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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 04.02.2021, RV/6100530/2020

Fehlender Wiederaufnahmegrund

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Ri in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch ***Vertr1***, Rechtsanwälte, ***Vertr1-Adr***, über die Beschwerden vom 23. Oktober und gegen die Bescheide des Finanzamtes Salzburg-Stadt vom 26. September und betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2013 bis 2015 sowie Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2013 bis 2015,

  • 1) zu Recht erkannt:

Den Beschwerden gegen die Bescheide betreffend Wiederaufnahme der Verfahren hinsichtlich Einkommensteuer für die Jahre 2013, 2014 und 2015, wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Die angefochtenen Bescheide werden aufgehoben,

  • 2) beschlossen:

Die Beschwerden gegen die Einkommensteuerbescheide 2013, 2014 und 2015 werden als gegenstandslos erklärt.

Gegen dieses Erkenntnis bzw. diesen Beschluss ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshofnach Art. 133 Abs. 4 bzw. Art. 133 Abs. 4 in Verbindung mit Abs. 9 Bundes-Verfassungsgesetz(B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Nach Aktenlage wurde der Beschwerdeführer (Bf) in den streitgegenständlichen Jahren mit Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit aus dem Bundesdienst rechtskräftig zur Einkommensteuer veranlagt.

Das Finanzamt erließ am Bescheide betreffend Wiederaufnahme der Verfahren gemäß § 303 Abs. 1 BAO hinsichtlich Einkommensteuer für die Jahre 2014 und 2015, und begründete diese wie folgt:

"Wir haben das Verfahren nach § 303 (1) Bundesabgabenordnung wiederaufgenommen, da es nachträglich eine oder mehrere der folgenden Änderungen gegeben hat:

•Ein Lohnzettel wurde berichtigt oder neu übermittelt.

•Eine Mitteilung über progressionswirksame Transferleistungen wie Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe wurde berichtigt oder neu übermittelt.

Die nähere Begründung finden Sie im neu erlassenen Einkommensteuerbescheid."

Die im Zuge der Wiederaufnahme der Verfahren ergangenen Einkommensteuerbescheide 2014 und 2015 vom enthalten folgende Begründung:

"Topf-Sonderausgaben werden nur zu einem Viertel berücksichtigt und bei einem Gesamtbetrag der Einkünfte von mehr als 36.400 Euro überdies nach der oben angeführten Formel eingeschliffen."

Auf Seite 4 des neu ergangenen Einkommensteuerbescheides 2014 finden sich neben einem Lohnzettel der bezugsauszahlenden Stelle "Bundesdienst" folgende Lohnzetteldaten:

"Bundesministerium Landesverteidigung bis

Bruttobezüge in € (210) 1.106,83

Steuerpflichtige Bezüge (245) 1.106,83

Die Bezüge waren gemäß § 84 bzw. § 3 Abs. 2 EStG 1988 von den bezugs-, pensionsauszahlenden Stellen dem Finanzamt zu melden."

Auf Seite 4 des neu ergangenen Einkommensteuerbescheides 2015 finden sich neben einem Lohnzettel der bezugsauszahlenden Stelle "Bundesdienst" folgende Lohnzetteldaten:

"Bundesministerium Landesverteidigung bis

Bruttobezüge in EUR (210) 1.348,68

Steuerpflichtige Bezüge (245) 1.348,68

Die Bezüge waren gemäß § 84 bzw. § 3 Abs. 2 EStG 1988 von den bezugs-, pensionsauszahlenden Stellen dem Finanzamt zu melden.

Das Finanzamt hat den Bescheidvom betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303Abs. 1 BAO hinsichtlichEinkommensteuer für das Jahr 2013 wie folgt begründet:

"Wir haben das Verfahren nach § 303 (1) Bundesabgabenordnung wiederaufgenommen, da es nachträglich eine oder mehrere der folgenden Änderungen gegeben hat:

  • Ein Lohnzettel wurde berichtigt oder neu übermittelt.

  • Eine Mitteilung über progressionswirksame Transferleistungen wie Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe wurde berichtigt oder neu übermittelt.

Die nähere Begründung finden Sie im neu erlassenen Einkommensteuerbescheid.
Im Rahmen einer steuerlichen Prüfung beim Bundesministerium für Landesverteidigung wurde festgestellt, dass bei pensionierten Bundesheerbediensteten die Vorteile aus dem Dienstverhältnis (Dienstwohnungen) nicht in der richtigen Höhe angesetzt wurden.

Der nunmehr vorliegende Lohnzettel vom Bundesministerium für Landesverteidigung stellt neue Tatsachen und Beweismittel dar."

Der nach der Wiederaufnahme des Verfahrens ergangeneEinkommensteuerbescheid 2013vom enthält folgende Begründung:

"Topf-Sonderausgaben werden nur zu einem Viertel berücksichtigt und bei einem Gesamtbetrag der Einkünfte von mehr als 36.400 Euro überdies nach der oben angeführten Formel eingeschliffen.
Stellt der Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer (dies gilt auch für Pensionisten) Wohnraum kostenlos oder verbilligt zur Verfügung, ist als monatlicher Quadratmeterwert der Richtwert laut Sachbezugswerteverordnung anzusetzen, wobei Kostenbeiträge des Arbeitnehmers diesen Sachbezugswert vermindern. Dieser Wert stellt Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit dar und erhöhte daher Ihre zu versteuernden Einkünfte
."

Auf Seite 4 des nach der Wiederaufnahme des Verfahrens ergangenen Einkommensteuerbescheides 2013 finden sich neben einem Lohnzettel der bezugsauszahlenden Stelle "Bundesdienst" folgende Lohnzetteldaten:

"Bundesministerium Landesverteidigung 01.01. bis

Bruttobezüge in EUR (210) 1.282,03

Steuerpflichtige Bezüge (245) 1.282,03

Die Bezüge waren gemäß § 84 bzw. § 3 Abs. 2 EStG 1988 von den bezugs-, pensionsauszahlenden Stellen dem Finanzamt zu melden.

