Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 12.01.2021, RV/7104915/2020

Geschäftsführerhaftung, Aufbewahrungspflicht, lange verstrichene Zeit

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***R*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 8/16/17 vom betreffend Haftung gemäß §§9 und 80 BAO, Steuernummer ***StNr***, zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird - ersatzlos - aufgehoben.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Mit Bescheid vom wurde der Beschwerdeführer als ehemaliger Geschäftsführer der Firma***Fa1*** i. Liqu. für deren aushaftenden Abgabenschuldigkeiten an Umsatzsteuer 2008 in Höhe von € 5.200,00 Euro gemäß §§ 9 und 80 BAO zur Haftung herangezogen.

Zur Begründung wurde ausgeführt, dass gemäß § 80 Abs. 1 BAO die zur Vertretung juristischer Personen Berufenen alle Pflichten zu erfüllen hätten, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet würden.

Der wirksam bestellte Vertreter einer juristischen Person, der die Abgaben der juristischen Person nicht entrichtet habe, hafte für diese Abgaben, wenn sie bei der juristischen Person nicht eingebracht werden können und er nicht beweise, dass die Abgaben ohne sein Verschulden nicht entrichtet hätten werden können.

Der Bf. sei von ***Datum1*** bis ***Datum2*** Geschäftsführer der Firma ***Fa1*** i. Liqu., also einer juristischen Person, und daher gemäß § 18 GmbHG zu deren Vertretung berufen gewesen. Er sei somit auch verpflichtet gewesen, die Abgaben aus deren Mitteln zu bezahlen.

In der dagegen mit Schriftsatz vom (nach Verlängerung der Beschwerdefrist) eingebrachten Bescheidbeschwerde führte der Beschwerdeführer aus, dass er laut Versicherungsdatenauszug vom ***Datum3*** bis ***Datum4*** bei der ***Fa1*** als Angestellter tätig gewesen sei. Am ***Datum5***, mit Anmeldefrist ***Datum6***, sei sein Schuldenregulierungsverfahren eröffnet worden, vertreten durch Dr. ***1*** und Treuhänderin Fr. Mag. ***2***. Das Abschöpfungsverfahren habe im Herbst 2018 mit der Gesamtschuldbefreiung geendet. Bis zum Tag des Erhalts des Haftungsbescheids am seien weder seine Treuhänderin noch der Bf. über die aushaftende Umsatzsteuer aus dem Jahre 2008 informiert worden.

Daher erhebe er gegen den Haftungsbescheid Einspruch.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies die belangte Behörde die Beschwerde ab und führte zur Begründung aus, dass der Umsatzsteuerbescheid 2008 am ausgefertigt (siehe Beilage Haftungsbescheid) und die dagegen gerichtete Beschwerde am als gegenstandslos erklärt worden sei. Die Abgabe sei somit im Rechtsbestand. Die Haftungsschuld hätte im Schuldenregulierungsverfahren 2010 somit nicht angemeldet werden können. Die Haftung bleibe daher aufrecht.

Gegen diese Beschwerdevorentscheidung brachte der Bf. mit Schriftsatz vom einen Vorlageantrag ein und führte aus, dass der dem Haftungsbescheid zu Grunde liegende Umsatzsteuerbescheid gegen die ***Fa1*** in Liqu. das Jahr 2008 betreffe. Seine mit dem angefochtenen Bescheid ausgesprochene Haftung sei daher in dem im Jahr 2010 eröffneten Schuldenregulierungsverfahren eine Konkursforderung.

Für Konkursforderungen, auch wenn sie nach Eröffnung eines Schuldenregulierungsverfahrens noch vor Ende des Beschlusses, mit dem die Restschuldbefreiung erteilt werde, hervorkommen, bestimme § 207 IO, dass diese dem Treuhänder (diesfalls der Treuhänderin RA Mag. ***2***) anzuzeigen seien, widrigenfalls sie bei der Verteilung nicht berücksichtigt würden.

