Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 20.01.2021, RV/7101728/2020

Haftungsbescheid: Haftung einer Geschäftsführerin für diverse Abgaben

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht erkennt durch die Richterin Mag. Mirha Karahodzic MA in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch RA Dr. Michaela Jahn, LLM, Trautsongasse 6 Tür 5, 1080 Wien, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 4/5/10 vom , Steuernummer 16-***BF1StNr1***, betreffend Inanspruchnahme zur Haftung nach § 9 iVm § 80 BAO zu Recht:

I. Der Beschwerde wird teilweise Folge gegeben und der angefochtene Bescheid dahingehend abgeändert, dass die Haftung für folgende Abgabenschuldigkeiten im Gesamtausmaß von 18.734,13 Euro geltend gemacht wird:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Abgabenart und Zeitraum
Höhe in Euro
Umsatzsteuer 10/15
1.234,50
Umsatzsteuer 07/16
6.391,52
Umsatzsteuer 10/16
9.395,60
Säumniszuschlag (SZA) 2015
1.474,66
Säumniszuschlag (SZB) 2015
237,85

Im Übrigen wird die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang:

Strittig ist, ob die Beschwerdeführerin zu Recht als ehemalige Geschäftsführerin mit Haftungsbescheid vom zur Haftung gemäß § 9 i.V.m. § 80 BAO für die aushaftenden Abgabenschuldigkeiten der Firma ***1*** GmbH in 1100 Wien im Ausmaß von 73.690,89 Euro in Anspruch genommen wurde. Die Haftung wurde hinsichtlich folgender Abgabenschuldigkeiten geltend gemacht:

Die Umsatzsteuerbeträge beruhten auf den Umsatzsteuervoranmeldungen, die Körperschaftsteuer und die Säumniszuschläge auf Bescheiden, die als Beilage übermittelt wurden. Zur Begründung führte das Finanzamt aus, die Beschwerdeführerin sei ab handelsrechtliche Geschäftsführerin der genannten Firma gewesen und somit auch verpflichtet, die Abgaben aus den Mitteln zu bezahlen. Für die gemeldeten Umsatzsteuerzeiträume sei die Umsatzsteuer festgesetzt bzw. rechtskräftig veranlagt, jedoch nicht entrichtet worden. Nach Darstellung der Judikatur gelangte die Behörde zur Auffassung, dass die Beschwerdeführerin ihren abgabenrechtlichen Verpflichtungen im dargelegten Umfang nicht nachgekommen sei und die Abgaben bei der genannten Gesellschaft uneinbringlich seien. Die Beschwerdeführerin sei ihrer Verpflichtung, Behauptungen und Beweisangebote zur Entlastung darzutun, nicht nachgekommen. Die Vermögenslosigkeit der genannten Gesellschaft sei daraus ersichtlich, dass das Konkursverfahren nach Schlussverteilung aufgehoben worden sei; dadurch sei der Abgabenrückstand bei der Firma uneinbringlich geworden. Auf die beiliegenden Grundlagenbescheide werde verwiesen.

In der dagegen fristgerecht erhobenen Beschwerde wird der Haftungsbescheid "seinem gesamten Inhalt" nach "wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften, unrichtiger Tatsachenfeststellungen und materieller Rechtswidrigkeit" angefochten. Begründend wird ausgeführt, es sei zwar Sache des Geschäftsführers, die Gründe darzulegen, die ihn ohne sein Verschulden daran gehindert hätten, die ihm obliegenden abgabenrechtlichen Verpflichtungen zu erfüllen, nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes sei jedoch das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt, wenn - in Anbetracht des offenkundigen Umstandes, dass neben der betreffenden Abgabenschuld weitere Verbindlichkeiten im Ausgleichs- bzw. Konkursverfahren bestanden haben - wie im gegenständlichen Fall, ohne weiteres Ermittlungsverfahren davon ausgegangen werde, dass die Beschwerdeführerin für die im Konkursverfahren reduzierten Abgabenschulden zur Gänze hafte. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes dürfe die Nachweispflicht nicht überspannt und so aufgefasst werden, dass die Behörde von jeder Ermittlungspflicht entbunden wäre. Auch nach der Lebenserfahrung werde davon auszugehen sein, dass die Benachteiligung des Finanzamtes zwar zum Teil vor Eröffnung eines Insolvenzverfahrens erfolgt sei, die geforderte aliquote Bezahlung der Forderungen de facto nur selten erfolge. Üblicherweise sei jedoch nicht anzunehmen, dass alle anderen Gläubiger vollständig bezahlt worden seien, während das Finanzamt überhaupt keine Zahlungen mehr erhalten habe, sodass sich die Haftung betragsmäßig auf den Betrag reduziere, der bei einer aliquoten Gläubigergleichbehandlung bezahlt worden wäre. So seien noch im gegenständlichen Fall sonstige Verbindlichkeiten vorhanden, da die im Insolvenzverfahren angemeldeten Forderungen gemäß beiliegendem Anmeldungsverzeichnis insgesamt 1.276.478,85 Euro, davon i.H.v. 826.164,87 Euro anerkannt worden seien. Im anerkannten Betrag sei die Forderung des Finanzamtes i.H.v. 162.437,52 Euro enthalten, sodass damit rund 19,7 % auf das Finanzamt entfielen. Rund 80 % der Verbindlichkeiten entfiele daher auf sonstige Gläubiger, sodass die Annahme einer 100-prozentigen Benachteiligung zulasten des Finanzamtes nicht gerechtfertigt erscheine. Dies gelte insbesondere für die Umsatzsteuer 07/2016, 08/2016, 09/2016 und 10/2016. So kurz vor Insolvenzeröffnung sei evident, dass keine Verbindlichkeiten mehr bedient worden seien; es gebe auch keine Verpflichtung das Finanzamt wenige Tage vor Insolvenzeröffnung vor den anderen Gläubigern zu begünstigen. Insbesondere gegenüber Vermietern, dem Steuerberater, der Gebietskrankenkasse hätten ebenfalls mehrmonatige Rückstände bestanden. Der Beschwerdeführerin sei außerdem vor Erlassung des Haftungsbescheides nicht die Gelegenheit eingeräumt worden, zu den gegen sie erhobenen Vorwürfen Stellung zu nehmen. Da Parteiengehör nicht gewährt worden sei, sei der Haftungsbescheid schon aus diesem Grund rechtswidrig.

