vertreter des Beschwerdeführers (Bf.) ein Nachsichtsansuchen gemäß § 236 BAO mit folgendem Inhalt ein:

"Mit Schreiben vom wurde die Finanzverwaltung von Herrn Dr. ***F*** über den Umstand in Kenntnis gesetzt, dass die aktuell fälligen Abgabenschulden von Herrn ***Bf*** keine Masseforderungen darstellen.

Im Namen und Auftrags unserer Mandantschaft stellen wir gemäß § 236 BAO den Antrag, die fälligen Abgabenschulden iHv EUR 44.543,19 durch Abschreibung nachzusehen. Herr ***Bf*** verfügt über keine ausreichenden Mittel bzw. Vermögen (außerhalb der Masse) um die Abgabenschulden zu begleichen. Die Unbilligkeit der Einhebung ergibt sich aus der damit verbundenen Existenzgefährdung des Abgabepflichtigen."

Mit Bescheid vom wies das Finanzamt das Nachsichtsansuchen ab und führte aus, dass gemäß § 236 Abs. 1 Bundesabgabenordnung (BAO) auf Antrag des Abgabepflichtigen Abgabenschuldigkeiten ganz oder zum Teil durch Abschreibung nachgesehen werden könnten, wenn ihre Einhebung nach der Lage des Falles unbillig wäre.

Die Unbilligkeit der Abgabeneinhebung könne entweder persönlich oder sachlich bedingt sein. Eine sachliche Unbilligkeit sei in dem Antrag nicht geltend gemacht worden, sondern ausschließlich eine Unbilligkeit aus persönlichen Gründen.

Eine solche liege nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor, wenn gerade die Einhebung der Abgaben die Existenz des Abgabepflichtigen oder seiner Familie gefährden würde oder die Abstattung mit außergewöhnlichen Schwierigkeiten (insbesondere Vermögensverschleuderung) verbunden wäre.

Wie der Verwaltungsgerichtshof etwa im Erkenntnis vom , Zl. 2001/15/0033, ausgeführt habe, liege die deutlichste Form der persönlichen Unbilligkeit in der Existenzgefährdung, die aber gerade durch die Abgabeneinhebung verursacht oder entscheidend mitverursacht sein müsste. Eine Unbilligkeit sei dann nicht gegeben, wenn die finanzielle Situation eines Abgabenschuldners so schlecht sei, dass auch die Gewährung der beantragten Nachsicht an der Existenzgefährdung nichts ändere ().

Als Begründung für die persönliche Unbilligkeit sei in dem Ansuchen ausgeführt worden, dass der Bf. über keine ausreichenden Mittel bzw. Vermögen verfüge, um die Abgabenschuldigkeiten zu begleichen und somit seine Existenz gefährdet wäre.

Da sich durch eine Abgabennachsicht an seiner finanziellen Situation nichts ändern würde, sei eine Unbilligkeit in der Abgabeneinhebung nicht erkennbar.

Da somit die Voraussetzungen des § 236 BAO nicht vorlägen, sei das Ansuchen abzuweisen gewesen.

In der dagegen vom steuerlichen Vertreter mit Schriftsatz vom erhobenen Bescheidbeschwerde wurde ausgeführt, dass fällige Abgabenschulden in Höhe von insgesamt € 44.543,19 bestünden.

Der Abgabenschuldner und Beschwerdeführer habe mit Antrag vom um Nachsicht durch Abschreibung angesucht. Dieses Ansuchen sei mit Bescheid der belangten Behörde vom (Anm.: richtig wohl ) abgewiesen worden.

Inhaltliche Rechtswidrigkeit

Gemäß § 236 Abs 1 BAO könnten fällige Abgabenschuldigkeiten auf Antrag des Abgabenpflichtigen ganz oder zum Teil durch Abschreibung nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach der Lage des Falles unbillig wäre.

Nach den der Behörde bekannten Vermögensverhältnissen des Abgabenschuldners wäre die Einhebung der fälligen Abgabeschuld in höchstem Maße unbillig, da dadurch die Existenz des Abgabenschuldners in ernster Gefahr wäre; ein erneut zu eröffnendes Insolvenzverfahren, welches im Falle der angesuchten Nachsicht vermieden werden könnte, wäre unumgänglich. Ein von der belangten Behörde verneinter Sanierungseffekt der Nachsicht läge daher im gegebenen Fall richtigerweise eindeutig vor.

