Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 11.01.2021, RV/3100235/2013

Widerrechtliche Verwendung eines Fahrzeuges mit ausländischem Kennzeichen: Mittelpunkt der Lebensinteressen im Inland, da gemeinsamer Wohnsitz mit Lebensgefährten; ein Gegenbeweis zur Widerlegung der Standortvermutung wurde nicht erbracht

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Österreich vom betreffend Festsetzung der Kraftfahrzeugsteuer für die Monate 7-12/2008, 1-12/2009, 1-12/2010, 1-12/2011 und
1-12/2012, Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht erkannt:


Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach
Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang:

1. Frau ***Bf1*** (= Beschwerdeführerin, Bf), deutsche Staatsbürgerin mit (damaliger) Anschrift in Ort1XStr1, hatte am beim Finanzamt/IC eine "Erklärung über die Normverbrauchsabgabe" betreffend ihr Fahrzeug Opel T98 Astra, gebraucht, FIN Nr123, Erstzulassung 10/1999, Benziner, 74 Kw, Km-Stand bei Inbetriebnahme 75.461, eingereicht. Laut dazu im Akt erliegender Abfrage der EurotaxGlass-Fahrzeugbewertung sowie NoVA-Berechnungsblatt ermittelte sich die Normverbrauchsabgabe abgestellt auf den angegebenen/verwendeten Berechnungsstichtag und ausgehend vom Mittelwert des Fahrzeuges netto von € 2.615,83 mit dem NoVA-Satz von 9 % in Höhe von € 235,42, welcher Betrag am entrichtet wurde.
Aus dem weiters vorliegenden Typenschein geht noch hervor, dass das betreffende Fahrzeug zuvor in Deutschland unter dem behördlichen Kennzeichen D111 zugelassen worden war.

2. Mit Festsetzungs-Bescheiden vom , StrNr, hat das Finanzamt der Bf für das betr. Fahrzeug die Kraftfahrzeugsteuer gemäß § 5 Abs. 1 Z 2 lit a KfzStG 1992 wie folgt vorgeschrieben:
a) für die Monate 07-12/2008 im Betrag von € 120;
b) für die Monate 01-12/2009 im Betrag von € 360;
c) für die Monate 01-12/2010 im Betrag von € 360;
d) für die Monate 01-12/2011 im Betrag von € 360;
e) für die Monate 01-12/2012 im Betrag von € 360.
Begründend führt das Finanzamt jeweils Folgendes aus:
"Der Kraftfahrzeugsteuer unterliegen gemäß § 1 (1) Z 3 KfzStG Kraftfahrzeuge, die auf Straßen mit öffentlichem Verkehr im Inland ohne die kraftfahrrechtlich erforderliche Zulassung verwendet werden (widerrechtliche Verwendung). Da Ihr Fahrzeug mit der Fahrzeug-Identifizierungsnummer Nr123 seit September 2008 widerrechtlich verwendet wurde, musste die Kraftfahrzeugsteuer gemäß § 1 (1) Z 3 festgesetzt werden. Die genaue Berechnung ist der Beilage zum Bescheid über die Festsetzung der Kraftfahrzeugsteuer zu entnehmen".

3. In der dagegen rechtzeitig erhobenen Berufung, nunmehr Beschwerde, beantragt die Bf eine nochmalige Überprüfung und wendet ein, das Fahrzeug habe sich nicht überwiegend bzw. nie für einen längeren Zeitraum in Österreich befunden. Sie könne auch jederzeit das Fahrzeug des Freundes, der über ein Zweitfahrzeug verfüge, benützen. Ihr Arbeitsweg betrage ca. 5 Minuten mit öffentlichen Verkehrsmitteln, sodass sie nie beabsichtigt habe, das Fahrzeug nach Österreich zu holen. Nur wenn es sich zufällig ideal ergeben habe, habe sie ihr Auto in Österreich genutzt. Ansonsten sei sie sportlich und erledige ihre Tätigkeiten auch mit dem Fahrrad. Erst als festgestanden sei, dass sie in Österreich bleibe, hier ihren Hauptwohnsitz anmelde und nach Ort1 umziehe, habe sie das Fahrzeug aus Deutschland dauerhaft nach Österreich geholt, typisiert und angemeldet. Dies sei kostengünstiger gewesen als der Kauf eines Neuwagens. Zum Nachweis findet sich im Anhang:

