Zurückweisung eines Vorlageantrages als unzulässig, wenn die Beschwerdevorentscheidung nicht rechtswirksam zugestellt wurde (und daher nicht dem Rechtsbestand angehört)
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RV/7400013/2017-RS1 | Die „Postsperre“ des § 78 Abs. 2 IO gebietet das Gesetz zwingend für jedes Konkursverfahren; sie zählt zu den anderslautenden Anordnungen iSd § 13 Abs. 1 ZustG (vgl. Ritz, BAO 6. Auflage, § 13 ZustG Tz 4). Greift die „Postsperre“, hat die Zustellung an den Insolvenzverwalter (Masseverwalter) - und nicht an den Gemeinschuldner oder dessen Vertreter - zu erfolgen. Der Insolvenzverwalter (Masseverwalter) wird in einem solchen Fall zum „Empfänger“ im rechtstechnischen Sinn (vgl. , unter Hinweis auf Stoll, BAO Kommentar, S 1092). |
RV/7400013/2017-RS2 | Wurde eine Beschwerdevorentscheidung nicht rechtswirksam zugestellt und gehört sie daher nicht dem Rechtsbestand an, ist ein gegen sie erhobener Vorlageantrag gemäß § 264 Abs. 4 lit. e BAO iVm § 260 Abs. 1 lit. a BAO mit Beschluss als unzulässig zurückzuweisen. |
Entscheidungstext
BESCHLUSS
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr*** vertreten durch ***2***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Magistrats der Stadt Wien, Magistratsabteilung 6, Rechnungs- und Abgabenwesen, Buchhaltungsabteilung ***Y***, vom , betreffend Pfändung und Überweisung einer Geldforderung, Abgabenkontonummer ***1***, beschlossen:
Der Vorlageantrag vom wird gemäß § 264 Abs. 4 lit. e BAO iVm § 260 Abs. 1 lit. a BAO als unzulässig zurückgewiesen.
Die Beschwerdevorentscheidung vom wurde nicht rechtswirksam zugestellt und gehört daher nicht dem Rechtsbestand an.
Gegen diesen Beschluss ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 iVm Abs. 9 Satz 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Mit Bescheid vom verfügte der Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 6, die Pfändung und Überweisung einer Geldforderung bei der ***XYBank*** zur Hereinbringung der vom Beschwerdeführer (Bf.) geschuldeten und in Höhe von 7.673,32 € aushaftenden Kommunalsteuern und Dienstgeberabgaben 2013-2015 samt Zwangsverfahrensgebühren und den für diese Drittschuldnerpfändung vorgeschriebenen Barauslagen.
Gegen den angeführten Bescheid erhob der rechtsfreundliche Vertreter des Bf. am Beschwerde:
Das einzige Einkommen, das der Bf. zur Zeit beziehe, sei Krankengeld in Höhe von ca. 1.000,00 € monatlich. Darüber hinaus sei er für einen minderjährigen Sohn unterhaltspflichtig. Eine Pfändung der auf dem Konto des Verpflichteten befindlichen Gelder würde unweigerlich zur Gefährdung des Lebensunterhaltes führen sowie die gesetzlichen Bestimmungen über den unpfändbaren Freibetrag ("Existenzminimum") umgehen und sei daher unzulässig.
Zum Beweis würden ein Vermögensverzeichnis nach § 185 IO vom sowie ein Protokoll der am stattgefundenen Insolvenztagsatzung, im Rahmen derer vom zuständigen Bezirksgericht der Beschluss gefasst worden sei, den Antrag auf Konkurseröffnung über das Vermögen des Bf. mangels Kostendeckung abzuweisen, vorgelegt.
Gemäß diesem Vermögensverzeichnis des Bf. beziehe er in den letzten 3 Monaten lediglich Krankengeld von der ***XYGebietskrankenkasse*** in Höhe von 1.000,00 € monatlich. Er sei für ***3*** zum Unterhalt verpflichtet; seine monatlichen, regelmäßig wiederkehrenden Verpflichtungen machten 1.519,83 € aus.
