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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 27.01.2021, RV/7104905/2020

Wiederaufnahme nach Erkenntnis des VwGH (Zulagen bei Frontex-Einsätzen) - keine neue Tatsache

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***R*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Bruck Eisenstadt Oberwart vom betreffend Abweisung eines Antrages auf Wiederaufnahme der Verfahren hinsichtlich Einkommensteuer für die Jahre 2015 bis 2017, Steuernummer ***Bf1StNr1*** zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide bleiben unverändert.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Die belangte Behörde hat die Bescheidbeschwerde der Beschwerdeführerin (Bf) gegen die im Spruch angeführten Abweisungsbescheide betreffend die Anträge auf Wiederaufnahme für die Jahre 2015 bis 2017 dem Bundesfinanzgericht vorgelegt.

Strittig ist im vorliegenden Fall allein die Frage, ob das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Ro 2018/13/0008, und die damit in Zusammenhang stehenden Verzichtserklärungen der Bf einen tauglichen Wiederaufnahmegrund darstellen und somit die Verfahren betreffend Einkommensteuer für die Jahre 2015 bis 2017 wiederaufgenommen werden können, um die im Rahmen des Auslandeinsatzes von Frontex gewährten Zulagen von der Besteuerung auszunehmen.

Dieser Frage liegt folgendes Verwaltungsgeschehen zu Grunde:

Die Bf beantragte die Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung für die angeführten Jahre. Die Bescheide wurden entsprechend den abgegebenen Erklärungen erlassen und erwuchsen in Rechtskraft.

Nachdem der Verwaltungsgerichtshof in dem oben angeführten Erkenntnis ausgesprochen hatte, dass die von dritter Seite empfangenen Zahlungen als Zulagen gemäß § 21 GehG gelten und damit unter die Befreiungsbestimmung des § 3 Abs 1 Z 8 EStG 1988 fallen, erkannte die Bf, dass ihre im Rahmen der Einsätze für Frontex erhaltenen Taggelder zu Unrecht versteuert worden waren. Sie stellte daher Anträge auf Wiederaufnahme der Verfahren der betreffenden Jahre, in denen die Bf derartige Zulagen erhalten hatte, und ersuchte um Neuberechnung der Lohnsteuer.

In dem angeführten Erkenntnis werde eindeutig, klar und richtungsweisend festgestellt, dass die Taggelder, welche fälschlicherweise vom Arbeitgeber der Bf versteuert worden seien, nicht der Steuerpflicht unterlägen.

Das Finanzamt wies die Anträge der Bf betreffend die Jahre 2015 bis 2017 ab. In der Begründung führte es aus, dass neue Erkenntnisse in Bezug auf die rechtliche Beurteilung von Sachverhaltselementen und Entscheidungen von Gerichten oder Verwaltungsbehörden keine Wiederaufnahmegründe (keine Tatsachen) seien. Es seien daher keine neuen Tatsachen hervorgekommen, weshalb die Anträge auf Wiederaufnahme der Verfahren abzuweisen waren.

Gegen diese Bescheide wurde Beschwerde erhoben. Die Bf führte darin aus, dass die Tatsache des schriftlichen Verzichtes auf die ihr nach den RGV gebührenden Leistungen im abgeschlossenen Verfahren nicht habe geltend gemacht werden können. Diese schriftlichen Erklärungen würden nicht zentral verwaltet, sondern bei den jeweiligen Landespolizeidirektionen aufbewahrt. In concreto lägen die Verzichtserklärungen der Bf nicht mehr vor. In dem Schreiben der Nationale Frontex Kontaktstelle werde bestätigt, dass von Seiten der Bf für sämtliche Einsätze Verzichtserklärungen hinsichtlich der nationalen Gebühren abgegeben worden seien. Diese Beweismittel seien zwar neu entstanden, bezögen sich aber auf alte, nicht erst nach Abschluss des wiederaufzunehmenden Verfahrens entstandene Tatsachen.

