Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 03.02.2021, RV/7101460/2019

Rechtsbezeugende Urkunde

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den RichterR in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch ***Vertr1*** in ***Vertr1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel vom betreffend Rechtsgebühren, ERFNR 2017, Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Die angefochtenen Bescheide bleiben unverändert.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Bei der Beschwerdeführerin (kurz: Bf) fand eine Außenprüfung statt. Im Zuge der Prüfung wurde eine Kontrollmitteilung erstattet und ua. zwei Anbote zum Abschluss eines Mietvertrages vom und zwei von allen Vertragsparteien unterfertigte Ergänzungen vom dem sachlich zuständigen Finanzamt übermittelt.

Über Ergänzungsersuchen des Finanzamtes wurde von der Bf zu den Anboten vom auf Abschluss eines Mietvertrages

  • zwischen der Bf als Vermieterin und M sowie S als Mieter und

  • zwischen der Bf als Vermieterin und M als Mieter

mitgeteilt, dass es sich bei beiden Anboten um ein schriftliches Vertragsanbot handeln würde, das jeweils durch schlüssige Handlungen angenommen wurde. Dadurch sei keine Urkunde iSd § 15 GebG entstanden, weshalb weder eine Gebührenentrichtung in Selbstabrechnung noch eine Anzeige der Verträge erfolgte.

1. Gebührenbescheide

Das Finanzamt setzte für die beiden Mietverträge in zwei gesonderten Bescheiden jeweils eine Gebühr gemäß § 33 TP 5 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 5 GebG in entsprechender Höhe fest. Zur Begründung wurde zur Entstehung der Gebührenschuld ausgeführt: "Da im gegenständlichen Fall über die Annahme des Anbots durch konkludente Handlung hinaus, nachträglich von sämtlichen Vertragsparteien unterfertigte Vereinbarungen erstellt wurden, kann von einer rechtserzeugenden Urkunde ausgegangen werden."

2. Beschwerde

Innerhalb offener Frist wurde in einem Schriftsatz Beschwerde gegen die angefochtenen Bescheide erhoben und vorgebracht:

Der Bf wurden durch schriftliche Anbote von den Ehegatten M sowie S und Herrn M als Eigentümer des Hotels XY der Abschluss von zwei Mietverträgen angeboten. Diese Anbote seien durch schlüssige Handlung der Bf angenommen worden. Da das Mietobjekt erst nach Abschluss der Verträge errichtet wurde, wurde in den Verträgen vereinbart, dass sich die Miete abhängig von den Baukosten verändern kann. Eine die Gebührenpflicht auslösende rechtserzeugenden Urkunde sei nicht gegeben. Die Annahme des schriftlichen Anbots durch konkludente Handlung sei keine Urkunde (§ 15 Abs. 2 GebG). Eine Ersatzbeurkundung (§ 18 GebG) würde nicht vorliegen. Für das Vorliegen einer Gebührenpflicht nach § 21 GebG sei erforderlich, dass durch einen Zusatz oder Nachtrag einer bereits ausgefertigten Urkunde die darin beurkundeten Rechte oder Verbindlichkeiten geändert werden. Da hinsichtlich der Vereinbarung über die endgültige Festlegung der Miethöhe eine bereits ausgefertigte Urkunde vorliegt, könne diese Vereinbarung nicht als rechtserzeugende Urkunde betrachtet werden.

3. Beschwerdevorentscheidungen

Das Finanzamt wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidungen ab und begründete dies in gesondert ergangenen Schriftsätzen wie folgt:

" Der Gegenstand des Abgabeverfahrens ("Betreff') ist die schriftliche von sämtlichen Parteien unterzeichnete Ergänzung vom des konkludent angenommenen Mietvertrages, welcher zuvor im schriftlichen Mietanbot vom ausformuliert wurde.

Anknüpfungspunkt für die Gebührenpflicht eines Rechtsgeschäftes ist gemäß § 15 Abs. 1 GebG die Urkunde als schriftliches Beweismittel über das Rechtsgeschäft. Unter einer Urkunde ist jede, auch formlose schriftliche Festhaltung eines Rechtsgeschäftes, also ein Schriftstück zu verstehen, welches kraft seines Inhaltes geeignet ist, über ein gültig zu Stande gekommenes Rechtsgeschäft gegenüber dem Vertragspartner zum Beweis zu dienen ( Slg 725/F; siehe ebenfalls , vom , 90/15/0040, vom , 2006/16/0163, und vom , 2004/16/0029).

