Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 20.01.2021, RV/7104570/2016

Gebühr gemäß § 24a VwGG und Gebührenerhöhung - Nichtfestsetzung gemäß § 206 Abs. 1 lit.b BAO

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Diana Sammer in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel (nunmehr Finanzamt Österreich - Dienststelle Sonderzuständigkeiten) vom betreffend Gebühren 2015, ErfNr. ***1***, gemäß § 9 Abs. 1 GebG zu Recht erkannt:

  • Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben. Die sich aus den angefochtenen Bescheiden ergebende Gebühr und die Gebührenerhöhung werden gemäß § 206 Abs. 1 lit. b BAO nicht festgesetzt.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

1. Amtlicher Befund

Mit Schreiben vom wurde ***Bf*** (in der Folge kurz Beschwerdeführer) durch das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich aufgefordert die ausstehende Gebühr betreffend der Eingabe beim Verwaltungsgerichtshof (außerordentliche Revision gegen den Beschluss des LVwG Niederösterreich vom , Zl. ***2***) zu entrichten, andernfalls das Finanzamt für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel über die Nichtentrichtung in Kenntnis gesetzt werde.

2. Gebührenbescheid und Bescheid über Gebührenerhöhung

Aufgrund der Nichtentrichtung erfolgte eine Mitteilung an die belangte Behörde und erließ das Finanzamt in der Folge am gegenüber dem Beschwerdeführer unter der ErfNr. ***1*** einen Gebührenbescheid sowie einen Bescheid über eine Gebührenerhöhung mit dem Betreff "Außerordentliche Revision vom gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgericht Niederösterreich vom zur Zl. ***2***, eingebracht beim Verwaltungsgerichtshof zur Zl. ***3***". Es setzte im Zusammenhang mit der angeführten Schrift

1. eine Gebühr gemäß § 24a Verwaltungsgerichtshofgesetz in Höhe von € 240,00 und

2. eine Gebührenerhöhung gemäß § 9 Abs. 1 GebG in Höhe von € 120,00 (50% der nicht entrichteten Gebühr) fest.

Die Bescheide enthielten folgende Begründungen:

1.Gebührenbescheid:

"Die Festsetzung erfolgt, weil die Gebühr nicht vorschriftsmäßig entrichtet wurde. Zur Entrichtung der festen Gebühren ist derjenige verpflichtet, in dessen Interesse Eingaben bzw. Beilagen eingebracht oder Protokolle verfasst werden oder amtliche Ausfertigungen oder amtliche Zeugnisse ausgestellt werden (§ 13 Abs. 1 Z 1 u. 2 GebG)"

2.Bescheid über eine Gebührenerhöhung:

"Wird eine feste Gebühr, die nicht vorschriftsmäßig entrichtet wurde, mit Bescheid festgesetzt, so ist eine Gebührenerhöhung im Ausmaß von 50 vH der verkürzten Gebühr zu erheben."

3. Beschwerde

Mit Anbringen vom erhob der Beschwerdeführer Beschwerde gegen den Gebührenbescheid und Bescheid betreffend Gebührenerhöhung und führte aus, dass er aufgrund der Tatsache, dass er Sozialhilfeempfänger und nunmehr Invaliditätspensionist sei, gebührenbefreit sei. Zudem habe es sich nicht um eine ausserordentliche Revision, sondern um eine ausserordentliche Beschwerde gegen die Ablehnung des Antrages auf einen Verfahrenshelfer gehandelt und sei diese wegen Versäumung der Einbringungsfrist zurückgewiesen worden.

4. Beschwerdevorentscheidung

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde vom als unbegründet abgewiesen. Begründend führte das Finanzamt aus:

"Der Beschwerdeführer hat mit Schriftsatz vom gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichtes NÖ, Außenstelle Wiener Neustadt eine außerordentliche Revision erhoben. Gemäß § 24a VwGG ist für Revisionen eine Eingabengebühr in Höhe von € 240,00 zu entrichten. Die Gebührenschuld entsteht im Zeitpunkt der Überreichung der Eingabe. Die Gebühr ist unter Angabe des Verwendungszwecks durch Überweisung auf ein entsprechendes Konto des Finanzamtes für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel zu entrichten. Die Entrichtung der Gebühr ist durch einen von einer Post-Geschäftsstelle oder einem Kreditinstitut bestätigten Zahlungsbeleg in Urschrift nachzuweisen. Dieser Beleg ist der Eingabe anzuschließen. Für die Erhebung der Gebühr ist das Finanzamt für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel zuständig. Im Übrigen sind auf die Gebühr die Bestimmungen des Gebührengesetzes 1957 über Eingaben anzuwenden.

