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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 14.01.2021, RV/7104764/2020

Grenzgängereigenschaft eines nebenberuflichen Lehrbeauftragten

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Dieter Fröhlich über die Bescheidbeschwerde vom des Herrn ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, Deutschland wohnhaft, gegen den Bescheid des Finanzamtes Bruck Eisenstadt Oberwart, vom , Antragsnummer: ***, betreffend Abweisung des Antrages vom auf Rückzahlung von Abzugssteuer (Lohnsteuer 2019) auf Grund des Artikel 27 des Doppelbesteuerungsabkommens mit Deutschland

zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben und antragsgemäß die im Jahr 2019 entrichtete Lohnsteuer in Höhe von Euro 1.366,80 gemäß § 240a BAO und Art. 15 Abs. 6 i.V.m. Art 27 DBA-Deutschland erstattet.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang und Sachverhalt:

Der Beschwerdeführer (Bf.) beantragte mit Anbringen vom die Rückzahlung von im Jahr 2019 im Abzugswege erhobener Lohnsteuer in Höhe von Euro 1.366,80.

Der Bf. ist in Deutschland ansässig und war - wie bereits in den Vorjahren - für die Fachhochschule Vorarlberg (FH) als Lehrbeauftragter tätig. Der Bf. unterrichtete an der FH von bis Mikroökonomie im Umfang von 67 Lehreinheiten. Von der Fachhochschule wurde mit dem Bf. ein freier Dienstvertrag für nebenberufliche Lehrbeauftragte nach § 7 FHStG abgeschlossen und ihm eine Gesamtvergütung von Euro 6.834 ausbezahlt. Davon hat die Fachhochschule wegen Vorliegens von Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gemäß § 25 Abs. 1 Z. 5 i.V.m. § 47 EStG Lohnsteuer einbehalten und abgeführt. Auf diese Steuerrechtslage wurde in Punkt 5.2. des Dienstvertrages vom ausdrücklich hingewiesen.

Der Bf. führte in dem Rückzahlungsantrag begründend aus, dass die Vergütung für seine nebenberufliche Lehrtätigkeit an der FH-Vorarlberg unter die Einkünfte aus selbständiger Arbeit nach Art 14 DBA-Deutschland falle und demgemäß dem Ansässigkeitsstaat Deutschland das Besteuerungsrecht zustehe. Diese Rechtsauffassung sei auch von seinem deutschen Wohnsitzfinanzamt (FA Ravensburg) vertreten worden und bei seiner Einkommenssteuerveranlagung 2019 von dem Honorar für die Lehrtätigkeit in Österreich deutsche Einkommensteuer erhoben worden (Beweis: Schreiben des FA Ravensburg v. betr. Einspruch).

Mit Bescheid vom wies das Finanzamt Bruck Eisenstadt Oberwart (FA) den Rückzahlungsantrag als unbegründet ab, weil nach Art. 3 Abs. 2 DBA-Deutschland für die Beurteilung, ob diesbezüglich Einkünfte aus selbständiger oder aus nichtselbständiger Arbeit vorliegen, die Bestimmungen des innerstaatlichen Rechts maßgebend seien. Im § 25 Abs. 1 Z. 5 EStG 1988 werde normiert, dass Bezüge von Vortragenden, Lehrenden und Unterrichtenden, die eine Tätigkeit im Rahmen eines von der Bildungseinrichtung vorgegebenen Studien-, Lehr-oder Stundenplanes ausüben, Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit sind, und zwar auch dann, wenn mehrere Wochen- oder Monatsstunden zu Blockveranstaltungen zusammengefasst werden.

Aufgrund der vorgelegten Unterlagen gelangte die Abgabenbehörde zu dem Ergebnis, dass der Bf. mit den vereinbarten und geleisteten 67 Unterrichtseinheiten im Sommersemester 2019 regelmäßig an Fachhochschule tätig geworden ist. Das gesetzliche Mindestmaß an Eingliederung in die Organisation einer Bildungseinrichtung werde bereits erreicht, wenn durchschnittlich mindestens eine Semesterwochenstunde im Rahmen eines Studien-, Lehr- oder Stundenplanes geleistet werde, wobei auch eine geblockte Lehrverpflichtung nichts ändere. Die Lehrtätigkeit des Bf. habe damit eindeutig den Tatbestand der Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit nach § 25 Abs. 1 Z. 5 EStG erfüllt. Somit käme gemäß Art 15 Abs 1 DBA-Deutschland dem Tätigkeitsstaat Österreich das finale Besteuerungsrecht an den "Lohneinkünften" zu und sei der Rückzahlungsantrag deshalb abzulehen gewesen.