Die Urkunde muss 1. unterzeichnet sein und 2. alle wesentlichen Merkmale des Rechtsgeschäftes enthalten, wobei gemäß § 17 Abs. 1 Satz 2 GebG auch ein Verweis auf andere Schriftstücke, die Angaben über das Rechtsgeschäft enthalten, genügt (, und vom , 2004/16/0029). Auch der bloß erzählende Hinweis auf ein bereits früher abgeschlossenes Rechtsgeschäft in einer Urkunde löst die Gebührenpflicht für jedes Rechtsgeschäft aus, sofern der Inhalt der Schrift geeignet ist, hierüber Beweis zu machen (; siehe auch Fellner, Stempel- und Rechtsgebühren, 21. Lfg 2017, § 15 GebG, Rz 46f).

Mangels Vorliegens einer bereits ausgefertigten Urkunde kann ein Zusatz bzw. Nachtrag iSd § 21 GebG dann nicht vorliegen, wenn das frühere Rechtsgeschäft nur mündlich abgeschlossen wurde. Wird in einem solchen Fall in der abändernden Urkunde der Inhalt des früher nur mündlich abgeschlossenen Rechtgeschäfts schriftlich wiederholt liegt eine erstmalige Beurkundung des Rechtsgeschäfts vor (rechtsbezeugend hinsichtlich des ursprünglichen Rechtsgeschäfts und rechtserzeugend hinsichtlich des Zusatzes bzw. Nachtrags; GebR 2007, Rz 541; vgl. Bergmann/Pinetz, GebG; § 21 GebG, Rz 21).

Im gegenständlichen Fall wurde ein schriftliches Mietanbot erstellt, welches durch konkludente Handlungen angenommen wurde. Mit der schriftlichen Ergänzung des Mietvertrages vom , welche von sämtlichen Parteien unterfertigt wurde, wurde die Gebührenpflicht für das Rechtsgeschäft gemäß § 33 TP 5 GebG ausgelöst. Die Urkunde verweist eindeutig auf den abgeschlossenen Mietvertrag, dessen Inhalt im Mietanbot vom schriftlich konkretisiert ist und dient daher als Beweis für das abgeschlossene Rechtsgeschäft. Die schriftliche Ergänzung ist daher rechtsbezeugend hinsichtlich des Mietvertrages und rechtserzeugend hinsichtlich der Ergänzungen, sodass für das gesamte Rechtsgeschäft die Gebührenpflicht ausgelöst wird."

4. Vorlageanträge

Fristgerecht wurden dagegen Anträge gestellt, die Beschwerde dem Verwaltungsgericht zur Entscheidung vorzulegen.

5. Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht

Mit Vorlagebericht vom wurde die Beschwerde und die entsprechenden Teile des Verwaltungsaktes an das Bundesfinanzgericht vorgelegt.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Beide Verfahrensparteien gehen übereinstimmend davon aus, dass am zunächst schriftliche Mietanbote

  • von den Ehegatten M und S über eine Wohnung

sowie

  • von M über Seminarräumlichkeiten für das Hotel XY

erstellt, welche durch konkludente Handlungen angenommen wurden.

Am wurden Vereinbarungen zu den beiden oben angeführten Mietverhältnissen mit folgendem Inhalt schriftlich festgehalten:

Ad Wohnung:

" In Ergänzung des Mietvertrages laut Anbot vom vereinbaren die Vertragsparteien folgendes:

Punkt IV Entgelt:

, 1c) Übersteigen die Baukosten aufgrund von Materialwünschen der Mieter einen Betrag von € 760.000,- (netto), so erhöht sich die jährliche Miete um 2% (netto) des übersteigenden Betrages.

Die Feststellung der Baukosten erfolgt nach Vorliegen aller Baurechnungen.'

Punkt V Kaution:

, Die zu leistende Mietvorauszahlung gilt als Kaution.' "

Diese Vereinbarung wurde von allen Vertragsparteien unterfertigt.