a) eine von Herrn A unterfertigte "Bestätigung über Nutzung meines Privat/Firmenfahrzeuges" wie folgt:
"Hiermit bestätige ich, dass ***Bf1*** zu jedem Zeitpunkt (von August 2008 - November 2012) mein Auto A111 nutzen durfte und es auch gelegentlich in Anspruch nahm, da ihr eigenes Fahrzeug in D/Ort2 war und aus wirtschaftlichen Gründen nicht sinnvoll gewesen wäre, das Auto nach Österreich zu holen.
Unten beide Zulassungsscheine der mir zur Verfügung stehenden Fahrzeuge …".
Angefügt sind die Kopien der Zulassungsscheine zu den Fahrzeugen Renault Megane, Kennzeichen A111, zugelassen am auf A, Anschrift A/Ort3, sowie Opel Vivaro, Kennzeichen A222, zugelassen am auf X-Club, Anschrift A/Ort3a;

b) ein "Nutzungsvertrag und Kostenbeteiligungsvereinbarung", abgeschlossen am zwischen der Bf als Fahrzeughalterin und Herrn B als Fahrzeugnutzer, beide mit der Adresse in D/Ort2YStr2, woraus ua. hervorgeht:
Die Bf überlässt dem Nutzer das Fahrzeug Opel Astra, KZ D111, zur Nutzung auf unbestimmte Dauer und übergibt ihm dazu die Fahrzeugpapiere. Der Nutzer beteiligt sich dafür pauschal zu 50 % an den Kosten der Halterin für Versicherungen, Kfz-Steuer und Wartungskosten. Kosten für Benzin und selbst verursachte Schäden etc. hat der Nutzer selbst zu tragen.

4. Das Finanzamt hat anschließend im April 2013 folgende Erhebungen durchgeführt:

a) Einsichtnahme in das Zentrale Melderegister (ZMR):
Daraus geht hervor, dass A seit mit Hauptwohnsitz in A/Ort3XStr3, gemeldet ist.
Die Bf war an dieser Adresse von bis zunächst mit Nebenwohnsitz und von bis mit Hauptwohnsitz sowie ab in Ort1XStr1, mit Hauptwohnsitz gemeldet.

b) Einsichtnahme in die Sozialversicherungs-Daten der Bf, SV-Nr:
Demnach ist die Bf seit durchgehend als Angestellte bei einer Bekleidungsfirma im Inland beschäftigt.

5. Die abweisende Berufungsvorentscheidung (BVE) vom hat das Finanzamt nach Darstellung ua. der Erhebungen, der maßgebenden gesetzlichen Bestimmungen und der Rechtslage in Bezug auf die Frage des "Hauptwohnsitzes" bzw. "Mittelpunkt der Lebensinteressen" im Wesentlichen dahin begründet, dass die Bf seit August 2008 in Österreich einen gemeldeten Wohnsitz sowie eine Beschäftigung habe und zudem ihr Freund hier wohnhaft sei. Unabhängig vom zunächst gemeldeten "Nebenwohnsitz" sei im Rahmen einer Gesamtbetrachtung abzustellen auf die engeren beruflichen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Beziehungen, um auf den "Mittelpunkt der Lebensinteressen" der Bf zu schließen. Dieser sei anhand aller gegebenen Umstände in Österreich gelegen; von einem bloß vorübergehenden Aufenthalt könne nicht die Rede sein. Diesfalls liege ein dauernder Standort des Fahrzeuges im Inland iSd § 82 Abs. 8 KFG vor. Ein Gegenbeweis sei nicht erbracht worden. Dagegen spreche auch nicht der vorgelegte Kfz-Nutzungsvertrag, woraus eine 50%ige Kostenbeteiligung hervorgehe, die auch auf eine lediglich 50%ige Nutzung des Fahrzeuges im Ausland schließen lasse. Die Bf habe selbst angegeben, das Fahrzeug gelegentlich in Österreich zu verwenden (Begründung im Einzelnen: siehe die BVE vom ).

6. Im dagegen erhobenen Vorlageantrag bringt die Bf vor, sie sehe die Vorschreibung von Kraftfahrzeugsteuern nicht ein für ein Fahrzeug, das sich in Deutschland befunden habe. Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer des Autos in Österreich sei nicht länger als eine durchschnittliche Urlaubsdauer gewesen. Sie verweise nochmals auf die wirtschaftlich attraktiveren Alternativen wie Nutzung des Fahrzeuges von A, von öffentlichen Verkehrsmitteln oder des Fahrrades. Es sei nie ersichtlich gewesen, dass sich die Bf habe dauerhaft in Österreich niederlassen wollen. Dazu habe sie sich erst im November 2012 mit dem Umzug nach Ort1 entschlossen und unmittelbar das Auto ordnungsgemäß angemeldet.