Spätestens durch Eintritt der Rechtskraft des Beschlusses, mit dem die Restschuldbefreiung erteilt werde, sei die Forderung erloschen.

Das den Haftungsbescheid erlassende Finanzamt sei in Kenntnis seiner finanziellen Situation. Der Bf. beziehe Notstandshilfe. Im Übrigen hätte es nicht zur Erlassung des Haftungsbescheides kommen dürfen - die IO spreche von feststehenden Forderungen. In eventu wäre bei entsprechendem Vorgehen des Finanzamtes die Forderung wie auch andere Forderungen bei der Verteilung berücksichtigt worden. Letztlich erstrecke sich die Restschuldbefreiung auf diese Forderung, womit ein von vornherein unzulässiger Versuch der Einbringlichmachung eine Schikane wäre.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Nach § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Der Bf. bringt vor, dass die Heranziehung zur Haftung rechtswidrig sei, da am ***Datum5*** über ihn ein Schuldenregulierungsverfahren eröffnet und am ein Abschöpfungsverfahren eingeleitet worden sei, das im Herbst 2018 mit einer Restschuldbefreiung geendet habe.

Dem ist entgegenzuhalten, dass der Haftungsbescheid dem Haftenden gegenüber insoweit konstitutive Wirkung, als er erst hiedurch zum Gesamtschuldner wird (vgl. und vom , 89/14/0298).

In das Schuldenregulierungsverfahren und Abschöpfungsverfahren fallen grundsätzlich nur solche vermögensrechtliche Ansprüche gegen den Gemeinschuldner, die im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung schon bestanden haben.

Die Einwendung des Bf. zeigt somit keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

Voraussetzung für die Haftung sind eine Abgabenschuld gegen den Vertretenen, die Stellung als Vertreter, die Uneinbringlichkeit der Abgabenforderung, eine Pflichtverletzung des Vertreters, dessen Verschulden an der Pflichtverletzung und die Ursächlichkeit der Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit.

I.) Vorliegen einer Abgabenforderung gegen den Vertretenen:

Gemäß der vorliegenden Kontoabfrage haftet die haftungsgegenständliche Abgabenschuldigkeit am Abgabenkonto der Firma unberichtigt aus.

II.) Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgabenschuldigkeiten bei der Primärschuldnerin

Gemäß dem vorliegenden Firmenbuchauszug wurde die Firma ***Fa1***am***Datum7***aufgelöst und mit ***Datum8*** gemäß § 40 FBG infolge Vermögenslosigkeit gelöscht.

Die haftungsgegenständliche Umsatzsteuer 2008 ist daher bei der Firma uneinbringlich.

III.) Stellung des Bf. als Vertreter

Laut Firmenbuchauszug vertrat der Bf. ab ***Datum1*** als handelsrechtlicher Geschäftsführer. Mit Gesellschafterbeschluss vom ***Datum9*** wurde der Bf. als Geschäftsführer abberufen, wodurch seine Vertretertätigkeit beendet wurde.

Der Bf. zählt somit zum Kreis der im § 80 Abs. 1 BAO genannten gesetzlichen Vertreter juristischer Personen, welche - bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen - gemäß § 9 BAO zur Haftung herangezogen werden können.

IV.) schuldhafte Pflichtverletzung des Bf. als Geschäftsführer und Kausalzusammenhang

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Vertreter darzutun, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten unmöglich gewesen sei, widrigenfalls die Abgabenbehörde eine schuldhafte Verletzung im Sinne des § 9 Abs. 1 BAO annehmen darf. Hat der Vertreter schuldhaft seine Pflicht verletzt, für die Abgabenentrichtung aus den Mitteln der Gesellschaft zu sorgen, so darf die Abgabenbehörde davon ausgehen, dass die Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit ursächlich war (vgl. , mwN).

Für die Haftung nach § 9 BAO ist nur die Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten von Bedeutung ().