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Beschwerden

Gegen die Wiederaufnahmebescheide 2013 bis 2015 sowie gegen die Einkommensteuerbescheide 2013 bis 2015 hat der Beschwerdeführer (Bf.) mit Schriftsätzen vom 23. Oktober und Beschwerden mit inhaltlich gleichlautender Begründung erhoben:

  • 1) Beschwerde gegen die Bescheide über die Wiederaufnahme der Verfahren betreffend Einkommenssteuer 2013 bis 2015:

Die Voraussetzungen für die Wiederaufnahme des Verfahrens zur Veranlagung der Einkommensteuer liegen nicht vor. Nach § 303 BAO kann das Verfahren von Amts wegen unter den Voraussetzungen des Abs 1 lit a) und c) leg. cit. sowie in allen Fällen wiederaufgenommen werden, in denen Tatsachen oder Beweismittel neu hervorkommen, die im abgeschlossenen Verfahren nicht geltend gemacht worden sind, und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit den sonstigen Ergebnissen des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

Der Wiederaufnahmegrund des § 303 Abs.1 lit a BAO (Urkundenfälschung oder vergleichbare Fälle) scheidet aus. Der Wiederaufnahmegrund nach lit c) ist ebenfalls nicht gegeben, da eine abweichende Vorfragenentscheidung nur dann einen Wiederaufnahmegrund darstellt, wenn die Abgabenbehörde an die Entscheidung der Hauptfragenbehörde gebunden war. Eine solche liegt nicht vor.

Es bleiben somit bloß die sonstigen Fälle über, die zwar im Ermessen der Abgabenbehörde liegen und dem Ziel der Rechtsrichtigkeit der steuerlichen Veranlagung dienen müssen. Bei einer Wiederaufnahme zu Ungunsten der Steuerpflichtigen ist in der Begründung der positiven Ermessensentscheidung darzutun, aus welchen Gründen bei der vorzunehmenden Interessensabwägung den Gesichtspunkten der Zweckmäßigkeit gegenüber der Billigkeit der Vorzug eingeräumt wurde ( 901/15/0155). Das ist nicht erfolgt, weshalb den Bescheiden ein Begründungsmangel anhaftet. Die formularhafte Begründung - auf Grund eines berichtigten oder neuen Lohnzettels oder einer (geänderten) Mitteilung über progressionswirksame Transferleistungen (Arbeitslosengeld, Notstandshilfe etc.) - ist bloß exemplarisch und genügt damit nicht den von der Judikatur aufgestellten Voraussetzungen.

Dazu ist auszuführen, dass das Finanzamt Wien 1/23 beim Bundesministerium für Landesverteidigung vom bis gemäß § 144 BAO eine Nachschau durchführte und diese am wieder eingestellt hat. Eine Neuberechnung des Sachbezuges, der in den Naturalwohnungen lag, hatte diese Nachschau sohin nicht zur Folge.

Erst nach der über Anregung des Rechnungshofes erfolgten neuerlichen Überprüfung der steuerlichen Sachbezüge aus der zur Verfügungstellung von Natural- und Dienstwohnungen an Bedienstete des BMLV wurden seitens des Finanzamtes Wien 1/23 Vorbehalte erhoben, da nach Ansicht der Abgabenbehörde die Wohnungen vom Arbeitgeber zu einem günstigeren Preis als marktüblich (Richtwert) zur Verfügung gestellt worden seien und daher (zusätzliche) lohnsteuerpflichtige Einnahmen (geldwerte Vorteile aus dem Dienstverhältnis) zu besteuern gewesen wären. Gegen das BMLV wurde seitens des Finanzamtes Wien 1/23 ein Haftungsbescheid erlassen. Das BMLV hat dagegen Beschwerde erhoben. Ich habe mich dem Verfahren gemäß § 257 BAO angeschlossen.

Auch für die Abgabenbehörde gilt, dass die Wiederaufnahme dann vorzunehmen ist, wenn ein Wiederaufnahmegrund evident wird. Dies wäre anlässlich der Nachschau 2013/2014 der Fall gewesen. Der Sachverhalt hat sich seither nicht verändert. Die Wiederaufnahme ist daher auch wegen der verspäteten (bzw. verfristeten) Geltendmachung unbillig.

Zudem stellt ggfalls. die Entscheidung über den Haftungsbescheid die Entscheidung über eine Vorfrage dar. Eine Wiederaufnahme setzt unter anderem voraus, dass die Entscheidung der Vorfragenbehörde gegenüber der Partei des wiederaufzunehmenden Verfahrens bindend (rechtskräftig) geworden ist. Eine solche Entscheidung liegt damit (noch) nicht vor.

Die Voraussetzungen für die Wiederaufnahme liegen damit nicht vor.

  • 2) Beschwerde gegen die Einkommensteuerbescheide 2013 bis 2015:

"Aus der Zurverfügungstellung der Naturalwohnung wurden mir zu Unrecht steuerpflichtige Bezüge hinzugerechnet.

1. Regelungen des EStG:

Ausgehend vom Zweck der Regelungen über den Sachbezug, nämlich nicht monetäre Vorteile, die durch die Erwerbstätigkeit anstelle von Geldleistungen erworben werden wie monetäre Einkünfte zu versteuern, sind die einschlägigen Bestimmungen des Einkommensteuergesetzes BGBl. 400/1988 i.d.g.F. (EStG) nicht mit bloßer Wortinterpretation sondern teleologisch und verfassungskonform auszulegen:

"§ 15. (1) Einnahmen liegen vor, wenn dem Steuerpflichtigen Geld oder geldwerte Vorteile im Rahmen der Einkunftsarten des § 2 Abs. 3 Z 4 bis 7 zufließen....

1. Geldwerte Vorteile (Wohnung, Heizung.... )"

Daraus folgt, dass nicht alle geldwerten Vorteile Einnahmen nach dem EStG sind, sondern im gegenständlichen Fall nur solche im Rahmen der Einkunftsart "Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit" gemäß § 2 Abs.3 Z 4 EStG sowie, dass die Nutzung einer Naturalwohnung keine Gegenleistung für nichtselbständige Arbeit sein kann, weil die Bezüge und Nebengebühren als ausschließliche Gegenleistung für die Dienstleistung des Beamten abschließend im Gehaltsgesetz geregelt sind.

(2) § 2 Abs. 3 Z 4 EStG verweist weiter auf den § 25:

"§ 25. (1) Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (Arbeitslohn) sind:

  • a) Bezüge und Vorteile aus einem bestehenden oder früheren Dienstverhältnis. Dazu zählen auch Pensionszusagen, wenn sie ganz oder teilweise anstelle des bisher gezahlten Arbeitslohns oder der Lohnerhöhungen, auf die jeweils ein Anspruch besteht, gewährt werden, ausgenommen eine lohngestaltende Vorschrift im Sinne des § 68 Abs. 5 Z 1 bis 6 sieht dies vor."

