TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 26.01.2021, RV/7103401/2020

kein Verspätungszuschlag mangels Verschulden

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Regina Vogt in der Beschwerdesache[...], [...], vertreten durch Friedrich Setik, Am Spitz 7 Tür 1, 1210 Wien, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Verhängung eines Verspätungszuschlages hinsichtlich Einkommensteuer2017 zu recht erkannt:

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Die Umsatz-und Einkommensteuererklärung für das Jahr 2017 wurden am versendet und wären bis einzureichen gewesen.

Der Beschwerdeführer (Bf.) wurde erstmals mit Erinnerung vom aufgefordert, die Umsatz-und Einkommensteuererklärung für das Jahr 2017 bis zum einzureichen.

Mit einer weiteren Erinnerung vom wurde er unter Androhung einer Zwangsstrafe aufgefordert, die Erklärungen bis zum einzureichen.

Am stellte der Bf. einen Antrag auf Fristverlängerung bis , da noch Unterlagen aus Deutschland und den USA ausständig seien.

Dieser Antrag wurde mit Bescheid vom abgewiesen.

Mit Bescheiden vom erfolgte die Schätzung der Besteuerungsgrundlagen gem. § 184 BAO.

Dabei wurde die Einkommensteuer mit € 320.110.- festgesetzt.

Gleichzeitig wurde ein Bescheid betreffend Verhängung eines Verspätungszuschlages hinsichtlich Einkommensteuer 2017 ausgefertigt und zwar wegen "Nichtabgabe der Steuererklärung" und mit 0,60 v.H. von 320.110,00 €, somit i.H. von 1.920,66 € festgesetzt.

Zur Begründung wurde auf die Bestimmungen des § 135 BAO verwiesen.

Gegen die Steuerbescheide wurde unter Vorlage der Steuererklärungen am Beschwerde erhoben.

Der Beschwerde wurde mit Beschwerdevorentscheidung vom stattgegeben und die Einkommensteuer mit € 1,190.664.- festgesetzt.

Mit gleichem Tag erging ein Bescheid gem. § 295 Abs. 3 BAO, mit dem der Verspätungszuschlag betreffend die Einkommensteuer für das Jahr 2017 "wegen Nichtabgabe der Steuererklärung" mit 7,40 v.H. von € 1.190.664.-, somit mit € 88.109,13 festgesetzt wurde.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die gegenständliche Beschwerde vom , in der der steuerliche Vertreter vorbrachte, Herr Dr. F sei seit April 2018 schwer krank und habe daher seiner Verpflichtung, die Steuererklärungen rechtzeitig einzureichen nicht nachkommen können.

Wie den angefügten Dokumenten entnommen werden könne, sei Herr Dr. F seit April 2018 zunehmend verwirrt und habe sich einer Gehirnoperation unterziehen müssen. Seitdem sei ein Kontakt mit ihm sehr schwer herzustellen und eine Unterredung fast unmöglich geworden. Da in letzter Zeit eine kleine Besserung bemerkbar geworden sei, seien die Steuererklärungen sofort zur Unterschrift vorgelegt und auch eingereicht worden. Als Nachweis für dieses Vorbringen wurde der Patientenbrief jener Klinik, in der die Operation durchgeführt worden war, beigelegt.

Die Beschwerde wurde mit Beschwerdevorentscheidung vom 6.5.202 als unbegründet abgewiesen und zur Begründung folgendes-auszugsweise- ausgeführt:

"Die verspätete Abgabe der Erklärungen 2017 ist insofern nicht entschuldbar, da laut Aktenlage alle Abgabenerklärungen der Jahre 2005 bis 2017 ( mit Ausnahme des Jahres 2015 ) immer verspätet abgegeben wurden….

Jedes Jahr wurden die Bemessungsgrundlagen geschätzt und jedes Jahr wurde gegen die Schätzung Beschwerde erhoben…

Der im April 2018 durchgeführte ärztliche Eingriff bei Herr Dr. F rechtfertigt somit nicht die verspätete Einreichung der Erklärungen 2017 im Wege der Beschwerde am …..

Da die Verspätung nicht entschuldbar war (wobei leichte Fahrlässigkeit als Verschuldungsgrad ausreicht) erscheint die Verhängung des Verspätungszuschlages gerechtfertigt….

Der Verspätungszuschlag bleibt in vorgeschriebener Höhe, d.s. € 86.188,40, bestehen…."

Dagegen richtet sich der Vorlageantrag vom , in dem der Bf. bzw. dessen Vertreter einerseits die Feststellung der Nichtigkeit des angefochtenen Bescheides mangels Zustellung und andererseits die Behebung des angefochtenen Bescheides sowie die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragte.

Im Zuge des weiteren Verfahrens beim Bundesfinanzgericht wurde der Bf. ersucht, zu dem behaupteten Zustellmangel Stellung zu nehmen.