Der Bf. fasse derzeit nach Beendigung eines Insolvenzverfahrens (Details sind der Behörde bekannt) wieder Fuß um sein Leben wieder in geregelte Bahnen zu führen. Ein erneutes Insolvenzverfahren im Zusammenhang mit den hier genannten Abgabenschuldigkeiten würde diese Bestrebungen zu Nichte machen und entziehe dem Abgabenschuldner die Existenzgrundlagen.

In der beschriebenen Existenzgefährdung des Abgabenschuldners liege hier eindeutig eine besondere Härte und Unbilligkeit im Sinne des § 236 Abs 1 BAO und wäre daher die Abgabenschuld richtigerweise nachzusehen gewesen.

Es werde um positive Erledigung des Begehrens ersucht.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies die belangte Behörde die Beschwerde als unbegründet ab.

Gemäß § 236 Bundesabgabenordnung könnten auf Antrag des Abgabenpflichtigen fällige Abgabenschuldigkeiten ganz oder zum Teil durch Abschreibung nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach der Lage des Falles unbillig wäre.

Die Unbilligkeit der Einhebung einer Abgabe könne nach geltender Judikatur eine persönliche oder sachliche sein. Gemäß Verwaltungsgerichtshof müsse Unbilligkeit im Einzelfall vorliegen. Persönliche Unbilligkeit könnte sich aus den wirtschaftlichen Verhältnissen des Abgabenschuldners ergeben, insbesondere wenn sich daraus die Existenzgefährdung des Abgabenpflichtigen ergeben würde oder zur Entrichtung der Abgabenschuld Vermögenswerte verschleudert werden müssten, um dieser Existenzgefährdung zu entgehen.

Sachliche Unbilligkeit liege dann vor, wenn im Einzelfall bei Anwendung des Gesetzes aus anderen als aus persönlichen Gründen ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis eintrete, sodass es zu einer anormalen Belastungswirkung und, verglichen mit anderen Fällen, zu einem atypischen Vermögenseingriff komme. Der im atypischen Vermögenseingriff gelegene offenbare Widerspruch der Rechtsanwendung zu den vom Gesetzgeber beabsichtigten Ergebnissen müsse seine Wurzel in einem außergewöhnlichen Geschehensablauf haben, der auf eine vom Steuerpflichtigen nicht beeinflussbare Weise eine nach dem gewöhnlichen Lauf nicht zu erwartende Abgabenschuld auslöse, die zudem auch ihrer Höhe nach unproportional zum auslösenden Sachverhalt sei (,0265).

Gemäß Verwaltungsgerichtshof (2004/16/0151 vom ; 2000/14/0112 vom ) liege die Nachsicht im Ermessen der Behörde, aus der Bejahung einer Unbilligkeit ergebe sich somit kein Rechtsanspruch auf Bewilligung der Nachsicht.

Da die Unbilligkeit der Abgabeneinhebung nach der Lage des Falles tatbestandsmäßige Voraussetzung für die im § 236 BAO vorgesehene Ermessensentscheidung sei, sei für eine Ermessensentscheidung kein Raum mehr, wenn die Abgabenbehörde die Unbilligkeit der Abgabeneinhebung verneine ().

Wenn das Antragsvorbringen des Nachsichtswerbers nicht die gebotene Deutlichkeit und Zweifelsfreiheit aufweise, könne nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes () eine mangelnde Ermittlungstätigkeit der Abgabenbehörde nicht als Verletzung von Verfahrensvorschriften vorgeworfen werden.

Als Einleitung dürfe auf das Erstansuchen vom eingegangen werden, dieses erschöpft sich im folgenden Text:

"Im Namen und Auftrags unserer Mandantschaft stellen wir gemäß § 236 BAO den Antrag die fälligen Abgabenschulden iHv EUR 44.543,10 durch Abschreibung nachzusehen. Herr ***Bf*** verfügt über keine ausreichenden Mittel bzw Vermögen (außerhalb der Masse) um die Abgabenschulden zu begleichen. Die Unbilligkeit der Einhebung ergibt sich aus der damit verbundenen Existenzgefährdung des Abgabepflichtigen."