Schon der Klammerausdruck stellt klar, dass hier nur Vorteile umfasst sind, die anstelle des Arbeitslohnes gewährt werden, wie dies in der Z 1 lit. a für Pensionszusagen beispielhaft formuliert ist. Der zweite Satz ist teleologisch und verfassungskonform nicht so zu interpretieren, dass das Kriterium "anstelle des bisher bezahlten Arbeitslohnes" nur für das Beispiel Pensionszusagen gilt. Vielmehr zeigt dieses Beispiel, wie Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (Arbeitslohn) von sonstigen Vorteilen aus einem Dienstverhältnis abzugrenzen sind. Es geht daher bei dieser Definition nur um zum Entgelt für die Dienstleistung zählende Vorteile und nicht um solche aus einem sonstigen Zusammenhang mit dem Dienstverhältnis. Nicht zufällig steckt im Begriff Sachbezug das Wort Bezug. Naturalwohnungen werden nicht anstelle des Arbeitslohnes beigestellt. Da "aus einem bestehenden oder früheren Dienstverhältnis" keine Einkunftsart (s. § 15 Abs.1 EStG) darstellt, kann diese Bestimmung, systematisch interpretiert, nur so verstanden werden: "Bezüge und Vorteile aus nichtselbständiger Arbeit in einem bestehenden oder früheren Dienstverhältnis". Auch das Kriterium "lohngestaltende Vorschrift" trifft für Naturalwohnungen des Bundes zu.

Gemäß § 2 Abs. 4 EStG sind Einkünfte im Sinne des Abs. 3:
"2. Der Überschuß der Einnnahmen über die Werbungskosten (§§ 15 u. 16)."

In Verbindung mit dem folgenden § 47 EStG:
"§ 47. (1) Bei Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit (§ 25) wird die Einkommensteuer durch Abzug vom Arbeitslohn erhoben (Lohnsteuer), wenn im Inland eine Betriebsstätte (§ 81) des Arbeitgebers besteht", ergibt sich für die Versteuerung von Einnahmen nach § 15 EStG (wie zB. Sachleistungen): Der Arbeitgeber hat daher die Einkommensteuer nur für Einkünfte zu versteuern, nicht aber für Einnahmen wie Sachbezüge gemäß § 15 EStG. Der Arbeitgeber kann nicht darüber entscheiden, ob, welche (zB. für Ausgaben oder Abnutzung) und in welcher Höhe Werbungskosten von diesen Einnahmen abzuziehen sind, um einen Betrag für die entsprechenden Einkünfte errechnen zu können.

§ 15 Abs. 2 Z 1 EStG legt gesetzlich fest, wie Sachleistungen zu bewerten sind:

"Geldwerte Vorteile (Wohnung, Heizung, Beleuchtung, Kleidung, Kost, Waren, Überlassung von Kraftfahrzeugen zur Privatnutzung und sonstige Sachbezüge) sind mit den um übliche Preisnachlässe verminderten üblichen Endpreisen des Abgabeortes anzusetzen."

§ 15 Abs. 2 Z 2 EStG ermächtigt den Finanzminister die Höhe dieser Werte behördlich zu verlautbaren:

"Der Bundesminister für Finanzen wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz die Höhe geldwerter Vorteile mit Verordnung festzulegen....."

Dem obersten Verwaltungsorgan steht beim Erlassen einer Verordnung in der Gleichbehandlung ein (im Gegensatz zu dem vom VfGH dem Gesetzgeber eingeräumten) Gestaltungsfreiraum nicht zu. Vielmehr wird dem Finanzminister mit dieser Ermächtigung ein an die Vorgaben des § 15 Abs. 2 Z 1 EStG gebundenes Ermessen eingeräumt. In der nachstehenden Verordnung wird diese Bindung nicht beachtet.

Die "Verordnung über die Bewertung bestimmter Sachbezüge (Sachbezugswerteverordnung)" BGBl. II Nr. 416/2001 i.d.g.F. regelt im § 2 den Sachbezug durch "verbilligten Wohnraum":

(1) Stellt der Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer Wohnraum kostenlos oder verbilligt zur Verfügung, ist als monatlicher Quadratmeterwert der jeweils am 31. Oktober des Vorjahres geltende Richtwert gemäß § 5 des Richtwertgesetzes, BGBl. Nr. 800/1993, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 50/2008, bezogen auf das Wohnflächenausmaß gemäß Abs. 5 anzusetzen. Kostenbeiträge des Arbeitnehmers vermindern den Sachbezugswert.

"(6) Die Quadratmeterwerte beinhalten auch die Betriebskosten im Sinne des § 21 des Mietrechtsgesetzes. Werden die Betriebskosten vom Arbeitnehmer getragen, ist von den Quadratmeterwerten ein Abschlag von 25% vorzunehmen."

"(7) Bei einer vom Arbeitgeber gemieteten Wohnung sind die Quadratmeterwerte gemäß Abs. 1 und 3 der um 25% gekürzten tatsächlichen Miete (samt Betriebskosten, exklusive Heizkosten) einschließlich der vom Arbeitgeber getragenen Betriebskosten gegenüberzustellen; der höhere Wert bildet den maßgeblichen Sachbezug."

Mit dieser Verordnung überschreitet der Finanzminister seine Ermächtigung mehrfach:

2. Gleichbehandlung:

Die Qualifikation der Nutzung einer Naturalwohnung als steuerbaren Sachbezug macht den Anschein eines falschen Verständnisses des verfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgebotes nach Art.7 B-VG. Nach ständiger Judikatur des Verfassungsgerichtshofes ist "gleiches gleich und ungleiches ungleich zu behandeln". Die Beistellung einer Wohnung durch einen privaten Dienstgeber bzw. durch den Bund ist jedoch grundlegend unterschiedlich:

• Die Naturalwohnung wird aufgrund einer gesetzlichen Grundlage beigestellt (§ 80 Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, BGBl. Nr. 333/1979 i.d.g.F., (BDG 1979)).

• Durch die Zuweisung einer Dienst- oder Naturalwohnung an den Beamten wird kein Bestandverhältnis begründet.

• Die Dienstbehörde kann die Dienst- oder Naturalwohnung entziehen, wenn der Beamte an einen anderen Dienstort versetzt wird oder aus dem Dienststand ausscheidet, ohne dass das Dienstverhältnis aufgelöst wird.

• Der Naturalwohnungsbesitzer hat nur ein beschränktes Nutzungsrecht, die übrigen Rechte behält sich der Bund vor. Er hat nicht einmal die Stellung eines Untermieters, für den sich im Fall eines befristeten (seit vielen Jahren werden im BMLV Naturalwohnungen nur mehr befristet vergeben) Untermietvertrags nach § 26 Abs.3 MRG der höchstzulässige Untermietzins um 25 vH vermindert. Diese Befristungen sind sowohl in der Sachbezugswerteverordnung als auch in den gegenständlichen Steuernachforderungen an das BMLV unberücksichtigt geblieben.

