Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 20.01.2021, RV/7102185/2020

Differenzzahlungen Familienbeihilfe

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den RichterC in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 2/20/21/22 vom betreffend Rückforderung Differenzzahlung/Familienbeihilfe und Kindergeld Juli bis Dezember 2019 zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

An Differenzzahlungen Familienbeihilfe werden € 1.183,87 und an Kindergeld € 265,41 für Juli bis Dezember 2019 rückgefordert. Die detaillierte Auflistung der monatlichen Auszahlungsbeträge ist der Aufstellung im Erkenntnis zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Sachverhalt:

Der Beschwerdeführer (Bf.) ist polnischer Staatsbürger und Vater zweier, 4/2008 und 10/2000, geborener Kinder. Er hat Wohnsitz und ständigen Aufenthalt in Österreich und geht einer nichtselbständigen Erwerbstätigkeit nach.

Die Kinder leben mit der Gattin des Bf. in einem gemeinsamen Haushalt in Polen.

Die Gattin ist in Polen als Landwirtin sozialversichert. Die Kinder sind, laut Bestätigung der polnischen Behörden, bei der Mutter mitversichert.

Gegenüber diesen Behörden erklärte diese, dass sich ihr Gatte in Österreich aufhält, regelmäßig alle zwei Wochen, sie und die Kinder in Polen besuche und Geld für den Lebensunterhalt in Höhe von € 300 bis € 800 übergibt. Im Akt befindet sich keine Verzichtserklärung auf Familienbeihilfe der Gattin, zugunsten des Bf.

Den vorgelegten Unterlagen der polnischen Behörden ist zu entnehmen, dass der Bf. an seiner polnischen Adresse "für den vorübergehenden Aufenthalt" gemeldet ist. Nach dem in diesem Zusammenhang übermittelten Formular E 401, wird der Familienstand mit "verheiratet, getrennt lebend" angegeben.

Der Arbeitgeber des Bf. gibt in einer Mitteilung vom an, dass der Bf. sich überwiegend in Österreich aufhält, hier einer Vollzeitbeschäftigung nachgeht und er etwa jedes zweite Wochenende zu seiner Familie nach Polen fährt.

Im Zuge des Informationsaustausches teilten die polnischen Behörden mit, dass die Mutter am einen Antrag auf Familienleistungen "500 +" gestellt hat und ab bis für das jünger, 2008 geborene Kind, Leistungen in Höhe von 500 Zloty monatlich zuerkannt erhielt.

Der Bf. erhielt im streitgegenständlichen Zeitraum in Österreich folgende Differenzzahlungen aus dem Titel Familienbeihilfe und Kindergeld:


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Jul.19
DZ
71,46
KG
29,49
€ 100,95
Aug.19
DZ
71,46
KG
29,49
€ 100,95
Sep.19
DZ
71,46
KG
29,49
€ 100,95
Sep.19
DZ
50,5
€ 50,50
Okt.19
DZ
71,46
KG
29,49
€ 100,95
Okt.19
DZ
6.19-9.19
78,64
314,56
DZ
90,56
KG
6.19-10.19
29,49
117,96
€ 552,57
Nov.19
DZ
162,02
KG
58,98
€ 221,00
Dez.19
DZ
162,02
KG
58,98
€ 221,00
Gesamt ausbezahlt
€ 1.448,87

Die Beträge wurden nachweislich laufend auf das, vom Bf. in seinem Familienbeihilfenantrag angeführte, österreichische Bankkonto überwiesen.

Das Finanzamt forderte, mit Bescheid vom , für das jünger, 2008 geborene Kind, des Bf., von diesem für den Zeitraum 7/2019 bis 12/2019, einen Teil der erhaltenen Zahlungen (in Summe € 696,63) zurück und wies in der Begründung auf den seit 7/2019 bestehenden Anspruch auf Familienleistungen "500+" in Polen hin.