Die Kenntnis dieser Umstände alleine oder mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens hätte auf Grund der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes einen im Spruch anders lautendenden Bescheid herbeigeführt.

Selbst bei Verneinung der Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme werde angeregt, das Verfahren von Amts wegen unter Abwägung von Billigkeits- und Zweckmäßigkeitsgründen wiederaufzunehmen. Es überwiege das Interesse an der Rechtsrichtigkeit das Interesse an der Rechtsbeständigkeit. Die steuerlichen Auswirkungen seien auch nicht bloß geringfügig.

Das Finanzamt entschied mit abweisender Beschwerdevorentscheidung. Begründend führte es aus, dass

  • neue Erkenntnisse in Bezug auf die rechtliche Beurteilung von Sachverhaltselementen,

  • Entscheidungen von Gerichten und Verwaltungsbehörden,

  • das Hervorkommen von Rechtsirrtümern,

  • die unterschiedliche Beweiswürdigung durch eine Verwaltungsbehörde einerseits und durch eine Verwaltungsstrafbehörde oder ein Gericht andererseits,

  • höchstgerichtliche Erkenntnisse oder

  • die Änderung von Erlässen

keine Wiederaufnahmegründe darstellten. Die Bf habe sich in ihrem Antrag auf Wiederaufnahme auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes gestützt. Auf Grund der obigen Ausführungen seien im gegenständlichen Verfahren damit keine neuen Tatsachen hervorgekommen, weshalb der Antrag abzuweisen war.

Die Bf beantragte die Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht. Die Behörde habe sich in ihrer Beschwerdevorentscheidung mit dem von der Bf erstatteten Vorbringen und den vorgelegten Urkunden nicht auseinandergesetzt, wodurch sich die angefochtenen Bescheide nach wie vor als rechtswidrig erwiesen. Das Beschwerdevorbringen werde daher aufrechterhalten.

Ergänzend werde vorgebracht, dass das Finanzamt bei den Einkommensteuerbescheiden mangels Kenntnis der Verzichtserklärungen davon ausgegangen sei, dass die Bf auch während ihrer Entsendung zu den Frontex-Einsätzen ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland gehabt habe. Die schriftlichen Bestätigungen der Verzichtserklärungen seien tatsächliche Umstände, die bei entsprechender Berücksichtigung zu einem anderen Ergebnis geführt hätten. Aufgrund der vorliegenden Verzichtserklärungen liege der Dienstort für die Dauer der Entsendung im Ausland. Der schriftliche Verzicht der Bf führe dazu, dass die von dritter Seite empfangenen Zahlungen unter die Befreiungsbestimmung des § 3 Abs 1 Z 8 EStG 1988 fielen.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Das Bundesfinanzgericht ist bei seiner Entscheidung von folgendem Sachverhalt ausgegangen:

Die Bf steht in einem Dienstverhältnis zu einer inländischen öffentlichen Gebietskörperschaft. Im Rahmen dieses Dienstverhältnis wurde die Bf in den Jahren 2015 bis 2017 mehrmals zu einem Auslandseinsatz (für Frontex) nach Bulgarien und Griechenland entsandt.

Im Rahmen dieser Entsendung gab die Bf entsprechende Erklärungen ab, dass sie auf die Zahlung von nationalen Reisegebühren durch ihren Arbeitgeber verzichte (im Folgenden: Verzichtserklärungen). In der Folge erhielt die Bf Zahlungen für Reisegebühren von der Nationalen Frontex Kontaktstelle (im Folgenden: Frontex), welche höher waren als die inländischen Zulagen. Aus diesem Grunde werden bei diesen Auslandseinsätzen in der Regel diese Verzichtserklärungen abgegeben.

Die die inländischen Reisegebühren übersteigenden Beträge wurden der Verwaltungspraxis entsprechend als steuerpflichtiger Arbeitslohn der Besteuerung unterzogen (LStR 2002, Rz 735b).