Folgende aktenkundige Tatsachen wurden dem Bf. vorgehalten:

"Lt. Mitteilung der belangten Behörde hat Ihr steuerlicher Vertreter am um 10:11 über FinanzOnline seine Zustellvollmacht bekanntgegeben.

Der Vorlageantrag richtet sich ausdrücklich gegen den Bescheid der belangten Behörde vom , mit dem der Bescheid vom über die Verhängung eines Verspätungszuschlages gem. § 295 Abs. 3 BAO geändert wurde.

Der Bescheid vom wurde an Sie als Partei zu Handen Ihres ausgewiesenen Vertreters adressiert und an Herrn Setik elektronisch zugestellt."

Der Bf. äußerte sich dazu nicht.

Mit einem weiteren Schreiben vom wurde der Bf. ersucht, noch näher zu bergründen, warum die Erklärungsabgabe erst verspätet erfolgt sei.

In der Stellungnahme vom 21.12.020 führte der Bf. auszugsweise wie folgt aus: Aus dem beiliegenden Schreiben der zuständigen Buchführungsstelle gehe hervor, "dass Herr Dr. F bei der verspäteten Abgabe der Steuererklärungen weder fahrlässig noch vorsätzlich gehandelt hat, sondern vielmehr durch seine schwere Erkrankung nicht in der Lage war, die Unterlagen rechtzeitig beibringen zu können.

Im Beschwerdeverfahren ist es zu keinerlei Erhebungen hinsichtlich der verspäteten Abgabe gekommen. Es wurde vielmehr der höchste Verspätungszuschlag in Höhe von 10 % angesetzt. Da es sich hierbei um eine Ermessensentscheidung handelt, ist den besonderen Umständen von Herrn Dr. F insofern nicht Rechnung getragen worden, als über ihn die Höchststrafe verhängt worden ist. Unter diesen Umständen wäre ein Nichtfestsetzung, die im Vorlageantrag vom Verspätungszuschlag angeregt wurde eher adäquat….

Das erwähnte Schreiben der Buchhaltungsstelle wird wie folgt auszugsweise wiedergegeben:

"Als zuständige Buchführungsstelle und auf Grund der laufenden Betreuung von Herrn Dr.F, haben wir mit diesem auf Grund des von Frau Mag. Ri uns zugeleiteten Schreibens mit ihm Kontakt aufgenommen. Es wurde uns nochmals nachstehender Sachverhalt von Dr. F ausführlich dargelegt.

Der Mandant hat seit dem Jahr 2017 gesundheitliche Probleme gehabt, die sich in Form von Gleichgewichtsstörungen und Schwindel ausgedrückt haben. Diese Probleme haben in der Folge auch zu mehreren Stürzen geführt, sodass Herr Dr. F in seiner Bewegungsfreiheit eingeschränkt war. Da diese Umstände vermehrt aufgetreten sind, musste sich Herr Dr.F am einer Operation xx unterziehen, wobei der Kopf beidseitig schläfenseitig geöffnet wurde. Seit diesem Zeitpunkt muss er sich periodischen, medizinischen Untersuchungen unterziehen, wobei diese von Frau Dr. med. sH vorgenommen werden.

Soweit es die Abgabe der Erklärungen 2017 betrifft, waren auf Grund der in diesem Jahr erfolgten Lizenzabfindung für 5 Jahre durch die Firma XY umfangreiche Auskünfte, bzw. Beibringung von Unterlagen erforderlich (siehe Beilage zu den Erklärungen 2017). Viele damit zusammenhängende Fragen konnten erst durch Mithilfe des von Herrn Dr. F betrauten Rechtsanwaltes bzw. mit Vertretern der Firma XY, sowohl in Jena (DE) wie auch in Polen erstellt werden. Dies war leider mit erheblichen Verzögerungen verbunden. …..

Der Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde mit Schreiben vom zurückgezogen.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Der Beschwerdeführer litt bereits im Jahr 2017 unter gesundheitlichen Problemen, die schließlich zu einer Operation im April 2018 führten. Auch in weiterer Folge blieb der Gesundheitszustand angegriffen.

Im Jahr 2017 kam es zu Einkünften in beträchtlicher Höhe aus dem Verkauf von Lizenzrechten.

Trotz anwaltlicher Vertretung war das für die Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen zuständige Buchhaltungsbüro auf die Kooperation mit Dr. F angewiesen.

Beweiswürdigung

Beweis wurde aufgenommen durch Einsicht in die von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakten, die elektronisch vorgelegte Umsatz-sowie Einkommensteuererklärung für das Jahr 2017 und die vom Bf. im Zuge des Verfahrens vorgelegten Unterlagen hinsichtlich seines Gesundheitszustandes, so wie in den Entscheidungsgründen dargestellt.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. (Abweisung/Abänderung/Stattgabe)

Der in der Beschwerde erhobene Vorwurf der Nichtigkeit infolge eines Zustellmangels des gegenständlichen Bescheides wurde im weiteren Verfahren nicht mehr aufrechterhalten, bzw. nicht näher begründet.