Bei Insolvenzeröffnung seien die Umsatzsteuer 12/2014,10/2015 und 11/2015 nicht offen gewesen, sondern wären wegen einer Anfechtung wieder aufgelebt. Die Beschwerdeführerin habe keine Gelegenheit erhalten, zur Anfechtung durch den Masseverwalter Stellung zu nehmen. Das Finanzamt habe aufgrund eines außergerichtlichen Verfahrens sohin ohne rechtsverbindlich festgestellte Verpflichtung an den Masseverwalter Zahlungen geleistet; dies könne nicht der Beschwerdeführerin angelastet werden. Des Weiteren stelle die Leistung von später erfolgreich angefochtenen Zahlungen keine Verletzung der dem Geschäftsführer auferlegten abgabenrechtlichen Verpflichtungen gegenüber dem Abgabengläubiger zur rechtzeitigen und ordnungsgemäßen Entrichtung bereits entstandener Abgabenschuldigkeiten dar, auf deren Verletzung die Haftung nach § 9 BAO allein beruhe.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde der Beschwerde teilweise stattgegeben und der angefochtene Bescheid mit der Maßgabe abgeändert, dass die Haftung hinsichtlich folgender Abgabenschuldigkeiten im Ausmaß von insgesamt 41.690,89 Euro geltend gemacht werde:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Abgabenart und Zeitraum
Höhe in Euro
Umsatzsteuer 10/15
1.234,50
Umsatzsteuer 07/16
6.391,52
Umsatzsteuer 08/16
12.756,40
Umsatzsteuer 09/16
10.073,48
Umsatzsteuer 10/16
9.395,60
Körperschaftsteuer 07-09/16
126,88
Säumniszuschlag 2015
1.474,66
Säumniszuschlag 2015
237,85

Zur Begründung wurde angeführt, der Beschwerdeführerin sei am im Rahmen eines Vorhaltes die Gelegenheit gegeben worden, den Nachweis der Gläubigergleichbehandlung zu erbringen und zwar durch Darstellung der tatsächlich vorhandenen Mittel sowie der aliquoten Mittelverwendung, wobei dem Finanzamt dazu eine Auflistung sämtlicher Gläubiger mit zum Zeitpunkt Abgabenfälligkeiten gleichzeitig oder früher fällig gewordener Forderungen zu übermitteln gewesen sei. Die Beschwerdeführerin sei ersucht worden, diesbezügliche Fragen zum aushaftenden Rückstand i.H.v. 133.146,52 Euro zu beantworten sowie ein Vermögensverzeichnis ausgefüllt zur retournieren. Bis zur Erlassung des angefochtenen Haftungsbescheides sei jedoch keine Vorhaltsbeantwortung erfolgt. Auch in der Beschwerde vom seien eventuelle Gläubigergleichbehandlungen nicht entsprechend nachgewiesen worden. Im Zuge des Konkursverfahrens seien seitens des Finanzamtes 32.000,00 Euro an den Masseverwalter aufgrund seiner Anfechtung zurückbezahlt worden. Der Haftungsbetrag sei daher um diesen Betrag zu verringern gewesen, weshalb eine Haftungschuld i.H.v. 41.690,89 Euro verbleibe.

