Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 04.02.2021, RV/6100181/2020

Haushaltszugehörigkeit und Tragung der Unterhaltskosten

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die RichterinIBV in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Abweisungsbescheid des Finanzamtes Österreich (bisher Finanzamt St. Johann Tamsweg Zell am See) vom betreffend Familienbeihilfe für den Zeitraum Juni 2019 bis Mai 2021 hinsichtlich des Kindes T zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen. Der angefochtene Bescheid wird insofern abgeändert, als der Antrag ab Juni 2019 abgewiesen wird.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Die Beschwerdeführerin (kurz: Bf) beantragte am die Zuerkennung der Familienbeihilfe für ihre Tochter TO ab Juni 2019 wegen des Besuchs der Polizeischule.

Mit Bescheid vom wies das Finanzamt diesen Antrag für den Zeitraum Juni 2019 bis Mai 2021 mit der Begründung ab, der Verwaltungsgerichtshof habe im Erkenntnis vom , Ra 2018/16/0203, die Rechtsauffassung vertreten, dass Grundausbildungen oder sonstige Ausbildungsphasen, die öffentlich Bedienstete in der ersten Zeit ihres Dienstverhältnisses absolvieren würden, als Berufsausübung und nicht als Berufsausbildung im Sinne des FLAG 1967 anzusehen seien.

Die Bf brachte daraufhin mit Schriftsatz vom Beschwerde ein und begründete dies im Wesentlichen damit, dass der Hinweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Ra 2018/16/0203, ins Leere gehe, da die Tochter keine fremden- und grenzpolizeiliche exekutivdienstliche Ausbildung absolviere.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde für den Zeitraum Juni 2019 bis Mai 2021 ab, stellte in der Begründung den bisherigen Verfahrensgang dar, führte § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 als Rechtsgrundlage an, machte Rechtsausführungen zum Begriff der Berufsausbildung und berief sich abermals auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Ra 2018/16/0203.

Mit Schriftsatz vom stellte die Bf einen Vorlageantrag.

Das Finanzamt richtete daraufhin am einen Vorhalt an die Bf zur Frage der Haushaltszugehörigkeit der Tochter TO bzw. der Tragung der Unterhaltskosten der Tochter.

Am erinnerte das Finanzamt an die Notwendigkeit zur Vorhaltsbeantwortung, der Vorhalt blieb aber weiter unbeantwortet.

Mit Bericht vom erfolgte die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht.

Im Zuge der Bearbeitung eines von der Bf irrtümlich gestellten Antrags auf Wiederaufnahme des Verfahrens richtete das Bundesfinanzgericht einen Vorhalt an die Bf und führte darin nach Rechtsausführungen ua Folgendes aus:

Laut Abfrage im Zentralen Melderegister vom meldete ihre Tochter TO am ihren Hauptwohnsitz in der ADR, welcher Hauptwohnsitz der Bf sei, ab und meldete ihren Hauptwohnsitz in die ADR1, an. Es wurde auch kein Nebenwohnsitz in der ADR, beibehalten.

Diese Meldebestätigung stelle ein Indiz dafür dar, dass die Haushaltsgemeinschaft zwischen der Bf und ihrer Tochter mit Antritt der Tochter zur exekutivdienstlichen Ausbildung aufgelöst worden sei.
Die Bf werde ersucht hierzu eine Stellungnahme abzugeben. Es möge in diesem Zusammenhang auch ausgeführt werden, ob in der ADR1, eine vom Bildungszentrum kostenlos zur Verfügung gestellte Unterkunft genutzt werde oder diese Unterkunft von der Tochter angemietet worden sei (entsprechende Unterlagen wären beizulegen). Gleichzeitig möge eine Bestätigung jenes Bildungszentrums der Sicherheitsakademie vorgelegt werden, in welcher die Tochter tatsächlich (und für welche Dauer) den Aspirant-Polizeigrundausbildungslehrgang belegt habe.
Sofern die Tochter seit Absolvierung der exekutivdienstlichen Grundausbildung nicht mehr dem Haushalt der Bf angehören sollte, stelle sich die Frage, ob die Bf überwiegend die Unterhaltskosten ihrer Tochter getragen habe.
Es sei zur Beantwortung dieser Frage erforderlich, dass die Bf eine Aufstellung des durchschnittlichen monatlichen Unterhaltsaufwandes ihrer Tochter, bestehend aus Wohnungskosten, Nahrungskosten, Bekleidungskosten, Arztkosten, Ausgaben für Körperpflege, Heilmittel, Freizeitkosten etc., für die Zeit ab Juni 2019 vorlege und ihre Angaben so weit wie möglich durch geeignete Unterlagen belege.
Zusätzlich müsste die Bf die tatsächlich von ihr geleisteten Unterhaltsbeiträge für die Zeit ab Juni 2019 nachweisen.