Zu den abgabenrechtlichen Pflichten gehören (abgesehen von der Abgabenentrichtung) vor allem die Führung gesetzmäßiger Aufzeichnungen (z.B. ) sowie die Offenlegungs- und Wahrheitspflicht ().

Geht einem Haftungsbescheid ein Abgabenbescheid voran, so ist die Behörde daran gebunden und hat sich in der Entscheidung über die Heranziehung zur Haftung grundsätzlich an den Abgabenbescheid zu halten (vgl. , mwN; , 2009/16/0226, VwSlg 8541 F/2010). Die Verschuldensprüfung hat dabei von der objektiven Richtigkeit der Abgabenfestsetzung auszugehen (vgl. ).

Im Haftungsverfahren ist es Aufgabe des Geschäftsführers darzutun, weshalb er nicht dafür Sorge tragen konnte, dass die Gesellschaft die anfallenden Abgaben entrichtet hat, widrigenfalls von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen werden darf. Hat der Geschäftsführer schuldhaft seine Pflicht verletzt, für die Abgabenentrichtungen aus den Mittel der Gesellschaft Sorge zu tragen, so hat die Abgabenbehörde auch davon ausgehen, dass die Pflichtverletzung Ursache für die Uneinbringlichkeit war. Nicht die Abgabenbehörde hat das Ausreichen der Mittel zur Abgabenentrichtung nachzuweisen, sondern der zur Haftung herangezogene Geschäftsführer das Fehlen ausreichender Mittel. Der Geschäftsführer haftet für nicht entrichtete Abgaben der Gesellschaft auch dann, wenn die ihm zur Verfügung stehenden Mittel auf zur Entrichtung aller Verbindlichkeiten der Gesellschaft nicht ausreichen, es sei denn, er weist nach, dass diese Mittel anteilig für die Begleichung aller Verbindlichkeiten verwendet wurden. Widrigenfalls haftet der Geschäftsführung für die in Haftung gezogenen Abgaben zur Gänze ().

Die Haftung erstreckt sich vor allem auf Abgaben, deren Zahlungstermin (zB Fälligkeit) in die Zeit der Vertretungstätigkeit fällt.

Der Zeitpunkt, für den zu beurteilen ist, ob den Vertreter eine Pflicht zur Abgabenentrichtung getroffen hat, bestimmt sich danach, wann die Abgaben nach den abgabenrechtlichen Vorschriften zu entrichten gewesen wären. Bei Selbstbemessungsabgaben ist maßgebend, wann die Abgabe bei ordnungsgemäßer Selbstberechnung abzuführen gewesen wären (vgl. z.B. ).

Bei Selbstbemessungsabgaben (Umsatzsteuer) ist maßgebend, wann die Abgaben bei ordnungsgemäßer Selbstberechnung abzuführen gewesen wären. Maßgebend ist daher der Zeitpunkt ihrer Fälligkeit unabhängig davon, ob bzw. wann die Abgabe festgesetzt wird.

Gemäß § 21 Abs. 1 UStG 94 hat der Unternehmer spätestens am 15.Tag (Fälligkeitstag) des auf den Kalendermonat (Voranmeldungszeitraum) zweitfolgenden Kalendermonats eine Voranmeldung bei dem für die Einhebung der Umsatzsteuer zuständigen Finanzamt einzureichen. in der er die für den Voranmeldungszeitraum zu entrichtende Steuer selbst zu berechnen hat. Der Unternehmer hat eine sich ergebene Vorauszahlung spätestens am Fälligkeitstag zu entrichten.

Gemäß § 21 Abs. 4 UStG wird der Unternehmer nach Ablauf des Kalenderjahres zur Steuer veranlagt. Enden mehrere Veranlagungszeiträume in einem Kalenderjahr (§ 20 Abs. 1 und 3), so sind diese zusammenzufassen. Der Unternehmer hat für das abgelaufene Kalenderjahr eine Steuererklärung abzugeben, die alle in diesem Kalenderjahr endenden Veranlagungszeiträume zu umfassen hat.