Im nach Fristverlängerung rechtzeitig eingebrachten Vorlageantrag bringt die Beschwerdeführerin ergänzend zu ihrem Beschwerdevorbringen vor, die Körperschaftsteuer 7-9/2016 i.H.v. 437,00 Euro sei am , die Umsatzsteuer 08/2016 i.H.v. 12.756,40 am , die Umsatzsteuer 09/2016 i.H.v. 10.073,48 Euro in zwei Raten und zwar am 6.073,48 Euro und am 4.000,00 Euro zur Überweisung gebracht worden. Die Zahlungen seien auch dem Steuerkonto der Gesellschaft zu entnehmen. Des Weiteren macht die Beschwerdeführerin geltend, die belangte Behörde führe nicht aus, aus welchem Grund die Beschwerdeführerin trotz Zahlung für die angeführten Beträge haften solle. Die Behörde negiere oder übersehe des Vorbringen der Beschwerdeführerin, dass in den im Insolvenzverfahren angemeldeten Forderungen die Forderung des Finanzamtes i.H.v. 162.437,52 Euro enthalten gewesen sei, sodass damit lediglich und 19,7 % auf das Finanzamt entfielen. Eine Benachteiligung des Finanzamtes sei schon aufgrund der deutlichen Saldenreduktion im letzten Jahr vor Insolvenzeröffnung, die dem Steuerkonto zweifelsfrei zu entnehmen sei, undenkbar. Es sei vielmehr von einer Begünstigung des Finanzamtes auszugehen. Als Beweis dafür werde der Auszug aus dem Steuerkonto der Gesellschaft angeführt. Ab habe die Abgabenschuldnerin nur noch Zug um Zug Zahlungen, die zur Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebes notwendig gewesen seien, geleistet. Insbesondere seien Versicherungen, Wareneinkauf (Zug um Zug gegen Lieferung), Energie, Treibstoff, Kommunikation, Lohnnebenkosten bezahlt worden; der Rechtsanwalt, der die Vertretung im Sanierungsverfahren übernommen habe, habe dazu eine Zug-um-Zug Zahlung für die Antragstellung sowie den für die Eröffnung erforderlichen Konkursvorschuss von 4.000,00 Euro erhalten. Es seien jedoch keine Raten mehr Gläubiger bezahlt oder gar Vollzahlungen auf längst überfällige Forderungen geleistet worden. Es seien dazu auch keine bzw. kaum liquide Mittel vorhanden gewesen. Der Überziehungsrahmen des Geschäftskontos von 42.000,00 Euro sei laufend ausgeschöpft gewesen; es seien weder die Dienstnehmer (samt Abgaben) noch die Mieten für die Geschäftslokalen Dezember 2016 bezahlt worden. Die Begünstigung des Finanzamtes gegenüber den anderen zahlreichen Gläubigern sei aus der Saldenreduktion innerhalb der letzten zwölf Monate vor Insolvenzeröffnung zweifelsfrei zu entnehmen.

Im Vorlagebericht führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführerin sei es nicht gelungen, einen Nachweis hinsichtlich der Gläubigergleichbehandlung darzutun. Hingegen müsse die Ausführung der Beschwerdeführerin hinsichtlich nicht ordnungsgemäß durchgeführter Verrechnungen von Zahlungen unbestritten bleiben. Von vier geleiteten Zahlungen sei bei dreien die Verrechnungsweisung nicht berücksichtigt worden. Dies habe aber auf die Gesamtsumme des Haftungsbescheides keinen Einfluss, da die "Verrechnungskorrektur" lediglich zur Erhöhung/Verminderung der im Haftungsbescheid enthaltenen Beträgen führe. Es werde daher der Antrag gestellt, den Haftungsbescheid entsprechend einer korrigierten Verrechnung abzuändern und ansonsten abweisend über die Beschwerde zu erkennen.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Der maßgebliche Sachverhalt stellt sich wie folgt dar:

Die Beschwerdeführerin war von bis zur Eröffnung des Konkursverfahren ohne Eigenverwaltung mit Beschluss vom (des HG Wien, zZ ***4***) Geschäftsführerin der ***1*** GmbH (im Folgenden: Primärschuldnerin) in 1100 Wien. Am wurde der Konkurs nach Schlussverteilung aufgehoben. Am wurde die Gesellschaft im Firmenbuch amtswegig gelöscht.