7. Das Bundesfinanzgericht (BFG) hat an die Bf ein Vorhaltschreiben vom folgenden Inhaltes zur Stellungnahme übermittelt:

"… 1) In Ihrer Berufung, nunmehr Beschwerde, wenden Sie ein, dass das auf Sie zugelassene Kraftfahrzeug Opel Astra mit dem deutschen Kennzeichen D111 zu keiner Zeit für einen längeren Zeitraum in Österreich gewesen sei bzw. nur gelegentlich in Österreich genutzt worden wäre, wenn es sich zufällig ideal ergeben habe.
Dazu war ein mit Herrn
B an der Adresse in D/Ort2, am unterfertigter Nutzungsvertrag vorgelegt worden, in dem Sie als Fahrzeughalterin mit selber Adresse in D/Ort2 aufscheinen und wonach dieser Ihr Fahrzeug in D/Ort2 nutzen dürfe und 50 % der Kosten zu tragen habe. Daraus ergebe sich, dass sich das Fahrzeug in D/Ort2 befunden habe.
Im Vorlageantrag geben Sie an, das Fahrzeug habe sich nie länger als für eine durchschnittliche Urlaubsdauer in Österreich befunden.
Daraus ergeben sich für das Bundesfinanzgericht (BFG) nun folgende Fragen:

a) Handelt es sich bei der Adresse in D/Ort2YStr2, um einen weiteren Wohnsitz Ihrerseits und waren Sie dort im Zeitraum 2008 - 2012 mit Wohnsitz gemeldet ?
b) In welcher Beziehung sind Sie zu Herrn
B (verwandt, befreundet ?) gestanden ?
c) Was genau bedeutet die Aussage, das Fahrzeug sei nur gelegentlich bzw. für eine "durchschnittliche Urlaubsdauer" in Österreich von Ihnen genutzt/verwendet worden, wenn es sich "ideal ergeben" habe ?
d) Wie oft pro Jahr und für wie lange hat sich das Fahrzeug diesfalls in Österreich befunden ?
e) Wie wurde das Fahrzeug konkret für die gelegentliche Nutzung nach Österreich und dann wieder zurück nach
D/Ort2 verbracht ?
f) Sind Sie oder Herr
B diesbezüglich zB mit dem Zug jeweils hin oder retour gefahren oder auf welche sonstige Weise wieder zurückgelangt ?

2) Laut weiterem Beschwerdevorbringen hätten Sie jederzeit auch das Fahrzeug des Herrn A benützen können, der zudem über ein Zweitfahrzeug verfügt hätte; daneben hätten Sie sich per öffentlichen Verkehrsmitteln - ua. zum nahegelegenen Arbeitsplatz - oder per Rad fortbewegt.
Dazu wurden eine Bestätigung des
A betr. den Zeitraum August 2008 - November 2012 sowie Ablichtungen zweier Zulassungsbescheinigungen der - nach seinen Angaben - ihm zur Verfügung stehenden Fahrzeuge vorgelegt.
Festzuhalten ist, dass laut diesen Zulassungsscheinen ein Fahrzeug Renault Megane auf Herrn
A ab und das zweite Fahrzeug Opel Vivaro als Firmenfahrzeug auf einen "X-Club" ab zugelassen wurde. Demnach steht zunächst fest, dass er erst ab Feber 2011 über ein Zweitfahrzeug verfügte.
Dazu folgende Fragen:
a) Wo genau hat sich im gesamten streitgegenständlichen Zeitraum Ihr Arbeitsplatz befunden ?
b) In welcher Beziehung sind Sie zu Herrn
A gestanden ?
c) In welcher Funktion war Herr
A bei der Firma X-Club
tätig ? Wo hat diese Firma ihren Sitz und welchen Betriebsgegenstand ?
Um Beantwortung und Beibringung allenfalls zum Nachweis noch vorhandener zweckdienlicher Unterlagen bis zum eingangs genannten Termin wird ersucht. …"

8. Obiger Vorhalt wurde durch den Postzusteller hinterlegt und als nicht behoben am dem BFG zurückgestellt.
Eine nochmalige Zustellung mit RSb-Rückschein an die Bf erfolgte nachweislich am , mit Fristsetzung zur Stellungnahme bis ; der Vorhalt blieb bis dato unbeantwortet.