Organe der Gebietskörperschaften sind verpflichtet, die bei Ihnen anfallenden Schriften und Amtshandlungen auf die Einhaltung der Vorschriften des GebG zu überprüfen. Stellen sie eine Verletzung der Gebührenvorschriften fest, haben sie darüber einen Befund aufzunehmen und diesen dem Finanzamt für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel zu übersenden (§ 34 GebG).

Die Gebührenschuld ist unabhängig davon, ob oder wie der Gerichtshof eine Eingabe behandelt.

Die Festsetzung der Erhöhung gemäß § 9 Abs. 1 GebG stellt eine verschuldensunabhängige Rechtsfolge einer nicht vorschriftsmäßig entrichteten Gebühr dar.

Da im gegenständlichen Fall die Gebühr nicht entrichtet wurde, erfolgte die Festsetzung mit Bescheid zu Recht.

Die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen."

5. Vorlageantrag

Mit Anbringen vom stellte der Beschwerdeführer den Antrag auf Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht. Er brachte ergänzend vor, dass sein sogenanntes außerordentliches Rechtsmittel ohne der erforderlichen Rechtsanwaltsunterschrift durch ihn eingebracht worden sei und zudem der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt habe, dass diese "Revision" verspätet eingelangt sei, weshalb sie "auch überhaupt nicht auch "nur" ein allereinzigstestestestestes Male ebendort "behandelt"; "verhandelt" und/oder dergl. wurde." Der Beschwerdeführer beatragte von der sogenannten Gebührenforderung Abstand zu nehmen, allein schon im Hinblick auf seine mehr oder weniger "finanzielle Notlage" und damaliger fehlender Rechtsanwaltsunterschrift.

6. Vorlagebericht des Finanzamtes und Stellungnahme zur Nachreichung des Schreibens vom

Die Beschwerde wurde dem Bundesfinanzgericht am zur Entscheidung übermittelt.

Mit Schreiben vom wurde durch die belangte Behörde ein Schreiben des Beschwerdeführers vom sowie eine Kopie des Schreibens vom übermittelt. Zu den dort enthaltenen Ausführungen des Beschwerdeführers brachte das Finanzamt vor, dass es sich bei dem in der Beschwerdevorlage im Sachverhalt angeführten Beschlussdatum um ein Tippfehler gehandelt habe. Hinsichtlich des Schreibens des Beschwerdeführers vom , welches unter Betreff "Zahlungsaufforderung v. " und "Devolutionsantrag" (gemeint wohl Vorlageantrag) anführt, sei dieses Schreiben als Nachsichtansuchen gewertet und dem zuständigen Team zugeteilt worden. Zudem habe die belangte Behörde mit dem vom Beschwerdeführer genannten Rechtsanwalt telefonisch Kontakt aufgenommen. Es habe eine einmalige Rechtsberatung in der Kanzlei gegeben, ein aufrechtes Vollmachtsverhältnis bestehe jedoch nicht.

Die belangte Behörde führte zudem aus, dass, wenn eine Revision ohne die erforderliche Unterfertigung durch einen Rechtsanwalt/ einer Rechtsanwältin eingebracht werde, dennoch die Gebührenschuld entstehe; die fehlende Unterschrift stelle nur einen gem. § 34 Abs. 2 VwGG verbesserungsfähigen Mangel dar.

Der nunmehr zur Entscheidung zuständigen Gerichtsabteilung wurde die Rechtssache aufgrund der Verfügung des GV-Ausschusses vom zugeteilt.

7. Vorhalt vom

Da dem Bundesfinanzgericht aufgrund einer Abfrage des Zentralen Melderegisters bekannt wurde, dass der Beschwerdeführer zwischenzeitlich verstarb, wurde mit Beschluss vom die ***Bf1*** ersucht, bekannt zu geben, ob das Verlassenschaftsverfahren bereits abgeschlossen sei und ob der/die Erben (im Sinne des § 19 BAO) beabsichtigt/beabsichtigen, das Verfahren fortzuführen oder die Beschwerde zurückzuziehen.