Die für den Abgabenschuldner einschreitende steuerliche Vertretung sei eine durchaus namhafte Kanzlei, die genaue Kenntnis der ständigen höchstgerichtlichen Rechtsprechung im Nachsichtsverfahren dürfe daher vorausgesetzt werden. Die äußerst rudimentär gehaltene Begründung erfülle in keiner Weise die vom Verwaltungsgerichtshof geforderte erhöhte Mitwirkungspflicht und Nachweislast, denn (zitiert aus der kommentierten Ausgabe der Bundesabgabenordnung, § 236, Pkt 4):

"Den Antragsteller trifft eine erhöhte Mitwirkungspflicht (; , 96/14/0059, 97/14/0091). Er hat somit einwandfrei und unter Ausschluss jeglichen Zweifels das Vorliegen jener Umstände darzutun, auf die die Nachsicht gestützt werden kann (zB ; , 2004/16/0276; , 2006/17/0289). Das Schwergewicht der Behauptungs- und Beweislast liegt beim Nachsichtswerber (zB ; , 95/15/0090; , 2002/15/0155; , 2009/15/0008)."

Daher habe nach der Rechtsprechung (; , 2006/16/0007) die Abgabenbehörde im Rahmen ihrer amtswegigen Ermittlungspflicht nur die vom Nachsichtswerber geltend gemachten Ansprüche zu prüfen.

Das Ansuchen enthalte keinerlei Details zu den Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Abgabenschuldners, insbesondere auch keine Angaben zu seinen Lebenshaltungskosten, Aufwendungen oder sonstigen Verbindlichkeiten.

Worin die Existenzgefährdung liegen solle, werde mit keinem Wort dargelegt.

In der nun vorliegenden Beschwerdeschrift werde ebenfalls nur angeführt, dass die Einhebung der fälligen Abgabenschuld in höchstem Maße unbillig sei, da dadurch die Existenz des Abgabenschuldners in ernster Gefahr wäre; ein erneut zu eröffnendes Insolvenzverfahren, welches im Falle der angesuchten Nachsicht vermieden werden könnte, wäre unumgänglich. Zuvor werde ausgeführt, dass der Behörde die Vermögensverhältnisse bekannt seien. Weiters werde angeführt, dass nun nach Beendigung eines Insolvenzverfahrens der Abgabenschuldner wieder Fuß fassen würde, um sein Leben wieder in geregelte Bahnen zu führen und ein erneutes Insolvenzverfahren diese Bestrebungen zu Nichte machen und dem Abgabenschuldner die Existenzgrundlagen entziehen würde.

Auch hier würden sonst keine detaillierten Angaben gemacht oder gar Nachweise erbracht.

Gemäß den Angaben in beiden Schriftstücken scheine wohl die öffentliche Hand, namentlich das Finanzamt Wien 1/23, momentan der einzige Gläubiger zu sein. Die Abgabenforderung gehe auf die erklärungsgemäß vorgenommene Jahresveranlagung der Einkommensteuer 2016 zurück, in der Gesamteinkünfte von € 179.785,35 bekannt gegeben würden. Der Hauptteil der Einkünfte stamme aus diversen Firmenbeteiligungen, die wohl auch noch in den Jahren 2017 und (teilweise) 2018 bestanden hätten. Es dürfe angenommen werden, dass auch in diesen Jahren noch hohe Einkünfte erzielt hätten werden können.

Ein Teil dieser Einkünfte möge wohl in den Zahlungsplan der Insolvenz eingeflossen sein, die gerichtlich bestätigte Quote dieses Zahlungsplans sei aber im Vergleich zu ähnlichen Fällen als besonders günstig für den Schuldner zu bewerten. Dass damit aber sämtliche Reserven aufgebraucht sein sollten, sei nicht nachvollziehbar.

Ziel eines Insolvenzverfahrens, insbesondere eines Zahlungsplan, sei eben die Sanierung und wirtschaftliche Erholung eines Schuldners. Dazu habe das Finanzamt Wien 1/23 mit Abschreibung von berechtigten Forderungen in der Gesamthöhe von € 1.630.256,53 wohl mehr als beigetragen.

Weshalb nun gerade die berechtigte Steuerforderung, die ja auf der eigenen Offenlegung beruhe, nun zu einer neuerlichen Insolvenz führen solle, sei vom Antragsteller zwar behauptet, aber nicht näher ausgeführt worden.

Betreffs dessen müsste nämlich Zahlungsunfähigkeit vorliegen. Dies scheine aber nach den Erhebungen der Behörde eben nicht vorzuliegen, eine angespannte finanzielle Situation bzw Zahlungsstockung genüge weder als Insolvenzgrund noch der behaupteten Existenzgefährdung.