II. Sachverhalt:

Die Bf, deutsche Staatsbürgerin, ist seit August 2008 durchgehend mit Wohnsitz in Österreich gemeldet, dh. bis August 2012 mit Nebenwohnsitz und anschließend bis November 2012 mit Hauptwohnsitz in A/Ort3, an welcher Wohnadresse der Freund/Lebensgefährte der Bf, Herr A/Ort3, ab Mai 2001 mit Hauptwohnsitz gemeldet ist. Ab November 2012 war die Bf mit Hauptwohnsitz in Ort1XStr1, gemeldet (ZMR-Abfragen).
Die Bf ist seit August 2008 durchgehend als Angestellte bei einer Bekleidungsfirma im Inland beruflich tätig (lt. Auszug der Sozialversicherungsdaten).
Auf die Bf als Halterin war in Deutschland unter dem Kennzeichen D111 das Gebrauchtfahrzeug der Marke Opel Astra, FIN Nr123, zugelassen, wozu sie im Dezember 2012 eine Typisierung durchgeführt und die NoVA erklärt und entrichtet hat (Typenschein; NoVA-Erklärung).
Zu diesem Fahrzeug hatte die Bf am mit Herrn B, wohnhaft in D-D/Ort2, eine Nutzungsüberlassung auf unbestimmte Dauer samt dessen pauschal 50%iger-Kostenbeteiligung (Versicherungen, Kfz-Steuer, Wartung) vereinbart (lt. Nutzungsvertrag und Kostenbeteiligungsvereinbarung v. ). Auf diesem Vertrag scheint die Bf mit selbiger Adresse in D-D/Ort2 auf.
Nach eigenen Angaben wurde das Fahrzeug zeitweise ("wenn es sich ideal ergeben hat") im Inland genutzt, da sie daneben ihre Tätigkeiten, Fahrten zur Arbeitsstelle etc. ua. auch mit öffentlichen Verkehrsmitteln, mit dem Fahrrad oder gelegentlich mit einem auf den Lebensgefährten zugelassenen Fahrzeug erledigt hat (siehe Beschwerdevorbringen; Bestätigung des A). Im Hinblick auf die mit B vereinbarte hälftige Kostentragung (50 % der Versicherungen, Steuern und Service lt. Nutzungsvereinbarung vom ) ist von einer rund hälftigen Nutzung des Fahrzeuges auch durch die Bf auszugehen. Gegenständliches Fahrzeug wurde im Dezember 2012 aufgrund der Übersiedlung der Bf nach Ort1 dauerhaft nach Österreich geholt und angemeldet (eigene Angaben; Typenschein; NoVA-Erklärung).

III. Beweiswürdigung:

Ob ein Sachverhalt als erwiesen anzunehmen ist oder nicht, ist im Rahmen der freien Beweiswürdigung zu beurteilen. Das Gericht hat dabei gemäß § 167 Abs. 2 BAO unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens in freier Überzeugung eine Tatsache als erwiesen oder nicht erwiesen anzunehmen. Dabei genügt es, von mehreren Möglichkeiten jene als erwiesen zu erachten, die gegenüber allen anderen eine überragende Wahrscheinlichkeit für sich hat (). Den erstmaligen Angaben der Abgabepflichtigen vor der Abgabenbehörde kommt dabei durchwegs eine höhere Glaubwürdigkeit zu.

Obige Sachverhaltsfeststellungen konnten aufgrund des Akteninhaltes, konkret aufgrund der durchgeführten Erhebungen, der obangeführten Unterlagen sowie teils anhand der eigenen Angaben der Bf, getroffen werden.