Zu ***2*** war auf Grund eines Antrages der WGKK vom ein Insolvenzverfahren anhängig, von dem auch die belangte Behörde auf Grund einer Anfrage des HG Wien vom Kenntnis hatte. Ungeachtet dessen nahm die belangte Behörde nach diesem Zeitpunkt auf Grund einer Zahlungsvereinbarung Zahlungen von insgesamt 40.000 Euro von der Primärschuldnerin entgegen. Die Zahlungen zu je 8.000 Euro erfolgten dabei am , , , und . Das HG Wien wies am ***3*** den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens ab. Mit Schreiben vom führte der zu diesem Zeitpunkt bestellte Masseverwalter nach den Bestimmungen der §§ 30 ff IO eine Anfechtung der erfolgten Zahlungen durch. Mit Schreiben vom teilte das Finanzamt mit, dass die Zahlung vom , die die erste Rate der Ratenvereinbarung vom dargestellt habe, nicht zurückgezahlt werden könne, da zum Zeitpunkt der Ratenvereinbarung am von einer allfälligen Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit der Gemeinschuldnerin nicht ausgegangen werden konnte. Das Finanzamt sei aber bereit zur Abgeltung sämtlicher Anfechtungsansprüche einen Betrag iHv 32.000 Euro anzuweisen. Dieser Vorschlag wurde vom Masseverwalter mit Schreiben vom angenommen und es kam in der Folge zur Überweisung der 32.000 Euro durch das Finanzamt.

Die Beschwerdeführerin wurde mit Haftungsvorhalt vom aufgefordert, zu den in der mitübermittelten Rückstandsaufgliederung dargestellten Abgabenrückständen Stellung zu nehmen und einen Gläubigergleichbehandlungsnachweis in geeigneter Form anzutreten sowie ein Vermögensverzeichnis ausgefüllt zu retournieren. Weder wurde der Haftungsvorhalt beantwortet noch das Vermögensverzeichnis eingereicht.

Der angefochtene Haftungsbescheid, mit dem die Beschwerdeführerin für die unter I. dargelegten Abgaben in Anspruch genommen wurde, wurde am erlassen. Die Umsatzsteuerbeträge beruhten auf den Umsatzsteuervoranmeldungen, die Körperschaftsteuer und die Säumniszuschläge auf Bescheiden, die als Beilage übermittelt wurden. Der "erste" Säumniszuschlag iHv 1.474,66 Euro betrifft folgende Bescheide:

1. Bescheid über die Festsetzung von ersten Säumniszuschlägen vom betreffend Lohnsteuer 06/2015 (Säumniszuschlag 74,68 Euro) und Umsatzsteuer 05/2015 (Säumniszuschlag 403,39 Euro). Diese Säumniszuschläge waren am zu entrichten.

2. Bescheid über die Festsetzung von ersten Säumniszuschlägen vom betreffend Lohnsteuer 07/2015 (Säumniszuschlag 62,05 Euro) und Umsatzsteuer 06/2015 (Säumniszuschlag 439,94 Euro). Diese Säumniszuschläge waren bis zu entrichten.

3. Bescheid über die Festsetzung von ersten Säumniszuschlägen vom betreffend Lohnsteuer 11/2015 (Säumniszuschlag 86,67 Euro) und Umsatzsteuer 10/2015 (Säumniszuschlag 475,69 Euro)

Der "zweite" Säumniszuschlag beruht auf dem Bescheid über die Festsetzung eines zweiten Säumniszuschlages von der Umsatzsteuer 10/2015 vom (Säumniszuschlag 237,85 Euro). Dieser Säumniszuschlag war bis zum zu entrichten.

Die Körperschaftsteuer 7-9/2016 iHv 437,00 Euro wurde am , die Umsatzsteuer 08/2016 iHv 12.756,40 Euro am , die Umsatzsteuer 09/2016 iHv 10.073,48 Euro in zwei Raten und zwar am 6.073,48 Euro und am 4.000,00 Euro ohne Verrechnungsweisung entrichtet (vgl. Abgabenkonto der Primärschuldnerin).

Die belangte Behörde verrechnete die Körperschaftsteuer 07-09/2016 auf das Saldo für die Umsatzsteuer U 10/2015, während sie die restlichen Zahlungen iHv 12.756,40 Euro, 6.073,48 Euro und 4.000 Euro auf die am iHv 29.221,40 Euro offene Umsatzsteuer 07/2016 verrechnete (vgl. mit dem Vorlagebericht übermittelte Aufstellung sowie das Abgabenkonto der Primärschuldnerin).

Eine Gläubigergleichbehandlung oder gar eine Begünstigung des Finanzamtes kann nicht festgestellt werden.

2. Beweiswürdigung

Die getroffenen Feststellungen ergeben sich allesamt aus den genannten, dem Bundesfinanzgericht vorliegenden Unterlagen im Verwaltungsakt bzw. aus dem Firmenbuch: Die Feststellungen zur Geschäftsführertätigkeit der Beschwerdeführerin bei der Primärschuldnerin sowie zum Konkursverfahren und der Löschung im Firmenbuch ergeben sich aus den entsprechenden Firmenbucheinträgen. Die Feststellung zu Höhe und Abgabenart der Haftungsbeträge ergibt sich aus dem angefochtenen Haftungsbescheid und den dazugehörigen Grundlagenbescheiden.