Es werde der Antrag gestellt, das zuständige Verwaltungsgericht möge die Pfändung des Guthabens insoweit aufheben, als das Guthaben dem der Pfändung nicht unterworfenen Teil der Einkünfte für die Zeit von der Pfändung bis zum nächsten Zahlungstermin entspreche. Weiters werde der Antrag auf Aussetzung der Einhebung der angefochtenen Abgabe gestellt. Der Vollzug der gegenständlichen Forderungspfändung sei bis zur rechtskräftigen Entscheidung über diese Beschwerde auszusetzen.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies die belangte Behörde die Beschwerde als unbegründet ab, wobei sie im Wesentlichen Folgendes ausführte:
Im Vorfeld zu dieser Beschwerde sei der Rechtsvertreter aufgrund seiner telefonischen Eingabe schriftlich dazu aufgefordert worden, Kontoauszüge der letzten 2 Monate seines Mandanten vorzulegen. Damit hätte die Behörde die Angaben über das "gepfändete Existenzminimum" vorab überprüfen und von sich aus die Pfändung einstellen können. Es werde bemerkt, dass die Kontoauszüge nicht vorgelegt worden seien. Die Beschwerde sei daher abzuweisen gewesen.
Diese Beschwerdevorentscheidung war an den Bf. "z.Hd. ***6***" (i.e. sein rechtsfreundlicher Vertreter, ein Rechtsanwalt), adressiert und wurde in dessen Kanzlei am von einem dortigen Arbeitnehmer übernommen (eine Kopie des Bezug habenden Rückscheins RSb befindet sich auf S 24 Verwaltungsakt).
In seinem Vorlageantrag vom führte der rechtsfreundliche Vertreter aus, gegen den Bf. sei per ein Schuldenregulierungsverfahren eröffnet worden. Zum Beweis werde ein diesbezüglicher Auszug aus der Ediktsdatei des Bundesministeriums für Justiz übermittelt.
Gemäß § 2 Abs. 2 IO werde durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens das gesamte der Exekution unterworfene Vermögen, das dem Schuldner zu dieser Zeit gehöre oder das er während des Insolvenzverfahrens erlange (Insolvenzmasse), dessen freier Verfügung entzogen. Eine Ausnahme bilde das vom Schuldner durch eigene Tätigkeit Erworbene oder unentgeltlich Zugewendete, soweit es zu seiner bescheidenen Lebensführung für ihn und für diejenigen, die gegen ihn einen gesetzlichen Anspruch auf Unterhalt hätten, unerlässlich sei.
Das einzige Einkommen, das der Bf. zur Zeit beziehe, sei Krankengeld in Höhe von ca. 1.000,00 € monatlich. Darüber hinaus sei er für einen minderjährigen Sohn unterhaltspflichtig.
Zum Beweis würden Kontoauszüge für den Zeitraum vom bis zum sowie Kontoauszüge für den Zeitraum vom bis zum übermittelt.
Eine Pfändung der auf dem Konto des Bf. befindlichen Gelder würde unweigerlich zur Gefährdung des Lebensunterhaltes führen sowie die gesetzlichen Bestimmungen über den unpfändbaren Freibetrag ("Existenzminimum") umgehen und sei daher unzulässig.
Aus diesem Grund habe auch der im Insolvenzverfahren bestellte Masseverwalter, Rechtsanwalt ***4***, zugestimmt, das auf diesem Konto befindliche Guthaben dem Bf. zur freien Verfügung zu überlassen.
Zum Beweis werde ein diesbezügliches Schreiben dieses Masseverwalters vom vorgelegt.
Somit sei der Beschwerde stattzugeben und das Verfahren bezüglich der Pfändung und Überweisung einer Geldforderung einzustellen. Der Vollzug der gegenständlichen Forderungspfändung sei bis zur rechtskräftigen Entscheidung auszusetzen.