8. Beschluss Verlassenschaftssache des BG Neunkirchen

Nach telefonischer Kontaktaufnahme durch die Mutter des verstorbenen Beschwerdeführers, Frau Gertrud Dörfl, mit der zuständigen Richterin, übermittelte diese dem BFG ein am eingelangtes Schreiben, mit welchem sie um Zurückziehung der Beschwerde ersuchte. Zudem übersandte sie den Beschluss des Bezirksgerichtes Neunkirchen, Zl. ***4*** vom , wonach die ***Bf1*** überschuldet ist. Gemäß § 154 AußStrG erfolgte eine Überlassung an Zahlungs statt an die Mutter, Frau Gertrud Dörfl. Die Voraussetzungen dafür waren laut Begründung deshalb gegeben, da weder eine unbedingte Erbantrittserklärung, noch ein Antrag auf Überlassung der Verlassenschaft als erblos vorlag, noch ein Insolvenzverfahren eröffnet worden war.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Aufgrund einer beim VwGH gegen einen Beschluss des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich eingebrachten außerordentlichen Revision, bei welcher die Eingabegebühr nicht entrichtet wurde, erfolgte ein Befund an das Finanzamt für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel, welches einen Bescheid betreffend Eingabengebühr und Gebührenerhöhung erließ.

Die vom Beschwerdeführer beim VwGH eingebrachte Revision wurde zurückgewiesen, da diese als verspätet anzusehen war.

Die Gebühr bzw. Gebührenerhöhung in Höhe von insgesamt € 360,00 wurden vom Beschwerdeführer nicht entrichtet und ist dieser Betrag fällig und in Vollstreckung.

Der Beschwerdeführer verstarb am ; mit Beschluss des Bezirksgerichtes Neunkirchen vom , Zl. ***4***, wurde die Verlassenschaft für überschuldet erklärt. Es erfolgte keine unbedingte Erbantrittserklärung.

2. Beweiswürdigung

Die Sachverhaltsfeststellungen sowie der dargestellte Verfahrensablauf ergeben sich aus dem dem Bundesfinanzgericht von der belangten Behörde elektronisch vorgelegten Bemessungsakt, ErfNr. ***1*** sowie durch Einsichtnahme in den Beschluss des Bezirksgerichtes Neunkirchen vom , Zl. ***4***, weshalb diese als erwiesen angenommen werden.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abänderung)

Rechtslage und Erwägungen

  • Zur Gebühr und Gebührenerhöhung

§ 24a VwGG lautet in der ab anzuwendenden Fassung des Verwaltungsgerichtsbarkeits-Ausführungsgesetzes 2013, BGBl. I Nr. 33/2013 auszugsweise wie folgt:

Für Revisionen, Fristsetzungsanträge und Anträge auf Wiederaufnahme des Verfahrens und auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand einschließlich der Beilagen ist nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen eine Eingabengebühr zu entrichten:

1. Die Gebühr beträgt 240 Euro. ...

2…..

3. Die Gebührenschuld entsteht im Zeitpunkt der Überreichung der Eingabe oder, wenn diese im Weg des elektronischen Rechtsverkehrs eingebracht wird, mit dem Zeitpunkt der Einbringung beim Verwaltungsgerichtshof gemäß § 75 Abs. 1. Die Gebühr wird mit diesem Zeitpunkt fällig.

4. Die Gebühr ist unter Angabe des Verwendungszwecks durch Überweisung auf ein entsprechendes Konto des Finanzamtes für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel zu entrichten. Die Entrichtung der Gebühr ist durch einen von einer Post-Geschäftsstelle oder einem Kreditinstitut bestätigten Zahlungsbeleg in Urschrift nachzuweisen. Dieser Beleg ist der Eingabe anzuschließen. Die Einlaufstelle des Verwaltungsgerichtes oder des Verwaltungsgerichtshofes hat den Beleg dem Revisionswerber (Antragsteller) auf Verlangen zurückzustellen, zuvor darauf einen deutlichen Sichtvermerk anzubringen und auf der im Akt verbleibenden Ausfertigung der Eingabe zu bestätigen, dass die Gebührenentrichtung durch Vorlage des Zahlungsbeleges nachgewiesen wurde. Für jede Eingabe ist die Vorlage eines gesonderten Beleges erforderlich. Rechtsanwälte (Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer) können die Entrichtung der Gebühr auch durch einen schriftlichen Beleg des spätestens zugleich mit der Eingabe weiterzuleitenden Überweisungsauftrages nachweisen, wenn sie darauf mit Datum und Unterschrift bestätigen, dass der Überweisungsauftrag unter einem unwiderruflich erteilt wird.