Die Feststellung, dass die Beschwerdeführerin den Gläubigernachweis nicht erbracht hat, ergibt sich aus deren nicht nachvollziehbaren Angaben, die ein stichtagsbezogenes Befriedigungsverhältnis durch die angegebenen Zahlungen vermissen ließen. Aus ihrem Vorbringen wurde vielmehr evident, dass seitens der Primärschuldnerin sehr wohl Zahlungen geleistet wurden, hat die Beschwerdeführerin doch selbst eingeräumt, dass ab Zug-um-Zug Zahlungen geleistet wurden. Eine Auflistung, wie von der Judikatur gefordert und von der belangten Behörde im Haftungsvorhalt, im angefochtenen Haftungsescheid und in der Beschwerdevorentscheidung dargestellt, hat die Beschwerdeführerin jedoch nicht vorgelegt. Die vorgelegte Saldenliste und das Gläubigerverzeichnis sind nicht geeignet, eine Gläubigergleichbehandlung darzutun. Dem Vorbringen, dass die Primärschuldnerin gar keine liquiden Mittel gehabt habe, um die Abgaben zu entrichten, widerspricht schon das Vorbringen der Beschwerdeführerin, wonach sehr wohl Zug-um-Zug Zahlungen geleistet werden konnten. Insgesamt sind pauschalen Ausführungen nicht geeignet, die geforderte Darstellung eines Gleichbehandlugnsnachweises in Form der Darstellung der einzelnen Beträge und Gläubiger und Verhältnisrechnungen darzutun. Ein Verweis auf das Abgabenkonto der GmbH ist ebensowenig geeignet, einen Gläubigergleichbehandlungsnachweis zu ersetzen; ebensowenig stellt die vorgelegte Saldenliste einen solchen Nachweis dar.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abänderung)

3.1.1. Rechtslage und Judikatur

§ 9 Abs. 1 BAO lautet:

"Die in den §§ 80 ff. bezeichneten Vertreter haften neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können."

§ 20 BAO lautet:

"Entscheidungen, die die Abgabenbehörden nach ihrem Ermessen zu treffen haben (Ermessensentscheidungen), müssen sich in den Grenzen halten, die das Gesetz dem Ermessen zieht. Innerhalb dieser Grenzen sind Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen."

§ 80 Abs. 1 BAO lautet:

"Die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen haben alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden."

§ 224 Abs. 1 BAO lautet:

"Die in Abgabenvorschriften geregelten persönlichen Haftungen werden durch Erlassung von Haftungsbescheiden geltend gemacht. In diesen ist der Haftungspflichtige unter Hinweis auf die gesetzliche Vorschrift, die seine Haftungspflicht begründet, aufzufordern, die Abgabenschuld, für die er haftet, binnen einer Frist von einem Monat zu entrichten."

3.1.2. Nach der im Folgenden näher dargestellten, ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes setzt die Geltendmachung der Haftung nach § 9 Abs. 1 BAO voraus, dass

1. die als haftungspflichtige in Frage kommende Person zum Personenkreis der §§ 80 ff. BAO gehört (Vertreterstellung),

2. eine uneinbringliche Abgabenforderung gegen den Vertretenen besteht (Uneinbringlichkeit),

3. ein Verschulden des Vertreters an der Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten des Vertretenen vorliegt (Verschulden) und

4. die Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit ursächlich war (Kausalität).

3.1.2.1. Zur Vertreterstellung

Die Beschwerdeführerin war im haftungsrelevanten Zeitraum wie festgestellt handelsrechtliche Geschäftsführerin der ***1*** GmbH (Primärschuldnerin) und gehörte damit zum Personenkreis der §§ 80 ff. BAO. Zu ihren Pflichten als Geschäftsführerin der GmbH gehörte es daher, die abgabenrechtlichen Verpflichtungen der Gesellschaft wahrzunehmen und für die Entrichtung der Abgaben aus den verwalteten Mitteln zu sorgen (siehe ; , 2006/13/0121; , 2008/15/0085).

3.1.2.2. Zur Uneinbringlichkeit der Abgaben

Die Haftung nach § 9 BAO ist eine Ausfallshaftung und setzt die objektive Uneinbringlichkeit der betreffenden Abgaben im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Haftenden voraus ().

Die verfahrensgegenständlichen Abgaben sind bei der Primärschuldnerin uneinbringlich, da das über die Primärschuldnerin mit dem Beschluss vom Die Beschwerdeführerin eröffnete Konkursverfahren ohne Eigenverwaltung am nach Schlussverteilung aufgehoben und die Gesellschaft am im Firmenbuch amtswegig gelöscht wurde.