Da somit die bereits in den Entscheidungsgründen dargestellten Fakten hinsichtlich der Zustellung unwidersprochen blieben, geht das Bundesfinanzgericht von einer rechtswirksamen Zustellung des Bescheides aus.

Gemäß § 167 Abs. 2 BAO hat im übrigen die Abgabenbehörde unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnissedes Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht.

Der Grundsatz der freien Beweiswürdigung bedeutet, dass alle Beweismittel grundsätzlich gleichwertig sind und es keine Beweisregeln (keine gesetzliche Rangordnung, keine formalen Regeln) gibt. Ausschlaggebend ist der innere Wahrheitsgehalt der Ergebnisseder Beweisaufnahme (zB ; , 97/16/0067; , 2001/17/0017; , 2004/16/0232) (Ritz BAO6, § 167 Tz 6).

Nach ständiger Rechtsprechung genügt es, von mehreren Möglichkeiten jene als erwiesen anzunehmen, die gegenüber allen anderen Möglichkeiten eine überragende Wahrscheinlichkeit oder gar die Gewissheit für sich hat und alle anderen Möglichkeiten absolut oder mit Wahrscheinlichkeit ausschließt oder zumindest weniger wahrscheinlich erscheinen lässt (zB ; , 2006/15/0301; , 2011/16/0011; , 2009/17/0132). (Ritz BAO6, § 167 Tz 8.).

Gemäß § 135 BAO kann die Abgabenbehörde Abgabepflichtigen, die die Frist zur Einreichung einer Abgabenerklärung nicht wahren, einen Zuschlag bis 10% der festgesetzten Abgabe (Verspätungszuschlag) auferlegen, wenn die Verspätung nicht entschuldbar ist; solange die Voraussetzungen für die Selbstberechnung einer Abgabe durch den Abgabepflichtigen ohne abgabenbehördliche Festsetzung gegeben sind, tritt an die Stelle des festgesetzten Betrages der selbstberechnete Betrag. Dies gilt sinngemäß, wenn nach den Abgabenvorschriften die Selbstberechnung einer Abgabe einem abgabenrechtlich Haftungspflichtigen obliegt. Verspätungszuschläge, die den Betrag von 50 € nicht erreichen, sind nicht festzusetzen.

Die Verhängung von Verspätungszuschlägen setzt voraus, dass ein Abgabepflichtiger die Frist bzw. Nachfrist zur Einreichung einer Abgabenerklärung nicht einhält und dass dies nicht entschuldbar ist (Ritz, BAO6, § 135 Tz 4). Weiters liegt die Festsetzung dem Grunde und der Höhe nach im Ermessender Abgabenbehörde.

Eine Verspätung ist nicht entschuldbar, wenn den Abgabepflichtigen daran ein Verschulden trifft; bereits leichte Fahrlässigkeit schließt die Entschuldbarkeit aus (; , , , , Ro 2014/13/0037).

Erwiesenermaßen unterschied sich die Einkünfteerzielung des Jahres 2017 von ihrem Umfang und ihrer Komplexität her von jener der Vorjahre.

Das Bundesfinanzgericht geht auf Grund der geschilderten Sachlage in freier Beweiswürdigung davon aus, dass der Gesundheitszustand des Bf. auch bereits vor der Operation angegriffen war.

Wenn der Bf. vorbringt, dass trotz der Operation im April 2018 sein Gesundheitszustand ihn auch weiterhin daran hinderte im erforderlichen Ausmaß bei der Erstellung der Jahreserklärungen für 2017 mitzuwirken, so ist dies eine Behauptung, der nicht damit entgegengetreten werden kann, dass die Operation allein diese Mitwirkung in der Folge möglich gemacht hätte. Vielmehr ist auf Grund des Vorbringens wie in den Entscheidungründen dargestellt, davon auszugehen, dass der Gesundheitszustand des Bf. auch in weiterer Folge beeinträchtigt war. Dass es dem Bf. auch schon vor dem möglich gewesen wäre, die Steuererklärungen abzugeben, kann daher nicht mit der an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit angenommen werden.

Mangels Verschulden des Bf. an der verspäteten Abgabe der Erklärungen für 2017 war daher die Verhängung eines Verspätungszuschlages nicht zulässig und spruchgemäß zu entscheiden.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Da sich der Verwaltungsgerichtshof bereits mehrfach mit der Verschuldensfrage i.Z. mit der Verhängung eines Verspätungszuschlages befasst hat, war die Revision auszuschließen.

Wien, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 135 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.7103401.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at