Da keine Unterlagen vorlägen, könnten die gesamten Einkommensverhältnisse nicht vollständig geklärt werden. Es sei aber nicht nachvollziehbar, dass aus den hohen Beteiligungserträgen der letzten Jahre (2015 = € 300.242,24; 2016 = € 324.533,98) keine finanziellen Reserven mehr vorhanden sein sollten.

Die offiziell bekanntgegebenen unselbständigen Einkünfte schienen wohl auch genau darauf abzuzielen, dass mit jedweder Forderung seitens der öffentlichen Hand ein Notstand behauptet werden könnte.

Gegen eine Nachsichtsgewährung spreche ua. auch, wenn die Nachsicht sich nur zu Gunsten anderer Gläubiger auswirken würde (VwGH 22,2.2000,94/14/0144; , 2002/14/0082; , 2008/15/0054); dies sei im gegenständlichen Fall zumindest zu befürchten.

Gemäß der Berufungsentscheidung des seinerzeitigen Unabhängigen Finanzsenats vom (RV/1664-W/07) bedürfe es keiner Nachsicht, wenn Zahlungserleichterungen wirtschaftlich begründeten Härten aus der Abgabeneinhebung abhelfen könnten.

Die Finanzbehörde sei durchaus bereit, bei dementsprechender Begründung auch einer längerfristigen Zahlungsvereinbarung zuzustimmen. Diese Möglichkeit scheine aber weder der Schuldner, noch seine steuerliche Vertretung überhaupt ins Auge gefasst zu haben.

Da auch in der Beschwerde keine ergänzenden Ausführungen, die eine Nachsicht begründen könnten, vorgebracht worden seien, sei das Anbringen abzuweisen gewesen.

Mit Eingabe vom beantragte der Bf. die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht und die Durchführung einer mündlichen Senatsverhandlung.

Mit Vorhalt vom forderte das Bundesfinanzgericht den Bf. auf, seine wirtschaftlichen Verhältnisse mittels beigelegtem Formular offenzulegen.

Der Vorhalt wurde am beantwortet.

Demzufolge verfügt der Bf. über Ansprüche aus unselbständiger Arbeit in Höhe von € 1.500,00 brutto, € 1.238,43 netto. Daneben bestehen Beteiligungen an Gesellschaften, nämlich ***FA1*** und ***Firma2***.

Die Verbindlichkeiten beim Finanzamt wurden mit ca € 263.000,00 beziffert, die monatlichen Lebensunterhaltskosten mit rd. € 700,00.

Es bestehen keine Unterhaltsverpflichtungen.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom ***Datum1*** wurde über das Vermögen des Bf. das Konkursverfahren eröffnet.

Mit Beschluss des Gerichtes vom ***Datum2*** wurde von der Veräußerung der Anteile des Schuldners an der ***Firma3*** (FN ***1***) sowie der ***Firma4*** (FN ***2***) im Rahmen des Konkursverfahrens abgesehen und diese Vermögenswerte dem Schuldner zur freien Verwaltung überlassen.

Der Einkommensteuerbescheid 2016 vom führt zu einer Nachforderung in Höhe von € 44.129,00, ausschließlich resultierend aus Einkommenszuweisungen aus der Beteiligung des Schuldners an den aus dem Insolvenzverfahren ausgeschiedenen Firmen.

Dieser Einkommensteuerbescheid sowie der diesbezügliche Anspruchszinsenbescheid vom , der eine Abgabenforderung in Höhe von € 414,19 ausweist, wurden an den Masseverwalter im Insolvenzverfahren adressiert.

Mit Schreiben vom wies der MV die belangte Behörde darauf hin, dass die Abgabenforderungen keine Masseforderung darstellen und legte den Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom ***Datum2*** bei (Zum Inhalt siehe nachstehende Ausführungen).

Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 236 Abs. 1 BAO können fällige Abgabenschuldigkeiten auf Antrag des Abgabepflichtigen ganz oder zum Teil durch Abschreibung nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach der Lage des Falles unbillig wäre.