Bei dem daneben erstatteten Vorbringen, das Fahrzeug sei nicht nach Österreich verbracht worden bzw. habe sich weit überwiegend oder laut Vorlageantrag überhaupt in Deutschland befunden, handelt es sich um zu ihren eigenen erstmaligen Angaben widersprüchliche und auch unsubstantiierte Behauptungen. Zu dem zwecks näherer Abklärung des Sachverhaltes mit Vorhalt des BFG übermittelten umfassenden Fragenkatalog, welcher der Bf nachweislich mit RSb-Rückschein am zugestellt wurde, ist bis dato keinerlei Stellungnahme erfolgt, geschweige denn wurden hiezu erbetene zweckdienliche Unterlagen zum Nachweis vorgelegt. Im Hinblick auf die erstmaligen Angaben der Bf in Zusammenhalt mit der am mit B vereinbarten Nutzungsüberlassung muss daher wohl davon ausgegangen werden, dass eine rund 50%ige Verwendung des Fahrzeuges durch die Bf im Inland stattgefunden hat. Zu den Fragen, wie oft pro Jahr und über welche Zeiträume sich das Fahrzeug in Österreich befunden hat und in welcher Form es von D-D/Ort2 ins Inland und wieder retour verbracht wurde, konnten mangels Vorhaltsbeantwortung samt Beibringung von Nachweisen keine Feststellungen getroffen werden.
In diesem Zusammenhalt gilt festzuhalten, dass die amtswegige Ermittlungspflicht der Abgabenbehörde iSd § 115 Abs. 1 der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl 1961/194 idgF., dort eine Einschränkung erfährt bzw. ihre Grenze findet, wo eine erhöhte Mitwirkungspflicht des Abgabepflichtigen, wie beispielsweise bei Auslandssachverhalten, besteht. Bei Auslandssachverhalten tritt die amtswegige Ermittlungspflicht in den Hintergrund und trifft die Partei eine erhöhte Mitwirkungspflicht in Form der Beweismittelbeschaffungs- und Vorsorgepflicht (vgl. dazu ; u.a.).
Der sie treffenden erhöhten Mitwirkungspflicht ist die Bf gegenständlich ganz offenkundig nicht nachgekommen.

IV. Rechtslage:

Gemäß § 323 Abs. 38 Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl 1961/194 idgF., sind die am beim Unabhängigen Finanzsenat als Abgabenbehörde zweiter Instanz anhängigen Berufungen vom Bundesfinanzgericht als Beschwerden im Sinne des Art. 130 Abs. 1 B-VG zu erledigen.

A) Nach § 115 Abs. 1 Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl 1961/194 idgF., haben die Abgabenbehörden die abgabepflichtigen Fälle zu erforschen und von Amts wegen die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zu ermitteln, die für die Abgabepflicht und die Erhebung der Abgaben wesentlich sind. Diese Verpflichtung wird durch eine erhöhte Mitwirkungspflicht der Abgabepflichtigen, wie beispielsweise bei Auslandssachverhalten, eingeschränkt.
Die amtswegige Feststellungslast entbindet die Partei nicht von ihrer Offenlegungs- und Mitwirkungspflicht (vgl. ). Bei Auslandssachverhalten tritt die amtswegige Ermittlungspflicht in den Hintergrund und trifft die Partei eine erhöhte Mitwirkungspflicht in Form der Beweismittelbeschaffungs- und Vorsorgepflicht (vgl. u.a.).

B) Kraftfahrzeugsteuer:
Gemäß § 1 Abs. 1 Z 3 Kraftfahrzeugsteuergesetz 1992 (KfzStG), BGBl 1992/449 idgF., unterliegen der Kraftfahrzeugsteuer: Kraftfahrzeuge, die auf Straßen mit öffentlichem Verkehr im Inland ohne die kraftfahrrechtlich erforderliche Zulassung verwendet werden (widerrechtliche Verwendung).

Steuerschuldner ist die Person, die das Kraftfahrzeug auf Straßen mit öffentlichem Verkehr im Inland verwendet (§ 3 Z 2 KfzStG, "in allen anderen Fällen").

Die Steuerpflicht dauert bei widerrechtlicher Verwendung eines Kraftfahrzeuges (§ 1 Abs. 1 Z 3) vom Beginn des Kalendermonats, in dem die Verwendung einsetzt, und dauert bis zum Ablauf des Kalendermonats, in dem die Verwendung endet (§ 4 Abs. 1 Z 3 KfzStG 1992).

C) Kraftfahrgesetz:
Die hier zum Tragen kommenden Bestimmungen des Kraftfahrgesetzes (KFG) 1967, BGBl 267/1967 idgF., haben folgenden Inhalt:

Gemäß § 36 Kraftfahrgesetz (KFG) 1967 dürfen Kraftfahrzeuge unbeschadet der Bestimmungen u.a. des § 82 KFG 1967 über die Verwendung von Kraftfahrzeugen mit ausländischem Kennzeichen auf Straßen mit öffentlichem Verkehr nur verwendet werden, wenn sie zum Verkehr [Anm.: im Inland] zugelassen sind (§§ 37 bis 39).