Der Bf. erhob mit Schreiben vom gegen den Abweisungsbescheid vom frist- und formgerecht Beschweidbeschwerde und beantragte seinem Rückzahlungsantrag stattzugeben. Die Rückzahlung der im Zusammenhang mit der Lehrtätigkeit an der FH Vorarlberg geleisteten Lohnsteuer sei auch in den Vorjahren stets anstandslos erfolgt. Es gebe keinen Grund weshalb das FA nun das Antragsjahr 2019 ablehnend behandelt.

Aus dem mit der FH abgeschlossenen Dienstvertrag für nebenberufliche Lehrbeauftragte gemäß § 7 FHStG ergebe sich zweifelsfrei, dass dem Lehrbeauftragten die Abhaltung der Lehrveranstaltungen auf selbständiger und eigenverantwortlicher Basis obliege und dieser sich auch durch qualifizierte Dritte vertreten lassen könne (Pkt. 6 des Dienstvertrages). Die FH stelle lediglich die Vorlesungsräume zur Verfügung. Die für die Vorlesungen erforderlichen Arbeitsmittel seien vom Lehrbeauftragten bereitzustellen. Es sei daher keine "feste Einrichtung" für die Tätigkeit als Lehrbeauftragter gegeben und das Honorar sei unter Art 14 (Einkünfte aus selbständige Arbeit) und nicht unter Art 15 DBA-Deutschland zu subsumieren. Ebenso käme die Bestimmung für Tätigkeiten als Gastprofessor oder Gastlehrer nach Art. 20 DBA-Deutschland nicht zur Anwendung. Die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Rückzahlung der LSt 2019 seien vom Bf. daher erfüllt.

Die Bescheidbeschwerde wurde mit Beschwerdevorentscheidung (BVE) vom abgewiesen. Auf die detaillierten Sachverhaltsfeststellungen und umfangreiche rechtliche Begründung, einschließlich der Rechtsprechung des VwGH zu der steuerrechtlichen Qualifikation der Einkünfte von Lehrbeauftragten wird verwiesen.

Der Bf. stellte binnen offener Frist den Vorlageantrag vom zur Entscheidung des BFG über die Bescheidbeschwerde.

Mit Vorlagebericht vom wurde von der belangen Behörde das Rechtsmittel mitsamt den bezugshabenden Verwaltungsakten dem BFG gemäß § 265 BAO vorgelegt.

Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren wurde der Bf. zum Sachverhalt befrage und hat er glaubhaft und widerspruchsfrei dargelegt, dass er während seiner Lehrtätigkeit an der Fachhochschule täglich zwischen seinem Wohnsitz in Deutschland (Wo.) und dem Arbeitsort in Dornbirn gependelt ist. Die Fahrtstrecke beträgt laut elektronischen Routenmessungen rund 54 Straßenkilometer und die Fahrzeit mit dem Kraftfahrzeug dauerte etwa 45 Minuten.

Erwiesen ist auch, dass der Wohnort des Bf. in Deutschland und seine Arbeitsstätte in Österreich jeweils innerhalb der 30-Km-Luftlinien-Zone zur gemeinsamen Staatsgrenze liegen.

Da nach den Ermittlungsergebnissen des BFG keine Zweifel bestanden, dass dem Bf. im Rahmen seiner Lehrtätigkeit an der Fachhochschule die Eigenschaft eines Grenzgängers im Sinne des Art. 15 Abs. 6 DBA-Deutschland zukommt, wurde von der belangten Behörde das ausdrückliche Einverständnis erteilt, dass aus diesem Rechtsgrunde im Jahr 2019 dem Ansässigkeitsstaat Deutschland das Besteuerungsrecht an den nichtselbständigen Einkünften aus der Tätigkeit bei der FH Dornbirn zukommt und demgemäß dem Antrag stattzugeben sei.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Das BFG hat Beweis erhoben durch Einsicht in den vorgelegten Verwaltungsakt und Befragung der beschwerdeführenden Partei. Der oben geschilderte Sachverhalt liegt der Entscheidung zu Grunde.

Gemäß § 279 Abs. 1 BAO hat das Verwaltungsgericht, außer in den Fällen des § 278, immer in der Sache selbst mit Erkenntnis zu entscheiden. Es ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Bescheidbeschwerde als unbegründet abzuweisen.

Das BFG hat volle Kognitionsbefugnis und daher die beschwerdegegenständliche Sache so zu entscheiden, als ob diese Sache erstmals nach den für sie geltenden materiell-rechtlichen Bestimmungen behandelt würde.

Über die Streitfrage, ob die im Abzugswege erhobene Lohnsteuer aus der Lehrtätigkeit an der FH Dornbirn im Jahr 2019 gemäß dem Antrag vom an den Bf. zurückzuzahlen ist, wurde von den Streitparteien Einvernehmen erzielt.