• Das Entgelt (§ 24a Gehaltsgesetz, BGBl. Nr. 54/1956 i.d.g.F., (GehG) ist gesetzlich festgelegt. Die Naturalwohnung ist kein Bezugsbestanteil (§ 3 bis 15 GehG).

Dem gegenüber im privaten Bereich:

  • Kann frei vereinbart werden, anstelle von Teilen des Lohnes eine Sachleistung zu beziehen.

  • Durch diese Vereinbarung wird ein Bestandsverhältnis begründet, das den Dienstnehmer zum Rechtsbesitzer macht, dem das volle Nutzungsrecht über die Wohnung zusteht.

  • Der Dienstnehmer genießt in den meisten Fällen Kündigungsschutz.

  • Das Entgelt für die Wohnung kann frei vereinbart werden.

Dieser Vergleich verlangt daher gleichheitskonform die beiden Fälle unterschiedlich zu behandeln.

Noch zwingender ist der Vergleich zwischen öffentlichen Bediensteten die keine und solchen, die eine Naturalwohnung nutzen. Denn die Bezüge sind bei gleichen Besoldungsmerkmalen nach dem GehG für beide gleich. Wäre diese Nutzung aber ein geldwerter Vorteil aus nichtselbständiger Arbeit, würde der Naturalwohnungsnutzer sachlich nicht gerechtfertigt mehr verdienen (auch wenn dieser scheinbare Vorteil besteuert würde). Eine derartige Auslegung ist daher verfassungswidrig.

3. Materialien (1005 d. Big. GP XV RV):

Mit dieser Novelle wurde 1986 der § 24a in das Gehaltsgesetz eingefügt. Die Regierungsvorlage (RV) erläutert darin die Berechnung der Grundvergütung so:

"Während das Gehaltsgesetz 1956 bisher nur von einer "angemessenen" Vergütung sprach, sieht nunmehr der Gesetzgeber vor, dass die Grundvergütung für Naturalwohnungen 75vH und für Dienstwohnungen 50vH des oben genannten Mietwertes zu betragen hat."

Die Reduktion der Bemessungsgrundlage auf 75% als Grundvergütung entspricht dem oa. Abschlag gemäß § 2 Abs.6 Sachbezugswerteverordnung in der Höhe von 25% der Quadratmeterwerte wenn der Dienstnehmer die Betriebskosten trägt.

Der Gesetzgeber hat offensichtlich in der Berechnung des angemessenen Entgeltes die Nachteile für den Bediensteten (kein Bestandsverhältnis, Entzug der Wohnung bei Änderung des Dienstortes usw.) ebenso berücksichtigt, wie die Vorteile des Dienstgebers, nämlich der Wohnversorgung am Dienstort, die erleichterte Versetzbarkeit und die Verpflichtung des Beamten nach § 55 BDG 1979 seinen Wohnsitz so zu wählen, dass er bei der Erfüllung seiner dienstlichen Aufgaben nicht beeinträchtigt wird. Er hat daher die Grundvergütung als angemessenes Entgelt festgelegt. Aufgrund der §§ 24a und 24b Gehaltsgesetz hat daher der Beamte ein angemessenes Entgelt und die Betriebskosten zu zahlen, bezieht daher keinen Vorteil, den er nicht auch bezahlt. Die Wertung der Sachbezugswerteverordnung kann die Wertung der höherrangigen Rechtsnorm nicht ändern. Die Differenz ergibt sich vielmehr aus den gesetzwidrigen (s.o.) Berechnungsgrundlagen der Verordnung, insbesondere dann, wenn der Hauptmietzins gemäß § 24a Abs. 2 Z 1 GehG nach den Mietzinsbeschränkungen des § 13 Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz, BGBl. Nr. 139/1979 i.d.g.F., (WGG) zu berechnen ist.

Für den Bereich des BMLV bestimmt Artikel IX dieser Novelle (jetzt i.d.F. § 112d GehG):

"Solange es militärische Rücksichten erfordern, ist bei vom Bund gemieteten Wohnungen abweichend vom §24a Abs. 2 Z 1 und Abs. 4 erster Satz des Gehaltsgesetzes 1956 als Bemessungsgrundlage für die Grundvergütung der gemittelte Wert jener Hauptmietzinse heranzuziehen, die der Bund jeweils bei Neuvermietung von im Eigentum des Bundes stehenden Wohnungen erster und zweiter Qualität üblicherweise erhalten würde."

Diese Bestimmung soll die Versetzbarkeit der Berufssoldaten nach den militärischen Erfordernissen dadurch erleichtern, dass Naturalwohnungen in jedem Garnisonsort zur Verfügung gestellt werden können und in ganz Österreich gleich viel kosten. Sie dient daher nicht dem Vorteil der Bediensteten, sondern dem Vorteil des Dienstgebers. Nach dem Zweck des § 15 GehG geht es nur um geldwerte Vorteile im Rahmen der Einkunftsarten und nicht um mittelbare Vorteile, die sich aus den Vorteilen eines Anderen ergeben. Ein Vorteil kann sich nur aus einem Vergleich ergeben. Verfassungsrechtlich (s.o.) darf nur Gleiches mit Gleichem verglichen werden. D.h. die Miete einer geförderten Naturalwohnung ist mit der Miete zu vergleichen, die nach § 13 WGG verlangt werden darf und nicht mit dem höheren Richtwert. Dass es beim Sachbezug nicht um mittelbare Vorteile geht, zeigt auch die gesetzliche Behandlung von Dienstwohnungen, denn der tatsächliche Nutzen für den Dienstwohnungsbenutzer ist derselbe wie der des Naturalwohnungsbenutzers, er zahlt aber als Grundvergütung nur 50 % der Bemessungsgrundlage. Dieser Telos des § 15 GehG wird auch im folgenden Rechtssatz des Verwaltungsgerichtshofes festgeschrieben.

4. Erkenntnis des ZI. 99/14/0240:

Von einem Vorteil aus dem Dienstverhältnis durch die verbilligte Überlassung von Wohnraum kann dann nicht gesprochen werden, wenn die Vereinbarung eines unter den amtlichen Sachbezugswerten liegenden Nutzungsentgeltes auf der von der Arbeitnehmereigenschaft unabhängigen Einhaltung zwingender gesetzlicher Mietzinsbeschränkungen beruht. In einem solchen Fall ist nämlich nicht zu erkennen, dass das auf den ortsüblichen Preis fehlende Entgelt auf das Vorliegen eines Dienstverhältnisses zurückzuführen ist."