Die Bf hat jeweils im Folgejahr Erklärungen zur Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung für die Jahre 2015 bis 2017 abgegeben. Die Erlassung der Bescheide erfolgte in den Folgejahren entsprechend der abgegebenen Erklärungen. Die Bescheide (vom , und vom ) erwuchsen in Rechtskraft.

Mit Erkenntnis vom , GZ Ro 2018/13/0008, entschied der Verwaltungsgerichtshof, dass als Voraussetzung für die Befreiung der Zulagen nach § 3 Abs 1 Z 8 EStG 1988 allein darauf abzustellen ist, ob der zulagenempfangende Beamte seinen Dienstort im Ausland hat und dass für die Dauer der Entsendung nach § 39 BDG jene Einrichtung, an die der Beamte entsendet wurde, als Dienststelle gilt. Der Dienstort eines an eine ausländische Einrichtung entsendeten Beamten liege für die Dauer seiner Entsendung im Ausland. Die von dritter Seite empfangenen Zulagen fielen daher unter die Befreiungsbestimmung des § 3 Abs 1 Z 8 EStG 1988.

Nach dieser Rechtsauslegung durch den VwGH wurden die erhaltenen Zulagen in den Jahren 2015 bis 2017 zu Unrecht dem Lohnsteuerabzug unterworfen. Die gegenteiligen Aussagen in den Lohnsteuerrichtlinien wurden mit dem folgenden Wartungserlass geändert.

Mit Schreiben vom stellte die Bf den Antrag auf Neuberechnung der Lohnsteuer für die Jahre 2015 bis 2017, da die erhaltenen Taggelder als steuerfreie Bezugsteile zu behandeln seien, und verwies in dem Begleitschreiben auf das oben angeführte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes.

Beweiswürdigung

Dieser Sachverhalt ergibt sich aus dem Akteninhalt. Widersprechende Umstände wurden nicht vorgebracht. Aus diesem Grunde durfte das Bundesfinanzgericht diesen Sachverhalt als erwiesen annehmen und seiner Entscheidung zugrunde legen.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. (Abweisung/Abänderung/Stattgabe)

Rechtskräftig abgeschlossene Verfahren können nach Maßgabe der Bundesabgabenordung nur unter ganz bestimmten, im Gesetz angeführten Voraussetzungen, wiederaufgenommen werden.

Gemäß § 303 Abs 1 lit b BAO kann ein Verfahren von Amts wegen oder auf Antrag einer Partei wiederaufgenommen werden, wenn unter anderem Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind, und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anderslautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind Tatsachen im Sinne des § 303 Abs 1 lit b BAO Sachverhaltselemente, die bei einer entsprechenden Berücksichtigung zu einem anderen Ergebnis als vom rechtskräftigen Bescheid zum Ausdruck gebracht, geführt hätten. Neue Erkenntnisse in Bezug auf die rechtliche Beurteilung solcher Sachverhaltselemente - gleichgültig, ob diese späteren rechtlichen Erkenntnisse (neuen Beurteilungskriterien) durch die Änderung der Verwaltungspraxis oder Rechtsprechung oder nach vorhergehender Fehlbeurteilung oder Unkenntnis der Gesetzeslage eigenständig gewonnen werden - sind keine Tatsachen (vgl , mwN). Die nachteiligen Folgen einer früheren unzutreffenden Würdigung oder Wertung des der Partei bekannten Sachverhaltes oder einer fehlerhaften rechtlichen Beurteilung lassen sich demnach bei unveränderter Tatsachenlage nicht nachträglich im Wege der Wiederaufnahme des Verfahrens beseitigen ().

Es entspricht somit der ständigen Rechtsprechung zu § 303 Abs 1 lit b BAO, dass neue Erkenntnisse in Bezug auf die rechtliche Beurteilung von Sachverhaltselementen durch Änderungen der Verwaltungspraxis oder der Rechtsprechung, Entscheidungen von Gerichten oder Verwaltungsbehörden und im Besonderen auch höchstgerichtliche Erkenntnisse keine "Tatsachen" im Sinne dieser Bestimmung sind (vgl ).