Der Bf. erhob gegen diesen Bescheid fristgerecht Rechtsmittel und wandte ein, dass die Summe von € 696,63 nicht korrekt sei, weil dieser Betrag im Zeitraum Juni bis Dezember 2019 überhaupt nicht an ihn ausbezahlt worden sei. Was nach - einem nicht näher bezeichneten - Verfassungsgerichtsurteil nicht korrekt sei.

Das Finanzamt wies die Beschwerde mittels Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet ab, und führte aus, dass die Kürzung der Differenzzahlung, von ursprünglich 500 Zloty auf 1000 Zloty korrigiert wurde, da in Polen ab Juli 2019 zusätzlich 500, Zloty, auch für das erste oder ältere Kind zusätzlich zum bereits bestehenden Anspruch auf Kindergeld ausbezahlt werden.

Der Bf. beantragte fristgerecht die Vorlage an das Bundesfinanzgericht. Er führte aus, dass für seine ältere 2000 geborene Tochter keinen Anspruch aus dem Programm 500+ Familie bestehe, da diese bereits volljährig sei.

Das Finanzamt legte die Akten an das BFG vor.

Rechtslage und Erwägungen:

Gemäß § 2 Abs. 2 FLAG 1967 hat jene Person Anspruch auf Familienbeihilfe, zu deren Haushalt das Kind gehört. Eine Person, zu deren Haushalt das Kind nicht gehört, die jedoch die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trägt, hat dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn keine andere Person nach dem ersten Satz anspruchsberechtigt ist.

Gemäß § 2 Abs. 5 FLAG 1967 gehört ein Kind dann zum Haushalt einer Person, wenn es bei einheitlicher Wirtschaftsführung eine Wohnung mit dieser Person teilt.

Das Finanzamt hat dem Bf. Ausgleichszahlungen an Familienbeihilfe und Kindergeld wohl wegen dessen überwiegenden Unterhaltsleistungen für die Kinder zuerkannt.

Diese Rechtsansicht ist, aufgrund der Judikatur des EuGH's, nicht aufrecht zu erhalten.

Der EuGH hat in seinem Erkenntnis vom , C-378/14, Rechtssache Trapowski befunden:

"Der Gerichtshof setzt sich in diesem Erkenntnis insbesondere mit der Fiktion des Art. 60 Abs. 1 Satz 2 auseinander (siehe RZ 34, 36, 41).

Demnach ist, was das Recht einer Person zur Erhebung eines Leistungsanspruches anbelangt, die Situation der gesamten Familien in einer Weise zu berücksichtigen, als würden alle beteiligten Personen unter die Rechtsvorschriften des betroffenen Mitgliedstaaten fallen und dort wohnen.

Wenn demnach der leibliche Vater durch seine Erwerbstätigkeit eine Zuständigkeit Österreichs auslöst, sind nach der in Rede stehenden Bestimmung die beteiligten Personen - also Mutter und Kind - als in Österreich aufhältig zu betrachten. In diesem Fall sieht das FLAG 1967 - der EuGH repliziert ja auch die nationalen Rechtsvorschriften - einen vorrangen Anspruch für die haushaltszugehörige Person - also in diesem Fall der Mutter - vor."

Die Erwerbstätigkeit des Bf. führt dazu, dass die Verordnung EG 883/2004 zur Anwendung gelangt. Diese Verordnung ist vom BFG unmittelbar anzuwenden und die Entscheidung des EuGH's führt im Ergebnis dazu, dass die Mutter und die Kinder, wiewohl nicht in Österreich aufhältig oder beschäftigt, rechtlich so zu behandeln sind, also ob sie ihren Wohnsitz in Österreich hätte.

Gemäß § 2 Abs. 2 erster Satz FLAG 1967 hat die Mutter der mit ihr im gemeinsamen Haushalt lebenden Kinder Anspruch auf österreichische Familienbeihilfe bzw. auf geminderte Differenzzahlungen, da auch Leistungen in Polen bezogen werden, diese jedoch betragsmäßig unter jenen in Österreich liegen. Dieser Anspruch geht gemäß § 2 Abs. 2 letzter Satz FLAG 1967 dem Anspruch des Bf. vor.