3.1.2.3. Zur Zahlung an den Masseverwalter

Auf Grund der Zahlungen des Finanzamtes an den Masseverwalter iHv insgesamt 32.000 Euro kam es zu Recht zu einer Einschränkung der Haftung im Rahmen der Beschwerdevorentscheidung auf die darin genannten Abgaben und Beträge und zum Ausscheiden der Umsatzsteuer 12/2014, der Umsatzsteuer 11/2015 und der Einschränkung der Umsatzsteuer 10/2015 auf den Betrag von 1.234,50 Euro, sodass auch im Folgenden lediglich von den in der Beschwerdevorentscheidung genannten Abgaben und Beträgen auszugehen ist.

3.1.2.3.2. Zu den in der Haftung verbliebenen Abgaben

Wie die Beschwerdeführerin im Rahmen des Vorlageantrages ausgeführt hat, wurden die Körperschaftsteuer 07-09/2016 iHv 437,00 Euro am , die Umsatzsteuer 08/2016 iHv 12.756,40 Euro am , die Umsatzsteuer 09/2016 iHv 10.073,48 Euro in zwei Raten und zwar am 6.073,48 Euro und am 4.000,00 Euro entrichtet.

Nach den Ausführungen der belangten Behörde im Vorlagebericht ist es allerdings zu einer falschen Verrechnung der im Vorlageantrag genannten Zahlungen gekommen, da von vier geleitesteten Zahlungen bei dreien die Verrechnungsweisung nicht berücksichtigt worden sei. Dies habe nach Ansicht der belangten Behörde jedoch keinen Einfluss auf die Gesamtsumme des Haftungsbescheides, "da die Verrechnungskorrektur lediglich zur Erhöhung/Verminderung von im Haftungsbescheid enthaltenen Beträgen führt." Dazu legt die belangte Behörde auch eine Aufstellung "Verrechnung der im Vorlageantrag angeführten Zahlungen" und "Haftungsrelevanz im Zuge der Vorlage" bei. Soweit die belangte Behörde dann den Antrag stellt, den Haftungsbescheid entsprechend einer korrigierten Verrechnung abzuändern, ist ihr Folgendes zu entgegnen:

Die durch die belangte Behörde erfolgte falsche Verrechnung von Zahlungen kann nicht dazu führen, dass die Beschwerdeführerin nun für höhere Abgaben in Anspruch genommen wird, die so nicht Spruchbestandteil des angefochtenen Haftungsbescheides waren und damit auch nicht die Sache des gegenständlichen Beschwerdeverfahrens bilden, da eine Änderung der haftungsgegenständlichen Abgaben iSd der Erhöhung der im Haftungsbescheid dargestellten Beträge die Sache des Verfahrens verändern würde (vgl. Ritz, BAO6, § 279 Tz 10 und 11, mwN). Das Bundesfinanzgericht würde damit eine Kompetenz in Anspruch nehmen, die in die Zuständigkeit der Abgabenbehörde fiele (vgl. zB ). Eine Erhöhung des Haftungsbetrages der Umsatzsteuer 07/2016 wie von der belangten Behörde vorgeschlagen, kommt daher nicht in Betracht. Es ist aber nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes genauso ausgeschlossen, dass die Beschwerdeführerin für die Körperschaftsteuer 07-09/2016, die Umsatzsteuer 08/2016 und die Umsatzsteuer 09/202016zur Haftung herangezogen wird, obwohl diese Abgaben bereits entrichtet wurden.

Allfällige Meinungsverschiedenheiten zwischen der Beschwerdeführerin und der Abgabenbehörde darüber, ob und inwieweit eine Zahlungsverpflichtung durch Erfüllung eines bestimmten Tilgungstatbestandes erloschen ist, sind nicht im Haftungsverfahren, sondern in einem durch einen Antrag auf Erlassung eines Abrechnungsbescheides gemäß § 216 BAO ausgelösten Verfahren zu entscheiden (). Allenfalls käme für ausstehende Differenzbeträge die Erlassung eines weiteren Haftungsbescheides in Frage.

In der Haftung verbleiben daher die Umsatzsteuer 10/2015 iHv 1.234,50 Euro, die Umsatzsteuer 07/2016 iHv 6.391,52 Euro, die Umsatzsteuer 10/2016 iHv 9.395,60 Euro sowie der Säumniszuschlag (SZA) 2015 iHv 1.474,66 Euro und der Säumniszuschlag (SZB) 2015 iHv 237,85 Euro. Dazu ist im Hinblick auf das nach der Judikatur geforderte Verschulden des Vertreters an der Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten der vertretenen Gesellschaft Folgendes auszuführen:

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes darf der Vertreter bei der Entrichtung von Schulden die Abgabenschulden nicht schlechter behandeln als andere Schulden; er hat die Schulden im gleichen Verhältnis zu befriedigen ("Gleichbehandlungsgrundsatz"; ).