Dieser Vorhalt des Bundesfinanzgerichtes blieb unbeantwortet.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1 gesetzliche Grundlagen

Anspruch auf Familienbeihilfe haben gemäß § 2 Abs. 1 lit. b Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist.

Anspruch auf Familienbeihilfe für ein im Abs. 1 genanntes Kind hat gemäß § 2 Abs. 2 FLAG 1967 die Person, zu deren Haushalt das Kind gehört. Eine Person, zu deren Haushalt das Kind nicht gehört, die jedoch die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trägt, hat dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn keine andere Person nach dem ersten Satz anspruchsberechtigt ist.

2 Sachverhalt

Die Tochter TO kam am 123 zur Welt und vollendete das 18.Lebensjahr am 1234.

Laut Abfrage im Zentralen Melderegister vom meldete TO am ihren Hauptwohnsitz in der ADR, welcher Hauptwohnsitz der Bf ist, ab und meldete ihren Hauptwohnsitz in der ADR1, an. Es wurde kein Nebenwohnsitz in der ADR, beibehalten.

Die Tochter schloss am mit der Landespolizeidirektion X einen Sondervertrag gemäß § 36 VBG 1948 für die exekutivdienstliche Ausbildung ab. Dieser Dienstvertrag begann am und ist auf 24 Monate befristet (Pkt. 4 und 5). Die Tochter ist als Vertragsbedienstete des Bundes mit Sondervertrag für die exekutivdienstliche Ausbildung beschäftigt (Pkt. 7). Als Ausbildungsbeitrag gebührt ein monatliches Entgelt in der Höhe des Gehaltes einer Beamtin oder eines Beamten des Exekutivdienstes der Verwendungsgruppe E2c Gehaltsstufe 1. Die Bestimmungen des § 8a Abs. 2 VBG (Sonderzahlung) sind anzuwenden. Über die in den §§ 16 und 22 VBG iVm den §§ 16, 17, 17a und 17b GehG 1956 vorgesehene Vergütungen gebühren während der ersten 12 Monate des Vertragsverhältnisses keinerlei sonstigen pauschalierten Zulagen und Nebengebühren. Ab dem 13. Monat des Vertragsverhältnisses gebühren überdies die für Beamte der Verwendungsgruppe E2c vorgesehenen exekutivspezifischen Zulagen und Nebengebühren. (Pkt. 15.1).

Laut den im Abgabeninformationssystem des Bundes gespeicherten Daten erzielte die Tochter TO in der Zeit von bis steuerpflichtige Einkünfte in Höhe von 10.078,98 Euro. Laut der Gehaltstabelle 2020 der Gewerkschaft öffentlicher Dienst beträgt der Gehalt einer Beamtin oder eines Beamten des Exekutivdienstes der Verwendungsgruppe E2c Gehaltsstufe 1 1.740,40 Euro.

3 rechtliche Beurteilung samt Beweiswürdigung

Nach dem FLAG 1967 kommen grundsätzlich mehrere Personen als Anspruchsberechtigte für die Familienbeihilfe für ein Kind in Betracht, wobei die §§ 2 (Anspruch einer vom Kind verschiedenen Person), 6 (Eigenanspruch des Kindes) FLAG 1967 genau regeln, welcher dieser Personen im Einzelfall die Familienbeihilfe zusteht.

§ 2 Abs. 2 erster Satz FLAG 1967 stellt hinsichtlich des Familienbeihilfenanspruches primär auf die Haushaltszugehörigkeit mit einem Kind und subsidiär (§ 2 Abs. 2 zweiter Satz FLAG 1967) darauf ab, welche Person die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trägt (vgl. ).