Durch eine Nachforderung auf Grund der Veranlagung wird keine von Abs. 1 und 3 abweichende Fälligkeit begründet (§ 21 Abs. 5 UStG).

Die haftungsgegenständlichen Umsatzsteuernachforderung war im Zeitraum der Geschäftsführertätigkeit des Bf. fällig.

Laut Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes obliegt es dem Vertreter auch, entsprechende Beweisvorsorgen - etwa durch das Erstellen und Aufbewahren von Ausdrucken - zu treffen. Dem Vertreter, der fällige Abgaben der Gesellschaft nicht oder nicht zur Gänze entrichten kann, ist schon im Hinblick auf seine mögliche Inanspruchnahme als Haftungspflichtiger zumutbar, jene Informationen zu sichern, die ihm im Fall der Inanspruchnahme als Haftungspflichtiger die Erfüllung der Darlegungspflicht im oben beschriebenen Sinn ermöglichen ().

Allerdings normiert § 132 BAO eine siebenjährige Aufbewahrungspflicht.

Die siebenjährige Aufbewahrungsfrist des § 132 Abs. 1 BAO beginnt für Bücher und Aufzeichnungen mit Schluss des Kalenderjahres, für das die Eintragungen vorgenommen worden sind bzw. für Belege, Geschäftspapiere und sonstige Unterlagen vom Schluss des Kalenderjahres, auf das sie sich beziehen.

Die Aufbewahrungsfrist verlängert sich für Bücher, Aufzeichnungen und hiezu gehörige Belege, solange die Unterlagen für (am Ende der Siebenjahresfrist anhängige) Verfahren, die die Abgabenerhebung betreffen, von Bedeutung sind, wenn in solchen Verfahren diejenigen Parteistellung haben, für die auf Grund von Abgabenvorschriften (z.B. § 125 BAO, § 76 EStG 1988, § 18 Abs. 1 UStG 1994) die Bücher bzw. Aufzeichnungen zu führen waren oder ohne gesetzliche Verpflichtung Bücher geführt wurden.

Der Umsatzsteuerbescheid 2008 erging am , somit nach Beendigung der Geschäftsführertätigkeit des Bf.

Nachdem das Finanzamt vor Ergehen des Haftungsbescheides keine weiteren Schritte gegen den Bf. als möglichem Haftungsschuldner gesetzt hat und der Bf. somit weder Kenntnis des Abgabenbescheides zur Umsatzsteuer 2008 noch von einem diesbezüglichen Beschwerdeverfahren hatte, liegt keine Verlängerung der Aufbewahrungsfrist wegen der Pflicht zur entsprechenden Beweisvorsorge vor.

Da von einem potentiell Haftungspflichtigen nach Ablauf der siebenjährigen Aufbewahrungspflicht im Falle einer späteren Haftungsinanspruchnahme kein Nachweis für die Gleichbehandlung der Verbindlichkeiten gefordert werden kann (vgl. ), war der Beschwerde stattzugeben, da die siebenjährige Aufbewahrungsfrist - Ende des Jahres 2015 - zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides bereits abgelaufen war.

Weiters ist nach ständiger Judikatur des VwGH im Rahmen des Ermessens auch die Unbilligkeit angesichts lange verstrichener Zeit zu berücksichtigen. Ein langer Zeitabstand zwischen dem Entstehen der Abgabenschuld oder der Feststellung der Uneinbringlichkeit der Abgaben bei der Primärschuldnerin einerseits und der bescheidmäßigen Inanspruchnahme zur Haftung andererseits ist zweifellos ein Umstand, den die Abgabenbehörde bei der Inanspruchnahme zur Haftung im Sinne des Ermessens nicht außer Betracht lassen darf (vgl. ; , VwSlg 8363 F/2008).