5. Wird eine Eingabe im Weg des elektronischen Rechtsverkehrs eingebracht, so ist die Gebühr durch Abbuchung und Einziehung zu entrichten. ....

6. Für die Erhebung der Gebühr (Z 4 und 5) ist das Finanzamt für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel zuständig.

7. Im Übrigen sind auf die Gebühr die Bestimmungen des Gebührengesetzes 1957, BGBl. Nr. 267/1957, über Eingaben mit Ausnahme der §§ 11 Z 1 und 14 anzuwenden.

Nach dieser Bestimmung ist für beim Verwaltungsgerichtshof eingebrachte Revisionen spätestens im Zeitpunkt der Überreichung eine Gebühr in der Höhe von 240,00 Euro zu entrichten.

Nach dem Inhalt der Eingabe handelt es sich - wie im Sachverhalt ausgeführt und auch wenn der Beschwerdeführer diese Eingabe selbst als Beschwerde bezeichnet- jedenfalls um eine Revision.

Die Gebührenschuld entsteht mit der Überreichung der Beschwerde (nun mehr Revision) bzw. des Antrages. Unter Überreichung ist das Einlangen derselben beim Gerichtshof zu verstehen (; , 99/16/0118; , 99/16/0182).

Mit dem Einlangen der Beschwerde (nun mehr Revision) beim VwGH ist der gebührenpflichtige Tatbestand iSd § 24 Abs.3 VwGG (nun 24a VwGG) erfüllt (). Gegenständliche Beschwerde ist am beim Verwaltungsgerichtshof eingelangt; somit ist die Gebührenschuld am entstanden.

Wie der Verwaltungsgerichtshof letztendlich mit der Revision verfährt, ist auf das Entstehen der Gebührenschuld ohne Einfluss.

Das bedeutet für vorliegenden Fall, dass die Tatsache, dass der VwGH das Verfahren wegen Versäumung der Einbringungsfrist eingestellt hat, nichts an der bereits entstandenen Gebührenpflicht zu ändern vermag.

Eine feste Gebühr wird dann nicht vorschriftsmäßig entrichtet, wenn sie im Zeitpunkt des Entstehens der Gebührenschuld oder innerhalb der von der Behörde eingeräumten Zahlungsfrist nicht auf eine der gesetzlich zulässigen Arten gemäß § 3 Abs. 3 GebG bezahlt wurde (vgl. Fellner, Stempel- und Rechtsgebühren10, Rz7 zu § 9 GebG; vgl. auch ).

Da die Gebühr im Sinne des § 203 BAO nicht vorschriftsmäßig entrichtet wurde, lag damit die Voraussetzung für die Erlassung eines Abgabenbescheides durch die belangte Behörde vor. Akzessorisch dazu tritt die Gebührenerhöhung gemäß § 9 Abs. 1 GebG im Ausmaß von 50 vH der verkürzten Gebühr.

  • Zur Gesamtrechtsnachfolge:

§ 154 Abs. 1 AußStrG lautet:

Ist auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen österreichisches Recht anzuwenden, so hat das Gericht die Aktiven einer überschuldeten Verlassenschaft auf Antrag den Gläubigern zu überlassen, wenn nicht schon eine unbedingte Erbantrittserklärung oder ein Antrag auf Überlassung als erblos vorliegt und kein Verlassenschaftsinsolvenzverfahren eröffnet wurde.

§ 19 Abs. 1 BAO lautet:

Bei Gesamtrechtsnachfolge gehen die sich aus Abgabenvorschriften ergebenden Rechte und Pflichten des Rechtsvorgängers auf den Rechtsnachfolger über. Für den Umfang der Inanspruchnahme des Rechtsnachfolgers gelten die Bestimmungen des bürgerlichen Rechtes.