Bei der primären Anknüpfung an die Haushaltszugehörigkeit geht das Gesetz erkennbar davon aus, dass ein Kind nur einem Haushalt angehören kann. So wird gemäß § 7 FLAG 1967 für ein Kind Familienbeihilfe nur einer Person gewährt. (Vgl. ).

Die Tatsache, dass die Tochter den Sondervertrag mit der Landespolizeidirektion X abschloss, spricht dafür, dass die Tochter TO die exekutivdienstliche Ausbildung ab dem vereinbarten Beginn des Vertrages () in X absolviert. Die Bundeshauptstadt X liegt von ADR - wie allgemein bekannt - jedenfalls über 350 km entfernt. Diese Fakten sprechen dafür, dass die Tochter mit Antritt der exekutivdienstlichen Ausbildung Anfang Juni 2019 ihren Wohnsitz nach X verlegte. Diese Annahme wird auch dadurch erhärtet, dass die Tochter seit August 2019 in X mit ihrem Hauptwohnsitz gemeldet ist und nicht einmal einen Nebenwohnsitz am Hauptwohnsitz der Bf beibehielt. Das Bundesfinanzgericht geht somit von der Auflösung der Haushaltsgemeinschaft ab Antritt der Tochter zur exekutivdienstlichen Ausbildung im Juni 2019 in X aus. Die Bf widersprach dieser Annahme des Bundesfinanzgerichts (vgl. Vorhalt vom ), wonach die Haushaltsgemeinschaft zwischen der Bf und ihrer Tochter mit Antritt der Tochter zur exekutivdienstlichen Ausbildung aufgelöst wurde, nicht. Eine Haushaltszugehörigkeit der Tochter TO ist somit ab Juni 2019 zu verneinen.

Es bleibt zu prüfen, ob die Bf ab Juni 2019 mehr als die Hälfte der Unterhaltskosten der Tochter durch ihre Unterhaltsbeiträge abgedeckt hat.

Ob die Eltern einem Kind überwiegend Unterhalt leisten, hängt einerseits von der Höhe des gesamten Unterhaltsaufwandes für das Kind in einem bestimmten Zeitraum und andererseits von den tatsächlich von den Eltern geleisteten Unterhaltsbeiträgen ab. (Vgl. ).

Die Tragung der überwiegenden Unterhaltskosten im Sinne des § 2 Abs. 2 S 2 FLAG 1967 wurde von der Bf - trotz einer entsprechenden Aufforderung des Bundesfinanzgerichts (vgl. Vorhalt vom ) - nicht nachgewiesen. Im Hinblick auf die Tatsache, dass die Tochter aufgrund des mit der Landespolizeidirektion X abgeschlossenen Sondervertrags den Gehalt einer Beamtin des Exekutivdienstes der Verwendungsgruppe E2c Gehaltsstufe 1 (1.740,40 Euro ab 2020) bezieht und in den Monaten Juni bis Dezember konkret steuerpflichtige Bezüge in Höhe von 10.078,98 Euro erhielt, erscheint es naheliegend, dass die Bf nicht überwiegend die Unterhaltskosten der Tochter TO trägt. Die überwiegende Tragung der Unterhaltskosten durch die Bf ab Juni 2019 ist somit ebenfalls zu verneinen.

Da die Tochter TO seit Juni 2019 nicht mehr dem Haushalt der Bf angehört und die Bf seither auch nicht die überwiegenden Unterhaltskosten trägt, besteht ab Juni 2019 kein Beihilfenanspruch der Bf für ihre Tochter TO.

Die Beschwerde gegen den Abweisungsbescheid vom ist somit abzuweisen. Der angefochtene Abweisungsbescheid betreffend den Zeitraum Juni 2019 bis Mai 2021 wird allerdings insofern geändert, als der Antrag "ab Juni 2019" abgewiesen wird, um eine Reaktion auf Änderungen der tatsächlichen Verhältnisse zu ermöglichen.

4 Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. (Art. 133 Abs. 4 B-VG)

Eine Revision wird im gegenständlichen Fall nicht zugelassen. Soweit Rechtsfragen zu beurteilen sind, folgt das Bundesfinanzgericht in seiner Entscheidung einer existierenden einheitlichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Tatfragen sind einer Revision nicht zugänglich.

Salzburg, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.6100181.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at