Aus dem oa., mit dem Vorlageantrag übermittelten Auszug aus der Ediktsdatei des Bundesministeriums für Justiz vom (S 28 Verwaltungsakt) geht hervor, dass gegen den Bf. per am Bezirksgericht ***7*** ein Schuldenregulierungsverfahren, Aktenzeichen ***8***, eröffnet wurde; dieses wurde am bekannt gemacht. Als Masseverwalter wird in diesem Auszug aus der Ediktsdatei die ***4***, angeführt; unter dem Punkt "Eigenverwaltung" ist angemerkt: "Keine Eigenverwaltung des Schuldners".
Am wurde die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt.
Im Bezug habenden Vorlagebericht führte die belangte Behörde in ihrer Stellungnahme zur Beschwerde aus, der Verpflichtete habe im Vermögensverzeichnis vom angegeben, dass seine Baufirma "***5***" nicht mehr tätig sei. Am sei die Pfändung des Kontos erfolgt. Ein Betrag über 84,82 € sei überwiesen worden. Im Beschwerdeverfahren habe der Bf. die Möglichkeit gehabt, durch Vorlage von Kontoauszügen die Nichtberücksichtigung des Existenzminimums zu belegen. Da dies nicht geschehen sei, sei eine negative Beschwerdevorentscheidung erfolgt. Auf den dem Vorlageantrag beigefügten Kontoauszügen seien diverse Bareinzahlungen angeführt, die es unglaubwürdig erscheinen ließen, dass bei der Berechnung des Existenzminimums nur das Krankengeld durch die Gebietskrankenkasse zu berücksichtigen sei.
Über die Beschwerde wurde erwogen:
§ 13 Abs. 1 Zustellgesetz (ZustG) lautet:
"§ 13. (1) Das Dokument ist dem Empfänger an der Abgabestelle zuzustellen. Ist aber auf Grund einer Anordnung einer Verwaltungsbehörde oder eines Gerichtes an eine andere Person als den Empfänger zuzustellen, so tritt diese an die Stelle des Empfängers."
Der mit "Sicherungsmaßnahmen und Benachrichtigungen von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens" übertitelte § 78 Insolvenzordnung (IO) weist folgenden Wortlaut auf:
"§ 78. (1) Zugleich mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens hat das Insolvenzgericht alle Maßnahmen zu treffen, die zur Sicherung der Masse und zur Fortführung eines Unternehmens dienlich sind. Vor dessen Schließung hat es den Insolvenzverwalter und den Gläubigerausschuss sowie, wenn es rechtzeitig möglich ist, den Schuldner und sonstige Auskunftspersonen (§ 254 Abs. 5) zu vernehmen.
(2) Das Gericht hat zugleich mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Post- und Telegraphendienststellen, die nach Lage der Wohnung und der Betriebsstätte in Betracht kommen, von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu benachrichtigen. Solange es keinen gegenteiligen Beschluss fasst, haben diese Stellen dem Insolvenzverwalter alle Sendungen auszuhändigen, die sonst dem Schuldner auszufolgen wären. Das gilt nicht für die mit der Post beförderten gerichtlichen oder sonstigen amtlichen Briefsendungen, sofern sie mit einem auf die Zulässigkeit der Zustellung trotz der Postsperre hinweisenden amtlichen Vermerk versehen sind.
(3) Der Insolvenzverwalter darf die ihm ausgehändigten Sendungen öffnen. Er hat gerichtliche und sonstige amtliche Schriftstücke, die die Masse nicht berühren, mit einem auf die Anhängigkeit des Insolvenzverfahrens hinweisenden Vermerk zurückzusenden. Ansonsten hat der Insolvenzverwalter dem Schuldner Einsicht in die an diesen gerichteten Mitteilungen zu gewähren und ihm die Sendungen, die die Masse nicht berühren, unverzüglich auszufolgen."