Gemäß § 13 WGG darf das angemessene Entgelt für geförderte Wohnungen die Errichtungs-und Bewirtschaftungskosten nicht übersteigen. Der weitaus größere Teil der Naturalwohnungen des BMLV sind Genossenschaftswohnungen. Gemäß § 24a Abs, 2 GehG ist bei vom Bund gemieteten Wohnungen der Hauptmietzins, den der Bund zu leisten hat, als Bemessungsgrundlage für die Grundvergütung heranzuziehen. Für diese Naturalwohnungen gilt daher eine gesetzliche Mietzinsbeschränkung. Für eine solche Naturalwohnung darf daher nicht mehr oder weniger verlangt werden als 75% der Errichtungs- und Bewirtschaftungskosten. Das Entgelt ist daher vom konkreten Dienstverhältnis unabhängig. Der Dienstgeber Bund hat keine Gestaltungsmöglichkeit, durch solche Naturalwohnungen dem Dienstnehmer ein zusätzliches Einkommen zu verschaffen. Auch bei Anwendung des § 112d GehG fehlt diese Gestaltungsmöglichkeit. Diese Regelung dient, s.o., nicht dem Vorteil der Bediensteten. Es fehlt schon die Zuwendungsabsicht (aus militärischen Rücksichten) des Gesetzgebers und es besteht für den Dienstgeber Bund auch keine Gestaltungsmöglichkeit bei der Aufnahme in ein Dienstverhältnis, eine allenfalls beantragte Naturalwohnung hinsichtlich der Höhe der Bezüge zu berücksichtigen. Für den Bediensteten ist wohl die Anwendung des § 112d GehG meist ein Nachteil, weil das Entgelt nach § 13 WGG generell niedriger sein wird, als das übliche Entgelt für bundeseigene Wohnungen, das gemäß § 24a Abs.2 Z 2 GehG nach dem aktuellen Richtwert (im Gegensatz dazu gilt gemäß § 2 Abs. 1 Sachbezugswerteverordnung, s.o., der § 5 des Richtwertgesetzes, BGBl. Nr. 800/1993, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 50/2008) zu berechnen ist. Die Differenz zwischen Gestehungskosten und dem nach § 112d gemittelten Hauptmietzins ist Bundeseinnahme. Wenn aber der Naturalwohnungsbenutzer objektiv einen Nachteil hat, bleibt kein Raum für eine Besteuerung als Sachbezug. Der scheinbare Vorteil laut Steuernachforderung an das BMLV entsteht nur durch die gleichheitswidrige (weil unsachliche- s.o.) Vergleichsbasis in der Sachbezugswerteverordnung.

Ein steuerpflichtiger Sachbezug liegt damit nicht vor.

2. Geht man ungeachtet davon aus bemängle ich, dass dieser geldwerte Vorteil unrichtig berechnet wurde. Weitere diesen beeinflussende Umstände, wie die gegenüber der Norm niedrigere Ausstattung, Lage, Alter, der Naturalwohnung etc. wurden nicht herangezogen bzw. nicht erhoben, was als Mangel zu rügen ist.

Eine rechtsrichtige Berechnung hätte keine Erhöhung des Sachbezuges ergeben.

Verwiesen wird auf das Beschwerdeverfahren gegen den Haftungsbescheid des Finanzamtes Wien 1/23 durch das BMLV. Das dort erstattete Beschwerdevorbringen wird auch zum Vorbringen dieser Beschwerde erhoben.

Beschwerdevorentscheidungen

Mit Beschwerdevorentscheidungen vom wurden die Beschwerden gegen die Wiederaufnahmsbescheide betreffend Einkommensteuer 2013 bis 2015 als unbegründet abgewiesen und u.a. entscheidungsrelevant ausgeführt:

Mit Beschwerdevorentscheidungen vom 24. August und wurden die Beschwerden gegen die Einkommensteuerbescheide 2013 bis 2015 als unbegründet abgewiesen und zur Begründung ausgeführt:

Der Arbeitgeber stellte dem Beschwerdeführer/der Beschwerdeführerin im Beschwerdezeitraum eine Wohnung zur privaten Nutzung zur Verfügung.

Die Wohnungen wurden vom Arbeitgeber von gemeinnützigen Wohnbaugenossenschaften angemietet und vom Bund wurden hierfür entsprechende Mietzinsvorauszahlungen in erheblicher Höhe geleistet. Der Arbeitgeber ist langfristige vertragliche Bindungen mit dem strategischen Ziel eingegangen, den Bediensteten leistbaren Wohnraum zur Verfügung zu stellen. Die für die Berechnung des Sachbezugs maßgeblichen Daten wurden der vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Wohnungsdatenbank entnommen. Objektbezogene Mietzinsbeschränkungen konnten keine festgestellt werden. Die Arbeitnehmer haben eine Grundvergütung (Miete) an den Arbeitgeber geleistet. Die Betriebskosten und Heizkosten wurden von den Arbeitnehmern getragen.

Rechtliche Würdigung

§ 15 Abs. 2 EStG 1988 in der jeweils geltenden Fassung zählt zu den geldwerten Vorteilen demonstrativ und ausdrücklich "die Wohnung, Heizung, Beleuchtung, Kleidung, Kost, Waren, Überlassung von Kraftfahrzeugen zur Privatnutzung und sonstige Sachbezüge".

Die Bewertung bestimmter Sachbezüge wird durch die hierzu ergangene SachbezugswerteVO idF BGBI 11468/2008 geregelt, wie insbesondere im Anlassfall die Wohnraumbewertung iSd § 2 SachbezugswerteVO (vgl Lenneis in Jakom EStG, 2018, § 15 Rz 8).

Das heißt, sofern die SachbezugswerteVO keine Aussagen trifft, sind geldwerte Vorteile mit den üblichen Mittelpreisen anzusetzen, wie dies in § 15 Abs 2 gesetzlich verankert wurde. Im Beschwerdefall geht es um die Wohnraumbewertung, die in § 2 SachbezugswerteVO idF BGBl II 468/2008 festgelegt ist (vgl Lenneis in Jakom EStG, 12. Aufl. 2019, § 15, Rz 11). Für die Beurteilung des Vorliegens eines Sachbezuges aus der verbilligten Überlassung von Wohnraum ist daher ausschließlich die SachbezugswerteVO in der für den streitgegenständlichen Zeitraum jeweils geltenden Fassung maßgeblich.