Das Gericht ist aufgrund der übereinstimmenden Bekundungen des Bf., seiner Gattin, dessen Arbeitgeber und der Informationen der polnischen Behörden, der Überzeugungen, dass der Bf. dauernden Aufenthalt und Mittelpunkt der Lebensinteressen in Österreich hat. Der Familienwohnsitz in Polen ist für den Bf. nur noch ein fallweiser Nebenwohnsitz für die Dauer der Besuche in Polen. Es ist die Gattin die im gemeinsamen Haushalt mit den Kindern lebt und dieses versorgt. Der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass dem Akt keine Erklärung der Gattin zu entnehmen ist, wonach diese, zugunsten ihres Gatten, auf Leistungen nach dem FLAG verzichtet hätte. Da kein gemeinsamer Haushalt der Eheleute vorliegt, wäre ein derartiger hypothetischer Verzicht, ohnedies unzulässig.

Die Gattin und nicht der Bf. hat also auf Anspruch auf Familienbeihilfe und Kindergeld bzw. Ausgleichszahlung gem. Verordnung EG 883/2004.

Auch wenn der Bf. dies in seiner Beschwerde in Abrede stellt, so ist das Gericht aufgrund der vorliegenden Beweise überzeugt, dass der Bf. die im Sachverhalt dargestellten Zahlungen in Gesamthöhe von € 1.448,87 auf sein Konto überwiesen erhalten hat.

Was der Bf., in diesem Zusammenhang, mit seinem Hinweis auf ein, nicht näher bezeichnetes Verfassungsgerichtsurteil, zu begründen hofft, erschließt sich dem Gericht nicht. Das der Bf. auch auf den Monat Juni 2019 Bezug nimmt, der gar nicht Gegenstand des Verfahrens ist, ist wohl nur ein Irrtum.

Es mag sein, dass für das ältere Kind des Bf. in Polen keine zusätzlichen Ansprüche aus Familienleistungen bestehen. Das jüngere Kind, auf das sich der Rückforderungsbescheid ausdrücklich beschränkt, hat jedoch unstrittig Anspruch auf die üblichen Familienleistungen und zusätzlich auf jene aus dem Programm Familie 500+. Insoweit sind etwaigen Leistungen in Österreich zweifellos zu kürzen.

Da der Bf. jedoch überhaupt keinen Anspruch auf Leistungen hat, bedarf es keiner abschließenden Klärung Seitens des Gerichts, wie hoch die Ansprüche bzw. Leistungen in Polen waren und sind. Die kann und wird in einem etwaigen Antragsverfahren der Kindesmutter durch Vorlage entsprechender Bestätigungen polnischer Behörden nachzuweisen und damit abschließend zu klären sein.

Gemäß § 26 FLAG 1967 sind zur unrecht bezogenen Beihilfen zurückzufordern. Dies bezieht sich auch auf das Kindergeld gemäß § 33 EStG.

Der Bf. hat im streitgegenständlichen Zeitraum in Summe € 1.448,87 zu Unrecht erhalten, welche gänzlich rückzufordern sind.

Davon waren Differenzzahlungen/Familienbeihilfe € 1.183,46 und an Kindergeld € 265,41. Die jeweiligen monatlich erhaltenen Zahlungen, sind der obigen Darstellung im Sachverhalt zu entnehmen.

Es war daher insoweit spruchgemäß zu entscheiden.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Lösung der entscheidungswesentlichen Rechtsfrage ist bereits abschließend durch den dafür zuständigen EuGH erfolgt und das Erkenntnis des Gerichts basiert im Übrigen ausschließlich auf geltendem innerstaatlichen Recht, die Revision war daher nicht zuzulassen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.7102185.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at