Gemäß § 264 Abs. 1 BAO kann gegen eine Beschwerdevorentscheidung innerhalb eines Monats ab Bekanntgabe (§ 97 BAO) der Antrag auf Entscheidung über die Bescheidbeschwerde durch das Verwaltungsgericht gestellt werden (Vorlageantrag).
Gemäß § 264 Abs. 4 lit. e BAO in Verbindung mit § 260 Abs. 1 lit. a BAO ist ein nicht zulässiger Vorlageantrag zurückzuweisen.
Nach § 264 Abs. 5 BAO obliegt die Zurückweisung nicht zulässiger Vorlageanträge dem Verwaltungsgericht.
Fest steht im gegenständlichen Fall, dass gegen den Bf. per am Bezirksgericht ***7*** ein Schuldenregulierungsverfahren eröffnet wurde; dieses wurde am öffentlich bekannt gemacht. Als Masseverwalter in diesem Schuldenregulierungsverfahren fungiert die ***4***; dem Bf. als Schuldner ist die Eigenverwaltung nicht gestattet.
Damit steht aber auch fest, dass die gegenständliche, mit datierte Beschwerdevorentscheidung am nichtrechtswirksam zugestellt wurde, da die Zustellung nicht an den Insolvenzverwalter (Masseverwalter), die ***4***, sondern rechtswidrig an den rechtsfreundlichen Vertreter des Bf., ***6***, erfolgte:
Die "Postsperre" des § 78 Abs. 2 IO gebietet das Gesetz nämlich zwingend für jedes Konkursverfahren; sie zählt zu den anders lautenden Anordnungen iSd § 13 Abs. 1 ZustG (vgl. Ritz, BAO6, § 13 ZustG Tz 4). Greift die "Postsperre", hat die Zustellung an den Insolvenzverwalter (Masseverwalter) - und nicht an den Gemeinschuldner oder dessen Vertreter - zu erfolgen; der Insolvenzverwalter (Masseverwalter) wird in einem solchen Fall zum "Empfänger" im rechtstechnischen Sinn (vgl. , unter Hinweis auf Stoll, BAO-Kommentar, S 1092).
Mangels rechtswirksamer Zustellung der mit datierten Beschwerdevorentscheidung (selbst wenn man davon ausginge, dass diese nicht die Masse betroffen habe, hätte die Zustellung an den Gemeinschuldner mit einem auf die Zulässigkeit der Zustellung trotz der "Postsperre" hinweisenden amtlichen Vermerk (§ 78 Abs. 2 letzter Satz IO) erfolgen müssen, was aber lt. Aktenlage nicht der Fall ist) gehört diese nicht dem Rechtsbestand an. Da aber ein Vorlageantrag insbesondere bei Einbringung, obwohl keine Beschwerdevorentscheidung zugestellt wurde, unzulässig ist (Ritz, § 264 Tz 17, mit Judikaturnachweis), ist der gegenständliche Vorlageantrag vom gemäß § 264 Abs. 4 lit. e BAO iVm § 260 Abs. 1 lit. a BAO mit Beschluss als unzulässig zurückzuweisen.
Es war sohin spruchgemäß zu entscheiden.
Unzulässigkeit einer Revision:
Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im gegenständlichen Beschwerdefall liegt keine Rechtsfrage vor, der grundsätzliche Bedeutung zukommt; die Rechtsfolge der Zurückweisung des Vorlageantrages als unzulässig ergibt sich vielmehr aus den zitierten gesetzlichen Bestimmungen und aus der angeführten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (, siehe oben). Die ordentliche Revision war daher nicht zuzulassen.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Landesabgaben Wien |
betroffene Normen | § 13 Abs. 1 ZustG, Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982 § 264 Abs. 4 lit. e BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 260 Abs. 1 lit. a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 264 Abs. 5 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 78 IO, Insolvenzordnung, RGBl. Nr. 337/1914 § 264 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2021:RV.7400013.2017 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at