Die "Nichtselbständigkeit" einer Person ist ein spezieller steuerrechtlicher Ausdruck, der gemäß Art 3 Abs. 2 DBA-Deutschland nach dem innerstaatlichen Steuerrecht des Anwenderstaates auszulegen ist.

Auf Grund dieser rechtlichen Ausgangslage teilt das BFG, die vom FA in seinen Entscheidungen eingehend dargelegte Rechtsauffassung, dass die Vergütungen aus der Lehrtätigkeit auf Grund der ausdrücklichen Anordnung des § 25 Abs. 1 Z. 5 EStG 1988 für den Anwenderstaat Österreich unter die Einkünfte aus unselbständiger Arbeit nach Art. 15 DBA-Deutschland fallen. Daran ändert - wie ebenfalls vom FA hingewiesen - auch eine abweichende Beurteilung durch die deutsche Abgabenbehörde nichts, weil nach deutschem Steuerrecht selbständige Einkünfte gemäß Art. 14 DBA-Deutschland vorliegen (vgl. z.B. BFH v. VI R71/69, BStBl. II 1972, 617; , IV R 180/72, BStBl II 1976, 292).

Allerdings ist die Bestimmung des Art. 15 Abs. 6 DBA-Deutschland zu prüfen. Diese lautet:

"Absatz 1 gilt nicht, wenn die Person in dem einen Staat in der Nähe der Grenze ihren Wohnsitz und in dem anderen Staat in der Nähe der Grenze ihren Arbeitsort hat und täglich von ihrem Arbeitsort an ihren Wohnsitz zurückkehrt (Grenzgänger)."

Die Norm bezweckt, dass der unselbständige Grenzgänger seinem im Ansässigkeitsstaat beschäftigten Nachbarn gleichgestellt wird.

Die für die Grenzgängerregelung maßgebende Grenzzone umfasst einen Grenzstreifen entlang der Grenze von 30 km, wobei für die Berechnung der Entfernung die Luftlinie maßgebend ist (Abs. 8 des Protokolls zum DBA).

Die Grenzgängereigenschaft erfordert grundsätzlich eine tägliche Rückkehr zum Wohnort in der Grenzzone des Ansässigkeitsstaates. Bei nur tageweiser Beschäftigung in dem anderen Staat, geht die Grenzgängereigenschaft allerdings nicht verloren, wenn nicht an mehr als 20% der Arbeitstage eine schädliche Nichtrückkehr zum Wohnsitz erfolgt. Auch Tage, an denen der Arbeitnehmer die Grenze deshalb nicht passiert, weil er wegen Telearbeit (z.B. homeschooling distance learning), von zu Hause seine Arbeit ausübt (Home-Office), sind schädliche Tage der Nichtrückkehr. Dabei zählen Krankheitstage und Urlaubstage jedoch nicht als Tage der Nichtrückkehr.

Auf Grund der Covid-19-Regelungen für den Unterricht an der Fachhochschule wird im Jahr 2020 und 2021 die Sach- und Rechtslage eines Lehrbeauftragten unter diesen geänderten Aspekten zu beurteilen sein.

Die Grenzgängerregelung gilt nur bei privaten Arbeitgebern: Rechtsträger der Fachhochschule Dornbirn ist keine Körperschaft des öffentlichen Rechts, sondern diese Bildungseinrichtung ist als juristische Person der privaten Rechts in der Rechtsform einer GmbH errichtet worden. Abgabenrechtlich hat dies zur Folge, dass die Kassenstaatsregelung des Art 19 DBA-Deutschland, wonach das Besteuerungsrecht an Einkünfte aus öffentlichen Kassen stets dem Schuldnerstaat zukommt, nicht zur Anwendung gelangt.

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die nichtselbständigen Einkünfte des Bf. aus der nebenberuflichen Lehrtätigkeit an der FH im Jahr 2019 auf Grund der Verwirklichung des Tatbestandes nach Art. 15 Abs. 6 DBA-Deutschland (Grenzgänger) nicht der finalen Besteuerung der Republik Österreich unterliegen und daher die von der Vergütung einbehaltene Lohnsteuer gemäß Art 27 DBA-Deutschland antragsgemäß zurückzuzahlen ist.

Zur Zulässigkeit der Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Entscheidung folgte der ständigen Rechtsprechung des VwGH zu nebenberuflichen Lehrbeauftragten und zu deutschen Grenzgängern. Da keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu löse war, war die Revision nicht zuzulassen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 25 Abs. 1 Z 5 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
Art. 15 Abs. 6 DBA D (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Bundesrepublik Deutschland (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. III Nr. 182/2002
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.7104764.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at