Anlässlich der Abkehr vom Standpunkt einer personenbezogenen Wirkung von Unterbrechungshandlungen für den Bereich der Einhebungsverjährung und Bekenntnis zur Auffassung der anspruchsbezogenen Wirkung von Unterbrechungshandlungen hat der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom , 91/13/0037, 0038, auch ausgesprochen, dass es umso wichtigere Obliegenheit der behördlichen Ermessensübung bleibe, den jeweiligen Umständen des Einzelfalles in der gebotenen Weise Rechnung zu tragen und aus dieser Beurteilung der Rechtslage, zumal auch hinsichtlich des Elementes der Zumutbarkeit der Heranziehung eines Haftungspflichtigen angesichts lange verstrichener Zeit, resultierende Unbilligkeiten hintanzuhalten.

Daher wurde der Obliegenheit, angesichts lange verstrichener Zeit resultierende Unbilligkeiten hintanzuhalten, in der Folge auch in zahlreichen Entscheidungen des Unabhängigen Finanzsenates (; ; ; ; ) insofern Rechnung getragen, als die Haftung im Rahmen der Ermessensentscheidung aufgehoben wurde.

Die Fälligkeit der vom Haftungsausspruch betroffenen Umsatzsteuer liegt nunmehr beinahe 12 Jahre zurück. Die Uneinbringlichkeit der Umsatzsteuer 2008 bei der Primärschuldnerin stand spätestens im Zeitpunkt der Löschung im Firmenbuch, somit am ***Datum8*** fest. Der Haftungsbescheid erging erst beinahe 3,5 Jahre danach (). Soferne das Finanzamt im Vorlagebericht ausführt, dass vom Unternehmen gegen den Nachforderungsbescheid ein Rechtsmittel eingebracht worden sei, das vom BFG erst am als gegenstandslos erklärt wurde, ist dem entgegenzuhalten, dass eine Heranziehung des Geschäftsführers zur Haftung für Abgabenrückstände auch dann zulässig ist, wenn Bescheide, die die Grundlage für den Haftungsbescheid bilden, noch nicht in Rechtskraft erwachsen sind (vgl. ). Es lag somit kein Grund für das lange Zuwarten bis zur Erlassung des Haftungsbescheides vor.

Im bereits genannten Erkenntnis , 95/15/0173, führt der VwGH aus:

"Kommt hinsichtlich des Haftenden ein Zwangsausgleich zustande und wurden die Tatbestandserfordernisse für die Entstehung des Haftungsanspruches (Uneinbringlichkeit der Abgabenschuld beim Abgabenschuldner und eine schuldhafte, für den eingetretenen Schaden ursächliche Pflichtverletzung des Vertreters) vor der Konkurseröffnung verwirklicht, so entspricht es grundsätzlich der nach § 20 BAO im Rahmen der Ermessensübung zu berücksichtigenden Billigkeit, daß sich die Inanspruchnahme betragsmäßig an der Ausgleichsquote orientiert. In diesem Zusammenhang ist es aber der Behörde nicht verwehrt, in ihren Überlegungen allenfalls den Umstand zu berücksichtigen, daß es ihr im Hinblick auf den späteren Zeitpunkt der Feststellbarkeit der Uneinbringlichkeit (vgl. hiezu z.B. das hg. Erkenntnis vom , 95/16/0077) nicht möglich war, ihre Ansprüche im Insolvenzverfahren zu verfolgen und dabei die entsprechenden Gläubigerrechte (vgl. etwa § 147 KO) wahrzunehmen."

Dies muss auch für das vorliegende Abschöpfungsverfahren gelten.

Ergebnis:

Da beim Bf. nach Ablauf der siebenjährigen Aufbewahrungspflicht kein Nachweis für die Gleichbehandlung der Verbindlichkeiten mehr gefordert werden kann und auch mehrere Billigkeitsgründe im Sinne des § 20 BAO vorliegen, war der Beschwerde stattzugeben und der angefochtene Bescheid aufzuheben.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Das gegenständliche Erkenntnis weicht von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht ab.

Da die Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht erfüllt sind (siehe die in der Begründung zitierten Entscheidungen), ist eine ordentliche Revision nicht zulässig.

Wien, am

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