Sind die Uneinbringlichkeit der Abgabenschuldigkeiten und die Vertreterstellung gegeben, ist es nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes Sache der Vertreterin, im Rahmen der ihr obliegenden qualifizierten Mitwirkungspflicht darzulegen, weshalb sie nicht dafür Sorge tragen konnte, dass die Gesellschaft die anfallenden Abgaben rechtzeitig entrichtet hat, widrigenfalls angenommen wird, dass die Pflichtverletzung schuldhaft war. Nur der Vertreter/die Vertreterin wird in der Regel jenen ausreichenden Einblick in die Gebarung des Vertretenen haben, der ihm entsprechende Behauptungen und Nachweise ermöglicht ().

Aufgabe des Geschäftsführers (der Geschäftsführerin) ist es, im Verwaltungsverfahren allfällige Gründe aufzuzeigen, die ihn/sie daran gehindert haben, die Abgabenschulden am oder nach dem Fälligkeitstag zu begleichen. Er/Sie hat darzustellen, dass ab dem Zeitpunkt, an welchem die von der Haftungsinanspruchnahme erfassten Abgaben fällig geworden sind, keine Geldmittel der Gesellschaft mehr vorhanden waren. Es hat nicht die Abgabenbehörde das Ausreichen der Mittel zur Abgabenentrichtung nachzuweisen, sondern der/die zur Haftung herangezogene/n Geschäftsführer/in das Fehlen ausreichender Mittel.

Der Vertreter (die Vertreterin) haftet nicht für sämtliche Abgabenschulden des Vertretenen in voller Höhe, sondern nur im Umfang der Kausalität zwischen seiner (ihrer) schuldhaften Pflichtverletzung und dem Entgang der Abgaben. Reichten die liquiden Mittel nicht zur Begleichung sämtlicher Schulden aus und haftet der Vertreter nur deswegen, weil er die Abgabenforderungen nicht wenigstens anteilig befriedigt und den Abgabengläubiger somit benachteiligt hat, dann erstreckt sich die Haftung des Vertreters auch nur auf den Betrag, um den der Abgabengläubiger bei gleichmäßiger Befriedigung aller Forderungen mehr erlangt hätte, als er infolge des pflichtwidrigen Verhaltens des Vertreters tatsächlich erhalten hat.

Der Nachweis, welcher Betrag bei Gleichbehandlung sämtlicher Gläubiger - bezogen auf die jeweiligen Fälligkeitszeitpunkte einerseits und das Vorhandensein liquider Mittel andererseits - an die Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre, obliegt allerdings dem Vertreter (der Vertreterin). Weist er/sie nach, welcher Betrag bei anteilsmäßiger Befriedigung der Forderungen an die Abgabenbehörde abzuführen gewesen wäre, dann haftet er/sie nur für die Differenz zwischen diesem und dem tatsächlich bezahlten Betrag. Tritt der Vertreter (die Vertreterin) diesen Nachweis nicht an, dann kann ihm/ihr die uneinbringliche Abgabe allerdings zur Gänze vorgeschrieben werden ().

Der Beschwerdeführerin wurden die Rechtslage und die Rechtsprechung wiederholt dargelegt. Ihr wurde bereits im Rahmen des Haftungsvorhaltes vom die Möglichkeit eingeräumt, ihrer Behauptungs- und Beweispflicht nachzukommen, sodass auch keine Verletzung des Parteigehörs vorliegt. In der Stellungnahme zum Haftungsvorhalt, aber auch im Rahmen ihrer Beschwerde und in Ergänzung ihrer bisherigen Ausführungen im Vorlageantrag, konnte die Beschwerdeführerin nicht die Gläubigergleichbehandlung entsprechend der in der Judikatur gesetzten Kriterien nachweisen und hat auch keine Liquiditätsrechnung vorgelegt, die die in den Fälligkeitszeitpunkten der Abgaben der GmbH zur Verfügung gestandenen Mittel, ihre offenen Verbindlichkeiten und die von ihr geleiteten Zahlungen enthält (). In die Liquiditätsrechnung sind jedenfalls die gesamte Einnahmesituation (), die gesamte Liquiditätssituation (), die freiwillig geleisteten Zahlungen (), die im Wege der Exekution entrichteten Beträge (), die Zahlungen, die zur Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebes erforderlich sind (wie etwas "Zug-um-Zug Geschäfte"; ; , 2006/15/0073) sowie die von der Gesellschaft getätigten "systemerhaltenden" Ausgaben (), einzubeziehen.