Ad Seminarraum:

" In Ergänzung des Mietvertrages laut Anbot vom vereinbaren die Vertragsparteien folgendes:

Punkt IV Entgelt:

, 1c) Übersteigen die Baukosten aufgrund von Materialwünschen der Mieter einen Betrag von € 255.000,- (netto), so erhöht sich die jährliche Miete um 2% (netto) des übersteigenden Betrages.

Die Feststellung der Baukosten erfolgt nach Vorliegen aller Baurechnungen.'

Punkt V Kaution:

, Die zu leistende Mietvorauszahlung gilt als Kaution.' "

Diese Vereinbarung wurde von der Bf und Herrn M unterzeichnet.

2. Beweiswürdigung

Der oben dargestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem im Verwaltungsakt befindlichen Kontrollmaterial und dem Vorbringen beider Verfahrensparteien.

Strittig ist die Rechtsfrage, ob die Vereinbarungen vom als die Gebührenpflicht auslösende Urkunden anzusehen sind.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung/Abänderung/Stattgabe)

Gem. § 33 TP 5 Abs. 1 Z. 1 GebG unterliegen Bestandverträge (§§ 1090 ff ABGB) und sonstige Verträge, wodurch jemand den Gebrauch einer unverbrauchbaren Sache auf eine gewisse Zeit und gegen einen bestimmten Preis erhält, im allgemeinen einer Gebühr von 1 vH nach dem Wert.

Nach § 15 Abs. 1 leg. cit. sind Rechtsgeschäfte nur dann gebührenpflichtig, wenn über sie eine Urkunde errichtet wird, es sei denn, dass in diesem Gesetz etwas Abweichendes bestimmt ist.

§ 17 Abs. 1 GebG lautet:

" Für die Festsetzung der Gebühren ist der Inhalt der über das Rechtsgeschäft errichteten Schrift (Urkunde) maßgebend. Zum Urkundeninhalt zählt auch der Inhalt von Schriften, der durch Bezugnahme zum rechtsgeschäftlichen Inhalt gemacht wird. "

Gemäß § 15 Abs.1 GebG sind Rechtsgeschäfte nur dann gebührenpflichtig, wenn über sie eine Urkunde errichtet wird, es sei denn, dass in diesem Bundesgesetz etwas Abweichendes bestimmt ist (vgl. , und vom , 2009/16/0271). Voraussetzung für die Gebührenpflicht ist sohin grundsätzlich, dass über sie zu Beweiszwecken eine Schrift, eine (förmliche) Urkunde errichtet wird (, 0060, und vom , 2009/16/0271).

Aus dem III. Abschnitt des Gebührengesetzes 1957, insbesondere aus den §§ 15 bis 17, geht hervor, dass zwar die im Tarif des § 33 angeführten Rechtsgeschäfte Gegenstand der Rechtsgebühren sind, allerdings - von Ausnahmen abgesehen - nur dann, wenn über sie eine Urkunde errichtet wird (, und vom , 84/15/0176).

Gegenstand der Gebühr ist das Rechtsgeschäft, während die Errichtung der Urkunde nur die Voraussetzung bzw. Bedingung ist, bei deren Vorliegen das Rechtsgeschäft gebührenpflichtig wird ( Slg 725/ F, vom , 1746/68, vom , 518/70, vom , Slg 4405/F, verstärkter Senat, vom , 1090/73, vom , 1913/73, vom , 1214/73, vom , 2755/77, vom , 15/1605/80 - 15/1610/80, vom , 83/15/0040, vom , 93/16/0014, vom , 95/16/0332, 0333, und vom , 2004/16/0029).

Gegenstand der Rechtsgeschäftsgebühr ist also nicht die Urkunde an sich, sondern das in ihr beurkundete Rechtsgeschäft (vgl. Slg 3049/F, vom , 2281/75, vom , 726/76, vom , 81/15/0112, vom , 15/2931/80, und vom , 2009/16/0271; siehe Fellner, Stempel- und Rechtsgebühren, Band I, § 15 GebG, Rz 38).

Anknüpfungspunkt für die Gebührenpflicht eines Rechtsgeschäftes ist gemäß § 15 Abs. 1 GebG die Urkunde als schriftliches Beweismittel über das Rechtsgeschäft. Soweit die Urkundenerrichtung nicht bereits Voraussetzung für das Rechtsgeschäft ist (rechtserzeugende Urkunde), kann ein Schriftstück (als Urkunde) nur dann eine Gebührenpflicht auslösen, wenn es Beweis zu machen geeignet ist (vgl. , vom , 90/15/0040, vom , 2006/16/0163, und vom , 2004/16/0029).