Diese Voraussetzungen sind auch im Rahmen einer Wiederaufnahme von Amts wegen zu beachten.

Ausgehend von diesen Ausführungen bedeutet dies in der vorliegenden Beschwerdesache:

Die Bf hat in ihrer Beschwerde angegeben, dass die von ihr abgegebenen Verzichtserklärungen in den abgeschlossenen Verfahren nicht geltend gemacht werden konnten. Sie gab in ihren weiteren Beschwerdeausführungen an, dass - unter ausdrücklichem Verweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes- die von der Frontex erhaltenen Zahlungen unter die Befreiungsbestimmung des § 3 Abs 1 Z 8 EStG 1988 fallen würden und daher zu viel an Lohnsteuer bezahlt worden sei.

Mit diesem Vorbringen gibt die Bf wie bereits in ihren Anträgen zur Neuberechnung der Lohnsteuer zu erkennen, dass nicht die Verzichtserklärungen, sondern die Rechtsauslegung im angesprochenen Erkenntnis des Verwaltungsgerichthofes die Steuerfreiheit der Zahlungen von dritter Seite begründet hat. Die Verzichtserklärungen stellen wohl eine der tatsächlichen Voraussetzungen für die steuerfreie Behandlung der erhaltenen Zahlungen von dritter Seite dar. Dass diese Zahlungen aber steuerfrei zu behandeln sind, wurde jedoch erst durch die Rechtsauslegung des Verwaltungsgerichtshofes in dem angeführten Erkenntnis klargestellt.

Bis zu diesem Erkenntnis ist die Behörde in ihrer Verwaltungspraxis zu Unrecht davon ausgegangen, dass die zu einem Frontex-Einsatz entsendeten Bediensteten ihren Dienstort und gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben und daher nicht als Auslandsbeamte im Sinne der Steuerbefreiung des § 3 Abs 1 Z 8 EStG 1988 zu betrachten sind. Im Hinblick auf diese Rechtsauslegung kam den Verzichtserklärungen der Bf bei der Erlassung der Bescheide keine Bedeutung zu.

Wären die Verzichtserklärungen bereits im Zeitpunkt der Erlassung der Bescheide vorgelegen, wären die Bescheide gleichlautend erlassen worden, da die Behörde im Zeitpunkt der Bescheiderlassung noch einer anderen Rechtsauslegung folgte, die zur Besteuerung der übersteigenden Taggelder führte.

Dass die solcherart entsendeten Bediensteten sehr wohl als Auslandsbeamte anzusehen sind, obwohl sie noch einen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben, hat der Verwaltungsgerichtshof erst in dem angeführten Erkenntnis klargestellt.

Damit fußt aber die steuerfreie Behandlung der Zahlungen von dritter Seite an die Bf nicht auf neuen Tatsachen, sondern auf der jüngsten Rechtsauslegung des Verwaltungsgerichtshofes. Damit fehlt es an einem tauglichen Wiederaufnahmegrund, auf den die Wiederaufnahme auf Antrag oder von Amts wegen gestützt werden könnte. Der Tatbestand einer Wiederaufnahme durch das Hervorkommen von neuen Tatsachen oder Beweismitteln ist somit nicht gegeben.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im vorliegenden Fall war konnten die aufgeworfenen Rechtsfragen anhand der vorliegenden Judikatur des Verwaltungsgerichthofes zur Wiederaufnahme (neue Tatsachen und Beweismittel: vgl , mwN; ; vgl ) beantwortet werden. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung lag somit nicht vor.

Aus diesem Grunde war die Revision für unzulässig zu erklären.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 303 Abs. 1 lit. b BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 3 Abs. 1 Z 8 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.7104905.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at