In ihren Eingaben führt der Beschwerdeführerin zwar (beigelegte) Kontoauszüge ins Treffen, die einen erheblichen Rückstand ausweisen, gleichzeitig war es ihr aber nach eigenen Angaben möglich Zug-um-Zug Geschäfte zu tätigen und so beispielsweise den Rechtsanwalt zu bezahlen. Ob Gläubiger mit den getätigten Überweisungen zur Gänze oder nur anteilig befriedigt wurden, ist aus diesen Ausführungen und Anlagen nicht zu erkennen (vgl. zB ).

Insgesamt gesehen gelangt das Bundesfinanzgericht daher zur Ansicht, dass die Uneinbringlichkeit der in der Haftung verbliebenen Abgaben bei der Primärschuldnerin auf ein schuldhaftes Verhalten der Beschwerdeführerin zurückzuführen ist. Als schuldhaft gilt jede Form des Verschuldens, somit auch leichte Fahrlässigkeit (vgl. ). Die Beschwerdeführerin konnte mit ihrem Vorbringen nicht dartun, weshalb sie nicht dafür Sorge tragen konnte, dass die Gesellschaft die anfallenden Abgaben rechtzeitig entrichtete, weshalb eine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen werden darf.

3.1.2.4. Kausalität

Im Fall des Vorliegens einer schuldhaften Pflichtverletzung spricht nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine Vermutung für die Verursachung der Uneinbringlichkeit der Abgaben durch die Pflichtverletzung und den Rechtswidrigkeitszusammenhang. Die Pflichtverletzung ist demnach kausal für die Uneinbringlichkeit ().

3.1.2.5. Ermessen

Nach Lehre und Rechtsprechung ist die Heranziehung zur Haftung in das Ermessen der Abgabenbehörde gestellt, wobei die Ermessensentscheidung im Sinne des § 20 BAO innerhalb der vom Gesetz gezogenen Grenzen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen ist. Dem Gesetzesbegriff "Billigkeit" ist dabei die Bedeutung "berechtigte Interessen der Partei", dem Gesetzesbegriff "Zweckmäßigkeit" die Bedeutung "öffentliches Anliegen an der Einbringung der Abgaben" beizumessen.

Wesentliches Ermessenskriterium ist die Vermeidung eines endgültigen Abgabenausfalls. Aus dem auf die Hereinbringung der Abgabenschuld beim Haftenden gerichteten Besicherungszweck der Haftung folgt, dass die Geltendmachung der Haftung in der Regel ermessenskonform ist, wenn die betreffende Abgabe beim Primärschuldner uneinbringlich ist ().

Von der Beschwerdeführerin wurde nicht aufgezeigt, dass die Haftung wegen ihrer persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse nicht geltend gemacht werden dürfe. Eine allfällige Vermögenslosigkeit oder das Fehlen von Einkünften des Haftungspflichtigen stünde im Übrigen der Geltendmachung der Haftung nicht entgegen (vgl. zB mwN).

Ein langer Zeitabstand zwischen dem Entstehen der Abgabenschuld oder der Feststellung der Uneinbringlichkeit der Abgaben bei der Primärschuldnerin einerseits und der bescheidmäßigen Inanspruchnahme zur Haftung anderseits ist nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ein Umstand, der bei der Inanspruchnahme zur Haftung im Sinne des Ermessens nicht außer Betracht gelassen werden darf. Ein solcher Umstand kann jedoch auch lediglich einer von mehreren Gesichtspunkten sein, die im Rahmen des Ermessens zu berücksichtigen sind. Inwieweit dieser Gesichtspunkt beim Ermessen Berücksichtigung findet, hängt vom Einzelfall ab (vgl. zuletzt , mwN).

Im vorliegenden Fall wurden mit Haftungsbescheid vom Abgaben für Zeiträume ab Dezember 2014 geltend gemacht, wobei nach dem bisher Ausgeführten nur mehr Zeiträume ab August 2015 in der Haftung verbleiben. Über die Primärschuldnerin wurde das Konkursverfahren am eröffnet; dieser Konkurs wurde am nach Schlussverteilung aufgehoben worden. Ein im Rahmen des Ermessens zu berücksichtigender langer Zeitabstand zwischen dem Entstehen der Abgabenschuld (oder der Feststellung der Uneinbringlichkeit) und der Inanspruchnahme zur Haftung liegt damit hier nicht vor.

Sonstige Gründe, die eine Ermessensübung zugunsten des Beschwerdeführers bewirken könnten, sind nicht hervorgekommen.

3.1.3. Ergebnis

Der Beschwerde ist aus den dargelegten Gründen teilweise stattzugeben und die Haftung auf die im Spruch genannten Abgaben und Beträge einzuschränken.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Unzulässigkeit der Revision)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer Rechtsprechung (siehe dazu die unter 3.1. dargestellte Rechtsprechung, der die Entscheidung folgt); weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

Wien, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 80 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 9 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 216 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 20 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.7101728.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at