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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 27.01.2021, RV/7102693/2014

Antrag auf Aufhebung eines von einem Nichtbescheid abgeleiteten Bescheides wurde innerhalb der in § 295 Abs. 4 BAO, idF Covid-19-StMG, BGBl I 2021/3, geregelten Frist gestellt.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***1*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch MEDMANAGEMENT WTRHD GMBH, Bösendorferstr 9, 1010 Wien, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes 9/18/19 Klosterneuburg vom betreffend die Zurückweisung des Antrages vom auf Aufhebung des gem. § 295 Abs. 1 BAO geänderten Einkommensteuerbescheides 1999 vom zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Der Zurückweisungsbescheid vom wird aufgehoben.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer (Bf.) war im Jahre 1999 zur Steuernummer ***2*** an einer KEG als Kommanditist beteiligt. Betreffend das Jahr 1999 wurde vom Finanzamt in einem Nichtfeststellungsbescheid vom ausgesprochen, dass hinsichtlich der Kommanditisten die Einkünfte nicht festgestellt werden. Dem wurde im Einkommensteuerverfahren des Bf. durch einen gem. § 295 Abs. 1 BAO geänderten Bescheid vom Rechnung getragen, in welchem die Einkünfte des Bf. auf Grundlage des Nichtfeststellungsbescheides mit Null festgesetzt worden sind.

Die im Feststellungsverfahren der KEG erhobene Berufung wies der Unabhängige Finanzsenat mit Berufungsentscheidung vom zurück. Es handelte sich hierbei um die Berufung gegen die Bescheide betreffend die einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften sowie betreffend die Nichtfeststellung von Einkünften 1999 bis 2002. Als Begründung für die Zurückweisung der Berufung führte der Unabhängigen Finanzsenat aus, dass die angefochtenen (Nicht)Feststellungsbescheide wegen einer unrichtigen Adressierung als Nichtbescheide zu beurteilen waren.

Die Berufungsentscheidung des Unabhängigen Finanzsenat wurde nachweislich am der Mitunternehmerschaft zugestellt. Die steuerliche Vertretung des Beschwerdeführers (Bf.) beantragte am den geänderten Einkommensteuerbescheid 1999 vom gem. § 295 Abs. 4 BAO wegen des Fehlens eines im Feststellungsverfahren wirksam ergangenen Bescheides aufzuheben.

Der Begründung des Aufhebungsantrages ist im Wesentlichen zu entnehmen:

Der genannte Bescheid wurde gem. § 295 Abs. 1 BAO von einem Schriftstück abgeleitet, das nach Form und Inhalt den unzutreffenden Eindruck eines (Nicht)Feststellungsbescheides erweckte. Die gegen dieses Schriftstück erhobene Berufung wurde vom Unabhängigen Finanzsenat mit Berufungsentscheidung vom , RV/2047-W/08, als unzulässig zurückgewiesen, da es sich bei diesem um einen Nichtbescheid handeln würde. § 295 Abs. 4 sei durch das AbgAG 2011, BGBl I 2011/76 in die " BAO eingefügt worden und sei als Verfahrensvorschrift auch auf vor ihrem Inkrafttreten erlassene Änderungsbescheide iSd § 295 Abs 1 BAO anzuwenden.

Das Finanzamt wies am den Aufhebungsantrag des Bf. zurück und stützte sich dabei auf § 295 Abs. 4 BAO sowie § 304 BAO. Danach seien bereits mehr als fünf Jahre ab Rechtskraft des abschließenden Bescheides (Einkommensteuerbescheid 1999) vergangen, weshalb der Antrag nicht fristgerecht gewesen wäre. Dagegen erhob der Bf. Beschwerde, die die belangte Behörde am mit Beschwerdevorentscheidung und im Wesentlichen mit der Begründung im angefochtenen Zurückweisungsbescheid abwies.

Die steuerliche Vertretung gab am schriftlich bekannt, dass der Bf. den Antrag auf Abhaltung einer mündlichen Senatsverhandlung zurücknimmt.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Es ist erwiesen, dass der gem. § 295 Abs. 1 BAO geänderte Einkommensteuerbescheid 1999 vom als abgeleiteter Bescheid auf einem (Nicht)Feststellungsbescheid, der als Nichtbescheid beurteilt wurde, beruht. Die gegen den Nichtbescheid erhobene Berufung wurde vom Unabhängigen Finanzsenat am als unzulässig zurückgewiesen und am rechtswirksam zugestellt. Eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof wurde nicht erhoben, sodass die Rechtskraft der Zurückweisung nach Ablauf der für die Beschwerdeerhebung vorgesehenen Frist am eingetreten ist. Der im Sinne des § 295 Abs. 4 BAO gestellte Antrag des Bf., den auf einen Nichtbescheid gestützten Einkommensteuerbescheid 1999 aufzuheben, wurde am gestellt.

Beweiswürdigung

Das Bundesfinanzgericht stützt sich bei dieser Feststellung auf die unstrittige Aktenlage und die Berufungsentscheidung des Unabhängigen Finanzsenat vom , RV/2047-W/08.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

§ 295 BAO idF des COVID-19-StMG, BGBl I 2021/3, lautet:

"(1) Ist ein Bescheid von einem Feststellungsbescheid abzuleiten, so ist er ohne Rücksicht darauf, ob die Rechtskraft eingetreten ist, im Fall der nachträglichen Abänderung, Aufhebung oder Erlassung des Feststellungsbescheides von Amts wegen durch einen neuen Bescheid zu ersetzen oder, wenn die Voraussetzungen für die Erlassung des abgeleiteten Bescheides nicht mehr vorliegen, aufzuheben. Mit der Änderung oder Aufhebung des abgeleiteten Bescheides kann gewartet werden, bis die Abänderung oder Aufhebung des Feststellungsbescheides oder der nachträglich erlassene Feststellungsbescheid rechtskräftig geworden ist.