Gemäß § 79 KFG 1967 ist das Verwenden von Kraftfahrzeugen und Anhängern mit ausländischem Kennzeichen, die keinen dauernden Standort im Bundesgebiet haben, auf Straßen mit öffentlichem Verkehr unbeschadet zollrechtlicher und gewerberechtlicher Vorschriften nur zulässig, wenn die Fahrzeuge vor nicht länger als einem Jahr in das Bundesgebiet eingebracht wurden und wenn die Vorschriften der §§ 62, 82 und 86 KFG 1967eingehalten werden.

Gemäß § 82 Abs. 8 KFG 1967 idgF. sind Fahrzeuge mit ausländischem Kennzeichen, die von Personen mit Hauptwohnsitz oder Sitz im Inland in das Bundesgebiet eingebracht oder in diesem verwendet werden, bis zum Gegenbeweis als Fahrzeuge mit dauerndem Standort im Inland anzusehen (= Standortvermutung). Die Verwendung solcher Fahrzeuge ohne Zulassung gemäß § 37 KFG 1967 ist nur während eines Monates ab der Einbringung in das Bundesgebiet zulässig. Nach Ablauf dieser Frist sind der Zulassungsschein und die Kennzeichentafeln der Behörde, in deren öffentlichem Wirkungsbereich sich das Fahrzeug befindet, abzuliefern.

Mit dem Erkenntnis , (bestätigt durch ) hat der Verwaltungsgerichtshof entschieden, dass die Einbringung in das Bundesgebiet gemäß § 82 Abs. 8 KFG der Einbringung gemäß § 79 KFG 1967 entspricht, sodass die Monatsfrist bis zur erforderlichen inländischen Zulassung mit jeder Verbringung des Fahrzeugs ins Ausland oder in das übrige Gemeinschaftsgebiet neu zu laufen beginnt. Der durch das BGBl I 2014/26 in diese Bestimmung eingefügte Satz "Eine vorübergehende Verbringung aus dem Bundesgebiet unterbricht diese Frist nicht" ist auf Sachverhalte anzuwenden, die nach dem verwirklicht wurden (vgl. ).

V. Erwägungen:

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (siehe zB Erkenntnis , 95/11/0378) ist das Lenken von im Ausland zugelassenen Kraftfahrzeugen (und zwar in einem der Mitgliedsstaaten eines der in § 82 Abs. 1 KFG 1967 genannten internationalen Übereinkommen) nach Maßgabe des § 82 KFG 1967 erlaubt, also ohne dauernden Standort in Österreich bis zu einer Höchstdauer von 1 Jahr (§ 79 Abs. 1 KFG).
Hat das Fahrzeug hingegen seinen dauernden Standort in Österreich, was nach § 82 Abs. 8 KFG bei Verwendung durch eine Person mit dem Hauptwohnsitz oder Sitz im Inland - unabhängig von einem weiteren Wohnsitz im Ausland - grundsätzlich (Standortvermutung) anzunehmen ist, so ist die Verwendung ohne inländische Zulassung nur für die Dauer von einem Monat nach Einbringung in das Bundesgebiet zulässig. Nach Ablauf dieser Frist fehlt dem Fahrzeug die für die Verwendung auf inländischen Straßen mit öffentlichem Verkehr erforderliche Zulassung iSd § 37 KFG 1967. Wird es trotzdem weiter verwendet, handelt es sich um ein nicht ordnungsgemäß zugelassenes Kraftfahrzeug, dessen Verwendung auf Straßen mit öffentlichem Verkehr im Inland ua. den Steuertatbestand der widerrechtlichenVerwendung gem. § 1 Abs. 1 Z 3 KfzStG 1992 idgF. erfüllt.

Angemerkt wird, dass - wie oben dargestellt - für Zeiträume der Entstehung der Steuerschuld bis die Monatsfrist nach § 82 Abs. 8 KFG mit jeder Verbringung des Fahrzeugs ins Ausland oder in das übrige Gemeinschaftsgebiet unterbrochen wurde und damit neu zu laufen begonnen hatte (siehe ua. VwGH-Erk. , 2011/16/0221), weshalb in derartigen Fällen keine widerrechtliche Verwendung vorgelegen wäre. Eine solche monatliche Auslandsverbringung wurde jedoch gegenständlich nicht einmal - weder im Beschwerdevorbringen noch mangels Vorhaltsbeantwortung - behauptet und wäre diesfalls, vorrangig durch Vorlage eines ordnungsgemäß geführten Fahrtenbuches, zu belegen gewesen bzw. hätte zumindest durch anderweitige zweckdienliche Nachweise glaubhaft gemacht werden müssen.