ImAnlassfall wurde Wohnraum begünstigt an viele Dienstnehmer zur Verfügung gestellt, weshalb zu untersuchen war, ob dies einen geldwerten Vorteil darstellt. Die unentgeltliche Zurverfügungstellung einer Dienstwohnung stellt nur dann keinen geldwerten Vorteil dar, wenn der AN sie ausschließlich im Interesse des AG in Anspruch nimmt und seine bisherige Wohnung beibehält ( 84/14/0149; 87/14/0060; 93/14/0190; 95/13/0078; 2003/08/0030, vgl. Brennsteiner/Wanke in Wiesner/Grabner/Knechtl/Wanke, EStG 5 15 (Stand , rdb.at), Anm 26). Wird hingegen eine Wohnung zur Verfügung gestellt, die nach objektiven Kriterien als Mittelpunkt der Lebensinteressen verwendet werden kann, liegt ein steuerpflichtiger Sachbezug auch dann vor, wenn die eigene Wohnung beibehalten wird ( 97/15/0089, vgl. Brennsteiner/Wanke in Wiesner/Grabner/Knecht/Wanke, EStG § 15 (Stand , rdb.at), Anm 26).

Der Arbeitgeber hat Wohnungsdatenbanken zur Verfügung gestellt, welche die Grundlage für die Ermittlung der Sachbezugswerte bildete. Die Höhe des Sachbezuges wurde nach § 2 der Sachbezugswerte-Verordnung in der jeweils anzuwendenden Fassung durch eine Gegenüberstellung zwischen den Berechnungen nach der Richtwertmethode und der Vergleichswertmethode ermittelt. Der sich daraus ergebende günstigere Wert wurde als Sachbezug herangezogen.

Die von Ihnen an den Arbeitgeber bezahlte Grundvergütung (Miete) wurde dem ermittelten Sachbezugswert als Kostenbeitrag gegengerechnet. Ferner führten die selbst bezahlten Betriebskosten ebenfalls zu einer Verminderung des Sachbezugswertes. Der sich daraus ergebende geldwerte Vorteil für die verbilligte Nutzung der Wohnung (Sachbezug) unterliegt im Rahmen der Veranlagung der Einkommensteuer. Die Beschwerde war abzuweisen.

Vorlageantrag

Dagegen wurde fristgerecht am Vorlageantrag eingebracht und in Ergänzung der Beschwerdevorbringen gegen sämtliche im Spruch genannten Bescheide den Beschwerdevorentscheidungen entgegen gehalten:

"In der Bescheidbegründung wird ausgeführt, dass der Beschwerdeführer eine Grundvergütung an den Arbeitgeber geleistet hat. Die Bemessungsgrundlage für die Gründvergütung bei vom Bund gemieteten Wohnungen ist jener Mietzins, den der Bund zu leisten hat, sodass die Grundvergütung, die der Beschwerdeführer zu bezahlen hat, 100 % dieser Bemessungsgrundlage entspricht. Schon daraus resultiert, dass ein geldwerter Vorteil nicht gegeben ist.

Feststellung der Sachbezugswerte für die Jahre 2019 und 2020:

Mit Schreiben vom , GZ. 91331/S-HPA/2019 hat mir das Bundesministerium für Landesverteidigung/Personalmarketing bekanntgegeben, dass der steuerliche Sachbezugswert aus der Zurverfügungstellung der Naturalwohnung für die Jahre 2019 und 2020 tatsächlich 0,00 EURO beträgt.

Daraus kann geschlossen werden, dass dies in Verbindung mit dem unter Pkt. 1 angeführten Bescheid logischerweise auch in allen vorangegangenen Jahren so gewesen sein muss. Diese Schreiben werden unter einem vorgelegt.

Der Abweisung der Beschwerde gegen die Wiederaufnahme ist auch entgegenzuhalten, dass über die Beschwerde gegen den Haftungsbescheid - also die Vorfrage, ob vom Arbeitgeber tatsächlich Lohnsteuer abzuführen gewesen wäre, behängt bei FA Wien 1/23 zu Abgabenkonto 09-080/2653 - bislang nicht entschieden ist, sodass keine rechtskräftige Vorfragenentscheidung vorliegt und auch die Wiederaufnahme unzulässig war.

Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung durch das Finanzgericht wird angeregt."

Mit Vorlagebericht vom legte das Finanzamt gegenständliche Beschwerden dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

1) Bescheide betreffend Wiederaufnahme der Verfahren hinsichtlich Einkommensteuer für die Jahre 2013 bis 2015

Gemäß § 303 BAO ist eine Wiederaufnahme des Verfahrens von Amts wegen unter den Voraussetzungen des Abs. 1 lit. a und c leg. cit. und in allen Fällen zulässig, in denen Tatsachen oder Beweismittel neu hervorkommen, die im Verfahren nicht geltend gemacht worden sind, und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

Die Wiederaufnahme des Verfahrens hat den Zweck, ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren, dem besondere Mängel anhaften, aus den im Gesetz (§ 303 BAO) erschöpfend aufgezählten Gründen aus der Welt zu schaffen und die Rechtskraft des Bescheides zu beseitigen.

Die Entscheidung über die Wiederaufnahme des Verfahrens steht gemäß § 305 BAO der Abgabenbehörde zu, die den Bescheid erlassen hat. Die Wiederaufnahme von Amts wegen ist nur auf Grund der gesetzlich vorgegebenen Wiederaufnahmegründe zulässig. Welche gesetzlichen Wiederaufnahmegründe durch einen konkreten Sachverhalt als verwirklicht angesehen und daher als solche herangezogen werden, bestimmt bei der Wiederaufnahme von Amts wegen die gemäß § 305 BAO für die Entscheidung über die Wiederaufnahme zuständige Behörde.

Nach Maßgabe des § 93 Abs. 3 lit. a BAO haben Bescheide ua. eine Begründung zu enthalten, sofern sie von Amts wegen oder auf Grund eines Parteienanbringens erlassen wurden, welchem nicht vollinhaltlich stattgegeben wurde. Erst die Begründung macht den Bescheid für den Abgabepflichtigen nachvollziehbar und kontrollierbar. Die Bescheidbegründung ist für einen effizienten Rechtsschutz des Abgabepflichtigen von grundlegender Bedeutung. Der Abgabepflichtige soll nicht rätseln müssen, warum ihm eine Abgabe vorgeschrieben wird (vgl. Ritz, Bundesabgabenordnung, Kommentar, Tz 10 zu § 93 BAO).