Bei der sog "Abtuung armutshalber" (§ 153 AußStrG) sowie bei der Überlassung des Nachlassvermögens an Zahlungs Statt (§ 154 AußStrG) unterbleibt eine Einantwortung (daher keine Gesamtrechtsnachfolge); der Zustand der ruhenden Erbschaft dauert fort (, SZ 59/13; zu § 73 AußStrG, , EvBl 1993/112). Bei Überlassung an Zahlungs Statt tritt für die betreffenden Vermögensobjekte Singularsukzession ein (, JBl 1995, 53); sie begründet wirtschaftliches Eigentum iSd § 24 Abs 1 lit d (). (Ritz, BAO 6, § 19, Rz 13)

In solchen Fällen werden vielfach die Voraussetzungen des § 206 lit b BAO für die Abstandnahme von einer den verstorbenen Abgabepflichtigen betreffenden, eine Nachforderung auslösenden Abgabenfestsetzung gegeben sein; eine Antragstellung auf Kuratorbestellung (§ 82 Abs 1 und 2 BAO) dürfte sich wohl nur in den seltensten Fällen als notwendig erweisen. (BAO Kommentar Ellinger/Iro/Kramer/Sutter/Urtz, § 19 Rz 9).

Im gegenständlichen Fall wurde der Nachlass gemäß § 154 AußStrG für überschuldet erklärt und das Nachlassvermögen an Zahlungs Statt an die Mutter des Beschwerdeführers überlassen.

Mangels Einantwortung ist im gegenständlichen Fall kein Rechtsnachfolger im Sinne des § 19 BAO vorhanden.

  • Zur Nicht - Durchsetzbarkeit des Abgabenanspruches

§ 206 Abs. 1 lit. b BAO lautet:

Die Abgabenbehörde kann von der Festsetzung von Abgaben ganz oder teilweise Abstand nehmen, soweit im Einzelfall auf Grund der der Abgabenbehörde zur Verfügung stehende Unterlagen und der durchgeführten Erhebungen mit Bestimmtheit anzunehmen ist, dass der Abgabenanspruch gegenüber dem Abgabenschuldner nicht durchsetzbar sein wird.

Maßnahmen nach § 206 liegen im Ermessen der für die Abgabenfestsetzung zuständigen Abgabenbehörde bzw der Verwaltungsgerichte (vgl zB ; -F/08).

Die gem den §§ 263 Abs 1 und § 279 Abs 1 (jeweils idF FV wGG 2012) bestehende Befugnis, Abgabenbescheide abzuändern, umfasst auch die Abänderung in einem auf § 206 gestützten "Nichtfestsetzungsbescheid". Dies gilt auch für meritorische Erledigungen von Bescheidbeschwerden (vgl zB ; , RV/0236-L/07; ErlRV 2007 BlgNR 24. GP, 16; Fischerlehner, Abgabenverfahren 2, § 206 Anm 1; Richtlinien zu Beschwerdevorentscheidungen, Abschn 3.3; ).

§ 206 ermöglicht die gänzliche oder teilweise Abstandnahme von der erstmaligen Festsetzung von Abgaben; gilt aber auch für abändernde Bescheide (zB Maßnahmen gem § 295, Beschwerdevorentscheidungen; vgl zu § 206 idF vor BGBl I 2003/124, BMF, AÖF 1994/96). (Ritz, BAO 6, § 206, Rz 1,2)

Voraussetzung einer Maßnahme nach § 206 Abs 1 lit b ist, dass die Abgabenbehörde/das Verwaltungsgericht Erhebungen zur Uneinbringlichkeit durchführt.

Diese gesamthafte Uneinbringlichkeitsprüfung wurde durch das FVwGG mit dem Einfügen der Wortfolge "gegenüber dem Abgabenschuldner" in § 206 Abs 1 lit b im Sinne einer Entkoppelung von Fragen der "Ersatzeinbringlichkeit" bei Mitschuldnern und Haftenden aufgegeben. Die ErläutRV 2007 BlgNR 24. GP 16) halten zur Novellierung des § 206 durch das FVwGG fest:

"Die Änderungen des § 206 BAO dienen der Verwaltungsökonomie. Nach § 206 Abs 1 lit b BAO ermöglichen sie eine Abstandnahme von der Abgabenfestsetzung gegenüber der/m Abgabepflichtigen unabhängig davon, ob für die betroffenen Abgaben persönliche Haftungen in Betracht kommen. Dies gilt auch für in Beschwerdevorentscheidungen und in Erkenntnissen der Verwaltungsgerichte vorgenommene Abstandnahmen. […]"(BAO Kommentar Ellinger/Iro/Kramer/Sutter/Urtz § 206, Rz 12)

Unabhängig von der Rechtmäßigkeit der Abgabenfestsetzung ist im gegenständlichen Verfahren hervorgekommen, dass der Abgabenanspruch gegenüber dem Beschwerdeführer nicht durchgesetzt werden kann.