Abzustellen ist sohin nach obigen gesetzlichen Bestimmungen auf die Verwendung durch eine Person mit Hauptwohnsitz im Inland, um von einem dauernden Standort des Fahrzeuges im Inland auszugehen.

1. Hauptwohnsitz:

Der "ordentliche Wohnsitz" einer Person ist an dem Ort begründet, an dem sie sich in der erweislichen oder aus den Umständen hervorgehenden Absicht niedergelassen hat, ihn bis auf weiteres zum Mittelpunkt ihrer Lebensbeziehungen zu wählen. Hiebei ist es unerheblich, ob die Absicht darauf gerichtet war, für immer an diesem Ort zu bleiben (siehe Grubmann, KFG, 3. Auflage, Seite 122, 1987).

Bei mehreren Wohnsitzen vereinigt jeweils einer die stärksten persönlichen Beziehungen auf sich; demnach gibt es nur einen Mittelpunkt der Lebensverhältnisse (). Dies trifft im Normalfall für den Familienwohnsitz zu (Grubmann, aaO, S. 487).

Durch das Hauptwohnsitzgesetz, BGBl. 1994/505, wurde anstelle des "ordentlichen Wohnsitzes" der Begriff "Hauptwohnsitz" eingeführt sowie in Art. 6 Abs. 3 B-VG idF der B-VG Novelle mit BGBl 1994/504 eine verfassungesetzliche Definition des Begriffes "Hauptwohnsitz" aufgenommen, die fast wörtlich jener im Meldegesetz 1991, BGBl 1991/9 (§ 1 Abs. 6 und 7) entspricht. Demnach kann eine Person nur einen einzigen Hauptwohnsitz haben und wird zwischen Hauptwohnsitz und allfälligen weiteren "Wohnsitzen" unterschieden. Die Definition des Art. 6 Abs. 3 B-VG lautet:
"Der Hauptwohnsitz einer Person ist dort begründet, wo sie sich in der erweislichen oder aus den Umständen hervorgehenden Absicht niedergelassen hat, hier den Mittelpunkt ihrer Lebensbeziehungen zu schaffen; trifft diese sachliche Voraussetzung bei einer Gesamtbetrachtung der beruflichen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebensbeziehungen einer Person auf mehrere Wohnsitze zu, so hat sie jenen als Hauptwohnsitz zu bezeichnen, zu dem sie das überwiegende Naheverhältnis hat."

Festzuhalten ist, dass die Hauptwohnsitzmeldung für sich nur eines von mehreren Indizien im Rahmen der anzustellenden Gesamtbetrachtung aller gegebenen Umstände und Verhältnisse dahin darstellt, wo eine Person tatsächlich den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen hat. Dem Umstand, dass die Bf von August 2008 bis August 2012 "nur" mit "Nebenwohnsitz" im Inland angemeldet war, kommt insofern keinerlei ausschlaggebende Bedeutung zu.

Im Gegenstandsfalle steht fest, dass die Bf seit August 2008 bis dato durchgehend im Inland aufhältig und mit Wohnsitz, zunächst mit Nebenwohnsitz und ab August 2012 an wechselnden Adressen mit Hauptwohnsitz, gemeldet war und ist. Im streitgegenständlichen Zeitraum war sie am Hauptwohnsitz des Lebensgefährten A in A/Ort3 gemeldet und hat mit diesem zusammen gelebt. Seit August 2008 ist die Bf als Angestellte im Inland berufstätig, woraus sie hier nichtselbständige Einkünfte bezieht.

Selbst dann, wenn man - abgesehen von hiezu nicht gemachten Angaben - im Hinblick auf die in der Nutzungsvereinbarung vom zur Bf aufscheinenden deutschen Wohnadresse in D-D/Ort2 von einem - im Streitzeitraum - dortigen weiteren Wohnsitz der Bf ausgehen wollte, wäre in Anbetracht der oben dargelegten Judikatur und Literatur bei Vorliegen von mehreren Wohnsitzen nur einer hievon als "Mittelpunkt der Lebensinteressen" anzusehen. Dabei ist im Rahmen einer objektiven Betrachtung auf den "faktischen Lebensmittelpunkt" bezogen primär auf die engsten persönlichen Verhältnisse - regelmäßig auf den Familienwohnsitz - abzustellen. Dieser ist nach Ansicht des BFG grundsätzlich dort zu sehen, wo eine Person mit eigener Familie, also mit Ehepartner/Lebensgefährten und ev. gemeinsamen Kindern als den nächsten Familienangehörigen, zu dem oder denen wohl die engsten persönlichen Verhältnisse bestehen, zusammen lebt.