Die Begründung von Verfügungen der Wiederaufnahme hat die zeitliche Abfolge des Bekanntwerdens der maßgebenden Tatsachen und Beweismittel darzustellen (vgl. zB ; ; siehe auch Ritz3, a.a.O., Tz 3 zu § 307 BAO). Keinesfalls reicht als Begründung etwa der Hinweis auf behördliche Ermittlungen (vgl. zB ), oder die bloße Wiedergabe des Gesetzestextes. Ferner sind auch die Gründe anzuführen, die für die Ermessensübung bedeutsam sind (vgl. zB ).

Die Verpflichtung zur Anführung der Wiederaufnahmegründe in der Begründung ist nicht zuletzt deshalb notwendig, weil sich nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. zB ; ; ; , 0188; ) das Bundesfinanzgericht bei der Erledigung der gegen die Verfügung der Wiederaufnahme gerichteten Beschwerde auf keine neuen Wiederaufnahmegründe stützen kann. Es hat lediglich zu beurteilen, ob die von der Abgabenbehörde angeführten Gründe eine Wiederaufnahme rechtfertigen.

Die fehlende Angabe der Wiederaufnahmegründe in der Begründung des mit Beschwerde angefochtenen Bescheides ist in der Beschwerdevorentscheidung nicht "nachholbar". Dies ergibt sich insbesondere daraus, dass die für Beschwerdevorentscheidungen bestehende Änderungsbefugnis (§263 BAO) ident ist mit jener für Entscheidungen des Bundesfinanzgerichtes (§ 279 Abs. 1 zweiter Satz BAO). Weiters hat das Bundesfinanzgericht über die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides (und nicht über jene der Beschwerdevorentscheidung) zu entscheiden (vgl. Ritz3, a.a.O., Tz 3 zu § 307 BAO).

Bei einer Beschwerde gegen eine Wiederaufnahme von Amts durch das gemäß § 305 BAO zuständige Finanzamt ist die Sache, über welche das Bundesfinanzgericht gemäß § 279 BAO zu entscheiden hat, nur die Wiederaufnahme aus den vom Finanzamt herangezogenen Gründen, also jene wesentlichen Sachverhaltsmomente, die das Finanzamt als Wiederaufnahmegrund beurteilt hat. Unter Sache ist in diesem Zusammenhang die Angelegenheit zu verstehen, die den Inhalt des Spruches des Bescheides der Abgabenbehörde erster Instanz gebildet hat. Bei einem verfahrensrechtlichen Bescheid wie dem der Wiederaufnahme des Abgabenverfahrens von Amts wegen wird die Identität der Sache, über die abgesprochen wurde, durch den Tatsachenkomplex begrenzt, der als neu hervorgekommen von der für die Wiederaufnahme zuständigen Behörde zur Unterstellung unter den von ihr gebrauchten Wiederaufnahmetatbestand herangezogen wurde (vgl. VwGH Erkenntnis vom , 2003/15/0141).

Auf welche konkret neu hervorgekommenen Tatsachen aber das Finanzamt gegenständlich die Wiederaufnahme der Einkommensteuerverfahren 2013 bis 2015 gestützt hat, kann mangels dementsprechender Angaben (z.B. keine Darstellung der den Bf konkret betreffenden neu hervorgekommenen Tatsachen und Sachverhalte, keine zeitliche Abfolge des Bekanntwerdens der maßgebenden Tatsachen und Beweismittel etc.) weder vom Bf noch vom Bundesfinanzgericht nachvollzogen werden.

So fehlt den Wiederaufnahmsbescheiden 2014 bis 2015 de facto jegliche Begründung, der Wiederaufnahmebescheid 2013 enthält lediglich eine standardisierte Begründung, die keine Sachverhaltsdarstellung des gegenständlichen Beschwerdefalls aufweist.

Konkrete Feststellungen zum gegenständlichen Beschwerdefall oder belegmäßige Nachweise eines für die Wiederaufnahmeverfahren erforderlichen neu hervorgekommenen Sachverhaltes, sowie die rechnerische Darstellung etwa neu hervorgekommener steuerpflichtiger Bezüge durch das Finanzamt fehlen sowohl in den bekämpften Wiederaufnahmsbescheiden und Sachbescheiden, aber auch in dem vorgelegten Verwaltungsakt zur Gänze.

So führte das Finanzamt selbst im Vorlagebericht vom zur Frage der Rechtmäßigkeit der Verfahrenswiederaufnahme aller Jahre noch einmal aus, der "nunmehr vorliegende (berichtigte) Lohnzettel vom Bundesministerium für Landesverteidigung stellt eine neue Tatsache und Beweismittel dar und berechtigt somit das Finanzamt Salzburg Stadt eine Wiederaufnahme zu veranlassen."

Abgesehen davon, dass nach § 303 Abs. 1 BAO Voraussetzung für eine Wiederaufnahme des Verfahrens ist, dass Tatsachen neu hervorgekommen, nicht aber, dass Tatsachen oder Beweismittel neu entstanden sind (Lohnzettel), wird in der Begründung des erstinstanzlichen Bescheides nicht aufgezeigt, welche konkreten Tatsachen tatsächlich neu hervorgekommen sind.

Laut Ritz, BAO, § 307 Tz 3 mwN, hat die Begründung für die Verfügung der Wiederaufnahme nicht nur die entsprechenden Wiederaufnahmsgründe anzugeben, sondern auch die zeitliche Abfolge des Bekanntwerdens der maßgeblichen Tatsachen und Beweismittel darzustellen (). Dies ist nicht zuletzt deshalb notwendig, weil sich nach ständiger Judikatur des VwGH (,90/14/0262; , 90/14/0044; , 91/14/0165; , 93/14/0187, 0188;, 94/14/0124) das Verwaltungsgericht bei der Erledigung der gegen die Verfügung der Wiederaufnahme gerichteten Beschwerde auf keine neuen Wiederaufnahmsgründe stützen kann. Es hat lediglich zu beurteilen, ob die von der Abgabenbehörde angeführten Gründe eine Wiederaufnahme rechtfertigen (). Weiters ist im Beschwerdeverfahren über die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides (und nicht über jene der Beschwerdevorentscheidung) zu entscheiden (vgl. Ritz, Bundesabgabenordnung, Wien 2017, § 307, Tz 3 und die dort zitierte Judikatur und Literatur).

Mit der in den Wiederaufnahmebescheiden angeführten "Begründung" wurde dem zwingenden Erfordernis der Angabe des konkreten Wiederaufnahmegrundes insgesamt nicht entsprochen.