(2) Ist ein Bescheid von einem Abgaben-, Meß-, Zerlegungs- oder Zuteilungsbescheid abzuleiten, so gilt Abs. 1 sinngemäß.

(2a) Ist ein Bescheid von einem Bescheid gemäß § 48 Abs. 2 oder 4 abzuleiten, ist er ungeachtet des Eintritts der Rechtskraft oder der Verjährung im Fall der nachträglichen Erlassung oder Aufhebung des Bescheides von Amts wegen aufzuheben oder insoweit abzuändern, als der Bescheid sich auf den Spruch des abgeleiteten Bescheides auswirkt.

(3) Ein Bescheid ist ohne Rücksicht darauf, ob die Rechtskraft eingetreten ist, auch ansonsten zu ändern oder aufzuheben, wenn der Spruch dieses Bescheides anders hätte lauten müssen oder dieser Bescheid nicht hätte ergehen dürfen, wäre bei seiner Erlassung ein anderer Bescheid bereits abgeändert, aufgehoben oder erlassen gewesen. Mit der Änderung oder Aufhebung des Bescheides kann gewartet werden, bis die Abänderung oder Aufhebung des anderen Bescheides oder der nachträglich erlassene andere Bescheid rechtskräftig geworden ist.

(4) Wird eine Bescheidbeschwerde, die gegen ein Dokument, das Form und Inhalt eines

- Feststellungsbescheides (§ 188) oder eines

- Bescheides, wonach eine solche Feststellung zu unterbleiben hat, gerichtet ist, als nicht zulässig zurückgewiesen, weil das Dokument kein Bescheid ist, so sind auf das Dokument gestützte Änderungsbescheide (Abs. 1) auf Antrag der Partei (§ 78) aufzuheben. Der Antrag ist innerhalb eines Jahres ab Rechtskraft der Zurückweisung zu stellen. Der an die Stelle des aufgehobenen Bescheides tretenden Abgabenfestsetzung steht, soweit sie im das Dokument ersetzenden Bescheid enthaltene Feststellungen übernimmt, der Eintritt der Verjährung nicht entgegen, wenn die Festsetzung innerhalb eines Jahres ab Aufhebung erfolgt. § 209a Abs. 2 erster Satz gilt sinngemäß, wenn gegen den das Dokument ersetzenden Bescheid fristgerecht Beschwerde erhoben wird. (BGBl I 2021/3).

(5) Die Entscheidung über Aufhebungen und Änderungen nach den Abs. 1 bis 3 steht der Abgabenbehörde zu, die für die Erlassung des aufzuhebenden bzw. zu ändernden Bescheides zuständig war oder vor Übergang der Zuständigkeit als Folge einer Bescheidbeschwerde oder einer Säumnisbeschwerde (§ 284 Abs. 3) zuständig gewesen wäre. Ist die diesbezügliche Zuständigkeit auf eine andere Abgabenbehörde übergegangen, so steht die Entscheidung der zuletzt zuständig gewordenen Abgabenbehörde zu.

Der VfGH hat den letzten Satz des § 295 Abs 4 BAO, BGBl Nr. 194, 1961, zuletzt geändert durch BGBL I Nr. 62/2019, als verfassungswidrig aufgehoben ().

Der § 295 Abs. 4 BAO in der aktuell angegebenen Fassung bestimmt ab dem eine Frist für die Einbringung der Anträge auf Aufhebung von abgeleiteten auf einen rechtsunwirksamen Feststellungsbescheid gestützten Bescheiden. Danach ist ein solcher Aufhebungsantrag innerhalb eines Jahres ab Rechtskraft der Zurückweisung zu stellen. Daraus folgt für den konkreten Fall, dass der am gestellte Aufhebungsantrag rechtzeitig innerhalb eines Jahres ab Rechtskraft der zurückweisenden Entscheidung des Unabhängigen Finanzsenat () gestellt wurde.

Zur Anwendung von geänderten verfahrensrechtlichen Vorschriften ist nach der Judikatur des VwGH auszuführen, dass im Allgemeinen das neue Recht ab dem Zeitpunkt seines Inkrafttretens anzuwenden ist, und zwar auch auf solche Rechtsvorgänge, die sich vor Inkrafttreten des neuen Verfahrensrechtes ereignet haben (vgl.).

Das bedeutet, dass nach der aktuellen Fassung des § 295 Abs. 4 BAO Aufhebungsanträgen, die innerhalb eines Jahres ab Rechtskraft der im Feststellungsverfahren getroffenen Beschwerdezurückweisung gestellt wurden, durch Aufhebung des abgeleiteten Bescheides (§ 295 Abs. 1 BAO) stattzugeben ist.

Demnach war der vorliegenden Beschwerde gegen den allein den Verfahrensgegenstand bildenden Bescheid vom , mit dem das Finanzamt den Antrag des Bf. vom unter Hinweis auf § 295 Abs. 4 BAO und § 304 BAO idF BGBl I 2013/14 zurückgewiesen hat, Folge zugeben.

Durch die Aufhebung ist der Antrag auf Bescheidaufhebung gemäß § 295 Abs. 4 BAO wiederum unerledigt.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt nicht vor, da sich die Beantwortung der Frage der Rechtzeitigkeit des gestellten Aufhebungsantrages aus der aktuell anzuwendenden Fassung des § 295 Abs. 4 BAO ableitet.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 295 Abs. 4 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 295 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.7102693.2014

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at