Wie die ho. Erhebungen ergeben haben, wurde nach dem Tod des Beschwerdeführers die Verlassenschaft an Zahlungs statt überlassen. Da sohin keine Einantwortung erfolgte, ist eine Gesamtrechtsnachfolge nicht gegeben, die Beschwerde konnte damit auch durch die Mutter des Beschwerdeführers nicht zurückgezogen werden. Es verbleibt der ruhende Nachlass. Aufgrund der durch das Verlassenschaftsgericht festgestellten Überschuldung der Verlassenschaft im Sinne des § 154 AußStrG besteht keine Aussicht darauf den Abgabenanspruch durchzusetzen.

Somit sind die Voraussetzungen des § 206 lit. b BAO erfüllt.

Im gegenständlichen Fall ist daher ohne berechtigten Zweifel von einer gänzlichen Uneinbringlichkeit der beschwerdegegenständlichen Abgaben auszugehen, sodass von einer Festsetzung derselben gemäß § 206 Abs. 2 BAO Abstand zu nehmen war.

Maßnahmen gemäß § 206 BAO liegen im Ermessen der für die Abgabenfestsetzung zuständigen Abgabenbehörde bzw der Verwaltungsgerichte (Ritz, BAO 6, § 206 Rz 1).

Nach § 20 BAO müssen sich Entscheidungen, die die Abgabenbehörden nach ihrem Ermessen zu treffen haben, in den Grenzen halten, die das Gesetz dem Ermessen zieht. Innerhalb dieser Grenzen sind Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen. Die maßgebenden Kriterien für die Übung des Ermessens ergeben sich primär aus dem das Ermessen einräumenden Bestimmung. Billigkeit bedeutet die Angemessenheit in Bezug auf berechtigte Interessen der Partei.

Zweckmäßigkeit berücksichtigt das öffentliche Interesse an der Einbringung, aber auch das Interesse an der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit der Vollziehung.

Dazu gehört auch die Berücksichtigung der Verwaltungsökonomie (Ritz, BAO 6, § 20 Rz 7).

Angesichts der im gegenständlichen Fall aufgezeigten fehlenden Einbringungsmöglichkeit, war es dem Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit der Verwaltungsführung entsprechend geboten, mit der Abstandnahme von der Festsetzung vorzugehen, da der mit dem Umfang des durchzuführenden Beschwerdeverfahrens verbundene Verwaltungsaufwand nicht mehr verhältnismäßig ist.

Zu beachten ist in diesem Zusammenhang, dass der Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung dem nicht entgegensteht: Durch die Abstandnahme von der Abgabenfestsetzung wird der gesetzliche Abgabenanspruch als solches nicht "vernichtet", sondern es wird lediglich - wegen Uneinbringlichkeit - auf seine Durchsetzung gegenüber dem Bf verzichtet (; ).

Vor dem Hintergrund dieser Ausführungen war daher von einer Festsetzung der Abgaben entsprechend der Bestimmung des § 206 Abs. 1 lit b BAO Abstand zu nehmen.

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Soweit Rechtsfragen für die hier zu klärenden Fragen entscheidungserheblich sind, sind sie durch höchstgerichtliche Rechtsprechung ausreichend geklärt, nicht von grundsätzlicher Bedeutung oder die Auslegung des Gesetzes unstrittig. Die getroffene Entscheidung folgt der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes.

Wien, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 9 Abs. 1 GebG, Gebührengesetz 1957, BGBl. Nr. 267/1957
§ 206 Abs. 1 lit. b BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 203 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 19 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 3 Abs. 3 GebG, Gebührengesetz 1957, BGBl. Nr. 267/1957
§ 20 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 24a VwGG, Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, BGBl. Nr. 10/1985
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.7104570.2016

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at