Im Hinblick auf den langjährigen, durchgehenden Aufenthalt der Bf in Österreich samt hier beruflicher Tätigkeit und der inländischen Wohnsitznahme zusammen mit dem Freund/Lebensgefährten ist daher im Rahmen der anzustellenden Gesamtbetrachtung deren beruflicher, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Lebensbeziehungen für das BFG im Streitzeitraum ohne jeglichen Zweifel von einem weitaus überwiegenden Naheverhältnis zum inländischen Wohnsitz und damit vom Hauptwohnsitz/Mittelpunkt der Lebensinteressen der Bf in Österreich auszugehen.

2. Verwendung:

Die Verwendung des betr. Fahrzeuges im Inland ist insofern unbestritten, als die Bf die zeitweise Verwendung im Inland selbst zugestanden hat. Hinzu kommt, dass - wie bereits ausgeführt - anhand der (nur) hälftigen Kostenbeteiligung laut Nutzungsvertrag vom jedenfalls von einer Verwendung des Fahrzeuges durch die Bf ausgegangen werden kann.

Abgesehen davon kommt der Frage der "überwiegenden Nutzung" im In- oder Ausland in Zusammenhalt mit einem ausschließlich - wie hier - für private Zwecke verwendeten Fahrzeug an sich keine rechtliche Bedeutung zu, sondern wäre nur bei betrieblich verwendeten Fahrzeugen (bei zumindest 80%iger betrieblicher Verwendung im Ausland) allenfalls von Bedeutung.

VI. Ergebnis:

Da das gegenständliche Fahrzeug mit ausländischem Kennzeichen von einer Person (Bf) mit Hauptwohnsitz im Inland im Bundesgebiet verwendet wurde, liegen alle gesetzlich maßgebenden Kriterien vor und hatte das Fahrzeug seinen dauernden Standort in Österreich. Es wäre somit nach dem KFG 1967 im Inland zuzulassen gewesen (§ 82 Abs. 8 KFG). Mangels Zulassung wurde der Tatbestand der "widerrechtlichen Verwendung" erfüllt. Ein (zulässiger) Gegenbeweis zur Widerlegung der gesetzlichen "Standortvermutung" wurde nicht erbracht.

Die Bf als Verwenderin bzw. Fahrzeughalterin iSd § 5 Abs. 1 EKHG ist gem. § 3 Z 2 KfzStG Steuerschuldnerin der Kraftfahrzeugsteuer.

Die Vorschreibung der Kraftfahrzeugsteuer für das betr. Fahrzeug Opel Astra für die Monate
7-12/2008, 1-12/2009, 1-12/2010, 1-12/2011 und 1-12/2012 gemäß § 1 Abs. 1 Z 3 KfzStG 1992, jeweils wegen widerrechtlicher Verwendung, ist daher dem Grunde nach zu Recht erfolgt.
Gegen die Steuerbemessung wurde der Höhe nach keinerlei Einwand erhoben.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Unzulässigkeit einer Revision:

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Unter welchen Tatbestandsvoraussetzungen eine "widerrechtliche Verwendung" iSd KfzStG verwirklicht ist, ergibt sich aus den bezughabenden gesetzlichen Bestimmungen. Ob bei der Bf ein Hauptwohnsitz sowie eine Verwendung des Fahrzeuges im Inland vorliegt, erschließt sich aus dem ermittelten Sachverhalt, primär im Einzelfall aus der Würdigung des erstatteten Parteivorbringens und der vorgelegten Beweismittel in Zusammenhalt mit den durchgeführten Erhebungen. Insofern waren ausschließlich Tatfragen und keine Rechtsfragen von "grundsätzlicher Bedeutung" zu lösen. Eine Revision ist daher nicht zulässig.

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 1 Abs. 1 Z 3 KfzStG 1992, Kraftfahrzeugsteuergesetz 1992, BGBl. Nr. 449/1992
§ 82 Abs. 8 KFG 1967, Kraftfahrgesetz 1967, BGBl. Nr. 267/1967
§ 115 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.3100235.2013

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at