Der im letzten Satz der "Begründung" enthaltene Verweis auf die Begründung der in den wiederaufgenommenen Verfahren neu erlassenen Einkommensteuerbescheide geht insofern ins Leere, als sich dort bei den Einkommensteuerbescheiden 2014 und 2015 überhaupt keine Begründung und im Einkommensteuerbescheid 2013 diesbezüglich lediglich eine ganz allgemein gehaltene formularhafte Begründung findet, die keinerlei Aufschluss über den gegenständlichen Beschwerdefall gibt.

Infolge der lediglich exemplarischen Ausführungen im Wiederaufnahmesbescheid (auf Grund eines berichtigten oder neuen Lohnzettels oder einer (geänderten) Mitteilung über progressionswirksame Transferleistungen wie Arbeitslosengeld, Notstandshilfe etc.) - und der zur Gänze fehlenden Ausführungen in den Einkommensteuerbescheiden 2014 und 2015, sowie der bloß standardisierten Ausführung im Einkommensteuerbescheid 2013, ohne konkrete Sachverhaltsdarstellung und fehlenden Bezugnahme auf den Beschwerdeführer, ist für den Bf. und das Bundesfinanzgericht nicht erkennbar,

welche konkreten Umstände im betreffenden Abgabenverfahren dem Finanzamt erst nachträglich bekannt wurden,

wann die maßgebenden Umstände dem Finanzamt bekannt wurden,

ob ein neuer oder einberichtigter Lohnzettel Grund für die Wiederaufnahme ist,

ob Transferleistungen (und wenn ja, welche) oder deren Änderung nachträglich bekannt wurden,

die für die Ermessensübung bedeutsamen Umstände und Überlegungen.

Welchen konkreten Wiederaufnahmegrund das Finanzamt den angefochtenen Bescheiden zugrunde gelegt hat, verschweigt die Begründung. Die ausschließliche Anführung eines Eurobetrages in den Einkommenssteuerbescheiden unter "Lohnzettel und Meldungen" als steuerpflichtige Bezüge für das jeweilige Jahre erfüllt nicht die Erfordernisse des § 93 Abs.3 lit. a BAO.

Es fehlt die Begründung für den Ansatz (Änderung) der Lohnzetteldaten.

Insgesamt liegt eine den Erfordernissen des § 93 Abs.3 lit. a BAO Genüge leistende Begründung für die Verfahrenswiederaufnahme nicht vor (vgl. Bundesfinanzgericht , RV/2100646/2020)."

Laut Bundesfinanzgericht vom , RV/2101157/2019 ist ein zum Zeitpunkt des Ergehens des jeweiligen Erstbescheides noch nicht existenter (sondern erst später ausgefertigter) Lohnzettel kein neu hervorgekommenes Beweismittel im Sinne des § 303 BAO (nova reperta), sondern ein nachträglich entstandenes Beweismittel (nova producta), das für sich allein eine Wiederaufnahme nicht rechtfertigt (vgl.; ; ; ; u.v.m.).

Nicht die Übermittlung neuer Lohnzettel als solche, sondern gegebenenfalls erst eine diesen Lohnzetteln zugrundeliegende Tatsache könnte eine Wiederaufnahme der Verfahren rechtfertigen.

Die Wiederaufnahmebescheide enthalten im Beschwerdefall aufgrund des alleinigen Verweises auf die berichtigten Lohnzettel (auch in Zusammenschau mit den Sachbescheiden) keine hinreichenden Wiederaufnahmegründe.

Die angefochtenen Wiederaufnahmebescheide sind daher ersatzlos aufzuheben

  • Einkommensteuerbescheide 2013 bis 2015

Durch die Aufhebung des die Wiederaufnahme des Verfahrens bewilligenden oder verfügenden Bescheides tritt gemäß § 307 Abs. 3 BAO das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor seiner Wiederaufnahme befunden hat.

§ 261 Abs. 2 BAO lautet:

"Wird einer Bescheidbeschwerde gegen einen gemäß § 299 Abs. 1 oder § 300 Abs. 1 aufhebenden Bescheid oder gegen einen die Wiederaufnahme des Verfahrens bewilligenden oder verfügenden Bescheid (§ 307 Abs. 1) entsprochen, so ist eine gegen den aufgehobenen Bescheid ersetzenden Bescheid (§ 299 Abs. 2 bzw. § 300 Abs. 3) oder eine gegen die Sachentscheidung (§ 307 Abs. 1) gerichtete Bescheidbeschwerde mit Beschwerdevorentscheidung (§ 262) oder mit Beschluss (§ 278) als gegenstandslos zu erklären."

Das bedeutet, dass das Verfahren nach § 307 Abs. 3 BAO in die Lage zurücktritt, in der es sich vor seiner Wiederaufnahme befunden hat, wenn der Wiederaufnahmsbescheid (insbesondere im Bescheidbeschwerdeverfahren) aufgehoben wird. Durch die Aufhebung des Wiederaufnahmsbescheides scheidet somit ex lege der neue Sachbescheid aus dem Rechtsbestand aus, der alte Sachbescheid lebt wieder auf (vgl. Ritz, BAO, Kommentar,§ 307, Tz 8 und die dort zitierte Judikatur).

Die Gegenstandsloserklärung der Bescheidbeschwerde liegt nicht im Ermessen. Sie hat (durch die Abgabenbehörde) mit Beschwerdevorentscheidung bzw. (durch das Verwaltungsgericht) mit Beschluss zu erfolgen.

Somit waren die gegen die Einkommensteuerbescheide 2013 bis 2015 gerichteten Bescheidbeschwerden vom 23.10. und mit Beschluss als gegenstandslos zu erklären.

Hingewiesen wird darauf, dass lediglich Anregungen des Bf bzw. seines Rechtsvertreters auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung generell keinen Anspruch zu begründen vermögen und überdies infolge Gegenstandsloserklärungen durch Beschluss des Verwaltungsgerichtes nach § 274 Abs. 3 Z 2 BAO von der Abhaltung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden konnte.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis bzw. einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis bzw. der Beschluss von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zulösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

In den Beschwerden werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.

Die Entscheidung betreffend die Unzulässigkeit der Wiederaufnahme der Verfahren mangels Vorliegen eines konkreten Wiederaufnahmegrundes entspricht der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. insbesondere ). Die Verpflichtung zur beschlussmäßigen Gegenstandsloserklärung der gegen die Sachbescheide gerichteten Beschwerden bei Aufheben der Wiederaufnahmsbescheide ergibt sich unmittelbar aus § 261 Abs. 2 BAO.

Die Revision ist nicht zulässig.

Salzburg, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 303 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 261 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Zitiert/besprochen in
Fröhlich/Aigner in BFGjournal 2021, 179
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.6100530.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at