Unter einer Urkunde ist jede, auch formlose schriftliche Festhaltung eines Rechtsgeschäftes, also ein Schriftstück zu verstehen, welches kraft seines Inhaltes geeignet ist, über ein gültig zu Stande gekommenes Rechtsgeschäft gegenüber dem Vertragspartner zum Beweis zu dienen ( Slg 725/F; siehe Fellner, Stempel- und Rechtsgebühren, Band I, § 15 GebG, Rz 46).

Die Urkunde muss 1. unterzeichnet sein und 2. alle wesentlichen Merkmale des Rechtsgeschäftes enthalten, wobei gemäß § 17 Abs. 1 Satz 2 GebG auch ein Verweis auf andere Schriftstücke, die Angaben über das Rechtsgeschäft enthalten, genügt (, und vom , 2004/16/0029). Ein Text ohne Unterzeichnung ist also keine Urkunde ().

Auch der bloß erzählende Hinweis auf ein bereits früher abgeschlossenes Rechtsgeschäft in einer Urkunde löst die Gebührenpflicht für jedes Rechtsgeschäft aus, sofern der Inhalt der Schrift geeignet ist, hierüber Beweis zu machen (; siehe Fellner, Stempel- und Rechtsgebühren, Band I, § 15 GebG, Rz 47).

Für den Eintritt der Gebührenschuld ist es nicht nötig, dass das Rechtsgeschäft erst durch die Errichtung der Urkunde zu Stande kommt; denn auch eine Urkunde, durch die ein schon abgeschlossenes Rechtsgeschäft bezeugt wird, löst die Gebührenpflicht aus. Die Gebührenpflicht für ein an sich gebührenpflichtiges Rechtsgeschäft setzt mithin die Errichtung einer rechtserzeugenden oder rechtsbezeugenden Urkunde voraus ().

Die Urkundenerrichtung ist zB bei der Bürgschaftserklärung nach § 1346 Abs. 2 ABGB Voraussetzung für das Zustandekommen des Rechtsgeschäftes (rechtserzeugende Urkunde, vgl ).

Für die Gebührenpflicht genügt das Vorliegen einer bloß rechtsbezeugenden Urkunde, sofern eine Vertragspartei damit in der Lage ist, den Beweis des ihr zustehenden Anspruches zu führen (, vom , 2004/16/0029, und vom , 2009/16/0029).

Nicht nur rechtserzeugende, sondern auch rechtsbezeugende Urkunden lösen die Gebührenpflicht aus ( Slg 725/F, vom , Slg 1174/F, vom , 1184/69, vom , 1214/73, vom , 98/16/0174, und vom , 98/16/0242, 0243; vgl. Fellner, Stempel- und Rechtsgebühren, Band I, § 15 GebG, Rz 49).

Vor dem Hintergrund der dargestellten Rechtslage ergibt sich für den konkreten Beschwerdefall Folgendes:

Da im vorliegenden Fall das wirksame Zustandekommen der Bestandverträge gar nicht in Streit steht und die in den Verwaltungsakten erliegenden Urkunden in ihrem Zusammenhang, und zwar insbesondere die Vereinbarungen vom , die jeweils "in Ergänzung des Mietvertrages laut Anbot vom " abgeschlossen und von allen Vertragsparteien unterzeichnet wurden, die Vertragsparteien jedenfalls in Stand setzte, den Inhalt der zuvor konkludent zustande gekommenen Bestandsverträge zu beweisen, ist jedenfalls vom Vorliegen von rechtsbezeugenden Urkunden auszugehen. Damit ist aber die Gebührenpflicht für die Mietverträge entstanden.

Die angefochtenen Bescheide entsprechen daher der Rechtslage, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Eine ordentliche Revision ist gemäß Artikel 133 Abs. 4 B-VG unzulässig, da sich das Bundesfinanzgericht bei der Lösung der anstehenden Rechtsfragen auf die im Erkenntnis angeführte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stützen konnte.

Salzburg, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.7101460.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at