Gemäß § 97 Abs. 1 BAO werden Erledigungen dadurch wirksam, dass sie demjenigen bekannt gegeben werden, für den sie ihrem Inhalt nach bestimmt sind. Die Bekanntgabe erfolgt

a) bei schriftlichen Erledigungen, wenn nicht in besonderen Vorschriften die öffentliche Bekanntmachung oder Auferlegung von Listen vorgesehen ist, durch Zustellung;

b) bei mündlichen Erledigungen durch deren Verkündung.

Im Abgabenverfahren ist bei jeder Verfahrenshandlung zu prüfen, ob sie an die richtige Person (Abgabepflichtiger) gerichtet ist, da andernfalls die Abgabenbescheide keine Wirkung zu erzielen vermögen und diesbezüglich fehlerhafte Bescheide nur durch neu zu erlassende Bescheide saniert werden können.

Mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom ***Datum2*** wurden über Antrag des Masseverwalters die Anteile des Schuldners an der ***Firma3*** sowie der ***Firma4*** aus dem Konkursverfahren ausgeschieden.

Gemäß § 2 Abs. 2 IO wird durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens das gesamte, der Exekution unterworfene Vermögen, das dem Gemeinschuldner zu dieser Zeit gehört oder das er während des Konkurses erlangt (Insolvenzmasse), dessen freier Verfügung entzogen.

Gemäß dem Erkenntnis des , fällt jedoch mit einer derartigen Teilaufhebung des Konkurses das konkursfrei gewordene Vermögen in die unbeschränkte Verfügungsmacht des Gemeinschuldners zurück und es endet damit insoweit die Beschränkung seiner Verfügungsbefugnis und der Verpflichtung des Masseverwalters, die die Masse betreffenden Prozesse zu führen, sodass der Gemeinschuldner nun wieder selbst und allein prozessführungsbefugt ist.

Daraus folgt, dass zwei Steuersubjekte bestehen, somit zwei Parteien. Im einen Fall ist es der MV als Prozesspartei und gesetzlicher Vertreter der Masse und im anderen Fall ist es der Bf. als "ganz normaler" Steuerpflichtiger betreffend die ihm direkt zuzurechnenden Einkünfte.

Der ESt-Bescheid spricht sowohl über Masseforderungen als auch über konkursfreies Vermögen ab. Angesichts der Systematik der ESt ist eine Teilung in diese Bereiche im ESt-Bescheid nicht möglich, der ESt sind alle Einkünfte zugrunde zu legen.

Vom Tarif her sind im hier gegebenen Fall alle Einkünfte einbeziehen, also keine zwei Veranlagungen möglich. Beim Leistungsgebot (händischer ESt-Bescheid) ist zu trennen, welcher Teil der Nachforderung oder Gutschrift auf die Masse und welcher auf das freie Vermögen entfällt. Daraus folgt, dass die Berechnung der ESt in einem einzigen Verfahren unter Einbeziehung aller Einkünfte unter Aufschlüsselung des jeweiligen Leistungsgebotes zu erfolgen hat, wobei Bescheidadressaten sowohl MV als auch Gemeinschuldner sind.

Der Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2016 sowie der diesbezügliche Anspruchszinsenbescheid, beide vom , sind an den Masseverwalter adressiert und können gegenüber dem Bf. keine Rechtswirkungen entfalten, selbst wenn die Bescheide vom Masseverwalter an den Bf. weitergeleitet wurden.

Somit ist dem Bf. gegenüber mangels Vorliegens eines Leistungsgebotes keine Verpflichtung zur Entrichtung der genannten Abgabenschuldigkeiten entstanden, weshalb darüber in einem Nachsichtsverfahren gemäß § 236 BAO nicht abgesprochen werden kann.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zum Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung ist zu bemerken, dass der Bf. durch das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes () zwar in seinem Verfahrensrecht verletzt wird. Auf Grund des zu beachtenden Gebotes der Verwaltungsökonomie (vgl. Ritz ÖStZ 1996, 70) wurde jedoch in Hinblick darauf, dass nach den vorstehenden Ausführungen ausgeschlossen werden kann, dass er bei Vermeidung dieses Mangels (Durchführung einer mündlichen Verhandlung) zu einem anderen Bescheid hätte gelangen können, von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Das gegenständliche Erkenntnis weicht von der oben zitierten, ständigen und einheitlichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht ab.

Da die Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht erfüllt sind, ist eine ordentliche Revision nicht zulässig.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 236 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 97 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 236 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 2 Abs. 2 IO, Insolvenzordnung, RGBl. Nr. 337/1914
Verweise

ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.7102669.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at